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35 Beiträge Seite 1 von 2

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14. März 2016: Von Fred M. an Tee Jay

Danke für den Link auf die Übersetzung!!

Nach dem Vorablesen der Empfehlungen klingt das GANZ anders, mMn. sehr hilfreicher für Piloten in solchen Situationen, als in den Pressemeldungen! Im Bezug auf den Artikel z.B. in der Zeit, steht im Bericht als Fazit ja fast das Gegenteil:-((

In wieweit stimmt denn die Übersetzung mit dem franz. Orginal überein?

Gruss Fred

14. März 2016: Von Tee Jay an Fred M. Bewertung: +1.00 [1]

Vorwort nicht gelesen? ;-)

Besonderes Vorwort für die deutsche Version
Der Abschlussbericht der BEA über die Sicherheitsuntersuchung wurde als Geste der Höflichkeit [in die deutsche Sprache] übersetzt. So genau die Übersetzung auch sein mag, der Originaltext in französischer Sprache ist das Referenzwerk

Ich lasse mal dahingestellt, ob dieses einem deutschen Beamten überhaupt in den Sinn gekommen wäre... daher schonmal meinen größten Respekt vor dieser Geste.

Immer noch am lesen....

14. März 2016: Von Tee Jay an Tee Jay Bewertung: +1.00 [1]

Die Seite 58-59 hauen einen von den Socken... ich meine ist für manchen vielleicht nichts Neues, das aber in dieser deutlichkeit von einer Behörde geschrieben erstaunt sehr.

Es beginnt mit einer Fuß/Seitennote zum bekannten EASA Audit (keine Personal, kein Audit, kein Sicherheitsrisikomanagement):

Die EASA hat im Februar 2016 angedeutet, dass die Befunde des Audits noch immer offen en sind.

Um dann auf Seite 59 so richtig auszuholen:

Das LBA konnte keine Angaben machen, wie viele medizinische Flugtauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 pro Jahr ausgestellt, verlängert oder entzogen werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung diese Berichtes (März 2016), hatte das LBA noch kein IT-System, mit dem diese Aussagen möglich wären.

Warum schenken wir uns den ganzen Scheiss mit Medical, ZÜP & Co nicht einfach, wenn diese eh in der Tonne landen?

14. März 2016: Von Achim H. an Tee Jay Bewertung: +4.00 [4]

Das LBA konnte keine Angaben machen, wie viele medizinische Flugtauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 pro Jahr ausgestellt, verlängert oder entzogen werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung diese Berichtes (März 2016), hatte das LBA noch kein IT-System, mit dem diese Aussagen möglich wären.

Wieso ist es denn wichtig, diese Frage beantworten zu können?

Bis auf die Erkenntnis, dass man darauf verzichtet, eine Person alleine im Cockpit zu haben, bringt dieser Bericht und Unfall doch überhaupt keine Erkenntnisse. Das kann jederzeit und überall passieren, ein Unfall aus der Kategorie "shit happens".

Irgendwie erinnert mich diese ganze Diskussion an die alten US-Einreiseformulare mit der Frage "Haben Sie vor, einen terroristischen Anschlag zu begehen?". Wahrscheinlich wurden damit viele Anschläge verhindert, ich habe nur nie verstanden, wie.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Achim H.

Naja, schon. Sie beurteilen die ärztliche Schweigepflicht als Sicherheitsrisiko und empfehlen der WHO und der Europäischen Kommission, Empfehlungen zur Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht zu verabschieden. Bis dahin aber mögen die Deutschen ihre Hausaufgaben machen und

116
Das BMVI und die Bundesärztekammer (BÄK) sollten, ohne auf Maßnahmen
auf EU Ebene zu warten, die Richtlinien für alle Gesundheitsdienstleister
herausgeben, die:
sie daran erinnern, dass sie die ärztliche Schweigepflicht brechen und das
LBA oder eine andere Behörde informieren können, wenn die Gesundheit
eines Verkehrspiloten möglicherweise die öffentliche Sicherheit gefährdet.
Definitionen für die Begriffe „bevorstehende Gefahr“ und „Bedrohung
der öffentlichen Sicherheit“, im Zusammenhang mit der Gesundheit von
Piloten enthalten.
die juristischen Konsequenzen für Gesundheitsdienstleister begrenzen,
wenn sie die ärztliche Schweigepflicht, im guten Glauben die Bedrohung
der öffentlichen Sicherheit zu verringern oder zu eliminieren, verletzten.
[Empfehlungen FRAN-2016-019 und FRAN-2016-020]
14. März 2016: Von Achim H. an Alexander Callidus Bewertung: +4.00 [4]

Hilft nur leider nicht gegen den Piloten, der weiß dass er krank ist und nichts mehr fürchtet als sein Medical zu verlieren.

Ich wette, dass sich seit dem Vorfall ein anderes Bild bei der Umfrage unter Piloten "sind Sie manchmal traurig und wissen nicht warum?" ergeben würde. Arztbesuche werden immer mehr zur vorher einstudierten Performance.

14. März 2016: Von Tee Jay an Achim H.

Achim ganz einfach: Wir sind uns doch einig, daß das Instrument mit dem Namen "Medical" der Sicherheit dienen solte mit dem Ziel, daß fluguntaugliche Piloten nichts im Cockpit zu suchen haben. Doch wie will man dieses Instrument überhaupt evaulieren, wenn - den Datenschutz und eine ärzliche Schweigepflicht noch nicht mal tangierend - gar keine Daten erhoben werden, wieviele Medicals ausgestellt geschweige denn jährlich verlängert oder gar einbezogen werden.

Wie kann man da den Erfolg oder Mißerfolg dieses Instrumentes messen, wenn kein Monitoring passiert? Die Medicalvergabe bei uns geschieht komplett ohne Monitoring. Man könnte auch willkürlich oder per Zufall schreiben. Das ist jetzt amtlich!

Ich bin sauer und wütend aus mehreren Gründen: Ich darf brav alle zwei Jahre mein Medical verlängern, Termin, Zeit und Geld dafür verbraten für was? Welchen Sinn hat ein Instrument, welches am Ende gar nicht evaluiert wird? Denken wir das jetzt mal weiter... ZÜP...

Ferner bin ich sauer, daß hier ein Mißstand bei einer Behörde zum Anlass genommen wird, Piloten noch weiter zu drangsalieren und "enger an die Leine" zu nehmen. Sorry das gibt der Bericht gerade nicht her: Es werden doch ausdrücklich Defizite in der Administration aufgedeckt, nicht bei den Piloten!

Und zuletzt regt mich auf, daß wenn unser Herr Minister nur ein Mindestmaß an Anstand und Eier in der Hose hätte, er jetzt die Verantwortung für dieses Chaos in seinem Haus übernehmen sollte.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

Mit der Farce hast Du vollkommen recht. Es hilft fast nicht:. gekniffen sind nur diejenigen, die mal ehrlich sind, oder bei denen irgendwann mal vor ihrem Eintritt in das System irgendwo "irgendetwas mit Psyche" dokumentiert ist. Das sind Verhältnisse wie bei Berufsunfähigkeitsversicherungen, da sollte man auch tunlichst nie auf Kassenkosten einen Therapeuten aufgesucht oder Rückenschmerzen gehabt haben.

Klarstellungen zu den Grenzen ärztlicher Schweigepflicht sind allerdings schon hilfreich.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Tee Jay

"Und zuletzt regt mich auf, daß wenn unser Herr Minister nur ein Mindestmaß an Anstand und Eier in der Hose hätte"
Oxymoron.

"er jetzt die Verantwortung für dieses Chaos in seinem Haus übernehmen sollte."
Heutzutage unüblich.

Gut, das war jetzt nicht geistreich, aber ich habe gestern mal wieder ferngesehen und da recht viele Politiker gehört. Das reicht für die nächste Zeit.

14. März 2016: Von Lutz D. an Alexander Callidus Bewertung: +6.00 [6]

...ich verstehe und halte es für sehr nachvollziehbar, dass Mediziner an einer möglichst klaren Ansage in Sachen Schweigepflicht interessiert sind, schließlich sind Verstöße strafbewehrt.

Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es wirklich nötig noch klug ist, jetzt für jeden Bereich - der Pilot als Gefährder ist ja nur ein Beispiel von 1000 denkbaren - eine eigene Auslegungsvorschrift zu entwickeln.

Es gibt doch bereits die Güterabwägung in Verbindung mit §34 StGB. Es ist doch völlig eindeutig, dass das Vertrauen des Patienten gegenüber der Möglichkeit, dass ein Pilot mit Tötungsabsichten hunderte Menschenleben auslöscht, nachrangig ist.

Umgekehrt kann es aber gerade nicht im Interesse aller - und schon gar nicht des Einzelnen - sein, wenn wir die medizinische Diagnose über ein Meldesystem wegdelegieren.

Es muss Verantwortung des Arztes oder des Gutachters bleiben, zu sagen, ob sich eine Erkrankung höherwertige Rechtsgüter berühren kann. Ansonsten wird diese Entscheidung nämlich an anderer Stelle durchgeführt werden und zwar von Bürokraten auf Grundlage von nach dem Vorsichtsprinzip getätigten Meldungen.

Man stelle sich vor, nach einem schweren Schicksalsschlag leide man unter Schlafstörungen, ja vielleicht sogar an einem Stimmungstief. Vielleicht ist auch nur die Freundin mit dem besten Freund weggelaufen und in dieser Situation hat man zuhause drei Bilder auf den Boden gehämmert und kann nicht mehr gut schlafen. In dieser Situation suchen sich Jahr für Jahr hunderttausende Franzosen und Amerikaner Hilfe bei Psychologen oder Psychatern oder bei Medizinern. Und im Prinzip zu recht - warum auch nicht.

Mit dem Wissen um Ererignisse wie beim GermanWings-Flug oder bei dem EgyptAir (?)- Suizid und einer durch die WHO oder das Bundesgesundheitsministerium, die Ärztekammern oder wen auch immer erfolgende Sensibilisierung gehe ich jede Wette ein, dass bei einer weitgehenden Aufhebung der Schweigepflicht für Berufspiloten (oder andere Berufsgruppen, die in einen ähnlichen Fokus gerieten), eine große Zahl an Meldungen nach dem Vorsichtsprinzip erfolgen werden.

Von Medizinern, die das System mal ausprobieren wollen über anwaltlich beratene, die den sichersten Weg gehen wollen, bis zu den wirklich von einer Gefährdung Überzeugten.

Ich meine, letzteres würde vollkommen ausreichen und damit die Überzeugung auch gut durchdacht ist, sind die bestehenden engen Grenzen der Ausnahmen von der Schweigepflicht hilfreich.

Denn am Ende hat Achim völlig recht - es ist das Gesetz der großen Zahl von Flugbewegungen und Piloten, dass ab und an ungeheuerliche Dinge passieren, mit denen niemand gerechnet hat und mit denen auch schlicht niemand rechnen konnte.

Wir flüchten uns heute allzugerne in eine Risikoabwägung, die uns vorgaukelt, wir müssten nur lange genug über Risiken nachdenken, sie identifizieren, minimieren und bei Eintritt eindämmen. Das ist im Prinzip auch eine gute Taktik. Aber wer dabei vergisst, dass die Welt aus einer großen Menge an schlichter Ungewissheit besteht, die sich jedem Versuch einer Einhegung entzieht, macht einen schweren Fehler. "Expect the unexpected" klingt zwar gut, ist aber ein Ding der Unmöglichkeit.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Lutz D. Bewertung: +1.00 [1]

Völlige Zustimmung, das ist auch ein politischer Bericht und da unterscheiden sich Traditionen und Selbstveständnis der Exekutive in Frankreich und Deutschland. Die Schweigepflicht ist ja nur ein winziger NEbenaspekt, aber für die Ärzte existenzbedrohend, deswegen ist eine Stellungnahme beispielsweise der BÄK sinnvoll, dafür braucht es nichteinmal eine Richtlinie.

Deutschland, das Land mit Flughafendauerbaustelle, Mildes-Klima-ICEs und dysfunktionaler Luftfahrtbehörde, super.

14. März 2016: Von Achim H. an Tee Jay Bewertung: +4.00 [4]

Wie kann man da den Erfolg oder Mißerfolg dieses Instrumentes messen, wenn kein Monitoring passiert? Die Medicalvergabe bei uns geschieht komplett ohne Monitoring. Man könnte auch willkürlich oder per Zufall schreiben. Das ist jetzt amtlich!

Das heißt wir legen fest, dass jedes Jahr 2% der Medicals eingezogen werden müssen und wenn es weniger sind, dann sind die Ärzte zu lasch? Ich sehe überhaupt keine Notwendig für ein Monitoring. Fliegerärzte müssen sowohl eine Approbation als Mediziner sowie regelmäßige Fortbildungen nachweisen. Damit sind sie sowohl medizinisch als auch flugmedizinisch in der Lage, die Beurteilung der Tauglichkeit vorzunehmen.

Ich brauche keine Datenkrake auf Bundesebene. Unser System funktioniert gut. Die Politik (und da gehört eine Flugunfalluntersuchungsstelle auch dazu) meint immer, sie müsse etwas tun. Auch wenn sie überhaupt keine Ahnung hat was. Siehe ZÜP.

14. März 2016: Von Tee Jay an Achim H.

Du bist böse... nein das heist es genau nicht. Aber wenn schon quantitativ keine Aussage über ein Instrument getroffen werden kann, wie soll da eine qualitative Auseinandersetzung erfolgen können?

Ich sehe keine Notwendigkeit für eine Aushöhlung des Datenschutzes und Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht! Da bin ich bei Dir! Leider läuft das in der medialen und politischen Rezension jetzt darauf hinaus! Ein close Monitoring hätte aus meiner persönlichen Sicht - und da können wir uns gerne drüber keppeln - allein schon aus der Anzahl der Vorkommnisse und Unterbrechungen erfolgen können, erfolgen müssen!

EDIT:

Ich befüchte bei der Wegnahme des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht wird man sehr schnell sein. Bei dem Anbieten von Unterstützungsprogrammen oder den ebenfalls genannten organisatorischen Änderungen bei Airlines wird es - milde fomuliert - länger benötigen.

19. März 2016: Von Johann Schwegler an Lutz D. Bewertung: +9.00 [9]

Ein paar Worte zur ärztlichen Schweigepflicht: Als Augenarzt habe ich jeden Tag (!) eine knappe Handvoll von Senioren als Patienten in meiner Sprechstunde, die ganz erheblich schlechter sehen als nach Fahrerlaubnisverodnung zum Führen eines PKW zulässig und dennoch täglich mit dem Auto unterwegs sind. Ich informiere alle diese Menschen über ihre Fahruntauglichkeit und dokumentiere dies (per Keyboard Makro, weil so häufig) in der Akte. Kein einziger hat - soviel ich weiß - deswegen den Führereschein abgegeben.

Ein über 80jähriger mit maximal 20% Sehschärfe trotz Brille hat mir vor Jahren ganz unverblümt erzählt, er habe sich kurz zuvor den 19. Porsche angeschafft, und weil's wahrscheinlich der letzte sein werde, ist seine Wahl auf den Turbo gefallen. Er wolle endlich die 300 km/h auf der Autobahn knacken!

Hätte ich nur einen einzigen dieser lieben Mitbürger nach sorgfältiger Güterabwägung an die Führerscheinstelle verpfiffen, hätte ich die Praxis sofort zusperren können (Shistorm gibt's auch bei Menschen, die diesen Begriff gar nicht kennen). Genauso würde es dem Psychiater oder Klinischen Psychologen gehen, der einen suizidgefährdeten Patienten an die entsprechenden Berufsaufsichtsbehörden meldet. Außerdem könnten dann die Angehörigen den Doktor verklagen, weil der durch die Meldung verursachte Verlust des Arbeitsplatzes den Patienten vielleicht erst in den Selbstmord getrieben habe.

Die ärztliche Schweigepflicht schützt nicht nur den Patienten, sondern auch den Therapeuten.

P.S. Der Porschefahrer ist einige Monate nach unserem Gespräch verstorben - dem Vernehmen nach friedlich im Bett.

19. März 2016: Von Achim H. an Johann Schwegler Bewertung: +3.00 [4]

Toller Beitrag!

Was wäre wenn der 20%-Rentner einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben. Wie wäre Dein Forumsbetrag vor Gericht zu bewerten?

19. März 2016: Von Wolff E. an Achim H.

Achim. Diese Frage stelle ich mir oft, wenn ich sehe wie Freunde und Fliegerkumpel stark angetrunken vom Flugplatz mit dem Auto weg fahren. Ist echt ein Problem...

20. März 2016: Von Johann Schwegler an Achim H.
Beitrag vom Autor gelöscht
21. März 2016: Von Alfred Obermaier an Achim H. Bewertung: +2.00 [3]

Achim, da erklärt jemand sauber die ärztliche Schweigepflicht mit den zugehörigen Interessenkonflikten. Dann kommt ein Kommentar von Dir der im Konjunktiv gehalten, aus meiner Empfindung her aber weder zielführend noch konstruktiv und daher imho entbehrlich ist. So was nennt man "Killerbeitrag". Sorry.

21. März 2016: Von Lutz D. an Alfred Obermaier Bewertung: +7.00 [7]

Nun, Achim kann natürlich für sich selbst sprechen.

Aber provokante Fragen sind ja durchaus geeignet, die Lethargie des Denkens zu durchbrechen - oder im besten Falle, die Argumente des Gegners zu schärfen - was hier notwendig erscheint.

Johanns Beitrag beschreibt sehr treffend die Ist-Situation - unterschlägt aber, was wir eigentlich brauchen:

Eine Wertediskussion.

Als Gesellschaft müssen wir schlicht entscheiden, ob wir das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient absolut setzen wollen (wozu ich neige), oder ob wir den Weg des Bankgeheimnisses gehen wollen - über eine Aufweichung zur Abschaffung.

Und mit welchem Vertrauensverhältnis machen wir dann weiter? Sollte der Anwalt nicht geplante Straftaten direkt an den Staatsanwalt melden MÜSSEN? Oder der Priester? Oder der Ehepartner? Der Vater?

Aus meiner Sicht gehört es zum Beruf des Arztes (...etc) dazu, dass eine Grauzone des eigenen Abwägens verbleibt, eine Zone, in der man nur schlechte Entscheidungen treffen kann, in der man eben selbst die Verantwortung trägt. Natürlich wäre es für die Handelnden einfacher, es gäbe eine bis in den letzten Winkel des Lebens ausgeleuchtete Regelung zu ihrem eigenen Schutz, zu ihrer eigenen Entkoppelung von den Folgen ihres Handelns. Das aber ist die schlechtere Lösung für die Gesellschaft (wie ich sie mir wünsche).

21. März 2016: Von Lennart Mueller an Achim H.

Was wäre wenn der 20%-Rentner einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben. Wie wäre Dein Forumsbetrag vor Gericht zu bewerten?

Was wäre, wenn der 20%-Rentner aufgrund eines Hinweises seinen Führerschein abgeben muss, ihm deshalb alles egal ist (vorallem Geschwindigkeitsbeschränkungen) und bei seinen letzten Fahrten einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben?

21. März 2016: Von Johann Schwegler an Achim H. Bewertung: +5.00 [5]

Vielen Dank an alle Forumsteilnehmer, die die wirklich heikle Verantwortungsfrage der ständischen Schweigepflicht thematisieren - auch wenn es in einem Fliegerforum etwas off-topic sein mag.

Ärzte, Anwälte, Pschotherapeuten, Priester und einige wenige andere Berufe sind essenziell darauf angewiesen, dass der Patient, Klient, Büßer etc. frei das sagen darf was ihn belastet, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Sonst hätten diese Berufe keinen Sinn.

Anders verhält es sich m.E dann - und nur dann -, wenn ich von einer geplanten und unmittelbar bevorstehenden schweren Straftat erfahre. Hätte also Herr L. seinem Therapeuten erzählt, er werde sich nächste Woche ins Cockpit einsperren und das voll besetzte Flugzeug in den Boden hämmern, er habe das genau geplant und schon mehrfach am Autopiloten rumgespielt um zu checken, ob das überhaupt geht, dann - und nur dann - hätte dieser nicht nur das Recht, sondern nach Güterabwägung eventuell auch die Pflicht dies der Polizei zu melden.

Habt ihr schon mal mit dem Gedanken gespielt Euren Chef umzubringen? Oder die Schwiegermutter? Oder euch selbst? Vielleicht hat der eine oder andere Forista ja deshalb professionelle Hilfe in Anspruch genommen, damit genau das nicht passiert. Hätte er das getan, wenn auch nur der Hauch von Zweifel bestanden hätte, dass der Therapeut die Polizei oder die Personalabteilung einschaltet?

Wie schon gesagt - die Schwegepflicht schützt sowohl Patient als ach Therapeut!

21. März 2016: Von Wolff E. an Lennart Mueller Bewertung: +1.00 [1]

Was wäre, wenn der 20%-Rentner aufgrund eines Hinweises seinen Führerschein abgeben muss, ihm deshalb alles egal ist (vorallem Geschwindigkeitsbeschränkungen) und bei seinen letzten Fahrten einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben?

Wenner so denken würde, wäre er ein Fall für die MPU. Und es beweist mal wieder, es gibt keine 100 %ige Sicherheit. Ähnlich der ZüP, die verbietet auch Piloten im Falle eines Terrorverdachst, weiter zu fliegen.....

21. März 2016: Von Achim H. an Alfred Obermaier Bewertung: +2.00 [2]

Alfred, da hast Du meinen Beitrag völlig missverstanden. Johann hat ein sehr interessantes Problem des medizinischen Personals aufgezeigt, das mir so in der Schwere noch nicht bewusst war ich wollte mehr erfahren.

Eine Möglichkeit ist zu sagen "alle Renter sehen mindestens 70% außer ein paar wenigen und bei denen sorge ich dafür dass sie aus dem Verkehr gezogen werden". Und wenn ein kürzlich untersuchter Renter auffällt, ja dann haben sich die Augen eben seit der Untersuchung spontan degeneriert. So wird sehr oft geheuchelt. Ich finde es toll, dass das Dilemma offen angesprochen wird.

Ich kenne einen ähnlichen Fall ohne Schweigepflicht aber genauso schwierig. Ein Flugplatzwirt sprach mich an, dass es einen Fluglehrer gäbe, der immer einen Cappuchino mit 50% Grappa bestellt und danach weiterfliegt. Viele wissen davon und der Wirt fragt sich nun, was er tun soll. Ignorieren, da nicht vom Fach und auch nicht von Amts wegen betraut, einfach weigern zu servieren, das Luftamt informieren, die Person ansprechen und warnen? Es handelt sich natürlich um eine sehr bekannte und respektierte Persönlichkeit. Ich habe gesagt, Luftamt anschreiben da:

  1. Jemand der so etwas in dieser Situation bestellt ein kranker Alkoholiker sein muss
  2. Alkohol beim Fliegen überhaupt nicht geht, Null Toleranz ist geboten
  3. Alkoholiker mit solchen Verhaltensmustern prinzipiell nicht durch ein Gespräch überzeugt werden können
  4. Flugschüler besonders schutzbedürftig sind

Allerdings war ich weder der Kneipenwirt noch kannte ich den Fluglehrer. Ist also einfach zu sagen...

21. März 2016: Von Carmine B. an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

Tangiert zwar auch nicht das Feld der Schweigpflicht, jedoch direkt zu Deinem Fall passend:

Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn arbeitete ich einmal mit einer Person in einem Assistenzberuf zusammen, die alkoholisiert mit mir den Nachtdienst bestritt. Es stellte sich schnell heraus, dass dies ein langjähriges und vielen Mitarbeitern bekanntes Problem dieser Person war.

In diesem konkreten Fall habe ich das betreffende Individuum vor die Wahl gestellt: entweder Du meldest Dich und bittest um Hilfe oder ich melde Dich. Das klingt jetzt einfacher, als es ist und hat zu mittelschweren Diskussionen geführt. Glücklicherweise mündete das ganze in einer Selbstanzeige und ebenso glücklicherweise in einer Reaktion der Geschäftsführung mit Augenmaß: Unterstützung beim Entzug und Wiedereingliederung. Ich bin froh, damals so gehandelt zu haben und nicht wie viele Andere aus falsch verstandener Solidarität bzw. Angst vor negativen Konsequenzen mehrere Augen zugedrückt zu haben.

Zum Glück war das kein Arzt/Patienten-Verhältnis, sonst hätte die Sache anders ausgesehen

Gruß,

Carmine

21. März 2016: Von Alexander Callidus an Lutz D.

Aus meiner Sicht gehört es zum Beruf des Arztes (...etc) dazu, dass eine Grauzone des eigenen Abwägens verbleibt, eine Zone, in der man nur schlechte Entscheidungen treffen kann, in der man eben selbst die Verantwortung trägt.

Wir hatten dieses Argument vor einiger Zeit schon mal im Zusammenhang mit Selbstverantwortung und Sterbehilfe,volle Zustimmung.

Hier ist aber der Bruch der Schweigepflicht nicht nur Gewissensentscheidung (und Verantwortung vor sich selbst, Patienten, Angehörigen, Kostenträgern...), sondern auch gesellschadftlich massiv sanktionierte Straftat. §34 (rechtfertigender Notstand) vs. §203 (Schweigepflicht) ist eine Einzelfallentscheidung mit Abwägung ex post und damit für einen juristischen Laien nicht absehbar:
https://tisrv09.kohlhammer.de/doev.de/download/Portale/Zeitschriften/Krankenhaus/aktheft/aktheft_03_07.pdf

https://www.aerztekammer-berlin.de/10arzt/30_Berufsrecht/08_Berufsrechtliches/06_Behandlung_von_Patienten_Pflichten_Empfehlungen/35_Merkblatt_Schweigepflicht.pdf
Näher am Thema:
https://www.lpk-bw.de/archiv/news2006/pdf/060413bo_schweigepflicht.pdf
Bemerkenswert immerhin, daß drohendes Fahren unter Alkohol problemlos zum Bruch der Schweigepflicht berechtigt, also auch im Fall des fliegenden Alkoholikers oben.

Bisher hielt ich juristische Argumente in der Medizin immer für einen Ausdruck von Charakterschwäche. Das revidiere ich gerade.


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