Login: 
Passwort: 
Neuanmeldung 
Passwort vergessen



Das neue Heft erscheint am 1. Mai
Fliegen ohne Flugleiter – wir warten auf ...
Eindrücke von der AERO 2024
Notlandung: Diesmal in echt!
Kontamination von Kraftstoffsystemen
Kölner Handling-Agenten scheitern mit Klage
Unfall: Verunglücktes Änderungsmanagement
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Sortieren nach:  Datum - neue zuerst |  Datum - alte zuerst |  Bewertung

26 Beiträge Seite 1 von 2

 1 2 
 

14. März 2016: Von Achim H. an Alexander Callidus Bewertung: +4.00 [4]

Hilft nur leider nicht gegen den Piloten, der weiß dass er krank ist und nichts mehr fürchtet als sein Medical zu verlieren.

Ich wette, dass sich seit dem Vorfall ein anderes Bild bei der Umfrage unter Piloten "sind Sie manchmal traurig und wissen nicht warum?" ergeben würde. Arztbesuche werden immer mehr zur vorher einstudierten Performance.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

Mit der Farce hast Du vollkommen recht. Es hilft fast nicht:. gekniffen sind nur diejenigen, die mal ehrlich sind, oder bei denen irgendwann mal vor ihrem Eintritt in das System irgendwo "irgendetwas mit Psyche" dokumentiert ist. Das sind Verhältnisse wie bei Berufsunfähigkeitsversicherungen, da sollte man auch tunlichst nie auf Kassenkosten einen Therapeuten aufgesucht oder Rückenschmerzen gehabt haben.

Klarstellungen zu den Grenzen ärztlicher Schweigepflicht sind allerdings schon hilfreich.

14. März 2016: Von Lutz D. an Alexander Callidus Bewertung: +6.00 [6]

...ich verstehe und halte es für sehr nachvollziehbar, dass Mediziner an einer möglichst klaren Ansage in Sachen Schweigepflicht interessiert sind, schließlich sind Verstöße strafbewehrt.

Aber ich bin nicht der Auffassung, dass es wirklich nötig noch klug ist, jetzt für jeden Bereich - der Pilot als Gefährder ist ja nur ein Beispiel von 1000 denkbaren - eine eigene Auslegungsvorschrift zu entwickeln.

Es gibt doch bereits die Güterabwägung in Verbindung mit §34 StGB. Es ist doch völlig eindeutig, dass das Vertrauen des Patienten gegenüber der Möglichkeit, dass ein Pilot mit Tötungsabsichten hunderte Menschenleben auslöscht, nachrangig ist.

Umgekehrt kann es aber gerade nicht im Interesse aller - und schon gar nicht des Einzelnen - sein, wenn wir die medizinische Diagnose über ein Meldesystem wegdelegieren.

Es muss Verantwortung des Arztes oder des Gutachters bleiben, zu sagen, ob sich eine Erkrankung höherwertige Rechtsgüter berühren kann. Ansonsten wird diese Entscheidung nämlich an anderer Stelle durchgeführt werden und zwar von Bürokraten auf Grundlage von nach dem Vorsichtsprinzip getätigten Meldungen.

Man stelle sich vor, nach einem schweren Schicksalsschlag leide man unter Schlafstörungen, ja vielleicht sogar an einem Stimmungstief. Vielleicht ist auch nur die Freundin mit dem besten Freund weggelaufen und in dieser Situation hat man zuhause drei Bilder auf den Boden gehämmert und kann nicht mehr gut schlafen. In dieser Situation suchen sich Jahr für Jahr hunderttausende Franzosen und Amerikaner Hilfe bei Psychologen oder Psychatern oder bei Medizinern. Und im Prinzip zu recht - warum auch nicht.

Mit dem Wissen um Ererignisse wie beim GermanWings-Flug oder bei dem EgyptAir (?)- Suizid und einer durch die WHO oder das Bundesgesundheitsministerium, die Ärztekammern oder wen auch immer erfolgende Sensibilisierung gehe ich jede Wette ein, dass bei einer weitgehenden Aufhebung der Schweigepflicht für Berufspiloten (oder andere Berufsgruppen, die in einen ähnlichen Fokus gerieten), eine große Zahl an Meldungen nach dem Vorsichtsprinzip erfolgen werden.

Von Medizinern, die das System mal ausprobieren wollen über anwaltlich beratene, die den sichersten Weg gehen wollen, bis zu den wirklich von einer Gefährdung Überzeugten.

Ich meine, letzteres würde vollkommen ausreichen und damit die Überzeugung auch gut durchdacht ist, sind die bestehenden engen Grenzen der Ausnahmen von der Schweigepflicht hilfreich.

Denn am Ende hat Achim völlig recht - es ist das Gesetz der großen Zahl von Flugbewegungen und Piloten, dass ab und an ungeheuerliche Dinge passieren, mit denen niemand gerechnet hat und mit denen auch schlicht niemand rechnen konnte.

Wir flüchten uns heute allzugerne in eine Risikoabwägung, die uns vorgaukelt, wir müssten nur lange genug über Risiken nachdenken, sie identifizieren, minimieren und bei Eintritt eindämmen. Das ist im Prinzip auch eine gute Taktik. Aber wer dabei vergisst, dass die Welt aus einer großen Menge an schlichter Ungewissheit besteht, die sich jedem Versuch einer Einhegung entzieht, macht einen schweren Fehler. "Expect the unexpected" klingt zwar gut, ist aber ein Ding der Unmöglichkeit.

14. März 2016: Von Alexander Callidus an Lutz D. Bewertung: +1.00 [1]

Völlige Zustimmung, das ist auch ein politischer Bericht und da unterscheiden sich Traditionen und Selbstveständnis der Exekutive in Frankreich und Deutschland. Die Schweigepflicht ist ja nur ein winziger NEbenaspekt, aber für die Ärzte existenzbedrohend, deswegen ist eine Stellungnahme beispielsweise der BÄK sinnvoll, dafür braucht es nichteinmal eine Richtlinie.

Deutschland, das Land mit Flughafendauerbaustelle, Mildes-Klima-ICEs und dysfunktionaler Luftfahrtbehörde, super.

19. März 2016: Von Johann Schwegler an Lutz D. Bewertung: +9.00 [9]

Ein paar Worte zur ärztlichen Schweigepflicht: Als Augenarzt habe ich jeden Tag (!) eine knappe Handvoll von Senioren als Patienten in meiner Sprechstunde, die ganz erheblich schlechter sehen als nach Fahrerlaubnisverodnung zum Führen eines PKW zulässig und dennoch täglich mit dem Auto unterwegs sind. Ich informiere alle diese Menschen über ihre Fahruntauglichkeit und dokumentiere dies (per Keyboard Makro, weil so häufig) in der Akte. Kein einziger hat - soviel ich weiß - deswegen den Führereschein abgegeben.

Ein über 80jähriger mit maximal 20% Sehschärfe trotz Brille hat mir vor Jahren ganz unverblümt erzählt, er habe sich kurz zuvor den 19. Porsche angeschafft, und weil's wahrscheinlich der letzte sein werde, ist seine Wahl auf den Turbo gefallen. Er wolle endlich die 300 km/h auf der Autobahn knacken!

Hätte ich nur einen einzigen dieser lieben Mitbürger nach sorgfältiger Güterabwägung an die Führerscheinstelle verpfiffen, hätte ich die Praxis sofort zusperren können (Shistorm gibt's auch bei Menschen, die diesen Begriff gar nicht kennen). Genauso würde es dem Psychiater oder Klinischen Psychologen gehen, der einen suizidgefährdeten Patienten an die entsprechenden Berufsaufsichtsbehörden meldet. Außerdem könnten dann die Angehörigen den Doktor verklagen, weil der durch die Meldung verursachte Verlust des Arbeitsplatzes den Patienten vielleicht erst in den Selbstmord getrieben habe.

Die ärztliche Schweigepflicht schützt nicht nur den Patienten, sondern auch den Therapeuten.

P.S. Der Porschefahrer ist einige Monate nach unserem Gespräch verstorben - dem Vernehmen nach friedlich im Bett.

19. März 2016: Von Achim H. an Johann Schwegler Bewertung: +3.00 [4]

Toller Beitrag!

Was wäre wenn der 20%-Rentner einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben. Wie wäre Dein Forumsbetrag vor Gericht zu bewerten?

19. März 2016: Von Wolff E. an Achim H.

Achim. Diese Frage stelle ich mir oft, wenn ich sehe wie Freunde und Fliegerkumpel stark angetrunken vom Flugplatz mit dem Auto weg fahren. Ist echt ein Problem...

20. März 2016: Von Johann Schwegler an Achim H.
Beitrag vom Autor gelöscht
21. März 2016: Von Alfred Obermaier an Achim H. Bewertung: +2.00 [3]

Achim, da erklärt jemand sauber die ärztliche Schweigepflicht mit den zugehörigen Interessenkonflikten. Dann kommt ein Kommentar von Dir der im Konjunktiv gehalten, aus meiner Empfindung her aber weder zielführend noch konstruktiv und daher imho entbehrlich ist. So was nennt man "Killerbeitrag". Sorry.

21. März 2016: Von Lutz D. an Alfred Obermaier Bewertung: +7.00 [7]

Nun, Achim kann natürlich für sich selbst sprechen.

Aber provokante Fragen sind ja durchaus geeignet, die Lethargie des Denkens zu durchbrechen - oder im besten Falle, die Argumente des Gegners zu schärfen - was hier notwendig erscheint.

Johanns Beitrag beschreibt sehr treffend die Ist-Situation - unterschlägt aber, was wir eigentlich brauchen:

Eine Wertediskussion.

Als Gesellschaft müssen wir schlicht entscheiden, ob wir das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient absolut setzen wollen (wozu ich neige), oder ob wir den Weg des Bankgeheimnisses gehen wollen - über eine Aufweichung zur Abschaffung.

Und mit welchem Vertrauensverhältnis machen wir dann weiter? Sollte der Anwalt nicht geplante Straftaten direkt an den Staatsanwalt melden MÜSSEN? Oder der Priester? Oder der Ehepartner? Der Vater?

Aus meiner Sicht gehört es zum Beruf des Arztes (...etc) dazu, dass eine Grauzone des eigenen Abwägens verbleibt, eine Zone, in der man nur schlechte Entscheidungen treffen kann, in der man eben selbst die Verantwortung trägt. Natürlich wäre es für die Handelnden einfacher, es gäbe eine bis in den letzten Winkel des Lebens ausgeleuchtete Regelung zu ihrem eigenen Schutz, zu ihrer eigenen Entkoppelung von den Folgen ihres Handelns. Das aber ist die schlechtere Lösung für die Gesellschaft (wie ich sie mir wünsche).

21. März 2016: Von Lennart Mueller an Achim H.

Was wäre wenn der 20%-Rentner einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben. Wie wäre Dein Forumsbetrag vor Gericht zu bewerten?

Was wäre, wenn der 20%-Rentner aufgrund eines Hinweises seinen Führerschein abgeben muss, ihm deshalb alles egal ist (vorallem Geschwindigkeitsbeschränkungen) und bei seinen letzten Fahrten einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben?

21. März 2016: Von Johann Schwegler an Achim H. Bewertung: +5.00 [5]

Vielen Dank an alle Forumsteilnehmer, die die wirklich heikle Verantwortungsfrage der ständischen Schweigepflicht thematisieren - auch wenn es in einem Fliegerforum etwas off-topic sein mag.

Ärzte, Anwälte, Pschotherapeuten, Priester und einige wenige andere Berufe sind essenziell darauf angewiesen, dass der Patient, Klient, Büßer etc. frei das sagen darf was ihn belastet, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Sonst hätten diese Berufe keinen Sinn.

Anders verhält es sich m.E dann - und nur dann -, wenn ich von einer geplanten und unmittelbar bevorstehenden schweren Straftat erfahre. Hätte also Herr L. seinem Therapeuten erzählt, er werde sich nächste Woche ins Cockpit einsperren und das voll besetzte Flugzeug in den Boden hämmern, er habe das genau geplant und schon mehrfach am Autopiloten rumgespielt um zu checken, ob das überhaupt geht, dann - und nur dann - hätte dieser nicht nur das Recht, sondern nach Güterabwägung eventuell auch die Pflicht dies der Polizei zu melden.

Habt ihr schon mal mit dem Gedanken gespielt Euren Chef umzubringen? Oder die Schwiegermutter? Oder euch selbst? Vielleicht hat der eine oder andere Forista ja deshalb professionelle Hilfe in Anspruch genommen, damit genau das nicht passiert. Hätte er das getan, wenn auch nur der Hauch von Zweifel bestanden hätte, dass der Therapeut die Polizei oder die Personalabteilung einschaltet?

Wie schon gesagt - die Schwegepflicht schützt sowohl Patient als ach Therapeut!

21. März 2016: Von Wolff E. an Lennart Mueller Bewertung: +1.00 [1]

Was wäre, wenn der 20%-Rentner aufgrund eines Hinweises seinen Führerschein abgeben muss, ihm deshalb alles egal ist (vorallem Geschwindigkeitsbeschränkungen) und bei seinen letzten Fahrten einen Unfall verursacht, bei dem 20 Kinder im Schulbus sterben?

Wenner so denken würde, wäre er ein Fall für die MPU. Und es beweist mal wieder, es gibt keine 100 %ige Sicherheit. Ähnlich der ZüP, die verbietet auch Piloten im Falle eines Terrorverdachst, weiter zu fliegen.....

21. März 2016: Von Achim H. an Alfred Obermaier Bewertung: +2.00 [2]

Alfred, da hast Du meinen Beitrag völlig missverstanden. Johann hat ein sehr interessantes Problem des medizinischen Personals aufgezeigt, das mir so in der Schwere noch nicht bewusst war ich wollte mehr erfahren.

Eine Möglichkeit ist zu sagen "alle Renter sehen mindestens 70% außer ein paar wenigen und bei denen sorge ich dafür dass sie aus dem Verkehr gezogen werden". Und wenn ein kürzlich untersuchter Renter auffällt, ja dann haben sich die Augen eben seit der Untersuchung spontan degeneriert. So wird sehr oft geheuchelt. Ich finde es toll, dass das Dilemma offen angesprochen wird.

Ich kenne einen ähnlichen Fall ohne Schweigepflicht aber genauso schwierig. Ein Flugplatzwirt sprach mich an, dass es einen Fluglehrer gäbe, der immer einen Cappuchino mit 50% Grappa bestellt und danach weiterfliegt. Viele wissen davon und der Wirt fragt sich nun, was er tun soll. Ignorieren, da nicht vom Fach und auch nicht von Amts wegen betraut, einfach weigern zu servieren, das Luftamt informieren, die Person ansprechen und warnen? Es handelt sich natürlich um eine sehr bekannte und respektierte Persönlichkeit. Ich habe gesagt, Luftamt anschreiben da:

  1. Jemand der so etwas in dieser Situation bestellt ein kranker Alkoholiker sein muss
  2. Alkohol beim Fliegen überhaupt nicht geht, Null Toleranz ist geboten
  3. Alkoholiker mit solchen Verhaltensmustern prinzipiell nicht durch ein Gespräch überzeugt werden können
  4. Flugschüler besonders schutzbedürftig sind

Allerdings war ich weder der Kneipenwirt noch kannte ich den Fluglehrer. Ist also einfach zu sagen...

21. März 2016: Von Carmine B. an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

Tangiert zwar auch nicht das Feld der Schweigpflicht, jedoch direkt zu Deinem Fall passend:

Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn arbeitete ich einmal mit einer Person in einem Assistenzberuf zusammen, die alkoholisiert mit mir den Nachtdienst bestritt. Es stellte sich schnell heraus, dass dies ein langjähriges und vielen Mitarbeitern bekanntes Problem dieser Person war.

In diesem konkreten Fall habe ich das betreffende Individuum vor die Wahl gestellt: entweder Du meldest Dich und bittest um Hilfe oder ich melde Dich. Das klingt jetzt einfacher, als es ist und hat zu mittelschweren Diskussionen geführt. Glücklicherweise mündete das ganze in einer Selbstanzeige und ebenso glücklicherweise in einer Reaktion der Geschäftsführung mit Augenmaß: Unterstützung beim Entzug und Wiedereingliederung. Ich bin froh, damals so gehandelt zu haben und nicht wie viele Andere aus falsch verstandener Solidarität bzw. Angst vor negativen Konsequenzen mehrere Augen zugedrückt zu haben.

Zum Glück war das kein Arzt/Patienten-Verhältnis, sonst hätte die Sache anders ausgesehen

Gruß,

Carmine

21. März 2016: Von Alexander Callidus an Lutz D.

Aus meiner Sicht gehört es zum Beruf des Arztes (...etc) dazu, dass eine Grauzone des eigenen Abwägens verbleibt, eine Zone, in der man nur schlechte Entscheidungen treffen kann, in der man eben selbst die Verantwortung trägt.

Wir hatten dieses Argument vor einiger Zeit schon mal im Zusammenhang mit Selbstverantwortung und Sterbehilfe,volle Zustimmung.

Hier ist aber der Bruch der Schweigepflicht nicht nur Gewissensentscheidung (und Verantwortung vor sich selbst, Patienten, Angehörigen, Kostenträgern...), sondern auch gesellschadftlich massiv sanktionierte Straftat. §34 (rechtfertigender Notstand) vs. §203 (Schweigepflicht) ist eine Einzelfallentscheidung mit Abwägung ex post und damit für einen juristischen Laien nicht absehbar:
https://tisrv09.kohlhammer.de/doev.de/download/Portale/Zeitschriften/Krankenhaus/aktheft/aktheft_03_07.pdf

https://www.aerztekammer-berlin.de/10arzt/30_Berufsrecht/08_Berufsrechtliches/06_Behandlung_von_Patienten_Pflichten_Empfehlungen/35_Merkblatt_Schweigepflicht.pdf
Näher am Thema:
https://www.lpk-bw.de/archiv/news2006/pdf/060413bo_schweigepflicht.pdf
Bemerkenswert immerhin, daß drohendes Fahren unter Alkohol problemlos zum Bruch der Schweigepflicht berechtigt, also auch im Fall des fliegenden Alkoholikers oben.

Bisher hielt ich juristische Argumente in der Medizin immer für einen Ausdruck von Charakterschwäche. Das revidiere ich gerade.

21. März 2016: Von Lutz D. an Alexander Callidus

Ja, das Problem ist, dass Richterrecht dem Zeitgeist unterliegt. Damit will ich nicht sagen, dass angetrunken fahren, fliegen etc jemals gut waren - aber damit ist der Arzt/Anwalt etc. einfach der ständigen Gefahr ausgesetzt, dass die Welt um ihn sich vielleicht schneller ändert, als er selbst.

Wo soll er die Grenze ziehen? Und wo wird die Grenze morgen sein?

21. März 2016: Von Christof Edel an Lutz D. Bewertung: +6.00 [6]

Selbst wenn man es streng utilitaristisch betrachtet, ist die Schewigepflicht sehr wichtig. Sie untermauert das Vertrauensverhältnis und stellt sicher, dass ein Erkrankter die Behandlung sucht und hoffentlich gesundet, anstatt sich davor fürchten zu müssen, dass er neben dem Antibiotikum gegen die Syphillis auch die Strafanzeige wegen Prostitution bekommt (in Staaten wo soetwas nocht strafbar ist), die Ehe zu Bruch geht, oder er eben der Pilot den Beruf verliert.

Bei Krankheiten, die andere gefährden (siehe oben - ansteckende Geschlechskrankheiten, Alkoholismus, schwere Psychosen in bestimmten Berufen, oder auch Nierensteine bei Piloten) ist daher das Mittel der Wahl die Aufklärung und die Eigenverantwortung des Patienten.

Alles andere führt zur Verheimlichung und zu unbehandelten Krankheiten mit schwereren Folgen später.

Ein paar Beispiele: ich kenne einen Piloten, der seine Nierensteine (schwere Koliken) "schwarz" behandeln liess, damit sein Medical nicht in Gefahr geriet. Ich habe das für Verantwortungslos gehalten, aber nachdem ich selber 3 Monate ohne Medical war und dadurch vier Ratings verlor die ausgerechtet dann fällig waren, weil ich Ehrlicherweise eine (leichte) Lungenentzündung (ohne Hospitalisierung, ca. drei Wochen richtig Krank) meinem Fliegerarzt ins Formular schrieb, verstehe icht das etwas besser.

Fazit: Allgemeine Datenweitergabe ist eine dumme Idee. Nur wen der Arzt starken Grund zur Vermutung hat, dass der Patient Schaden anrichten wird, sollte er Eingreifen - und dann auch weil der Patient selbst in Gefahr ist.

23. März 2016: Von Alfred Obermaier an Achim H. Bewertung: +1.00 [1]

@ Achim, ja, Dein Beitrag war provokativ, daher (für mich) missverständlich.

@ Lutz, ja, man muss mitunter zugespitzt oder übertrieben forumulieren um Barrieren zu überwinden.

Die Diskussion zu diesem existentiell wichtigen Thema verläuft eher schleppend und wird vermutlich demnächst versanden. Der Interessenkonflikt liegt auf der Hand

"Datenschutz ist Täterschutz"
das erleben wir gerade mit den Terrorangriffen, wie konnten denn die Attentäter über Jahre hinweg - ich sage mal - unbemerkt von den Behörden ein terroristisches Netzwerk in Belgien aufbauen?
Unsere Welt ist sehr fragil geworden, Flugzeuge sind gesichert, wie ist es mit den Warteschlangen vor - was auch immer ?

Winnenden; der Täter hatte in 2008 seiner Jugend Therapheutin von seinem Hass auf die Gesellschaft ("alle erschießen") erzählt. Im März 2009 hatte er es umgesetzt und 15 Menschen erschossen.
Konnte niemand erkennen wie schlimm es um den Menschen steht?
Derzeit stehen Regreßansprüche über 4 Mio € im Raum und sehr wahrscheinlich konnte niemand die Gefährlichkeit dieses Menschen erkennen.

"Datenschutz ist Opferschutz"
findet das statt? Vermutlich eher nicht. In Gerichtsverfahren müssen die Akten an die Täteranwälte herausgegeben werden. Die Täter erhalten damit alle Informationen über die Opfer, die Zeugen, alle Prozeßbeteiligten. Das ist Gegenstand des zivilen Gerichtsverfahrens, beruhgend ist es letztlich für die Opfer nicht. Für mein Verständnis werden die Schutzinteressen der Opfer seitens der gesetzlichen Bestimmungen nicht genügend erfasst.

Vorne ist eben da wo niemand weiß wie es weitergeht, auch in Sachen Datenschutz. Vermutlich werden wir nur sehr viel an Datenschutz aufgeben müssen um eine höhere Sicherheit vor Anschlägen (egal ob politisch oder anders motiviert) zu erhalten.

23. März 2016: Von Olaf Musch an Alfred Obermaier Bewertung: +10.00 [10]

Vermutlich werden wir nur sehr viel an Datenschutz aufgeben müssen um eine höhere Sicherheit vor Anschlägen (egal ob politisch oder anders motiviert) zu erhalten.

Der Preis der Freiheit ist auch ein gewisses Lebensrisiko. Den Datenschutz (und damit Freiheiten) aufzugeben, um dadurch - wie eigentlich genau? - "besser" vor Anschlägen geschützt zu sein, hielte ich für keine gute Idee, um es Milde auszudrücken.

Bessere Koordination von Behörden in Verwaltung und im Polizeiapparat: Gerne, auch EU-weit. Allerdings hat gerade Brüssel mit 19 Gemeindeverwaltungen und 6 Polizeibezirken da erstmal eine lokale Herausforderung.
Was ein Polizist in einer deutschen Kleinstadt feststellt, darf auch gerne ein Fahnder in Südfrankreich wissen. Es zeigt sich ja hin und wieder mal, dass es manchmal solche Zusammenhänge bei kriminellen Aktivitäten gibt. Insbesondere, weil die Grenzen eben nicht dicht sind (und es auch nicht wieder werden sollten).

Datenschutz in die Tonne: Auf keinen Fall!
Was mein Arzt/Anwalt/Pfarrer/Therapeut/... über mich weiß, soll auch da bleiben. Und wo ich in der Stadt gerade spazieren gehe, was ich in meiner Wohnung mache, oder in welchen Restaurants ich esse, muss keine Behörde wissen. Und ich will auch nicht, dass das eine Behörde über andere Menschen weiß, die unbescholten sind.

Was nutzt es denn, die Namen und Geburtsdaten aller Menschen in einem Flughafen zu jederzeit zu kennen - via RFC im verpflichtenden Ausweis und Empfängern an allen Türen -, wenn Du dann immer noch nicht weißt, dass einer da etwas mit sich trägt, was er für üble Zwecke braucht?

Auch in einem zu 99.9% überwachten und durchkontrollierten Staat wird es keine absolute Sicherheit geben können. Klar, die Mauer wieder aufbauen ("und diesmal nicht mehr mittendurch, nein, jetzt bau'n wir außenrum", Wise Guys), keine Fußball-Länderspiele oder Musikkonzerte (da kokmmen zu viele Menschen zu sammen, übel), keine Fernreisen (Deutschland ist doch so schön), und schon sind alle deutschen Bürger in Sicherheit? Schöne neue Welt, auf die ich gerne verzichte.

Olaf

23. März 2016: Von  an Olaf Musch Bewertung: +1.00 [1]

Als Ergänzung dazu nur zwei Kleinigkeiten: Hätten wir mehr Sprengstoffhunde, eine kohärentere Migrationspolitik und nicht (aus dem Kopf, ging kürzlich durch die Presse) 2,7 mio Überstunden bei der Bundespolizei könnte man zumindest tendenziell ohne große Aufgaben von Freiheiten etwas tun, das nicht nur an hektischen Aktionismus erinnert.

23. März 2016: Von Alfred Obermaier an Olaf Musch

Olaf, Danke für den Beitrag, nur meinen letzen Satz zu zitieren und darauf zu argumentieren, erzeugt einen falschen Zungenschlag.

Wir Bürger werden nicht gefragt ob wir Datenschutz aufgeben wollen. Die Meldepflicht für Mieter bei Wohnungswechsel wurde einfach eingeführt ohne einen Bürger zu fragen (jedenfalls kenne ich keine derartige Frage). An der unsinnigen Flugleiterregelung wird permament festgehalten.

Der Vertrauensschutz bei den erwähnten Berufen, wie Pfarrer, Doktor, Rechtsanwalt, Steuerberater, etc. endet vor Gericht. Dann werden alle Informationen allen beteiligten Parteien zur Kenntnis gegeben.

Freiheit ist ein hohes Gut das es zu verteidigen gilt, ich frage mich nur wie, wann, wo und bei (vor) wem.

Die US-Amerikaner haben eine entsprechende Regelung in ihrer Verfassung und sie berufen sich massiv darauf. Die Auswirkungen kennen wir. Bestimmt nicht erstrebenswert

Persönlich sehe ich hier in diesem unserem Lande keine Aufbruchstimmung in Richtung mehr Freiheit, im Gegenteil.

23. März 2016: Von Hofrat Jürgen Hinrichs an Alfred Obermaier Bewertung: +6.00 [6]

Hallo Alfred,

der Schutz medizinischer Daten endet zum Glück eben nicht vor Gericht. Natürlich kann ein Gericht die Herausgabe von Behandlungsunterlagen anordnen. Aus meiner recht langen Erfahrung als medizinischer Sachverständiger in Gerichtsverfahren kann ich aber sicher sagen, dass der Regelfall die Einholung einer Zustimmung des betroffenen Patienten ist. Eine Anordnung der Herausgabe ohne Zustimmung des Patienten gibt es eigentlich nur bei Verfahren gegen den Arzt/das Krankenhaus etc. Natürlich wird ein medizinisches Gerichtsgutachten immer für ein beauftragendes Gericht erstattet und die im Rahmen der Begutachtung erhobenen Befunde dann auch dem Gericht mitgeteilt. Der Begutachtete wird aber darüber aufgeklärt und weiß also, dass in der Begutachtung die Schweigepflicht gegenüber dem Auftraggeber nicht gilt. In einem Gutachten ist außerdem genau aufzuführen, worauf die Beurteilung sich stützt. Dabei ist die Verwertung von im Rahmen eines Behandlungsverhältnisses erlangten Kenntnissen ohne Zustimmung des Patienten explizit untersagt. Aufgrund des möglichen Interessenkonfliktes ist ohnehin eine Begutachtung eines eigenen Patienten im Regelfall abzulehnen.

Zur Schweigepflicht: nach herrschender Rechtsauffassung gibt es nur bei konkreten Hinweisen auf eine künftige (nicht eine bereits geschehene!) Straftat ein Recht auf Bruch der Schweigepflicht im Rahmen der Rechtsgüterabwägung. In keinem Fall gibt es aber eine Pflicht, die Schweigepflicht zu brechen, auch wenn dies dem Sicherheitsbedürfnis einiger widerstreben mag. Ich halte das für richtig.

Ich gehe mal davon aus, dass es bei anderen Berufsgeheimnisträgern ähnlich ist.

Viele Grüße

23. März 2016: Von Alfred Obermaier an Hofrat Jürgen Hinrichs

Danke Hofrat für die Klarstellung.

Alfred

24. März 2016: Von Olaf Musch an Alfred Obermaier

Olaf, Danke für den Beitrag, nur meinen letzen Satz zu zitieren und darauf zu argumentieren, erzeugt einen falschen Zungenschlag.

Alfred, Du hast Recht. Bitte entschuldige. Aus Deinem Posting geht nicht hervor, dass Du diese Vermutung in irgendeiner Form gut hießest.
Es war auch nicht meine Absicht, Dich irgendwie anzugehen. Falls das so rüber gekommen sein sollte, bitte ich noch mal um Entschuldigung.

Allerdings bot der Satz eben einen guten Aufhänger für meinen Beitrag. Danke dafür ;-)

Schönen Gruß

Olaf


26 Beiträge Seite 1 von 2

 1 2 
 

Home
Impressum
© 2004-2024 Airwork Press GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Airwork Press GmbH. Die Nutzung des Pilot und Flugzeug Internet-Forums unterliegt den allgemeinen Nutzungsbedingungen (hier). Es gelten unsere Datenschutzerklärung unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier). Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA) Hub Version 14.22.03
Zur mobilen Ansicht wechseln
Seitenanfang