Liebe PuF Leser und Teilnehmer der Luftfahrt,
Seit langem bin ich nun stiller Mitleser in diesem Forum
und PuF-Anhänger.
Was speziell in diesem Thema hier zurzeit geschrieben
wird, macht mich jedoch so sauer, ja gar rasend, dass es mich dazu bewogen hat
mich hier anzumelden um so mancher, absolut unqualifizierten und
undifferenzierten Äußerungen (vorallem zum Thema SID), entgegen zu wirken!
Auch möchte ich ein verhindern dass LTB’s hier durch
Unwissen und Böswilligkeit vollends durch den Dreck gezogen werden!
Um mich aber eingehend kurz vorzustellen, Ich heiße
Sebastian, bin seit langem gelernter Fluggerätemechaniker und sog. Certifying
Staff (Prüfer), und zudem werdender Privatpilot.
Ich arbeite seit langen in einer relativ großen,
namhaften deutschen ‚Werft‘, die ihr Hauptaugenmerk auf allgemeine Luftfahrt
und Business Aviation hat – Ich bitte um Verständnis dass ich diese Werft nicht
beim Namen nenne.
Wie Eingangs schon gesagt, möchte ich mich hauptsächlich
zu den Cessna SID’s äußern.
Hierzu sollte man sich erst einmal den technischen
Hintergrund dazu anschauen.
Das Fluggeräte altern ist seit den 30er Jahren bekannt,
und dass Korrosion und Materialermüdung schlussendlich den finalen Tod eines
jeden Flugzeuges bedeutet, ist auch seit den 50er Jahren kein Geheimnis mehr.
Jedoch kann man sehr unterschiedlich mit diesem Umstand umgehen.
Ich probiere dass einmal anhand der zwei Weltpolitischen
Systeme und Zeiten, aus denen die meisten unserer Flugzeuge stammen, darzulegen.
Dies ist bitte ohne Systemwertung zu verstehen! :
Zum einen gab/gibt es den großen US-amerikanischen Sektor
der GA, der immer mit dem Kapitalismus im Hintergrund, bestand. Die üblichen
Verdächtigen wie Cessna, Piper & Co waren vor allem bis Ende der 70er Jahre
nur darauf aus, zu verkaufen, verkaufen und noch einmal zu verkaufen. Was zur
damaligen Zeit auch super lief!
In der amerikanischen GA herrschte Goldgräberstimmung und
1975 war es eine irrwitzige Vorstellung, dass eines der gebauten damals
Flugzeuge noch im Jahre 2014 betrieben werden würde!
So hat man damals mehr oder weniger schlecht und schnell
zusammen geschusterte Flugzeuge in den Markt gedrückt, die toll funktionierten
und billig/einfach zu betreiben waren.
Aufgrund von damals noch nicht vorhandener
Produkthaftungsgesetze machten sich nur die hochwertigen Hersteller wie z.B.
Beechcraft, Gedanken um Langlebigkeit, Korrosion und Ermüdung.
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, aber auch in
der BRD und Europa generell, gingen Flugzeughersteller mit weniger umsatzorientierten
Gesichtspunkten an die Entwicklung von Flugzeugen. Dies haben sie vor allem im
Ostblock tun können, da sie nicht auf gewinnorientierte Umsatzzahlen angewiesen
waren, wie es im Westen der Fall war.
Das führte auch zu einer wesentlich qualitativeren und qualifizierteren
Entwicklung und Handhabung von Kleinflugzeugen.
So waren sich zum Beispiel alle östlichen Hersteller wie
Zlin, PZL, Antonov, Illushin und Co, aber auch Dornier und Socata, sich genauestens
darüber bewusst dass nach X-Stunden oder X-Jahren von einem sicheren
technischen Zustand der Flugzeuge nicht mehr ausgegangen werden kann, und
deshalb ein Life-Limit eingeführt werden muss. Darum haben zum Beispiel alle
östlichen Flugzeuge feste Intervalle für Grundüberholungen und eine
Stundenzahl bzw. ein kalendarisches
Alter, bei welchem das Lebenslimit des Flugzeuges abschließend und final
erreicht ist.
Solche Lebenslimits gibt es jedoch auch bei
westeuropäischen Herstellern wie Socata, und wird die letzten Jahre zögerlich
auch von einigen amerikanischen Herstellern (nachträglich) eingeführt.
Schaut man sich nun die Umstände an unter welchen die
meisten unserer Flugzeuge entstanden sind, und betrachtet auf der anderen Seite
die langjährigen Forschungsergebnisse von Luft- und Raumfahrttechnik, NASA,
FAA, NTSB, EADS etc, so ist es der einzig technisch und
sicherheitsbedingt-logische Schritt, ein
nachträgliches „Überwachungsprogramm“ wie
das „SID“ von Cessna einzuführen.
(mit wenig Google-Arbeit findet man hierzu auch Lektüren
von NASA etc, mit denen man sich über Wochen beschäftigen kann).
Das bei der
Entstehung des Cessna SID-Programms mit Sicherheit auch die geltenden
US-amerikanischen Produkthaftungsgesetzte eine maßgebliche Rolle gespielt
haben, sei natürlich auch nicht unerwähnt.
Aber nun zu den eigentlichen SID’s:
Ich selbst habe die Durchführung von einigen SID’s
organisiert und begleitet.
Da hier im Forum manche ja ach-so-genau Bescheid zu
wissen scheinen, möchte ich nun einmal Beispielhaft und mit ein paar Zahlen
darlegen, was sich hinter dem SID Programm eigentlich verbirgt!
Vielleicht bringt Euch / Uns das mehr Klarheit.
Beginnend möchte ich sagen, es GIBT NICHT „DAS“
SID-Programm, sondern viele verschiedene. Diese unterscheiden sich je nach
Muster und Bauzeitraum zum Teil immens!
Jedes dieser SID-Dokumente ist ca. 220 Seiten lang, und enthält
zwischen 20 und 50 einzelne SID-Inspektionspunkte. Diese sind alle ATA-Nummern
bezeichnet, wonach sich auch der genaue Betreff ableiten lässt… (so z.B.
32-13-02 = ATA Chapter Landing Gear).
Die SID-Programme geben für jeden Inspektionspunkt einen
„Initial“ Zeitpunkt, sowie einen „Repeat“ Zeitpunkt – also Flugstundenzahlen
oder Alter in Jahren, an dem eine Kontrolle das erste Mal durchgeführt werden
muss, und einen Zeitpunkt wann diese Kontrolle zur Wiederholung anliegt.
Diese „Initial-“ und „Repeat-“ Zeiten hängen zudem von den Umständen und dem
Ort ab, unter denen das Flugzeug bisher betrieben wurde. Hierfür gibt es ein
Korrosions-Einstufungsverfahren in „Mild/Moderate“ und „Severe“. Je nach Einstufung, unterscheiden sich die
Zeidern der „Initial“ und „Repeat“ Inspections zum Teil um 100%.
Gehen wir also Beispielhaft einmal davon aus, dass ein
Halter einer Cessna 172 aus dem Zeitraum (1969-1976) das für ihn zutreffende
SID-Programm durchgeführt haben möchte, dann würde die Durchführung wie folgt
ablaufen (zumindest in ‚ordentlichen‘ Werften und CAMO’s!!!)
1. Der
Halter müsste seine 172 mitsamt ALLER L-Akten zur Werft/CAMO bringen. Danach
würden diese anfangen den technischen und dokumentarischen Ist-Zustand des
Flugzeuges festzustellen. Als Grundvoraussetzung des SID’s wird hierbei geprüft
ob, wann und welche Service Bulletins uns Service Kits bereits in der
Vergangenheit eingebaut/durchgeführt wurden.
Dies lässt sich manchmal nur
schwer anhand mangelhafter Dokumentation und L-Aktenführung des Halters
herausfinden, und muss teils aufwändig am Flugzeug überprüft werden.
Wenn man nun davon ausgeht
dass ALLE SB’s und SK’s als Grundvoraussetzung für das jeweilige SID-Programm
durchgeführt worden sind, so geht es nun weiter mit der Feststellung der
Korrosionsumgebung. Das kann auch sehr aufwändig werden, ich gehe nun aber
einmal von Mild/Moderate aus. Wenn dies nun festgelegt ist, ist anschließend
auch klar welche „Initial“ und „Repeat“ Intervalle anzuwenden sind.
Anschließend sollte die
durchführende Werft/CAMO, sofern sie überhaupt glaubwürdig und qualifiziert sein
will, das Flugzeug mit allen SID-Inspektionen in ein gutes, elektronisches
Programm zur Laufzeitenüberwachung und Verwaltung einpflegen. Damit wird das
SID-Programm später auch in Betriebszeitenübersichten aufgeführt, und eine
saubere Dokumentations- und Organisationsgrundlage für die nächsten Jahre steht
geschaffen.
Alleine dieser vorbereitende Arbeitsaufwand
ist bei den meisten Flugzeugen (172) mit 25-50 Arbeitsstunden an zu setzten.
2. Wenn
die Feststellung des Ist-Zustands nun abgeschlossen ist, kann mit der
Organisation und Durchführung der eigentlichen Kontrollen begonnen werden.
Unsere Bespiels-172er hat
jetzt 25 einzelne Inspektionspunkte die abgearbeitet werden müssen. Hierbei
sind in der Tat die Mehrheit der Kontrollen relativ einfach durchzuführende Sichtkontrollen – wobei dies
auch wieder von der Gesamtstundenzahl des Flugzeuges abhängt…. (Ab 12.000 Std.
TTAF werden manche Sichtkontrollen zu NDT-Inspektionen und sehr aufwändig. )
Also arbeiten wir nun munter
die Großzahl der Kontrollen ab. Hierzu machen wir folgendes: Seitenruderpedale
und Befestigungen freilegen, Seilrollen freilegen, Gesamte Fahrwerksaufhängung
und Unterboden zugänglich machen, der Himmel und ALLE (!!!) Innenverkleidungen
werden ausgebaut, der Brandschott wird von innen zugänglich gemacht,
Tragflächen sowie Leitwerk werden komplett geöffnet, Ruder werden z.T.
ausgebaut und die Tankbleche werden aufgeschraubt.
Ist dies nun alles gemacht, so
können wir die Meisten der Kontrollen (Visual) durchführen, und finden (in
unserem Beispielfall!) hierbei keine Korrosion oder Strukturschäden.
Danach bringen wir an vielen
betroffenen Stellen noch aufwändig Korrosionsschutz an, so wie von Cessna
vorgesehen.
Hierbei gehen noch einmal bei
schneller (aber gewissenhafter) Durchführung 30-50 Arbeitsstunden ins Land.
3. Nachdem
bisher WEDER Korrosion NOCH Risse/Schäden gefunden wurden, wenden wir uns nun
den Aufwändigen Punkten zu.
Hierfür machen wir u.a.:
-
Hauptfahrwerks-Federbeine ausbauen, entlacken,
vermessen und wieder Lackieren/montieren. Hierfür nehmen wir noch (teure) neue
Befestigungsbolzen.
-
Ausbauen des Triebwerkes. Anschließende
ausführliche visuelle Kontrolle des Motorträgers und der Befestigungsstruktur
in der Zelle hinter dem Brandschott.
Hiefür sind wiederum viele Hilfsmittel
und teure Werkzeuge wie Boroskope notwendig Ist hierbei auch alles schick, wird
Motor und Motorträger wieder eingebaut.
(UND NEIN, eine generelle
NDT-Kontrolle des Motorträgers ist nicht vorgesehen!!! Nur bei Anzeichen auf
Risse oder Zweifeln, muss der Motorträger einer NDT-Inspektion unterzogen
werden!)
-
Sehr
detaillierte Kontrolle der Tragflächenbefestigungen, Befestigungspunkte der
Tragflächenstreben, Kontrolle der Tragflächenholme und anbringen von neuem Korrosionsschutz an allen
Teilen/Stellen.
Gehen wir davon aus dass
unsere 172er wie gesagt KEINE Beanstandungen festgestellt wurden, so fielen für
diese arbeiten auch wieder 30-50 Arbeitsstunden ins Land.
Anschließend muss das gesamte Flugzeug natürlich wieder
fachgerecht zusammen gebaut werden, und haufenweise Dokumentation erstellt
werden.
Auch hierfür sind noch einmal gute 25 Arbeitsstunden
anzusetzen!
Wir kommen also bei unserer TOP-GEPFLEGTEN und
BEANSTANDUNGSFREIEN 172er OHNE Materialbedarf und OHNE Reparaturen auf einen
realistischen Arbeitsaufwand von 110 – 175 Arbeitsstunden. Dies entspricht bei
durchschnittlichen Werft-Stundenpreisen von 75 € einem Durchführungspreis von
8250 € – 13.125 €. Wie gesagt, ohne Material, Reparaturen, NDT und sonstigem!
Jetzt möchte ich bitte nicht, dass sich Jemand vor hinstellt,
und mir erklärt dass das alles total überteuert sei, und die Werften sowieso
nur Halsabschneider seien.
Wenn doch, dann drücke ich der Person eine Werkzeugkiste
in die Hand, mit der Aufgabe es schneller und billiger zu machen!
Und Ja, die
SID-Programme haben sowohl an den 100er, 200er und 300/400er Serien ihre
absolute Darseinsberechtigung!!!
Wir haben bisher an ALLEN, ich wiederhole ALLEN Cessnas
bei der Durchführung der SID-Kontrollen zum Teil gravierende Risse, Korrosion
oder sonstige Schäden gefunden. Einige davon mit ernsthafter Beeinträchtigung
der Lufttüchtigkeit! Nur ein paar Beispiele: Gerissene Motorträger, gerissene
Fahrwerke, übermäßig korrodierte Tragflächen- oder Höhenruderholme, gebrochene
Ruderpedallerie und haufenweise lose Nieten und Schrauben. All diese Funde
waren jedoch Beanstandungen an Stellen, die bei normalen 50er, 100er und
200er/Annual-Inspections nicht(!) so detailliert kontrolliert werden müssen!
Auch Aussagen wie „in den USA macht keiner das SID“, „In
den USA ist das SID viel billiger“ oder „auf Cessnas nach 1998 gibt es kein
SID“ sind faktisch totaler Humbug!
Ich kenne etliche Halter in den USA die das SID gut
finden und freiwillig durchgeführt haben – das Ganze dann in Kombination mit
neuer Lackierung und Innenausstattung, was dann eben mal 50.000-80.000 $ US
gekostet hat.
AUCH ALLE neuen Cessnas sind mittlerweile mit einem
SID-Programm versehen, allerdings jetzt in abgemilderter Form, da mit dem SID
bei diesen Maschinen ja quasi schon im Kindesalter begonnen wird. Diese SID-Programme
auf die neuen Cessnas führen wir seit Erscheinen auch bei den Planmäßigen
Kontrollen durch, denn diese sind vom finanziellen Aufwand gut zu schultern.
Die wirklich heftigen Inspektionspunkte bei den neuen
Maschinen kommen jedoch auch erst in 15 Jahren oder bei Zigtausend Flugstunden.
Abschließend möchte ich sagen:
JA, LEIDER…. Leider gibt es in Deutschland so manche
Werft die in meinen Augen keine Daseinsberechtigung hat. Schlechtes Management,
äußerst miese technische Durchführung und wirkliche Kunden-Verarsche habe ich schon
selbst gesehen und deren Resultate behoben.
Lasst euch bitte gesagt sein dass dies nicht der
Regelfall ist!
Viele von Euch schwärmen ja immer von der amerikanischen
GA und FAA, also nehmt Euch auch mal bitte in Sachen Wartung hierbei ein
Beispiel:
In den USA hat fast jeder Halter einen Mechaniker seines
Vertrauens der Ihm sehr viel Wert ist - ihn zu finden ist aber mit Sicherheit
nicht immer einfach.
Wir Flugzeugmechaniker, CAMO-Mitarbeiter und GA-Werften
im allgemeinen sind im Regelfall hoch qualifiziert und engagiert, gleichzeitig oft
aber finanziell viel schlechter gestellt als ein ‚normaler‘ KFZ-Mechaniker!
Viele von uns tun den Job in der allgemeinen Luftfahrt aus Freude und
Begeisterung.
Bei unserer täglichen Arbeit tragen wir viel Verantwortung
mit uns herum, über die sich viele Halter/Piloten oft gar nicht bewusst sind!
Wir, die gewissenhaften Mechaniker, sind uns sehr wohl
bewusst dass wir euer Sicherheit, ja eure Leben direkt mit unserer Arbeit beeinflussen!
Dies nehmen auch manche nach der Arbeit mit nach Hause und haben deshalb hin
und wieder schlaflose Nächte!
Also bitte, bitte, bitte…. Hört auf die Werften und deren
Mechaniker pauschal zu verunglimpfen und defamieren!
WIR ARBEITEN FÜR EUCH!
Sucht euch eine ordentliche Werft mit ordentlichen
Mechanikern und baut mit diesen ein Vertrauensvolles Verhältnis auf!
Wenn ihr immer nur auf das Geld schaut und zur billigsten
Wald-und-Wiesen-Bude geht, dann dürft ihr Euch bei aller Liebe nicht
beschweren!
LG Sebastian
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