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14. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +1.00 [1]

...dieser Einwand ist leicht erhoben, dennoch nicht stichhaltig.

Es gibt auch keine versuchten Einbüche in Fort Knox - das heißt aber nicht, dass die dortigen Sicherheitsvorkehrungen sinnlos wären.

Um die Sinnhaftigkeit zur Gefahrenabwehr beurteilen zu können, bedarf es einer Vergleichsgruppe. Diese gibt es nicht. Aber die Vorkommnisse in der Vergangenheit lassen zumindest den Schluss zu, dass verriegelnder Cockpittüren sehr wohl gewisse Risiken minimieren. Ich bezweifle übrigens, dass der vorliegende Fall anders verlaufen wäre, hätte es sich um eine vor-2001-stür gehandelt. Das hätte nur das Vorgehen des Täters angepasst.

15. März 2016: Von Frank Naumann an Lutz D. Bewertung: +2.00 [2]

Ich bezweifle übrigens, dass der vorliegende Fall anders verlaufen wäre, hätte es sich um eine vor-2001-stür gehandelt.

Was hättest Du gemacht, wenn Du der Kapitän wärst und vor einer verriegelten Cockpittür aus Pappkarton stehst, während Dein Erster Offizier eine Außenlandung in den Seealpen vorbereitet?

Die BEA hat zwei Ursachen des Absturzes zweifelsfrei herausgearbeitet (Punkt 3.2 des Berichts):

  1. Die Krankheit des Copiloten
  2. Die Konstruktion der Cockpittür

Wäre der FO nicht psychiatrisch erkrankt gewesen, wäre der Absturz nicht passiert. Hätte der Kapitän Zutritt zum Cockpit gehabt, wäre der Absturz ebenfalls nicht passiert. Zwei condiciones sine quibus non.

Zur Ursache #1 hat die BEA sechs ausführlich begründete Sicherheitsempfehlungen gegeben. Zur Ursache #2 wurde keine Sicherheitsempfehlung abgegeben. Als Rechtfertigung hierfür wird in Punkt 2.6 behauptet:

"Das Risiko eines Zutritts durch Unbefugte wird als höher betrachtet als das Szenario dieses Unfalls."

Normalerweise würde man erwarten, daß diese Schlußfolgerung ebenso stichhaltig mit Fakten und Statistiken begründet wird, wie die Analyse zu Ursache #1. Das Fehlen einer solchen Begründung läßt den Schluß zu, daß es sich um eine rein politisch motivierte und eben nicht auf Fakten basierende Entscheidung handelt. Gäbe es solche Fakten, hätte die BEA diese mit Sicherheit auch genannt. Das finde ich schade.

15. März 2016: Von Tee Jay an Frank Naumann

Politisch? ...läuft es da am Ende nicht immer hin?

Wir kennen nun die komplette Krankenakte des Co-Piloten aber einen Punkt kennen wir leider nicht: Die konkreten Job Bedingungen unter denen er gearbeitet hat. In Ansätzen schimmert das im Bericht durch, wo beispielsweise die Organisation bemängelt wird wie Crews immer wieder neu gemischt werden. Ein möglicher Zusammenhalt (oder soziale Kontrolle) folglich begrenzt ist. Oder wo es um die Versicherung und Abmilderung der Konsequenzen ging. Ich bin aber kein Airliner, um da was qualifiziert sagen zu können.

Der Bericht schreibt ausdrücklich, dass die genannten Sicherheitsempfehlungen als Paket verstanden werden sollten:

"Sie einzeln zu betrachten oder nur einige von ihnen umzusetzen könnte kontraproduktiv sein und würde nicht den gewünschten Sicherheitsnutzen bringen."

Wenn ich mir die Berichterstattung anschaue läuft aber nun genau das: Aufweichung von Datenschutz und Schweigepflicht. Von Änderungen bei Administration oder Organisation ist nicht viel zu hören...

15. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +5.00 [5]

Moin Frank,

das ist ein klassisches Beispiel für unser heutiges Denken über Risiken.

Natürlich ist eine total unzugängliche Pilotentür mitursächlich und die BEA hat recht, diesen Punkt zu nennen.

Aber wie kommst Du darauf, schließen zu können, dass ein nicht vorhandensein einer solchen Tür, diesen Unfall zuverlässig verhindert hätte? Dieser Schluss ist auch formallogisch völlig unzulässig.

Nimm doch einfach mal an, es hätte sich um eine Standardtür gehandelt (hast Du schon mal eine Standardtür aufgebrochen, die man von innen auch nur leicht zB durch einen Gegenstand gegen die Klinke sperrt???).

Hast Du schonmal versucht aufrecht zu stehen oder eine Tür aufzusperren, während ein Pilot ein Verkehrsflugzeug in einer Steilspirale bringt?

Über weitere Möglichkeiten will ich gar nicht nachdenken.

Der Co-Pilot hat die einfachste Möglichkeit gewählt. Er hätte dutzende gehabt. Wir wissen nicht, ob er zu ähnlichem fähig gewesen wäre, wenn er mehr Widerstände hätte überwinden müssen. Wir wissen auch nicht, wieviele Terroristen auf eine Flugzeugentführung verzichtet haben, weil es diese Türen gab.

Das einzige was ich genau weiß, ist, dass es absolute Sicherheit nicht gibt und dass das Ausmerzen eines wunden Punktes leicht drei neue erzeugen kann.

15. März 2016: Von Frank Naumann an Lutz D.

Wir wissen auch nicht, wieviele Terroristen auf eine Flugzeugentführung verzichtet haben, weil es diese Türen gab.

Wir wissen auch nicht, wieviele Piloten schon einmal auf einen Suizid verzichtet haben, weil ihr Kollege im Cockpit gerade nicht auf die Toilette mußte. Was wir aber wissen:

  1. Die Lebenszeit-Prävalenz einer Depression liegt bei ca. 10%. Das heißt, jeder zehnte Mensch durchlebt irgendwann in seinem Leben einmal eine schwere depressive Episode mit Selbstmordgedanken. Das gilt auch für Piloten.
  2. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Verkehrsflugzeug mindestens einen Piloten anzutreffen ist 100%. Die Wahrscheinlichkeit, daß mindestens einer dieser Piloten gerade eine Depression hat, liegt irgendwo im Promille- oder einstelligen Prozentbereich.
  3. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Verkehrsflugzeug mindestens einen Terroristen anzutreffen, ist nahezu Null.

Auf welcher Seite der Cockpittür lauert also das größere Risiko? Die BEA schreibt dazu unter Punkt 2.6 sehr treffend:

"Eine Tür kann eine Bedrohung, die auf beiden Seiten der Tür existent sein kann, nicht abwenden."

15. März 2016: Von Lutz D. an Frank Naumann Bewertung: +1.00 [1]

Als Randbemerkung, Selbstmord und Selbstmord mit Tötung Dritter sind ein Unterschied von ca. Faktor 25.

Aber das ist gar nicht mein Punkt. Worauf ich hinauswollte ist, ein Vorhang statt einer Tür ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Verhinderung von Selbstmorden von Piloten.

Dass eine Sicherheitstür notwendige und hinreichende BEdingung zur Verhinderung von Flugzeugentführung durch Dritte ist, lässt sich aber auf Grundlage der aktuellen Datenlage nicht falsifizieren.

15. März 2016: Von Tee Jay an Lutz D.

ich kann an dieser Stelle nur zwei Geschichten aus Rolf Dobellis wunderbaren Buch der Denkfehler zitieren:

Jeden Tag, kurz vor neun Uhr, stellt sich ein Mann mit einer roten Mütze auf einen Platz und beginnt, die Mütze wild hin und her zu schwenken. Nach fünf Minuten verschwindet er wieder. Eines Tages tritt ein Polizist vor ihn: „Was tun Sie da eigentlich?“ „Ich vertreibe die Giraffen.“ „Es gibt keine Giraffen hier.“ „Tja, ich mache eben einen guten Job.“

Ein Freund mit Beinbruch ans Bett gefesselt, bat mich, für ihn einen Lottoschein zu kaufen. Ich kreuzte sieben Zahlen an und schrieb seinen Namen drauf. Als ich ihm den Lottozettel überreichte, sagte er unwirsch: „Warum hast du den Zettel ausgefüllt? Ich wollte ihn ausfüllen. Mit deinen Zahlen werde ich bestimmt nichts gewinnen!“ „Denkst du wirklich, du kannst die Kugeln durch dein eigenhändiges Ankreuzen beeinflussen?“, fragte ich. Er schaute mich verständnislos an.

Wir haben viel weniger unter Kontrolle als uns allen lieb ist. Und ich denke nicht, dass eine Aushöhlung des Datenschutzes und noch so eine Risikoabwägung zu Lasten der ärztlichen Schweigepflicht hilft einen derart kranken Piloten aufzuhalten. Dann findet er eben andere Wege. Leiden müssen aber die 99,9% aller übrigen Piloten und Steuerzahler, die den Beamtenapperat bezahlen. Und dann gäbe es noch andere Risiko-Berufsgruppen wie Mitarbeiter in AKWs, Chemiewerken... Busfahrer... etc.

15. März 2016: Von Malte Höltken an Lutz D.

Dass eine Sicherheitstür notwendige und hinreichende BEdingung zur Verhinderung von Flugzeugentführung durch Dritte ist, lässt sich aber auf Grundlage der aktuellen Datenlage nicht falsifizieren.

Da bin ich mir nicht so sicher. Denn auch mit geschlossener Tür ist es möglich, die Piloten hinreichend unter Druck zu setzen, ihren geplanten Flugverlauf nicht fortzuführen. Es wird schwerer sein die Piloten dazu zu bringen den Flieger in Hochhäuser zu fliegen, aber auch so ist ein Besetztes Großraumflugzeug ja ein mitunter lohnendes Ziel für Terroristen. Als hinreichende Bedingung für eine Flugzeugentführung kann eine Cockpittür demnach nicht herhalten.

Die Frage, ob sie notwendige Bedingung ist, ist auch nicht so einfach zu beantworten. Es gibt ja durchaus (theoretische) Möglichkeiten, die Sicherheit ohne Cockpittür herzustellen. Hier läuft es aber - je nach betrachteter Lösung - wieder zu einer Güterabwägung zwischen Sicherheit und persönlicher Freiheit der Fluggäste hinaus und da kann eine Cockpittür das geringere Übel sein.

15. März 2016: Von Malte Höltken an Tee Jay

Das zweite Beispiel aus diesem "wunderbaren" Buch unterliegt aber entweder der nicht genannten Prämisse, daß der mit dem Kauf des Tickets beauftragte Freund um die Zahlen wusste, die hätten angekreuzt werden sollen, oder der Autor verzichtet auf die genaue Betrachtung des Umstands, daß es sehrwohl einen Unterschied macht, welche Zahlen gewählt werden. Denn selbst wenn der Ausgang der Ziehung statistisch ist, ist es die Abgabe anderer Lose wiederum nicht. Wenn besagter Lottospieler nun also taktierte, mit seinen Zahlen im Falle des Gewinns diesen mit möglichst wenigen anderen Mitspielern teilen zu wollen, würde er solche Zahlen meiden, die häufig gespielt werden, also zum Beispiel nichts bis 31 und keine Primzahlen (37,41,43,47). Letztlich dürfte allerdings auch klar sein, daß es oft auch um das Spielen an sich geht und die Befriedigung sich nihct nur im Besitz eines gekreuzten Lottoscheines, sondern in der Auswahl der gespielten Zahlen liegt. Besagter "Freund" handelt also nicht nur logisch falsch, unterliegt einem klassischen Denkfehler durch Ausschluß von Einflußfaktoren und Maßt sich an zu wissen, mit welcher Motivation sein Freund Zahlen auswählt, er verweigert Ihm sogar auch den eigentlichen Akt des spielens und damit die eigentliche Gratifikation bei der Wahl der Zahlen.

Wir haben vielleicht weniger unter Kontrolle als uns lieb ist, aber wir sollten das, was wir unter Kontrolle haben auch nicht a priori aus der Hand geben.

15. März 2016: Von Lutz D. an Malte Höltken Bewertung: +1.00 [1]

Es ging mir ja nicht um induktive Theorie, sondern um Falsifizierung einer These auf Grund der Datenlage. Wieviele Entführungen durch Dritte gab es bei vorhandener Sicherheitstür?

Ich bin übrigens gar nicht für diese Türen. Jedem mit Intuition leuchtet ein, dass das potentiell sehr gefährlich ist. Ich bin nur gegen die Ablehnung auf Grund falscher Annahmen.

15. März 2016: Von Malte Höltken an Lutz D.

Es ging mir ja nicht um induktive Theorie, sondern um Falsifizierung einer These auf Grund der Datenlage.

Das ist mir schon Bewusst, dennoch halte ich die analytische Betrachtung für eine Falsifizierung einer Aussage für hinreichend, sofern sie argumentativ stichfest ist. Wohlgemerkt: Es beantwortet die Frage nciht, ob eine Tür nun eher nützt als schadet. In dieser Frage tendiere ich zu keiner bestimmten Aussage, ich würde mich der Diskussion ergebnisoffen nähern.

15. März 2016: Von Lutz D. an Malte Höltken

"dennoch halte ich die analytische Betrachtung für eine Falsifizierung einer Aussage für hinreichend, "

Nobody is perfect ;)

18. März 2016: Von Flieger Max L.oitfelder an Malte Höltken

Denn auch mit geschlossener Tür ist es möglich, die Piloten hinreichend unter Druck zu setzen, ihren geplanten Flugverlauf nicht fortzuführen

Seit 9/11 glaube ich das eben nicht (mehr), das Geschlossenhalten der Tür hat bei Verdachtsmomenten oberste Priorität.

18. März 2016: Von Lutz D. an Flieger Max L.oitfelder

Jedenfalls werden die Druckmittel hinter der Tür nicht so groß sein, dass man vor der Tür nach Addis oder in ein Hochhaus fliegt.

18. März 2016: Von Flieger Max L.oitfelder an Lutz D. Bewertung: +1.00 [1]

Das meinte ich. Und das oft angeführte Beispiel eines/er bedrohten Kollegen/in aus der Kabine um so den Eintritt zu erpressen würde sicher die schlimmste Entscheidung des Pilotenlebens bedeuten-und trotzdem eindeutig.


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