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Reise | Germanwings Bericht und psychologische Gutachten  
13. März 2016: Von  

Nun haben wir direkt nach dem Germanwingsvorfall in den Diskussionen lang und breit von den Experten aus der Psychologie gelernt, dass diese keine Chance sehen im Zweifelsfall präventiv die als Ursache vermuteten, potentiell gefährliche Persönlichkeitsstörungen zu entdecken. Zielt der Vorschlag, wie in der Zeit kolportiert, jetzt auf eine ambulante Psychopolizei am Gate für die Besatzung?

13. März 2016: Von  an  Bewertung: +3.00 [3]

In einem der alten Kommentare unter dem Zeitartikel steht immer noch das Sinnvollste, was man ad hoc machen kann:

"Die einzige Möglichkeit etwas zu verbessern ist, im Fall psychischer Erkrankung den Piloten eine Auszeit incl Rückkehrgarantie zu geben, wenn sie wieder geheilt wären. Alles andere vergrössert das RISIKO !"

Wenn Gehalt und Prestige, sowie Perspektive, annähernd erhalten bleibt, mag das die Offenheit gegenüber den Flugmedizinern fördern, auch und gerade bei psychischen Erkrankungen. Was vor Fliegerdocs gelogen wurde, ist schließlich oft genug aktenkundig durch Biographien, spontan fallen mir Chuck Yeager (Rippenbruch vorm X-1 Rekordflug) und Galland (Glassplitter in einem Auge oder so) ein.

Als Fluglehrer nach Goodyear, als Ausbilder in den Sim, als Kartenbearbeiter oder Verfahrensoptimierer nah an der alten Base oder was auch immer, und man macht präventiv mehr gut, als man durch legislatorische Hektik hier bewirken könnte.

14. März 2016: Von  an  Bewertung: +2.00 [2]

und genau das ist ja angewendet worden! erkennen der "krankheit" - fluguntauglich - auszeit - erneute überpfüung der flugtauglichkeit - festellung der flugtauglichkeit - fliegen!

so - alles das, was nach dem besten wissen und gewissen von der erneuten feststellung der flugtauglichkeit bis zum ableben aller im flieger gemacht wurde, lag im menschlichen ermessen! hier einen fehler zu suchen und hinein zu interpretieren, liegt leider im bereich der anwälte. da diese hier in europa keinen erfolg sehen, wird sich das wirre rechtssystem in den usa ausgesucht....man kann ja locker 65 % der schadenssumme als lohn abstauben...verkehrte welt..

mfg

ingo fuhrmeister

14. März 2016: Von Tee Jay an 

Wenn man sich die ersten 9 Seiten durchliest komme zumindest ich nicht umhin, dem Bericht in diesen Punkten Recht zu geben.. hier die deutsche Übersetzung: https://www.bea.aero/uploads/tx_elydbrapports/BEA2015-0125.de-LR.pdf

Ich bin aber noch am Lesen...

14. März 2016: Von Fred M. an Tee Jay

Danke für den Link auf die Übersetzung!!

Nach dem Vorablesen der Empfehlungen klingt das GANZ anders, mMn. sehr hilfreicher für Piloten in solchen Situationen, als in den Pressemeldungen! Im Bezug auf den Artikel z.B. in der Zeit, steht im Bericht als Fazit ja fast das Gegenteil:-((

In wieweit stimmt denn die Übersetzung mit dem franz. Orginal überein?

Gruss Fred

14. März 2016: Von Tee Jay an Fred M. Bewertung: +1.00 [1]

Vorwort nicht gelesen? ;-)

Besonderes Vorwort für die deutsche Version
Der Abschlussbericht der BEA über die Sicherheitsuntersuchung wurde als Geste der Höflichkeit [in die deutsche Sprache] übersetzt. So genau die Übersetzung auch sein mag, der Originaltext in französischer Sprache ist das Referenzwerk

Ich lasse mal dahingestellt, ob dieses einem deutschen Beamten überhaupt in den Sinn gekommen wäre... daher schonmal meinen größten Respekt vor dieser Geste.

Immer noch am lesen....

14. März 2016: Von Tee Jay an Tee Jay Bewertung: +1.00 [1]

Die Seite 58-59 hauen einen von den Socken... ich meine ist für manchen vielleicht nichts Neues, das aber in dieser deutlichkeit von einer Behörde geschrieben erstaunt sehr.

Es beginnt mit einer Fuß/Seitennote zum bekannten EASA Audit (keine Personal, kein Audit, kein Sicherheitsrisikomanagement):

Die EASA hat im Februar 2016 angedeutet, dass die Befunde des Audits noch immer offen en sind.

Um dann auf Seite 59 so richtig auszuholen:

Das LBA konnte keine Angaben machen, wie viele medizinische Flugtauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 pro Jahr ausgestellt, verlängert oder entzogen werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung diese Berichtes (März 2016), hatte das LBA noch kein IT-System, mit dem diese Aussagen möglich wären.

Warum schenken wir uns den ganzen Scheiss mit Medical, ZÜP & Co nicht einfach, wenn diese eh in der Tonne landen?

14. März 2016: Von Achim H. an Tee Jay Bewertung: +4.00 [4]

Das LBA konnte keine Angaben machen, wie viele medizinische Flugtauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 pro Jahr ausgestellt, verlängert oder entzogen werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung diese Berichtes (März 2016), hatte das LBA noch kein IT-System, mit dem diese Aussagen möglich wären.

Wieso ist es denn wichtig, diese Frage beantworten zu können?

Bis auf die Erkenntnis, dass man darauf verzichtet, eine Person alleine im Cockpit zu haben, bringt dieser Bericht und Unfall doch überhaupt keine Erkenntnisse. Das kann jederzeit und überall passieren, ein Unfall aus der Kategorie "shit happens".

Irgendwie erinnert mich diese ganze Diskussion an die alten US-Einreiseformulare mit der Frage "Haben Sie vor, einen terroristischen Anschlag zu begehen?". Wahrscheinlich wurden damit viele Anschläge verhindert, ich habe nur nie verstanden, wie.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Achim H.

Naja, schon. Sie beurteilen die ärztliche Schweigepflicht als Sicherheitsrisiko und empfehlen der WHO und der Europäischen Kommission, Empfehlungen zur Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht zu verabschieden. Bis dahin aber mögen die Deutschen ihre Hausaufgaben machen und

116
Das BMVI und die Bundesärztekammer (BÄK) sollten, ohne auf Maßnahmen
auf EU Ebene zu warten, die Richtlinien für alle Gesundheitsdienstleister
herausgeben, die:
sie daran erinnern, dass sie die ärztliche Schweigepflicht brechen und das
LBA oder eine andere Behörde informieren können, wenn die Gesundheit
eines Verkehrspiloten möglicherweise die öffentliche Sicherheit gefährdet.
Definitionen für die Begriffe „bevorstehende Gefahr“ und „Bedrohung
der öffentlichen Sicherheit“, im Zusammenhang mit der Gesundheit von
Piloten enthalten.
die juristischen Konsequenzen für Gesundheitsdienstleister begrenzen,
wenn sie die ärztliche Schweigepflicht, im guten Glauben die Bedrohung
der öffentlichen Sicherheit zu verringern oder zu eliminieren, verletzten.
[Empfehlungen FRAN-2016-019 und FRAN-2016-020]
14. März 2016: Von Achim H. an Alexander Callidus Bewertung: +4.00 [4]

Hilft nur leider nicht gegen den Piloten, der weiß dass er krank ist und nichts mehr fürchtet als sein Medical zu verlieren.

Ich wette, dass sich seit dem Vorfall ein anderes Bild bei der Umfrage unter Piloten "sind Sie manchmal traurig und wissen nicht warum?" ergeben würde. Arztbesuche werden immer mehr zur vorher einstudierten Performance.

14. März 2016: Von Tee Jay an Achim H.

Achim ganz einfach: Wir sind uns doch einig, daß das Instrument mit dem Namen "Medical" der Sicherheit dienen solte mit dem Ziel, daß fluguntaugliche Piloten nichts im Cockpit zu suchen haben. Doch wie will man dieses Instrument überhaupt evaulieren, wenn - den Datenschutz und eine ärzliche Schweigepflicht noch nicht mal tangierend - gar keine Daten erhoben werden, wieviele Medicals ausgestellt geschweige denn jährlich verlängert oder gar einbezogen werden.

Wie kann man da den Erfolg oder Mißerfolg dieses Instrumentes messen, wenn kein Monitoring passiert? Die Medicalvergabe bei uns geschieht komplett ohne Monitoring. Man könnte auch willkürlich oder per Zufall schreiben. Das ist jetzt amtlich!

Ich bin sauer und wütend aus mehreren Gründen: Ich darf brav alle zwei Jahre mein Medical verlängern, Termin, Zeit und Geld dafür verbraten für was? Welchen Sinn hat ein Instrument, welches am Ende gar nicht evaluiert wird? Denken wir das jetzt mal weiter... ZÜP...

Ferner bin ich sauer, daß hier ein Mißstand bei einer Behörde zum Anlass genommen wird, Piloten noch weiter zu drangsalieren und "enger an die Leine" zu nehmen. Sorry das gibt der Bericht gerade nicht her: Es werden doch ausdrücklich Defizite in der Administration aufgedeckt, nicht bei den Piloten!

Und zuletzt regt mich auf, daß wenn unser Herr Minister nur ein Mindestmaß an Anstand und Eier in der Hose hätte, er jetzt die Verantwortung für dieses Chaos in seinem Haus übernehmen sollte.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

Mit der Farce hast Du vollkommen recht. Es hilft fast nicht:. gekniffen sind nur diejenigen, die mal ehrlich sind, oder bei denen irgendwann mal vor ihrem Eintritt in das System irgendwo "irgendetwas mit Psyche" dokumentiert ist. Das sind Verhältnisse wie bei Berufsunfähigkeitsversicherungen, da sollte man auch tunlichst nie auf Kassenkosten einen Therapeuten aufgesucht oder Rückenschmerzen gehabt haben.

Klarstellungen zu den Grenzen ärztlicher Schweigepflicht sind allerdings schon hilfreich.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Tee Jay

"Und zuletzt regt mich auf, daß wenn unser Herr Minister nur ein Mindestmaß an Anstand und Eier in der Hose hätte"
Oxymoron.

"er jetzt die Verantwortung für dieses Chaos in seinem Haus übernehmen sollte."
Heutzutage unüblich.

Gut, das war jetzt nicht geistreich, aber ich habe gestern mal wieder ferngesehen und da recht viele Politiker gehört. Das reicht für die nächste Zeit.

14. März 2016: Von Lutz D. an Alexander Callidus Bewertung: +6.00 [6]

...ich verstehe und halte es für sehr nachvollziehbar, dass Mediziner an einer möglichst klaren Ansage in Sachen Schweigepflicht interessiert sind, schließlich sind Verstöße strafbewehrt.

Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es wirklich nötig noch klug ist, jetzt für jeden Bereich - der Pilot als Gefährder ist ja nur ein Beispiel von 1000 denkbaren - eine eigene Auslegungsvorschrift zu entwickeln.

Es gibt doch bereits die Güterabwägung in Verbindung mit §34 StGB. Es ist doch völlig eindeutig, dass das Vertrauen des Patienten gegenüber der Möglichkeit, dass ein Pilot mit Tötungsabsichten hunderte Menschenleben auslöscht, nachrangig ist.

Umgekehrt kann es aber gerade nicht im Interesse aller - und schon gar nicht des Einzelnen - sein, wenn wir die medizinische Diagnose über ein Meldesystem wegdelegieren.

Es muss Verantwortung des Arztes oder des Gutachters bleiben, zu sagen, ob sich eine Erkrankung höherwertige Rechtsgüter berühren kann. Ansonsten wird diese Entscheidung nämlich an anderer Stelle durchgeführt werden und zwar von Bürokraten auf Grundlage von nach dem Vorsichtsprinzip getätigten Meldungen.

Man stelle sich vor, nach einem schweren Schicksalsschlag leide man unter Schlafstörungen, ja vielleicht sogar an einem Stimmungstief. Vielleicht ist auch nur die Freundin mit dem besten Freund weggelaufen und in dieser Situation hat man zuhause drei Bilder auf den Boden gehämmert und kann nicht mehr gut schlafen. In dieser Situation suchen sich Jahr für Jahr hunderttausende Franzosen und Amerikaner Hilfe bei Psychologen oder Psychatern oder bei Medizinern. Und im Prinzip zu recht - warum auch nicht.

Mit dem Wissen um Ererignisse wie beim GermanWings-Flug oder bei dem EgyptAir (?)- Suizid und einer durch die WHO oder das Bundesgesundheitsministerium, die Ärztekammern oder wen auch immer erfolgende Sensibilisierung gehe ich jede Wette ein, dass bei einer weitgehenden Aufhebung der Schweigepflicht für Berufspiloten (oder andere Berufsgruppen, die in einen ähnlichen Fokus gerieten), eine große Zahl an Meldungen nach dem Vorsichtsprinzip erfolgen werden.

Von Medizinern, die das System mal ausprobieren wollen über anwaltlich beratene, die den sichersten Weg gehen wollen, bis zu den wirklich von einer Gefährdung Überzeugten.

Ich meine, letzteres würde vollkommen ausreichen und damit die Überzeugung auch gut durchdacht ist, sind die bestehenden engen Grenzen der Ausnahmen von der Schweigepflicht hilfreich.

Denn am Ende hat Achim völlig recht - es ist das Gesetz der großen Zahl von Flugbewegungen und Piloten, dass ab und an ungeheuerliche Dinge passieren, mit denen niemand gerechnet hat und mit denen auch schlicht niemand rechnen konnte.

Wir flüchten uns heute allzugerne in eine Risikoabwägung, die uns vorgaukelt, wir müssten nur lange genug über Risiken nachdenken, sie identifizieren, minimieren und bei Eintritt eindämmen. Das ist im Prinzip auch eine gute Taktik. Aber wer dabei vergisst, dass die Welt aus einer großen Menge an schlichter Ungewissheit besteht, die sich jedem Versuch einer Einhegung entzieht, macht einen schweren Fehler. "Expect the unexpected" klingt zwar gut, ist aber ein Ding der Unmöglichkeit.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Lutz D. Bewertung: +1.00 [1]

Völlige Zustimmung, das ist auch ein politischer Bericht und da unterscheiden sich Traditionen und Selbstveständnis der Exekutive in Frankreich und Deutschland. Die Schweigepflicht ist ja nur ein winziger NEbenaspekt, aber für die Ärzte existenzbedrohend, deswegen ist eine Stellungnahme beispielsweise der BÄK sinnvoll, dafür braucht es nichteinmal eine Richtlinie.

Deutschland, das Land mit Flughafendauerbaustelle, Mildes-Klima-ICEs und dysfunktionaler Luftfahrtbehörde, super.

14. März 2016: Von Achim H. an Tee Jay Bewertung: +4.00 [4]

Wie kann man da den Erfolg oder Mißerfolg dieses Instrumentes messen, wenn kein Monitoring passiert? Die Medicalvergabe bei uns geschieht komplett ohne Monitoring. Man könnte auch willkürlich oder per Zufall schreiben. Das ist jetzt amtlich!

Das heißt wir legen fest, dass jedes Jahr 2% der Medicals eingezogen werden müssen und wenn es weniger sind, dann sind die Ärzte zu lasch? Ich sehe überhaupt keine Notwendig für ein Monitoring. Fliegerärzte müssen sowohl eine Approbation als Mediziner sowie regelmäßige Fortbildungen nachweisen. Damit sind sie sowohl medizinisch als auch flugmedizinisch in der Lage, die Beurteilung der Tauglichkeit vorzunehmen.

Ich brauche keine Datenkrake auf Bundesebene. Unser System funktioniert gut. Die Politik (und da gehört eine Flugunfalluntersuchungsstelle auch dazu) meint immer, sie müsse etwas tun. Auch wenn sie überhaupt keine Ahnung hat was. Siehe ZÜP.

14. März 2016: Von Tee Jay an Achim H.

Du bist böse... nein das heist es genau nicht. Aber wenn schon quantitativ keine Aussage über ein Instrument getroffen werden kann, wie soll da eine qualitative Auseinandersetzung erfolgen können?

Ich sehe keine Notwendigkeit für eine Aushöhlung des Datenschutzes und Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht! Da bin ich bei Dir! Leider läuft das in der medialen und politischen Rezension jetzt darauf hinaus! Ein close Monitoring hätte aus meiner persönlichen Sicht - und da können wir uns gerne drüber keppeln - allein schon aus der Anzahl der Vorkommnisse und Unterbrechungen erfolgen können, erfolgen müssen!

EDIT:

Ich befüchte bei der Wegnahme des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht wird man sehr schnell sein. Bei dem Anbieten von Unterstützungsprogrammen oder den ebenfalls genannten organisatorischen Änderungen bei Airlines wird es - milde fomuliert - länger benötigen.

14. März 2016: Von Frank Naumann an 

Das wirklich Einzige, was solche Tragödien in Zukunft zuverlässig verhindern kann, ist eine Cockpittür aus Sperrholz!

Schade, daß sich die BEA zu einer solchen Sicherheitsempfehlung nicht durchringen konnte. Die Panzertür hat eindeutig das Potential, mehr Menschen umzubringen als zu retten.

Sehr interessant ist für mich vor allem auch, was in dem Bericht nicht steht: eine Auflistung der Fälle, in denen Terroristen an der Cockpittür gescheitert sind...

14. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +1.00 [1]

...dieser Einwand ist leicht erhoben, dennoch nicht stichhaltig.

Es gibt auch keine versuchten Einbüche in Fort Knox - das heißt aber nicht, dass die dortigen Sicherheitsvorkehrungen sinnlos wären.

Um die Sinnhaftigkeit zur Gefahrenabwehr beurteilen zu können, bedarf es einer Vergleichsgruppe. Diese gibt es nicht. Aber die Vorkommnisse in der Vergangenheit lassen zumindest den Schluss zu, dass verriegelnder Cockpittüren sehr wohl gewisse Risiken minimieren. Ich bezweifle übrigens, dass der vorliegende Fall anders verlaufen wäre, hätte es sich um eine vor-2001-stür gehandelt. Das hätte nur das Vorgehen des Täters angepasst.

15. März 2016: Von Frank Naumann an Lutz D. Bewertung: +2.00 [2]

Ich bezweifle übrigens, dass der vorliegende Fall anders verlaufen wäre, hätte es sich um eine vor-2001-stür gehandelt.

Was hättest Du gemacht, wenn Du der Kapitän wärst und vor einer verriegelten Cockpittür aus Pappkarton stehst, während Dein Erster Offizier eine Außenlandung in den Seealpen vorbereitet?

Die BEA hat zwei Ursachen des Absturzes zweifelsfrei herausgearbeitet (Punkt 3.2 des Berichts):

  1. Die Krankheit des Copiloten
  2. Die Konstruktion der Cockpittür

Wäre der FO nicht psychiatrisch erkrankt gewesen, wäre der Absturz nicht passiert. Hätte der Kapitän Zutritt zum Cockpit gehabt, wäre der Absturz ebenfalls nicht passiert. Zwei condiciones sine quibus non.

Zur Ursache #1 hat die BEA sechs ausführlich begründete Sicherheitsempfehlungen gegeben. Zur Ursache #2 wurde keine Sicherheitsempfehlung abgegeben. Als Rechtfertigung hierfür wird in Punkt 2.6 behauptet:

"Das Risiko eines Zutritts durch Unbefugte wird als höher betrachtet als das Szenario dieses Unfalls."

Normalerweise würde man erwarten, daß diese Schlußfolgerung ebenso stichhaltig mit Fakten und Statistiken begründet wird, wie die Analyse zu Ursache #1. Das Fehlen einer solchen Begründung läßt den Schluß zu, daß es sich um eine rein politisch motivierte und eben nicht auf Fakten basierende Entscheidung handelt. Gäbe es solche Fakten, hätte die BEA diese mit Sicherheit auch genannt. Das finde ich schade.

15. März 2016: Von Tee Jay an Frank Naumann

Politisch? ...läuft es da am Ende nicht immer hin?

Wir kennen nun die komplette Krankenakte des Co-Piloten aber einen Punkt kennen wir leider nicht: Die konkreten Job Bedingungen unter denen er gearbeitet hat. In Ansätzen schimmert das im Bericht durch, wo beispielsweise die Organisation bemängelt wird wie Crews immer wieder neu gemischt werden. Ein möglicher Zusammenhalt (oder soziale Kontrolle) folglich begrenzt ist. Oder wo es um die Versicherung und Abmilderung der Konsequenzen ging. Ich bin aber kein Airliner, um da was qualifiziert sagen zu können.

Der Bericht schreibt ausdrücklich, dass die genannten Sicherheitsempfehlungen als Paket verstanden werden sollten:

"Sie einzeln zu betrachten oder nur einige von ihnen umzusetzen könnte kontraproduktiv sein und würde nicht den gewünschten Sicherheitsnutzen bringen."

Wenn ich mir die Berichterstattung anschaue läuft aber nun genau das: Aufweichung von Datenschutz und Schweigepflicht. Von Änderungen bei Administration oder Organisation ist nicht viel zu hören...

15. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +5.00 [5]

Moin Frank,

das ist ein klassisches Beispiel für unser heutiges Denken über Risiken.

Natürlich ist eine total unzugängliche Pilotentür mitursächlich und die BEA hat recht, diesen Punkt zu nennen.

Aber wie kommst Du darauf, schließen zu können, dass ein nicht vorhandensein einer solchen Tür, diesen Unfall zuverlässig verhindert hätte? Dieser Schluss ist auch formallogisch völlig unzulässig.

Nimm doch einfach mal an, es hätte sich um eine Standardtür gehandelt (hast Du schon mal eine Standardtür aufgebrochen, die man von innen auch nur leicht zB durch einen Gegenstand gegen die Klinke sperrt???).

Hast Du schonmal versucht aufrecht zu stehen oder eine Tür aufzusperren, während ein Pilot ein Verkehrsflugzeug in einer Steilspirale bringt?

Über weitere Möglichkeiten will ich gar nicht nachdenken.

Der Co-Pilot hat die einfachste Möglichkeit gewählt. Er hätte dutzende gehabt. Wir wissen nicht, ob er zu ähnlichem fähig gewesen wäre, wenn er mehr Widerstände hätte überwinden müssen. Wir wissen auch nicht, wieviele Terroristen auf eine Flugzeugentführung verzichtet haben, weil es diese Türen gab.

Das einzige was ich genau weiß, ist, dass es absolute Sicherheit nicht gibt und dass das Ausmerzen eines wunden Punktes leicht drei neue erzeugen kann.

15. März 2016: Von Frank Naumann an Lutz D.

Wir wissen auch nicht, wieviele Terroristen auf eine Flugzeugentführung verzichtet haben, weil es diese Türen gab.

Wir wissen auch nicht, wieviele Piloten schon einmal auf einen Suizid verzichtet haben, weil ihr Kollege im Cockpit gerade nicht auf die Toilette mußte. Was wir aber wissen:

  1. Die Lebenszeit-Prävalenz einer Depression liegt bei ca. 10%. Das heißt, jeder zehnte Mensch durchlebt irgendwann in seinem Leben einmal eine schwere depressive Episode mit Selbstmordgedanken. Das gilt auch für Piloten.
  2. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Verkehrsflugzeug mindestens einen Piloten anzutreffen ist 100%. Die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens einer dieser Piloten gerade eine Depression hat, liegt irgendwo im Promille- oder einstelligen Prozentbereich.
  3. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Verkehrsflugzeug mindestens einen Terroristen anzutreffen, ist nahezu Null.

Auf welcher Seite der Cockpittür lauert also das größere Risiko? Die BEA schreibt dazu unter Punkt 2.6 sehr treffend:

"Eine Tür kann eine Bedrohung, die auf beiden Seiten der Tür existent sein kann, nicht abwenden."

15. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +1.00 [1]

Als Randbemerkung, Selbstmord und Selbstmord mit Tötung Dritter sind ein Unterschied von ca. Faktor 25.

Aber das ist gar nicht mein Punkt. Worauf ich hinauswollte ist, ein Vorhang statt einer Tür ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Verhinderung von Selbstmorden von Piloten.

Dass eine Sicherheitstür notwendige und hinreichende BEdingung zur Verhinderung von Flugzeugentführung durch Dritte ist, lässt sich aber auf Grundlage der aktuellen Datenlage nicht falsifizieren.

15. März 2016: Von Tee Jay an Lutz D.

ich kann an dieser Stelle nur zwei Geschichten aus Rolf Dobellis wunderbaren Buch der Denkfehler zitieren:

Jeden Tag, kurz vor neun Uhr, stellt sich ein Mann mit einer roten Mütze auf einen Platz und beginnt, die Mütze wild hin und her zu schwenken. Nach fünf Minuten verschwindet er wieder. Eines Tages tritt ein Polizist vor ihn: „Was tun Sie da eigentlich?“ „Ich vertreibe die Giraffen.“ „Es gibt keine Giraffen hier.“ „Tja, ich mache eben einen guten Job.“

Ein Freund mit Beinbruch ans Bett gefesselt, bat mich, für ihn einen Lottoschein zu kaufen. Ich kreuzte sieben Zahlen an und schrieb seinen Namen drauf. Als ich ihm den Lottozettel überreichte, sagte er unwirsch: „Warum hast du den Zettel ausgefüllt? Ich wollte ihn ausfüllen. Mit deinen Zahlen werde ich bestimmt nichts gewinnen!“ „Denkst du wirklich, du kannst die Kugeln durch dein eigenhändiges Ankreuzen beeinflussen?“, fragte ich. Er schaute mich verständnislos an.

Wir haben viel weniger unter Kontrolle als uns allen lieb ist. Und ich denke nicht, dass eine Aushöhlung des Datenschutzes und noch so eine Risikoabwägung zu Lasten der ärztlichen Schweigepflicht hilft einen derart kranken Piloten aufzuhalten. Dann findet er eben andere Wege. Leiden müssen aber die 99,9% aller übrigen Piloten und Steuerzahler, die den Beamtenapperat bezahlen. Und dann gäbe es noch andere Risiko-Berufsgruppen wie Mitarbeiter in AKWs, Chemiewerken... Busfahrer... etc.


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