Alexander: Vielleicht ist es gar nicht mal Technikfeindlichkeit. Vielleicht nur bräsige selbstzufriedene Mittelmäßigkeit, plus Denkfaulheit und Leistungsfeindlichkeit.
Das sehe ich Ähnlich, wobei ich denke, dass Mittelmäßigkeit, Denkfaulheit und Leistungsfeindlichkeit direkt in Technikfeindlichkeit mündet. Oder Technologiefeindlichkeit, wenn man den Unterschied machen möchte. Meine unbeantwortete Frage ist, wie man die Diskussion aus dieser Bräsigkeit befreien kann, denn mein Versuch über faktische Äußerungen gehen immer fehl - egal wieviel Mühe ich für die Belege bringe. Es kann die Antwort ja nciht sein, die Zukunft der Gesellschaft und der Wirtschaft wegen ein paar kindischen Wissensverweigerungen aufs Spiel zu setzen.
Alexander: Dann vergleichen mit dem aktuellen Diskursniveau und weinen
Ja, das ist schon seit einiger Zeit so. Der ganze Hass auf bestimmte Parteien, der Misogynismus gegen Politikerinnen, Fatshaming, Wissenschaftsleugnung, Verschwörungsaktionismus, Faschismus - das alles ist ja nicht Ergebnis einer rationalen Debattenkultur, sondern einer Emotionalisierung. Und da ein "Wir für" lange nicht so stabil ist wie ein "wir gegen" und noch einfacher das "Die gegen Uns" gebildet werden kann (für das man sich die Konstruktion von Gründen warum man gegen etwas sei vollkommen sparen kann, wenn dem Gegenüber einfach ein destruktives Motiv unterstellt wird)
Alexander: Was nichts daran ändert, daß die Dichte an Windrädern in Deutschland andere Auswirkungen hat als in China
Unbenommen. Weitere Schutzbereiche zur Sicherstellung der Verkehrsinfrastruktur ändert an der Größenordnung der Analyse meines Erachtens allerdings wenig. (Insbesondere, wenn man die PV-Potentiale betrachtet). Es ist ja beides Möglich: Die Auswirkungen in China (oder woanders) können geringer sein und wir können gleichzeitig unter unseren Möglichkeiten bleiben. Gerade in der aktuellen Geopolitischen Lage halte ich ein Widerstandsfähigere und Dezentrale Versorgung auch strategisch für durchaus erstrebenswert. Und Arbeitsplätze schafft es überdies.
Alexander: Es besteht schon gesellschaftlicher Diskussionsbedarf über Ziele und Mittel der Energieerzeugung. Nebenbei auch über Verkehrsinfrastruktur, zukünftige Siedlungsstrukturen, Einwanderungsstrukturen, über die Zukunft der Gesundheitsversorgung, der Rentenversicherung, und und und. Was wieder zur Eingangsthese zurückführt.
Sehe ich auch so. Wobei allen Klar sein muß, dass eine Diskussion auf Basis kontrafaktischer Scheinargumenten maximal zufällig zu einer guten Lösung führen kann und nur extrem unwarschienlich ein Optimum erreichen wird.
Markus S.: Deine Aussage, dass ein EE-Netz mit Windmühlen und Solar ohne Gas auskommen würde ist leider nicht richtig, wie wir alle wissen. Dunkelflaute einfach mal vergessen?
Dies ist in der Transition nicht möglich, das stimmt. Aber im ausgebauten und transformierten Zustand ist es durchaus möglich, ind er EU auf fossile energieträger komplett zu verzichten. Auch mit Dunkelflauten. Viele Leute die intelligenter sind als Du und mehr darüber wissen als ich, haben dazu bereits gute Wege vorgezeichnet, die müssen wir nur gehen. Wird teuer für den Moment, bringt aber auch wirtschaftlich enorme Vorteile (Wie eigentlich bei jeder Investition in Zukunftsfähigkeit). [1]
Das haben wir Dir aber alles hier schonmal zum Exzess vorgekaut, das will ich nicht nochmal wiederholen.
Florian: Wobei die Idee, dass Anwohner partizipieren sollten in unserem Gesellschaftsmodell ziemlich abstrus ist und auch wieder nur Komplexität und Verzögerung in die Sache bringt.
Wie partizipieren denn Anwohner von Autobahnen und Bundesstraßen, Flugplätzen, Mülldeponien, Fußballstadien, ... ?
Ist es wirklich so abstrus? Dort, wo die Gemeinden Windparks betreiben geht es den Kommunen finanziell besser als dort, wo dies blockiert wird. Dort wo Bürgerwindparks die finanzielle Partizipation von Bürgern erlauben, gibt es ebenso einen Ertrag für die Kommune, alleine schon durch die dort (und nicht in Essen, Karlsruhe, Berlin oder Oldenburg) anfallende Gewerbesteuer. Zudem ist die Akzeptanz höher.
Anders als Autobahnen und Bundesstraßen erwirtschaften Bürgerwindparks ja einen direkten Ertrag. Die allermeisten Flugplätze sind auch ohne Ehrenamt wohl eher nicht wirtschaftlich zu betreiben (Und einige der Flughäfen sind tatsächlich in Kommunaler Hand, also verdiente die Kommune durch einen intelligenten Betrieb, was die Akzeptanz erhöht). Bei Mülldeponien und Fußballstadien kenne ich mich nicht aus, um darüber eine Aussage zu tätigen.
Marco: Das ich die Bauform von Windkraftanlagen in Horizontalbauweise als nicht optimal empfinde.
Im Grunde haben wir hier die gleichen Vor und Nachteile die wir ja an den Flugzeugpropellern haben.
Ich empfinde die erforderlichen Baugrößen und die erforderlichen "Rotordurchmesser" als nicht optimal.
Es gibt einige Gründe, die für die Verwendung von HAWT (horizontal axis wind turbine) sprechen, im Gegensatz zur VAWT (vertical axis wind turbine).
Die Leistung P des Windes einer bestimmten Geschwindigkeit v durch eine Querschnittsfläche A berechnet sich zu

Das bedeutet, dass die Fläche der Anlage direkt proportional ist zur eingefangenen Windleistung ist (das wohlgemerkt noch nicht das maximale was an Ertrag dem Wind entnommen werden kann, sondern nur das, was an der Anlage ankommt). Die Windgeschwindigkeit geht kubisch in die Gleichung ein. (Um die tatsächliche Leistung der WKA zu quantifizieren nutzt man oft einen Leistungsbeiwert bzw. Erntegrad. Der ist bei HAWT typischerweise bei etwa 0,4 bis 0,5 und bei VAWT etwa bei 0,05 bis 0,2. Das Physikalische Maximum liegt mit der Betz-Grenze bei ca. 0,593. Es kann also maximal 59% der Windleistung auch in einer hypothetisch idealen WKA umgesetzt werden.
Nehmen wir jetzt mal ganz Wahllos die Siemens SG 6.6-155 als Beispiel. Die hat einen Rotordurchmesser von 155 Metern, also einen Radius von 77,5 Metern. Das ergibt eine Fläche von 18896 m². Nutzte man diese drei Blätter (Länge von 77 Metern) etwa in einer Darrieus-VAWT mei einem typischen Durchmesser (weite Auslegung) von ca. 39 Metern, beträgt der Durchmesser der Winddurchströmten Fläche nur 3000 m². Die HAWT liefert also bei identischen Flügelmaßen das 6,3-fache der Winddurchströmten Fläche und damit alleine hierdurch schon das 6,3-fache der Leistung.
Das nächste ist, dass die Windgeschwindigkeit kubisch in die Leistungsformel eingeht. Und wie wir alle aus der Fliegerei wissen, ist in Bodennähe der Wind geringer. Die besprochene SG6.6-155 steht in Norttorf mit einer Nabenhöhe von 122,5 Metern, also rund 200 Meter Gesamthöhe. In Schleswig-Holstein (exemplarisch) haben wir für diese Anlage etwa 7 m/s mittlere Windgeschwindigkeit. Würden wir nun die Darrieus-Anlage aufstellen, wäre diese typischerweise eher weiter unten aufgebaut mit einer typischen Höhe von 80 Metern. Sie hätte dann nur etwa 5,9 m/s mittlere Windgeschwindigkeit. Dadurch, dass die Windgeschwindigkeit kubisch in die Leistungsformel eingeht, ist die Leistung der HAWT nochmal 1,6-fach höher als die der VAWT.
Behaupten wir mal, dass beide WKA an der Betzschen Grenze operierten. Dann würden wir die Betz-Leistung des Darrieus-Rotors zu etwa 224 kW berechnen. Die Vergleichs-HAWT liefert bei dieser Idealisierung allerdings 2,35 MW.
Ähnliche Gründe sind es übrigens, wieso wir keine Darrieus-Rotoren an Flugzeugen sehen, sondern sich die axialen Propeller- bzw. Rotorblätter oder Fanschaufeln durchgesetzt haben.
Man kann das ganze auch Messen, wobei diese Überlegungen eigentlich nur Bestätigt werden (zum Beispiel in [2])
Marco: Ich sagte ja..es ist eine subjektive Empfindung...aber ich denke der Weg vom Propeller zur Turbine kommt in dem Bereich der Technik schon auch noch irgendwann. So wie es auch am Flugzeug der Fall war.
Dankenswerterweise bauen Ingenieure nix auf der Basis von Bauchgefühl.
Im Flugzeug gibt es die Turbine, weil Kolbentriebwerke schwer und komplex sind, vibrieren wie Sonstwas und Propeller aerodynamische Geschwindigkeitslimits setzen. Um die Entwicklung zu verstehen, kann man sich gut anschauen, wenn man den Impulssatz um das Triebwerk mit angepasster Düse aufbaut.
)
Um die Schubkraft F zu vergrößern hat man (macht man bei Militärtriebwerken heute noch so) insbesondere die Ausgangsgeschwindigkeit des Massestroms gesteigert. Der Nachbrenner macht beispielsweise genau dies, er erhöht die Austrittsgeschwindigkeit. Auch frühe zivil genutzte Jettriebwerke funktionieren prinzipiell auf diese Art. Das sind die kleinen Röhren unter den 707, den alten 737, etc.
Später hat man sich angesehen, dass man zur Erhöhung des Schubs nicht nur am Geschwindigkeitsterm schrauben kann, sondern auch den Massenfluss erhöhen kann, und man hat das Zweistromtriebwerk erfunden, welches nur einen Teil der zugeführten Luft beschleunigt. Die Turbine des Kernstroms triebt vielmehr einen Turbofan an, welcher die Luft im zweiten Strom (der den Kernstrom Ummalntelt, daher auch die Bezeichnung Mantelstromtriebwerk) beschleunigt, ohne sie zu erwärmen.
Die frühen JT3 der 707 noch garkein Zweitstrom, die JT8D der 737 hatten ein Bypassverhältnis von etwa 1:1 (das heißt es wurde die gleiche Luftmasse durch den Mantelstrom geleitet, wie durch den Kernstrom). Heutige Triebwerke haben nicht selten ein Bypassverhältnis von 9:1 oder mehr (das PW1000G hat etwa 12:1). Propellerturbingn haben kein offizielles Bypassverhältnis, aber nutzt man die vereinfachte Propeller-Theorie und berechnet die Luftmasse, die der Propeller – sagen wir den einer TBM850 – nach hinten schaufelt und setzt sie ins Verhältnis mit der Luftmasse, die sich die PT6 genehmigt, landet man schnell in der Größenordnung um 50:1.
Die Entwicklung der Turbotriebwerke ist also insbesondere Verbunden mit der Frage nach hohen Vortriebskräften, weniger mit der der Effizienz. Ohne die signifikante Zufuhr chemischer Energie geht hier nichts.
Daher verhindert die Physikalischen Zusammenhänge leider meine Fantasie in der Frage, wie man mit Turboarbeitsmaschinen in der Windindustrie Vorteile generieren sollte.
Hubert: Ich bin ja kein Profi was Strömungslehre betrifft, wie etwas Marco Scheuerlein, aber hätte Vertikalrotoren nicht den Vorteil, daß eine Bewegungsachse und somit eine energiefressende Friktionsquelle wegfällt?
HAWT haben noch die Drehung des Turms, ja, aber das ist fast vernachlässigbar. VAWT sind unanfälliger für kleine Windrichtungsvariationen und können auch in beengten Räumen um Häuser herum aufgebaut werden, aber man muss sich das wegen der geringen Leistungsfähigkeit gut überlegen. Typischerweise nutzt man VAWT für kleinere und isolierte Anlagen. Es gibt allerdings auch gute kleine HAWT.
Die Windindustrie machte 2023 weltweit einen Umsatz von rund 120 Milliarden USD, als Brache mit gutem Wachstum. Es gibt sehr viele sehr kluge Köpfe, die in dem Bereich arbeiten. Wäre die VAWT jetzt der Knaller, würden wir da sicherlich einen globalen Wettbewerb der Bauweisen sehen. Das ist allerdings nicht der Fall. Das alleine ist schon irgendwie ein Zeichen, dass die VAWT nicht so ganz der Brüller sind.
[1] https://www.irena.org/-/media/Files/IRENA/Agency/Publication/2023/Jun/IRENA_World_energy_transitions_outlook_2023.pdf
[2] https://commons.clarku.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1158&context=idce_masters_papers
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