Das hatte weder mit "Obrigkeitsgläubigkeit" noch mit "Autoritätsgefälle" zu tun. Es war schlicht so, dass im früheren "Ostblock" die Regelung galt, dass eindeutig die Anweisungen des Lotsen Vorrang vor denen des TCAS hatten, was hier fatal war. Erst nach diesem Unfall wurde weltweit geregelt, dass in jedem Fall TCAS Vorrang hat.
Das stimmt nicht. Alle drei russischen Piloten wurden 2000 (zwei Jahre vor dem Unfall) auf das in diesem Jahr neu eingeführte TCAS eingeschult. Die dabei verwendeten Schulungsunterlagen waren didaktisch nicht optimal, das hat zum Unfall womöglich beigetragen. Auf jeden Fall wurde ihnen aber nachweislich beigebracht, unter gar keinen Umständen gegen eine TCAS-RA zu fliegen. Der Copilot war offensichtlich der einzige, der das Prinzip "last line of defence" wirklich verstanden hatte. Der Unfallbericht führt dazu folgendes aus:
"Die hierarchische Struktur der Besatzung der TU154M in Verbindung mit der im Cockpit wahrgenommenen Atmosphäre lässt auf einen steilen Autoritätsgradienten schließen... Der Beitrag des Copiloten zur Diskussion über den vom TCAS angezeigten Konfliktverkehr zeigte, dass er das Prinzip des TCAS vermutlich gut verstanden und wahrscheinlich auch eine eindeutige Meinung zugunsten der Befolgung einer RA hatte... Die Einwände des Copiloten waren nicht bestimmt genug, um Berücksichtigung beim PIC zu finden, und über dessen Autorität bestand für den Copiloten kein Zweifel."
Was ich nicht verstanden habe: Die beiden waren weit und breit die einzigen Flugzeuge und mussten den Konflikt schon früher kommen sehen. In dem Fall musste man ja nicht bis zur RA warten, man hätte ja auch bereits bei "Traffic Information" des TCAS mal nachfragen können, was der Lotse sich dabei denkt - auch die DHL-Piloten haben das nicht getan.
Auch das stimmt so nicht. Die Piloten haben den Konfliktverkehr sehr wohl lange vor dem Crash am VSI/TRA, in einer Entfernung von 10 nm dann auch optisch wahrgenommen und intern darüber diskutiert. Darauf nicht mit eigenmächtigen Aktionen zu reagieren, war aber vollkommen richtig aus Sicht der TCAS-Systemphilosophie. Die BFU schreibt dazu im Unfallbericht:
"Die Benutzung des Anzeigeinstruments für TCAS zur Entwicklung einer eigenen Bewertung der Verkehrssituation und/oder eines Situationsbewusstseins ist nach Auffassung der BFU weder mit der Systemphilosophie von ACAS/TCAS noch mit dem System der Flugsicherung vereinbar. Es existieren auch keine Verfahren, um das System dafür zu benutzen."
Der Punkt ist doch (und damit kommen wir wieder zur Klimadiskussion zurück): Die Meinung der Mehrheit ist nicht automatisch richtig. Hätte der PF die Minderheitenmeinung des Copiloten berücksichtigt, hätte er den Crash möglicherweise noch abwenden können. Das hören wir bei jedem CRM-Refresher.
Demgegenüber erleben wir in weiten Teilen der Gesellschaft derzeit eine Renaissance des Lyssenkoismus, die Grauhaarigen hier im Forum werden sich vielleicht noch erinnern. "Follow the science" ist das Totschlagsargument, mit dem Politiker jeder Couleur ihre jeweilige Agenda vorantreiben. Dabei finden sich immer willige "Wissenschaftler" wie seinerzeit Trofim Lyssenko, die die politischen Ziele "wissenschaftlich" untermauern. Kritiker wurden damals als Konterrevolutionäre, Faschisten oder Saboteure "enttarnt", hingerichtet oder - wenn sie Glück hatten - im Arbeitslager "resozialisiert". Heute wird jede - auch noch so berechtigte - Kritik an der staatlich gewünschten Lehrmeinung als "Schwurbelei", "Hassrede" oder "rechte Hetze" abgekanzelt. Diese "Anti-Rechts-Bewegung" war historisch ja schon einmal ungemein "erfolgreich". Aber wo führt uns das hin? Auch da hilft ein Blick in die Geschichtsbücher.
Im China Mao Zedong's - ein glühender Verfechter des Lyssenkoismus - folgte man streng der Wissenschaft, es wurden auf dem Papier Rekordernten eingefahren, es gelangen Saatgut- und Nutztierzüchtungen, von denen die Welt noch nie gehört hatte. Die Bauern logen, die Politiker logen, die Medien logen. Aus ihrer Sicht auch vollkommen verständlich, denn jeder, der nicht log, galt als reaktionär, politisch rechts, heute würde man vermutlich sagen: als "Querdenker". In der Realität führte der "Große Sprung nach vorn" zur größten Hungerkatastrophe in der Geschichte der Menschheit.
Wir erfahren analog gerade am eigenen Leib die Segnungen des "European Green Deal". Wir verringern den Nutztierbestand, die Stickstoffdüngung (und damit die Erträge) landwirtschaftlicher Nutzflächen, schließen binnen weniger Jahre alle Kohle-, Öl- und Atomkraftwerke, und den verbliebenen Gaskraftwerken kappen wir die Gaszufuhr. Das alles tun wir, um "klimaneutral" zu werden. Dabei folgen wir "der Wissenschaft". In der Theorie führt uns das ins Paradies: sauberes Wasser, saubere Luft, gesundes Essen, nachhaltige und preiswerte Energieversorgung, ein leuchtendes Vorbild für den Rest der Welt, die wir sehr gerne auch an unserer grünen Erleuchtung teilhaben lassen. In der Praxis schlittern wir aber gerade in die schwerste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg, die Inflation segelt von einem All-Zeit-Hoch zum nächsten, Politiker schwören uns mit Durchhalteparolen und praktischen Haushaltstipps auf Energierationierung und Versorgungsengpässe ein, der UN-Sonderberichterstatter über Folter kritisiert die ausufernde Polizeigewalt gegen Andersdenkende, und erstmals seit dem Ende der DDR gibt es in Deutschland wieder politische Gefangene. Mao Zedong würde wohl anerkennend nicken.
Es ist höchst an der Zeit, die ganze Klimadiskussion einmal gründlich von politischen Einflüssen zu entrümpeln und von pseudoreligiösen Dogmen zu befreien. In der gesamten damaligen Sowjetunion wurde 1965/66 der Schulunterricht in Biologie ein Jahr lang ausgesetzt. So lange brauchte es, um nach Lyssenko`s Entlassung die Schulbücher von all dem hanebüchenen Unsinn zu säubern, über den sich bis dahin alle Wissenschaftler östlich des Eisernen Vorhangs vollkommen einig waren. So lange brauchte es vor allem, die eingeschüchterten Lehrer davon zu überzeugen, dass sie ab jetzt ihren Schülern wieder ungestraft die Wahrheit sagen durften. Etwas ähnliches steht wohl irgendwann auch uns bevor, besser heute als morgen.