
Der Nutzen der Konferenz lag in diesem Jahr eher im Networking. Ein Großteil der Themen rund um E-Mobilität hatte mit der täglichen Praxis in der GA nicht viel zu tun. |
Der erste Tag der Konferenz begann mit einer Begrüßung durch den österreichischen Verkehrsminister Norbert Hofer, selbst Pilot, der die Teilnehmer willkommen hieß. André Borschberg, Chairman und Gründer von H55 und bekannter Solar-Impulse-Weltumflieger, erzählte eine halbe Stunde lang von den Erfahrungen mit dem Projekt und setzte damit den Ton für die Konferenz: Mehr hochfliegende Träume als alltägliche Kleinarbeit.
Das Format für die Konferenz bildeten indes die Panels. Gruppen von vier bis acht Teilnehmern, die zu bestimmten Themen kurze Statements abgaben und gelegentlich auch diskutierten. Aus dem Publikum wurden dann via slido.com schriftliche Fragen gestellt. An Live-Fragen aus dem Publikum trauten sich die Organisatoren nur in den seltensten Fällen. Mit Slido konnten die Fragen ausgewählt und durch die anderen Teilnehmer bewertet und so nach oben gepusht werden.
Was wurde bislang erreicht?
Das erste Panel befasste sich denn auch gleich mit einer der drängendsten Fragen vieler Teilnehmer. Wie weit sind wir mit den Vorhaben aus Rom in den letzten vier Jahren vorangekommen? Unter der Moderation von Ian Seager vom Flyer Magazine gingen Julian Scarfe für Europe Air Sports, Michael Erb im Auftrag der IAOPA, Jyrki Paajanen von der EU-Kommission, Tony Rapson (UK CAA), Andreas Winkler (Austro Control) und Boudewijn Deuss der Projektmanager der GA-Roadmap dieser Frage nach.
Und schnell wurde klar: Die EASA nutzt für die Bewertung des bisherigen Fortschritts eine gänzlich andere Metrik als die Branche.
Die Agentur präsentierte eine Folie mit dem Status der 2014 angestoßenen Initiativen. Alles grün oder kurz vor grün. Das Problem dabei: Für die EASA ist ein Vorhaben erfolgreich abgeschlossen, wenn die Opinion für die jeweilige Gesetzesänderung veröffentlicht und an die EU-Kommission übermittelt wurde. Dass viele dieser Initiativen dann teilweise bis zu vier Jahre bei der EU-Kommission verschimmeln und von den dringend notwendigen Erleichterungen, z.B. beim Part-ML oder bei den Änderungen zu den Parts MED und FCL, in der täglichen Praxis nur wenig ankommt, ergibt sich aus den Vorträgen der Agentur nicht unbedingt.
Selbst für kleinste und scheinbar unkritische Änderungen ergeben sich somit Laufzeiten von vier bis sechs Jahren. Die EASA braucht in der Regel zwei bis drei Jahre, um einen NPA (Entwurf) zu erstellen und diesen im Comment-Response-Prozess zur Opinion (Gesetzesvorschlag) weiterzuentwickeln. Einige dieser Entwürfe liegen nun seit drei Jahren bei der EU-Kommission, ohne das irgendetwas Nennenswertes passiert wäre.
Dabei scheint es bei der EU-Kommission keinerlei Abstufung zwischen großen und kleinen Änderungen zu geben. Zwischen kritisch und unkritisch. Alles, was die Implementing Regulations, also die EU-VOs, tangiert, muss auf mehrere Jahre angelegt werden.
Beispiele sind der NPA 2014-29 und die dringend erforderlichen Änderungen im Part-MED.A.030 zu der Frage, wann ein CPL-Holder ein Klasse I Medical benötigt.
Änderungen im Part FCL auf Eis gelegt

Übersicht über den Status der EASA-Opinions (Auszug). Das Problem: Fast alles ist PENDING, nur die wenigsten werden durch die EU-Kommission umgesetzt. Sichtbare Erfolge der 2014 in Rom beschlossenen Roadmap bleiben oft aus. |
Der NPA 2014-29 enthält vergleichsweise harmlose Änderungen und Vereinfachungen im Part-FCL. Er ermöglichst z.B. das Führen eines elektronischen Flugbuchs auch für private Zwecke. Der Entwurf enthält darüber hinaus vor allem Klarstellungen zur Anrechnung von Flugzeiten und Trainingszeiten und würde die unterschiedliche Auslegung dieser Bestimmungen in Europa ein Stück weit eindämmen. All das sind nicht gerade bahnbrechende Veränderungen, sie würden das tägliche Leben aber deutlich erleichtern.
Die Opinion zum NPA wurde dann unter der Nummer 05/2017 im Juni 2017 fertiggestellt. Passiert ist seitdem bei der Kommission nichts. Rein gar nichts. Der Entwurf liegt auf Eis. Genauso wir der Part-ML auf den Flugzeughalter dringend angewiesen sind.
Erleichterungen beim Part-MED blockiert
Sehr viel dramatischere Folgen hat die Unfähigkeit, schlechte Gesetze zu ändern, im Part-MED. Auf das Jahr 2013 und den NPA 2013-15 sowie die RMTs 0287 und 0700 geht ein Vorschlag zurück, der als Opinion 09/2016 im August 2016 veröffentlicht wurde. Es geht neben anderen Änderungen im Part-MED dabei vor allem um die Bestimmungen des MED.A.030 zur Frage, wer wann ein Klasse I Medical benötigt.
Hier hatte die EASA vor nunmehr zweieinhalb Jahren der EU-Kommission eine dringend nötige Änderung vorgeschlagen. MED.A.030 soll wie folgt ergänzt werden:
"When exercising the privileges of a [...] private pilot licence (PPL), a sailplane pilot licence (SPL), or a balloon pilot licence (BPL), the pilot shall hold at least a valid class 2 medical certificate; (...)"
Die erforderliche Medical-Stufe wird also nicht mehr an den Lizenzgrad gekoppelt, sondern an die tatsächlich ausgeübten Rechte. Ein TRI/TRE kann den CPL oder ATPL behalten und weiter lehren und prüfen.
Wenn es irgendeine Änderung im EASA-Regelwerk gibt, die unter Sicherheitsgesichtspunkten unkritisch ist, aber vielen aktiven und erfahrenen Piloten eine weitere berufliche Tätigkeit als Lehrer und Prüfer ermöglicht, dann ist es diese. Jede Woche müssen Piloten in Deutschland ihre Tätigkeit als TRI/TRE aufgeben, weil sie auf ein Klasse II Medical zurückfallen.
Ausgerechnet hier verschleppt die EU-Kommission die erforderliche Gesetzgebung seit zweieinhalb Jahren. Bitterer geht's für die Betroffenen wirklich nicht mehr.
Aus Gründen wie diesem stieß die Vollzugsmeldung der EASA für die erfolgreich abgeschlossenen Projekte auch nur auf verhaltene Zustimmung bei den Teilnehmern in Wien. Viele wichtige Gesetzesänderungen sind noch lange nicht bei den Betroffenen angekommen.
Das fasste auch Julian Scarfe zusammen, indem er dem Panel vorhielt: "Improvement stalled to a crawl."
Zahlreiche Fragen an das erste Panel befassten sich mit der Komplexität der EASA-Regeln. Der Versuch, ein Rulebook mit allen relevanten Bestimmungen für den privaten Motorflug in Europa zu erstellen, war kläglich gescheitert, als die erste Version dieser konsolidierten Regeln auf 1.297 Seiten angewachsen war.
FI-Mangel in Europa
Inzwischen werden die Folgen der verheerenden Gesetzgebung für die Allgemeine Luftfahrt deutlich sichtbar. In Europa herrscht ein dramatischer Mangel an qualifizierten Fluglehrern FI(A) und FI(H). Und das liegt nicht an mangelnder Bezahlung. Wer einen vollen FI, möglichst noch mit CPL- und IR-Lehrberechtigung, in der Tasche hat, der wird auch gut bezahlt. Es gibt aber kaum noch Lehrer auf dem Markt, die eine Stelle suchen. Entweder sind FIs in anderen Branchen oder als Unternehmer tätig und schulen nur, wenn sie Lust haben, oder sie sind in fester Anstellung. Der wachsende Trainingsbedarf kann in Europa daher nicht gedeckt werden.
Das ist eine direkte Folge der EASA-Gesetzgebung, die einen FI von einer Zusatzberechtigung, die man im Verein erwerben konnte, zu einer 30.000-Euro-Ausbildung aufgeblasen hat. Vor allem die Forderung nach der CPL-Theorie scheint ein großes Hindernis zu sein. Hier werden dann gerne Äpfel mit Birnen verglichen, denn die USA und die ICAO fordern für FIs einen CPL.
Der Unterschied ist nur: Als PPL/IR Pilot können Sie den CPL in den USA in zehn Stunden auf einer alten Arrow machen sowie die Theorie in zwei Wochen mit dem Gleim zuhause lernen, und die Prüfung haben Sie dann in drei Stunden bei Ihrem lokalen CATS-Center erledigt. Das Problem ist daher nach Ansicht des Autors nicht die ICAO-Forderung nach dem CPL für Fluglehrer, sondern unsere komplett überfrachtete CPL-Ausbildung!
Aber daran wird sich die EASA nicht herantrauen, vielmehr überlegt die Agentur, die Forderung nach der CPL-Theorie für FIs wieder fallen zu lassen.
Ein Anfang wäre es ja auch wenigstens, den idiotischen Umstand abzuschaffen, dass eine CPL-Theorie, die man für den FI macht, nicht für den Erwerb des CPLs nutzbar ist. Das ist nämlich wirklich irre. Aber hier reden wir halt wieder einmal von der Praxis ...
Neue Möglichkeiten durch die geänderte Grundverordnung
Einen sichtbaren Hoffnungsschimmer konnten die EASA zum Ende der ersten Panels dann aber noch verkünden. Die neue Grundverordnung No. 2018/1139, die die ungeliebte Basic Regulation 216/2008 abgelöst hat, gibt der Agentur auch bei einer fortgesetzten Blockade durch die EU-Kommission mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Verordnung ermöglicht im Unterschied zum Vorgängergesetz einen risikobasierten Ansatz auf Basis einer Deklaration, nicht auf Basis einer Genehmigung. Das im September in Kraft getretene Regelwerk zur DTO ist ein typisches Beispiel. Der Bürger oder Unternehmer deklariert seine Tätigkeit und die Behörde überprüft im Laufe der Zeit die Übereinstimmung mit den Gesetzen. Das senkt vor allem Eintrittshürden. Neben der DTO ist der Bereich der Entwicklungsbetriebe ein Feld, in dem die EASA von diesen Möglichkeiten bereits Gebrauch macht. Hier kann die Agentur zu Recht behaupten, dass sie bemüht ist, die gegebenen Möglichkeiten auszunutzen.
Artikel 62 – endlich ein Rekurs gegen unrichtige Auslegungen der EASA-Vorschriften!
Eine völlig neue Möglichkeit – und eine, die dieses Magazin seit Langem gefordert hat – bieten die Bestimmungen des Artikels 62 Ziffer 11 der neuen Grundverordnung. Denn die unrichtige und uneinheitliche Auslegung der EASA-Vorschriften ist inzwischen zu einem der Hauptprobleme in der täglichen Luftfahrtpraxis in Europa geworden. Wie zu Zeiten der nationalen Gesetzgebung muss man inzwischen bei bestimmten Sachverhalten im Lizenzwesen, Flugbetrieb oder bei Ausbildungen fragen: Geht das in Österreich? Macht das LBA da mit? Hat das BAZL hier weitere Forderungen?
Der Artikel 62 Ziffer 11) der Grundverordnung bietet hier nun ein vorsichtiges Werkzeug, das auch direkt von betroffenen Bürgern genutzt werden kann:
"Jede juristische oder natürliche Person, die dieser Verordnung unterliegt, kann die Agentur über mutmaßliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Vorschriften unterrichten. Beeinträchtigen solche Unterschiede die Tätigkeiten dieser Personen ernsthaft oder führen anderweitig zu erheblichen Schwierigkeiten, so arbeiten die Agentur und die zuständigen nationalen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten zusammen, um die Unterschiede anzugehen und erforderlichenfalls unverzüglich zu beseitigen. Lassen sich die Unterschiede nicht ausräumen, legt die Agentur die Angelegenheit der Kommission vor."
Um es klar zu sagen: Das ist nicht die große Keule, die man gegen unwillige oder unfähige nationale Behörden schwingen kann. Das ist eine kleine Stecknadel, mit der man eine Behörde pieksen könnte.
Denn er ergibt sich aus dieser Bestimmung kein direktes Zwangsmittel. Vielmehr sind zwei Stufen vorgesehen. Die erste ist unverbindlich und die zweite langwierig.
Die EASA redet zunächst mit der betroffenen Behörde und versucht, die Unterschiede auszuräumen. Das kann übrigens auch nach hinten losgehen und eine laxere Auslegung durch Behörde A kann im Unterschied zur strengeren Auslegung durch Behörde B gestrichen werden. Man sollte also vorsichtig sein...
Führt ein Gespräch nicht zum gewünschten Ergebnis, kann das Ganze der EU-Kommission vorgelegt werden. Erst dann gibt es rechtliche Handhaben, allerdings nicht direkt für den Betroffenen, sondern für die Kommission gegenüber dem Staat. Wie schnell diese jedoch arbeitet, haben wir im ersten Teil dieses Artikels ja gesehen.
Mit anderen Worten: Wegen einem falsch eingetragenen Typerating sollte man sich hier keine Hoffnungen machen. Dauerhafte Fehlinterpretationen z.B. bei Medical oder Genehmigungen können aber sehr wohl in der ersten Stufe dieses Prozesses bereinigt werden.
Aber immerhin. Vorsichtig, ganz vorsichtig, um die heiligen nationalen Kompetenzen nicht zu sehr anzukratzen, schafft die EASA neben dem Auditprozess ein Instrumentarium, um auf die tatsächlichen Probleme im Feld bei der Umsetzung der eigenen Vorschriften eingehen zu können.
Die große Keule: Entzug der Zuständigkeit
Drastischer, aber auch abstrakter ist da schon der Artikel 65. Hier kann die Aufsicht über eine Organisation von einem Staat auf die EASA übertragen werden. Und zwar auf Antrag der Organisation!
"Eine Organisation kann abweichend von Artikel 62 Absatz 4 die Agentur ersuchen, ihr gegenüber als zuständige Behörde für die Aufgaben in Bezug auf Zertifizierung, Aufsicht und Durchsetzung zu handeln, wenn diese Organisation Inhaber einer Zulassung/eines Zeugnisses gemäß Kapitel III ist oder berechtigt ist, ein solches bei der zuständigen nationalen Behörde eines Mitgliedstaats zu beantragen, jedoch in erheblichem Umfang über Einrichtungen und Personal verfügt oder zu verfügen beabsichtigt, die unter diese Zulassung/dieses Zeugnis fallen, sich aber in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten befinden.
Ein solches Ersuchen können auch zwei oder mehr Organisationen stellen, die Teil einer einzigen Unternehmensgruppe sind und die jeweils einen Hauptgeschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und für die gleiche Art von Luftfahrt tätigkeit Inhaber einer Zulassung/eines Zeugnisses gemäß Kapitel III sind oder berechtigt sind, ein solches zu beantragen."
Was hier in einem langatmigen Absatz dargelegt wird, ist nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit, dass ein Flugbetrieb oder eine andere Organisation die in mehreren EASA-Staaten tätig ist, ihrer nationalen Behörde davonlaufen und sich durch die EASA beaufsichtigen und genehmigen lassen kann.
Das ist natürlich eine dicke Keule: Stellen Sie sich vor, die Lufthansa stellt sich mit ihren diversen Firmen im Konzern unter das Dach der EASA. Oder eine große ATPL-Flugschule mit Trainingsorten in ganz Europa sagt der Abteilung L1 auf Wiedersehen.
Organisationen haben hier zum allerersten Mal eine realistische Möglichkeit, einer unfähigen oder unkooperativen nationalen Behörde zu entfliehen und sich direkt unter das Dach der EASA zu stellen. Ob's da freilich besser wird, muss die Praxis zeigen!
Technikträume

Flugtaxis schwirren über die Metropolen. Das soll die Zukunft der GA sein? Technisch sind diese Konzepte schon aufgrund des Energiespeichers mindestens eine Zehnerpotenz von jeglicher Marktreife unter den heute geltenden Bestimmungen für den gewerblichen Personentransport (CAT) entfernt. In der real existierenden GA macht sich daher die begründete Befürchtung breit, dass alles, was sich e-irgendwas nennt, unter ganz anderen Bedingungen operieren darf als z. B. ein heutiger Heli-Unternehmer mit seinem R66. |
Die folgenden Diskussionsrunden waren vor allem durch Technik-Träume geprägt. Elektroantriebe und Drohnen wurden in allen Einzelheiten besprochen. Der gemeinsame Tenor dieser Diskussionen: Unsere Flugzeuge mit Verbrennungstrieb sind Dinosaurier und werden aussterben. Einige brachten dies humorvoll und unterhaltsam rüber, wie etwa Patrick Ky, Direktor der EASA, der ein Bild von seinem Auto und seinem Telefon zeigte aus dem Jahr, in dem er in den 1970er-Jahren begann, zu fliegen. Der Kontrast zu seinem heutigen Auto und Telefon hätte nicht deutlicher sein können. Nur das Flugzeug hatte sich in dieser Zeitspanne nicht verändert.
Andere gingen offensiver vor, so z.B. Ivo Boscarol von Pipistrel, der die Teilnehmer aufrief: "Zeigt Euren Kindern am Flugplatz nochmal die Flugzeuge mit Tragflächen, denn bald wird es die nicht mehr geben."
Diese Diskussionen waren für die Teilnehmer der Konferenz, die eher aus der Praxis kamen, schwer nachzuvollziehen. Nichts gibt es hier zu kaufen, nichts ist zugelassen, sogar die gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen.
Warum sollen auf einmal Hunderte von autonomen Flugtaxis über unsere Städte fliegen, wenn wir keine oder kaum genehmigte Heli-Landeplätze haben? Selbst wenn man die autonome Fliegerei in den Griff bekommt "wo sollen die starten und landen" Wo liegt genau der super-disruptive Unterschied zwischen einer Elektrodrohne zur Personenbeförderung und einem R44 mit kohlenstoff-basiertem Steuercomputer auf dem Sitz vorne rechts?
Sicher: Die technischen Möglichkeiten, die sich aus dezentralen Antrieben mit vielen Elektromotoren gegenüber einem Rotor oder Propeller ergeben, sind reizvoll. Daher berichten wir auch regelmäßig über die Entwicklungen in diesem Bereich. Aber die Physik des Energiespeichers ist eben auch mit noch so schönen Computergrafiken nicht verhandelbar. Kein akku-getriebenes E-Flugtaxi könnte heute mit ausreichenden Energiereserven abheben, um die entsprechenden Bestimmungen zu den Betriebsstoffreserven für den gewerblichen Personentransport nach 965/2012 auch nur für VFR zu erfüllen! Von IFR-Reserven, Vereisung und anderen lästigen Realitäten der Fliegerei mal ganz abgesehen.
Selbst die größten Verfechter der autonomen Elektrofliegerei geben zu, dass sich die Batterietechnologie in den nächsten zehn Jahren nicht entscheidend verbessern wird, um hier die erforderliche Größenordnung in der Energiedichte hinzuzugewinnen.
Da nützt es auch nichts, wenn man Bilder vom Wright-Flyer zeigt und sich die atemberaubende Entwicklung im Flugzeugbau von dort bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor Augen führt. Der Energiespeicher des Wright-Flyers (a.k.a. Benzin!) war genauso effizient wie der einer nagelneuen SR22, die 110 Jahre später produziert wird. Mit anderen Worten: Akkus sind zu schwer für ihren Energiegehalt, um eine Praxisanwendung zu gewährleisten, die auch nur ansatzweise mit den heute geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen wäre. Und zwar etwa um eine Zehnerpotenz! Das ist nichts, was man in den nächsten zehn bis 15 Jahren einfach so wegoptimieren kann.
Entweder werden also für Elektroantriebe im gewerblichen Verkehr sämtliche Zulassungs- und Betriebsbestimmungen, die heute für Flugzeuge und Hubschrauber gelten, über den Haufen geworfen oder das wird ganz einfach nix!
Julie Malpas von Airbus-Helicopter zeigte das in ihrem Vortag am deutlichsten auf. Für die E-Mobilität in der Luft müssten anwendungsbezogene Zulassungen her. Das E-Flugtaxi wird als komplettes Transportsystem zugelassen, quasi ein AOC "out of the box" zertifiziert. Das bedeutet aber nichts anderes als die völlige Abkehr von Regeln, die für unser Fluggerät und unsere Flugbetriebe bisher gelten. Das wäre die größte Wettbewerbsverzerrung in der Geschichte und veranlasste Julian Scarfe zu der pointierten Frage, ob man dann nach dem risikobasierten Ansatz der EASA Musterzulassungen zumindest für privat genutzte Flugzeuge überhaupt noch brauche.
Flight-Sharing-Dienste
Kritisch wurde von den Teilnehmern auch das Panel zu den Mitflugzentralen gesehen. Hier waren vor allem Bertrand Joab-Cornu von Wingly und Youssef Oubihi von Coavmi tonangebend. Mit der Neu-Definition des gewerblichen Flugbetriebs in der VO 2018/1138 stehen diese nicht gewinnorientierten Mitflugzentralen nun wohl auf rechtlich festem Grund, von zahlreichen Behörden und Vertretern der Branche wurden die Anreize jedoch als problematisch und die Einstufung als nicht vereinbar mit nationalem Recht angesehen.
Vor allem die Frage der Gewinnerzielung ist dabei umstritten. Denn während der Pilot natürlich keinen Gewinn aus seinem Flug machen darf, arbeitet die Plattform sehr wohl gewinnorientiert.
Der Leiter der für CAT zuständigen Fachabteilung bei der Austro Control, Zeno Welsersheimb, warf denn auch die Frage nach der Versicherung für solche Flüge auf und merkte an, dass die Piloten auch durch das Bewertungssystem der Plattformen sehr wohl einen deutlichen Anreiz hätten, auch bei widrigen Bedingungen ihre Passagiere ans Ziel zu bringen. Das gibt nämlich sicher bessere Bewertungen als ein Flug, den man erst drei Stunden lag verschiebt und dann am Ende doch absagt. Diese Fragen wurde durch das Panel jedoch leider nicht aufgegriffen.
Auch hier könnten Praktiker durchaus einen gewissen Zynismus entwickeln. Wir diskutieren über neue Geschäftsmodelle wie Mitflugzentralen oder E-Flugtaxi-Dienste, während die Umsetzung eines existierenden und seit Jahren erprobten Geschäftsmodells wie die Gründung eines einfachen gewerblichen Flugbetriebs (AOC) oder die Errichtung einer Flugschule (ATO) in einigen EASA-Ländern mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Entweder werden hier für neue Geschäftsmodelle komplett alle Regeln über den Haufen geworfen oder es gilt auch hier: Das wird nix!
Schreck in der Abschlussrunde

Mal ehrlich - solange ein in den USA zugelassenes und tausendfach eingerüstetes Gerät wie das G5 von der EASA erstmal abgelehnt wird, weil die US-Luftfahrt-Zulassung nicht gut genug ist, brauchen wir doch über eine Zertifizierung von E-Taxis und autonomen Fluggeräten gar nicht nachzudenken - oder? |
© Garmin |
In der Schlussrunde durfte man dann nochmal aufhorchen. Aber leider nicht im positiven Sinne. Mark Swan, Director of Safety and Airspace Regulation bei der CAA UK, schleuderte den Teilnehmern der Branche etwas entgegen, das man nur als Hohn bezeichnen kann.
Mit Hinblick auf das vorangegangene Panel zur gemeinsamen Nutzung des Luftraums durch herkömmliche Luftfahrt und autonome Drohnen erklärte der ehemalige RAF-Kampfpilot und Rechtsanwalt:
"You must become part of an integrated aviation system. Change your mindset. Share Airspace! The new entries [Drohnen]: They will destroy you if you don't adapt. If you don't grasp it the future will not be yours."
Er endete seine Einlassungen, indem er ein im Laufe der Konferenz mehrfach bemühtes Bild wiederholte: Die GA wird von Drohnen verdrängt und in einer Art Luftfahrt-Safaripark enden.
Wow! Ein Aufruf ausgerechnet an die GA-Branche, sich verändern zu müssen? Das ist, wie wenn man einem Einbeinigen befiehlt, gefälligst schneller zu rennen!
Nach allem, was ich in meiner Praxis erlebe, sind die Nutzer der GA die Letzten, die sich einer Modernisierung in den Weg stellen. Vielleicht hätte man Herrn Swan daran erinnern können, dass gerade die Behörde, die diese Veranstaltung abhielt, noch im Sommer der Ansicht war, die in den USA zugelassene Garmin G5-Auropilot-Installation für unsere Flugzeuge in Europa nicht zuzulassen zu können. Und das bei einem Produkt des führenden Herstellers, das in den USA tausendfach installiert ist! Pardon: Aber was soll das Geschwafel von den neuen Technologien, wenn nicht einmal so etwas klappt?
Entweder werden Drohnen nach komplett anderen Regeln spielen, dann können wir den Wandel aber auch umarmen ("embrace change"), solange wir wollen – es wird uns nichts nützen – oder es ist wirklich noch ein weiter Weg bis zum Himmel voller Amazon-Pakete und E-Taxis.
Gleiches gilt für die Lufträume. Swan ist schließlich für ein Luftraum-System verantwortlich, das in Großbritannien mit der Einteilung von managed (A) und unmanaged (G) Airspace vor allem auf die Trennung der Verkehrsarten setzt.
Würde er ADS-B ausgerüsteten Flugzeugen mit einfacher Hörbereitschaft den Einflug in die großen Luftraum-Alpha-Gebiete der Insel erlauben, wäre er vermutlich überrascht, wie groß die Bereitschaft zum "Sharing" des Luftraums in der GA ist!
Nein, die GA ist nicht das Problem. Wir wären vorne dabei, wenn sinnvolle und nachvollziehbare Ausrüstungsvorschriften uns eine größere Flexibilität und mehr Sicherheit im Luftraum erlauben. Wir wären auch bei moderner Navigations- und Flugführungs-Elektronik an vorderster Front, wenn die Zulassungsbehörden dies denn erlauben würden.
Zu sagen, dass wir uns schneller bewegen müssen, ist etwa so sinnvoll, wie einem Menschen mit Betonklötzen an den Füßen zu sagen, er solle höher springen. Ich hoffe sehr, dass wir nicht mit ansehen müssen, dass nur eine bestimmte Verkehrs- und Antriebsart in den Genuss einer neuen Flexibilität kommt.
Fazit

Patrick Ky bewies in seinem Schlusswort ein Gespür für die Teilnehmer und die Branche und brachte die Konferenz wieder auf den Boden der Realität zurück. |
Patrick Ky, der offenbar ein gut ausgeprägtes Gespür für die Stimmung in der Branche und auf der Konferenz hat, lenkte in seinem Schlusswort die Aufmerksamkeit denn auch wieder auf die tatsächlichen Probleme der Branche. Gefragt, was für ihn die GA-Roadmap 2.0 beinhalte, erklärte er mehrfach und nachdrücklich, dass es gelte, erst einmal die Roadmap 1.0 aus dem Jahr 2014 wirklich und vollständig umzusetzen. So viel Pragmatismus von ganz oben – das war erfreulich zu hören.
Die EASA Safety Konferenz 2018 war mit der vier Jahre zuvor nicht zu vergleichen. Während man in Rom die konkreten Probleme der GA-Branche thematisierte, wurde weit mehr als die Hälfte der Zeit in Wien nach Ansicht des Autors mit elektrogetriebenen Luftschlössern verbraucht. Nur das erste und das letzte Panel der Konferenz befassten sich mit den tatsächlichen Sachverhalten der heute existierenden und praktizierten Luftfahrt in Europa. Das war ein bisschen wenig Gulasch und ziemlich viel Soße, wie man in Wien sagen würde.
Erfreulich kann der Eindruck bewertet werden, dass die EASA in ihrem Bemühen, die GA am Leben zu erhalten und kostengünstig werden zu lassen, nicht nachlässt. Dass hier Rückenwind von ganz oben weht, ist unendlich wichtig, und der Beitrag von Ky sollte nicht unterschätzt werden. Er und sein Team der GA-Roadmap stellten sich auch in den Networking-Pausen und beim abendlichen Empfang unermüdlich den Fragen der Teilnehmer. Darin lag in diesem Jahr der eigentliche Wert der Konferenz.
Videoaufzeichnung der Konferenz (Auszüge).
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