
Ein neuer Morgen nach der Krise oder die Abenddämmerung der GA wie wir sie kennen? Wie es mit unserer Branche weitergeht entscheidet sich vor allem daran wie flexibel wir uns in dieser Krise anpassen. Dazu gehört auch das Abschneiden alter und lange verfilzter Zöpfe bei den Betriebsregeln für Flugplätze, denn unsere Infrastruktur muss in einem völlig neuen Umfeld überleben. |
Einleitend eine persönliche Einschätzung. Wir werden mit corona-bedingten Einschränkungen im Luftverkehr noch lange umgehen müssen. Wer im März noch glaubte, das Ganze sei in „sechs Wochen rum“, der sieht sich heute leider im Irrtum. Einschränkungen bei Reisefreiheit und Flugplatzinfrastruktur werden uns noch ins nächste Jahr begleiten. Mindestens.
Daher ist es m.E. nach wichtig, das Verhalten von Behörden, Verbänden und Flughäfen von Anfang an kritisch zu begleiten. Denn es wird nicht in ein paar Wochen alles wieder normal laufen. Wir müssen uns zumindest mittelfristig auf erhebliche Veränderungen einstellen und das bedeutet, dass wir diese auch diskutieren und – wo erforderlich – kritisieren müssen.
Einer der vernünftigsten Sätze, die ich im Zusammenhang mit der Pandemie bislang gehört habe, war der des schwedischen Staatsepidemiologen Anders Tegnell, der schon ganz zu Anfang sagte: „Wir können nur Beschränkungen erlassen, die sich auch auf lange Sicht durchhalten lassen.“ Zumindest in der Luftfahrt müssen wir meiner Ansicht nach dies nun beherzigen und uns überlegen: Was ist zumindest mittelfristig noch tragbar und was nicht?
Die Flugplätze
Gegen das reine Fliegen mit Menschen, die nicht vom Kontaktverbot betroffen sind, gab es in den vergangenen Wochen in Deutschland keine rechtliche Einschränkungen. Es galt vereinfacht ausgedrückt: Wer zusammen Auto fahren darf, der darf auch zusammen in einer 172er sitzen.
Voraussetzung für das Fliegen ist freilich ein Flugplatz und da reichte das Spektrum von extrem hilfsbereit und konstruktiv bis gelebtes Luftfahrthindernis. Es zeigte sich – wenig überraschend: Flugplätze, die auch bislang im Normalbetrieb kundenfreundlich und flexibel agierten, führten das im Rahmen der Möglichkeiten auch unter Corona weiter. Und Flugplätze, die eher der anderen Seite des Spektrums zuzuordnen sind, erfuhren auch in der Krise keine entscheidende Wandlung. Vier Beispiele:
Mainz/EDFZ
Unser Heimatflugplatz muss hier als ausgesprochen positives Beispiel hervorgehoben werden. Hier gab es nämlich keine Einschränkungen des regulären Betriebs. Der Flugplatz arbeitete einfach weiter. Und überraschenderweise sanken die Verkehrszahlen zwar ab, aber keineswegs so stark wie andere Flugplätze, die sich aus der Betriebspflicht befreien ließen, dies befürchtet hatten.
Flugplatz-Geschäftsführer Dieter Kohl, selber Pilot und Anbieter zahlreicher Weiterbildungsseminare im Bereich Luftfahrt, erklärt im Interview mit Pilot und Flugzeug: „Wir sehen uns hier als Teil der Infrastruktur. Wir haben die diversen Verordnungen daraufhin untersucht, wie wir legal und safe weitermachen können. Nicht als Entschuldigung für eine Schließung.“
Was die Personalplanung anging, hatte man in Mainz günstige Randbedingungen für ein reduziertes Verkehrsaufkommen. Zunächst einmal lässt sich der Flugbetrieb in EDFZ genehmigungsseitig mit einem einzigen BfLer aufrechterhalten. Und keiner der hauptamtlichen BfLer in Mainz war von der Kinderbetreuungs-Problematik betroffen, es gab also keine Probleme bei der Verfügbarkeit von Personal.
Natürlich implementierte auch der Flugplatz die entsprechenden Regeln: kein Handshake, Desinfektionsmittel am Zugang zum Tower, kein Bargeldverkehr und Zahlung nur noch mit Karte oder per App. Aber ansonsten lief es bis auf den durch eine behördliche Auflage bedingten Wegfall der Schulung recht normal in Mainz: Es konnte weiter geflogen und auch gechartert werden. Privat und im Verein.
„Wir hatten sicher über 30 % Rückgang bei den Starts und Landungen“, erklärt Kohl weiter, „aber wir haben keinen Grund gesehen, zu schließen. Nach dem Schreiben des DAeC, das viel Unsicherheit gebracht hat, hatten wir natürlich auch mit dem Luftamt Kontakt, dort hat man empfohlen, nicht zu fliegen, aber niemals verboten. Das haben wir umgesetzt. Fliegen ist ein Verkehrsmittel, und eine nutzbare Infrastruktur ist zurzeit wichtiger denn je.“
Egelsbach/EDFE
Egelsbach implementierte zunächst eine sehr restriktive PPR-Regelung. Der Flugplatz ließ sich Anfang April durch den RP Darmstadt von der Betriebspflicht entbinden. Damit war man auf die Genehmigung der Flugleitung angewiesen. Und die gab es keineswegs immer. Es galt (auszugsweise):
- Die Eingangstür des Tower-Gebäudes bleibt grundsätzlich verschlossen.
- PPR ist einzuholen/wird erteilt über unser OPS/Flugleitung, ausschließlich per Mail oder Telefon.
- Ein erteiltes PPR beinhaltet einen „Flugplatz-Slot“ von 60 Minuten, in denen Sie das Gebäude betreten, den Flieger vorbereiten und abfliegen können. Auch für eine Landung und Versorgung des Luftfahrzeugs umfasst das erteilte PPR ein 60-Minuten-Intervall, nach dessen Ablauf Sie das Flugbetriebsgelände und ggfs. das Towergebäude bitte wieder zu verlassen haben.
- Die Durchführung von systemrelevanten Statusflügen, z. B. Polizei, Rettungs-, Hilfeleistungs-, Powerline-/Pipeline- und Versorgungsflügen sowie sonstigen Flügen im hoheitlichen Auftrag werden mit 4 h PPR-Vorlaufzeit vorrangig möglich sein.
- Alle sonstigen Flugbewegungen unterliegen einer PPR-Pflicht mit 24-stündigem Vorlauf.
Lokalflüge waren kaum noch möglich, Werkstattflüge oder sonstige Vorhaben, die nicht 24 Stunden im Voraus angemeldet waren, auch nicht. Und selbst Ambulanzflugbewegungen waren einer vierstündigen PPR-Frist unterworfen. Es ging dem Flugplatz vor allem darum, Menschenansammlungen zu vermeiden, daher wurde auch der Zutritt zu den Hallen nicht immer gewährt.
Allerdings hob EDFE diese Einschränkungen am 19. April wieder auf und seitdem gilt Flugbetrieb ohne PPR, jedoch mit eingeschränkten Öffnungszeiten von 8.00 bis 19.00 Uhr Lokalzeit. Inwieweit die eingeschränkten Öffnungszeiten infektionsschützend wirken, konnte man uns nicht erklären, hier geht es wohl vorrangig um eine Kostenentlastung des Flugplatzes, die zurzeit bis 17. Mai befristet ist.
Sylt/EDXW
Dieser Platz versucht seit Jahren, die GA durch hohe Kosten und immer restriktivere Öffnungszeiten zu vergraulen. Da bleibt auch die aktuelle Krise nicht ungenutzt.
Der Flugplatz war zunächst behördlich komplett geschlossen außer für Personen mit Erstwohnsitz auf der Insel. Zum 4. Mai öffnet man auch für Personen mit Zweitwohnsitz, allerdings nur mit PPR. Und damit von denen bloß keiner auf dumme Gedanken kommt, hat man die Gebührenordnung zum 1. April abgeändert, was für Flugzeuge unter zwei Tonnen einer Erhöhung der PPR-Gebühr (die ja jetzt verpflichtend ist!) um 100 % gleichkommt. Ein dort ansässiger Flugzeughalter mit Echo-Maschine schreibt uns:
„Die Inselpiraten wollen jetzt pro Landung bzw. Start Netto 321,00 EUR PPR-Gebühr haben, und dies mit mindestens 72 Stunden Vorlauf!!! Wie soll da sicheres Fliegen (Wetter) möglich sein?
Zusätzlich kommen natürlich noch IFR-Gebühr Netto 31,00 EUR pro Anflug, Anflugentgelt, Start- und Landegebühr und Personenentgelt dazu. Also mal schlappe 1.000 EUR Brutto für einen Besuch dort.“
Wie eine Landesbehörde bei solchen Gebühren noch mitspielen kann, entzieht sich unserer Kenntnis. Der Flughafen argumentiert mit den hohen Personalkosten und hat sich vorsorglich gleich mal bis Ende Mai von der Betriebspflicht befreien lassen.
Für ansässige Luftfahrtunternehmen gilt indes eine Ausnahmegenehmigung, und für Linienflüge hat man in EDXW schon immer alles möglich gemacht, gerne auch nach 22.00 Uhr, was für normale Piloten undenkbar ist. Sylt hat sich festgelegt: Man will keine GA. Die Corona-Krise beschleunigt diese Entwicklung nur noch. Und die Landesbehörde spielt erstaunlicherweise mit, wie eine öffentliche Verkehrsanlage still und heimlich umgewidmet wird.
Reichelsheim/EDFB
In Reichelsheim fand man zunächst eine sehr praktische Lösung: Ab 17. März waren zur Kontaktvermeidung nur noch Zahlungen via Konto möglich, das ist einfach und ergibt Sinn. Dann allerdings fiel Mitte April der Hammer. Der Flugplatz wurde komplett PPR. Auf Dauer und Grund angesprochen der Geschäftsführer und Eigentümer gegenüber Pilot und Flugzeug, das müssen wir beim RP Darmstadt erfragen. Wir waren zunächst überrascht, sollte die Einschränkung etwa nicht auf Betreiben des Platzhalters hin erfolgt sein?
Es kam wie erwartet. Der RP schrieb auf Anfrage dieses Magazins zurück:
„Auf Antrag der Platzhalterin wurde nach Zustimmung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) der Flugplatz Reichelsheim/Wetterau GmbH & Co.KG aus wirtschaftlichen Gründen eine temporäre PPR-Regelung bis zum 03.05.2020 genehmigt, die auch in den NOTAMs veröffentlich ist.
Sollte darüber hinaus aufgrund der Corona Pandemie weiter eine situationsbedingte befristete Regelung des Flugbetriebes (ggfls. befristete eingeschränkte Betriebspflicht) genehmigt werden, wird dies ebenfalls in den NOTAMs veröffentlicht. Sollten Sie diesbezüglich noch Fragen haben, wenden Sie sich bitte direkt an die Platzhalterin.“
Die Einschränkungen gehen also klar auf den Platzhalter zurück. Diese Regelung galt übrigens bis 3. Mai, wurde am 1. Mai allerdings von einer neuen Einschränkung abgelöst. Samstags und sonntags herrscht zwischen 11.00 und 17.00 Uhr Lokalzeit Betrieb, der Rest der Woche ist weiterhin PPR.
Gegen eine PPR-Regelung zur Kostenersparnis wäre unter den aktuellen Bedingungen nichts einzuwenden, problematisch ist allerdings, dass diese Genehmigungen zumindest in den letzten Wochen nur äußerst sparsam und unflexibel erteilt wurden. Das gilt sogar für Flüge, die direkt beruflich bedingt waren.
Fazit Flugplätze

Anflug auf EDDF ende April: Aus dem verkehrsreichsten Flughafen Deutschlands ist ein riesiger Flugzeugparkplatz geworden. Flugplätze und Flughäfen gehen mit dieser nie dagewesene Situation sehr unterschiedlich um. |
Natürlich sind die wirtschaftlichen Interessen der Flugplätze zu berücksichtigen. Wenn ein Flugplatz wie Reichelsheim nicht, wie z.B. Mainz, die Möglichkeit hat, einen Rückgang der Verkehrszahlen um 30 % zu verkraften, dann ist eine PPR-Lösung sicher besser als eine Insolvenz. Auffällig ist aber, dass diese Lösung, zumindest in Reichelsheim, immer zulasten der Nutzer geht.
Warum werden seitens der Genehmigungsbehörde und der Flugplatzbetreiber in dieser ausgesprochenen Ausnahmesituation keine anderen Lösungen gewählt, wie z.B. das Fliegen ohne Flugleiter in den Zeiten, in denen der Flugplatzbetreiber nur eine minimale Auslastung projiziert? An der Rechtsnorm der Betriebspflicht kann man offenbar beliebige Abstriche machen – beim heiligen Flugleiterzwang aber nicht? Nicht einmal im Corona-Ausnahmezustand?
Dies zeigt eine sehr einseitige Auslegung der zurzeit viel beschworenen Flexibilität in Deutschland.
Ähnliches gilt für Verkehrsflughäfen wie z.B. Karlsruhe-Baden/EDSB, wo es morgens und abends eine Einschränkung für VFR-Verkehr von jeweils zwei Stunden gibt. Auch die ist bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dort ziemlich hinderlich. Auf Anfrage beim Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg nach dem Grund der Einschränkung erhielten wir zwar eine hervorragende Zusammenfassung des veröffentlichten und bekannten NOTAMs, aber keine Auskunft zu den Gründen. Warum sind VFR-Flüge eingeschränkt? Hat man andere Maßnahmen erwogen? Vielleicht wie Lahr den Platz teilweise unkontrolliert zu betreiben? Dazu äußert sich das Ministerium leider nicht.
Wir erfuhren vor Ort: Die Einschränkung besteht, da aus Infektionsschutzgründen immer nur ein Controller auf dem Tower sitzt und der nun mal Pause machen muss.
Kaum ein Flughafen in Deutschland befindet sich in einer finanziell besseren Lage als EDSB, dank kluger Grundstücks- und Immobilienbewirtschaftung. Da kann man keinen zweiten Controller holen? Oder für diese Zeiten eine Infostelle mit abgemeldeter Kontrollzone schaffen?
Auch hier hat das zuständige Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, Referat: 35 – Luftverkehr, den einfachen Weg über Restriktionen gewählt, anstatt bei den Betriebsregeln etwas Flexibilität zu zeigen. Mit dieser Grundhaltung können wir uns für die Bewältigung der kommenden Wirtschaftskrise warm anziehen. Heilige Kühe der Verwaltung scheinen als allerletztes geschlachtet zu werden.
Die Verbände
Luftfahrtverbände haben die Aufgabe, die Allgemeine Luftfahrt zu vertreten und zu unterstützen. Auch hier ergab sich in den vergangenen Wochen ein recht unterschiedliches Bild.
Deutsche AOPA
Die deutsche AOPA konzentrierte sich auf ihre Kernaufgabe und forderte zunächst die dann auch implementierte Verlängerung von Medicals und Berechtigungen.
Und schon am 14. April titelte die Vereinigung: „Wenn es irgendwie geht: Macht die Flugplätze wieder auf!“ und setzte sich aktiv für die Erhaltung der Infrastruktur auch in der Krise ein. Viel mehr kann ein Verband im Moment eigentlich nicht tun.
Luftsport und DAeC

Ansammlungen wie diese sind im Moment nicht zulässig, aber mit Einschränkungen ist eine fliegerische Aktivität in vielen Bundesländern durchaus wieder möglich. Im Dachverband DAeC hat sich zu dieser Frage eine hitzige Diskussion entwickelt. |
Etwas komplexer war das Bild beim Deutschen Aeroclub (DAeC). Der Verband und seine Landesverbände sehen sich mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Während einige Luftsportarten nach den geltenden Regeln in den Bundesländern durchaus möglich sind, gehen andere Sportarten nicht. Und Breitensport ist ebenfalls stark eingeschränkt.
Während es weder verboten noch – unter Einhaltung einfachster Hygieneregeln – besonders riskant ist, allein im Segelflugzeug zu sitzen oder mit dem Partner im UL oder Motorflugzeug unterwegs zu sein, ist ein gemeinsamer Fallschirmsprung eng gedrängt in der Absetzmaschine natürlich keine gute Idee.
Auch ein gemeinsames Beisammensein im Club ist unter den geltenden Regeln zumindest in den meisten Bundesländern nicht möglich. Luftsportler sind also unterschiedlich stark betroffen.
Vorgaben des DAeC
Die Bundeskommission Segelflug (Buko) des DAeC verbreitete am 5. April einen generellen Aufruf, den Luftsport einzustellen:
„Es geht nicht nur darum, die zahlreichen Verordnungen und Erlasse der Bundesländer einzuhalten. Gemeinsam liegt es in unserer Verantwortung, soziale Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Als Sportler und Luftsportler müssen wir in besonderem Maße Solidarität zeigen. Bitte seid solidarisch mit unseren Mitmenschen, auch mit den Erkrankten, den besonders Gefährdeten, mit denen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und mit denen, die beispielsweise an der Supermarktkasse für die Versorgung der Bevölkerung eintreten.
Einige wenige Segelflieger haben all dies leider immer noch nicht verstanden. Manche von ihnen stellen ihre Flüge sogar ins Netz. Im DAeC bitten wir seit dem 18. März 2020 beispielsweise auf der Startseite der DAeC-Homepage intensiv, jeglichen Luftsport einzustellen. Gleiches tun nicht nur die Luftsportverbände, sondern nahezu alle Sportbünde und Sportverbände.“
Abschließend begründet wird dieser Appell damit, dass man auf dem Weg zum Flugplatz Sozialkontakte habe. Dies entsprach der Linie des Deutschen Aeroclubs. Dort vertritt man seit Mitte/Ende März die Ansicht, dass die Mitglieder sämtliche fliegerische Aktivitäten einstellen sollten. Dieser Aufruf ist zum Redaktionsschluss nach wie vor gültig, wie DAeC-Präsident Stefan Klett im Gespräch mit Pilot und Flugzeug am 2. Mai bestätigte.
Scharfer Ton des Präsidenten
Der DAeC geht mit diesem Aufruf also weiter als die aktuellen Rechtsverordnungen in einigen Bundesländern zurzeit. Der Verband fordert, aus Solidarität mit anderen Menschen, die ihrem Sport nicht nachgehen können, auf die Ausübung einer zulässigen Tätigkeit zu verzichten. Das entsprach nicht unbedingt der Ansicht aller Mitglieder und so entwickelte sich in den Sozialen Medien eine hitzige Diskussion zwischen Präsident Stefan Klett und einigen Mitgliedern und Vereinen.
Abweichende Meinungen wurden dabei durch den Verbandspräsidenten nicht toleriert und Mitglieder, die diese vortrugen, öffentlich beschimpft. So schrieb Klett z.B. am 17. März auf Facebook:
„Corona: Deppen sterben nie aus. Kleine Mail gefällig? Wann hat endlich jeder Vereinspilot verstanden, wie ernst die Lage in Deutschland ist und JEDER seinen Beitrag zu leisten hat!?
Der Virus klebt auch am Steuerknüppel und im Cockpit – gerade bei viel genutzten Vereinsflugzeugen mit wechselnden Piloten!“
Klett zitierte dann die Zuschrift eines Mitglieds, in der vorsichtig, konstruktiv und höflich auf das doch sehr unterschiedliche Risikopotenzial verschiedener Luftsportarten hingewiesen und eine differenzierte Betrachtung angeregt wurde. Der Autor dieser E-Mail hatte vermutlich vom Präsidenten seines Interessensverbandes eine andere Reaktion erwartet, als öffentlich als „Depp“ bezeichnet zu werden.
Ebenso nachdrücklich ging Klett gegen ganze Vereine vor, die der Vorgabe des Verbandes nicht folgten. Als Burg Feuerstein in den Sozialen Medien am 19. März schrieb: „Wir fliegen“ und eine nach den damaligen Vorschriften absolut zulässige Aktivität beschrieb, postete Klett:
„Corona: Burg Feuerstein, was soll der Quatsch!!!???“
Worauf der Verein ganz sachlich antwortete:
„Der Feuerstein ist im Kontakt mit den offiziellen Stellen, nämlich dem Luftamt und dem Ordnungsamt, und hält sich an gesetzliche Vorgaben und Empfehlungen. EDQE ist ein Verkehrslandeplatz und diese Infrastruktur wird bis auf Weiteres aufrecht erhalten. Für ein persönliches Gespräch stehe ich als Operations Managerin gerne zur Verfügung.“
Diese Mitteilung führte indes nicht zur Beruhigung im DAeC Hauptquartier in Braunschweig. Im Gegenteil, Klett schrieb:
„Wenn ich als Einzelner eben diese vielen gefährde – und zwar auf Leben und Tod – dann muss ich ob meines Verhaltens genau das ertragen können – oder mich solidarisch verhalten!“
Am 14. April legte Klett dann in der Zeitschrift aerokurier nach:
„Die wenigen Egoisten, die unser gemeinsames Anliegen noch nicht verstanden haben, werden hoffentlich bald ein Einsehen haben. Danke nochmal beispielhaft an die Buko Segelflug für die klare Stellungnahme – der Luftsport braucht genau solche Signale.“
Am 18. April, als Rücktrittsforderungen an den Verbandspräsidenten laut wurden, schrieb er auf Facebook:
„Dabei wurde – auch leider von mir – in einigen Fällen verbal über das Ziel hinausgeschossen! Dies bedaure ich sehr und wenn ich jemanden persönlich getroffen habe, tut mir das leid, denn es ist der Sache nicht förderlich und ist auch sicher nicht angemessen.“

Der am 4. Mai nach wie vor gültige Aufruf der Buko Segelfliegen des DAeC verlangt einen Kompletten Verzicht auf fliegerische Betätigung. Die Praxis in den Vereinen weicht davon inzwischen jedoch in vielen Bundesländern ab. |
Es folgen Bekenntnisse zu einem gemäßigteren Ton in der Zukunft. Wohlgemerkt, dies ist keine Bitte um Entschuldigung bei den Mitgliedern, die er für konstruktive Vorschläge öffentlich beschimpft oder für völlig legale Tätigkeiten im Verband bloßgestellt hatte. Klett drückt mit diesen Worten lediglich sein Bedauern darüber aus, dass sich einige Mitglieder von solchen Äußerungen getroffen gefühlt hatten. Eine inhaltliche Distanzierung ist das nicht, das bestätigt Klett auch im Gespräch mit Pilot und Flugzeug.
Mich persönlich – aktiver Segelflieger seit Jugendtagen, ehrenamtlicher Fluglehrer im Verein und wie die meisten Luftsportler in Deutschland Zwangsmitglied im DAeC – schockiert dieser Ton des Verbandes zutiefst.
Die Vorstellung, dass man Corona-Einschränkungen noch nicht einmal diskutieren darf, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen, die man als Bürger angesichts der massiven Grundrechtseinschränkungen haben kann.
Der Deutsche Aeroclub hat natürlich ein Recht auf eine eigene Linie und eine Meinung, auch wenn diese deutlich über die gesetzlichen Einschränkungen hinausgeht. Der DAeC nimmt aber eine besondere Rolle in Deutschland ein, weshalb hier auch besonders scharf Kritik geübt wird.
Als de-facto Zwangsverband hat man dort nämlich nicht wie andernorts die Möglichkeit, zu sagen: „Was der Brill da bei Pilot und Flugzeug schreibt, das ist alles Käse, ich kündige!“ oder „Was der Erb bei der AOPA macht, bringt eh nix, ich trete aus!“
Beim DAeC ist man bis auf wenige Ausnahmen zwangsläufig Mitglied, wenn man in Deutschland Luftsport betreiben will. Dies verpflichtet den immerhin gemeinnützigen Verband m.E. zu einer sehr viel ausgeprägteren Inklusivität und Toleranz bei den Meinungen und Mitgliedern unter seinem Dach als ein privater Verlag oder eine private Interessenvereinigung.
Gerade weil viele Zusammenhänge in der Pandemie noch nicht mit Sicherheit bekannt sind, ist eine offene Diskussion zu den Maßnahmen und Folgen unabdingbar. Und Mitglieder zu verurteilen, weil sie legalen Aktivitäten nachgehen, ist m.E. nicht die Aufgabe einer Interessensvertretung im Luftsport.
Die „My way or the high way“-Einstellung, die in der Kommunikation des Verbandspräsidenten zutage trat, und das Lächerlichmachen konstruktiver Vorschläge aus den Reihen der Mitglieder via Facebook ist mit meinem Verständnis der Aufgaben des DAeC nicht vereinbar.
Einschränkungen des öffentlichen Lebens sind nur so weit zulässig, wie sie verhältnismäßig und nützlich sind. Und sie müssen ständig auf diese beiden Kriterien hin überprüft wrden. Das können sehr punktuelle Einschränkungen sein, z.B. bei einer Tierseuchengefahr das Schlachten aller Kühe auf einem bestimmten Hof, oder sehr weitgreifende Kontaktbeschränkungen, wie wir sie im Moment gerade erleben. Sie müssen aber klar sachbezogen sein. Dass ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Epidemiegesetz und den Notstandsgesetzen, wie sie z.B. im Kriegsfall gelten würden.
Deutschland befindet sich ja gerade nicht im Krieg. Wir haben eben nicht die Situation von „Don‘t you know there is a war going on!“. Dort, wo man von den Einschränkungen nicht betroffen ist, ist ein halbwegs normales Leben m.E. zurzeit die erste Bürgerpflicht.
Wenn man also nicht fliegen will – alles gut. Und wenn man diese eigene Ansicht als Empfehlung weitergeben möchte, ist das ein gutes Recht. Aber als Verband der Luftsportler über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus Mitglieder zu beschimpfen, die einer legalen Tätigkeit nachgehen, das sollte sich ein Interessensverband tunlichst verkneifen, auch wenn das Tun oder die Meinung dieser Mitglieder den eigenen Ansichten zuwider laufen.
Der DAeC-Präsident erläutert die Politik des Verbandes
Pilot und Flugzeug befragte am 2. Mai 2020 den DAeC-Präsidenten zu seinem Kurs, mit dem der Verband einen ganz anderen Weg geht als z.B. die deutsche AOPA. Klett sieht die vom DAeC herausgegebenen Richtlinien als Beitrag zur gesellschaftlichen Aufgabe, die Infektionszahlen einzudämmen. „Ich nehme das sehr ernst, absolut ernst“, erklärt er und fährt fort, dass er den Luftsport in derselben Pflicht sehe wie alle anderen Sportarten: „Es gibt da keine Sonderstelle für den Luftsport.“
Zur Frage der Definition und Bedeutung des Solidaritätsbegriffs erklärt Klett, die Vereine sollten alles dafür tun, dass sich der Virus nicht ausbreitet.
Die Frage, ob der eigene Verzicht (auf eine legale Tätigkeit) nun irgendjemandem hilft, beantwortet Klett so:
„Das muss jeder für sich selber beantworten. Genau wie beim Umweltschutz. Wer noch eine alte Holzheizung hat, darf das. Man lebt aber von der Akzeptanz der Gesellschaft. Ganz besonders im Luftsport und bei der Lärmdiskussion. Wir müssen ein Stück zurückgeben. Auch wenn man eine Gesetzeslücke entdeckt hat, vielleicht einen rechtlichen Anspruch auf eine Tätigkeit hat, muss man sich fragen, ob das trotzdem sein muss.“
Klett betont, dass der Luftsport abhängig sei von gesellschaftlicher Akzeptanz. Er möchte den Eindruck vermeiden: „Die fahren mit ihrem Mercedes vor und haben sowieso gemacht, was sie wollten.“ „Die Gesellschaft erwartet eine Rücksichtnahme“, resümiert der DAeC-Präsident.
Phase II
Inzwischen habe sich die Situation aber geändert, erklärt Klett: „Das war Phase I, jetzt gehen wir in eine neue Phase über.“ Nach der Phase des totalen Shutdowns sei nun die Zeit gekommen, wieder aufzumachen. „Wir wollen in den diversen Fachgruppen dafür sorgen, dass der Luftsport wieder möglich wird“, erklärt Klett: „Dafür arbeiten wir im Moment, auch mit der Politik.“
Auf die Frage, ob der Aufruf der Buko vom 5. April 2020 noch aktuell sei und ob die vielen Vereine, die am langen Maiwochenende vorsichtig und legal wieder den Flugbetrieb aufnahmen, etwas falsch gemacht haben, erklärt Klett: „Der Aufruf der Buko vom 5.4. war völlig korrekt. Es gibt nichts anderes Offizielles.“
Kommentar: Der vorauseilende Neid-Totschläger
Ich denke, in einem Punkt hat der DAeC-Präsident vollkommen recht: Jetzt ist die Zeit, den Luftsport zu ermöglichen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob der DAeC hier Teil der Lösung oder Teil des Problems ist. Denn während an vielen Flugplätzen z.B. während des langen Mai-Wochenendes schon wieder fleißig geflogen wurde (unter Einhaltung einschlägiger Hygieneregeln versteht sich), gilt der Aufruf der Buko nach wie vor, der jeden – salopp gesagt – zum Kameradenschwein abstempelt, der fliegt. Zitat:
„Die jetzt noch fliegenden Piloten schaden auch dem Image unseres schönen Sports. Auch wenn es nur Wenige sind, diese sind in der Luft besonders sichtbar.“
Zum gesamtgesellschaftlichen Argument des „Bloß keinen Grund zum Neid geben“, der aus dem Aufruf der Buko spricht, möchte ich fragen: Stehen die Autoren dieses Schreibens eigentlich noch hinter unserem gemeinsamen Sport?
Unser Sport, das Segelfliegen, ist – wie so viele andere Sportarten auch – gemeinnützig, umweltfreundlich, jugendfördernd und m.E. nicht nur wunderschön, sondern auch gesellschaftlich sinnvoll und persönlichkeitsbildend. Deshalb engagiere ich mich auch genau da ehrenamtlich und nicht woanders.
Ich muss mich bestimmt für eine Menge Dinge in meinem Leben entschuldigen – ganz sicher aber nicht für das Segelfliegen.
Und wenn das nun – eingeschränkt – nach den geltenden Regeln wieder möglich ist: Warum um alles in der Welt soll man das bleiben lassen, nur weil die Fußballer bedauerlicherweise aufgrund der Natur ihres Sports im Moment ihr Hobby nicht ausüben können?
Diesen Begriff der Solidarität halte ich da für falsch. Es herrscht in den meisten Bundesländern Kontaktverbot, nicht Betätigungsverbot oder Ausgangssperre. Machen wir die Sache bitte nicht schlimmer, als sie ist. Die Maßnahmen sind streng genug, wie sie sind. Halten wir uns an die geltenden Regeln und versuchen wir, im Restbereich ein normales Leben zu führen.
Wenn ich durch meinen Verzicht irgendetwas tun könnte, damit die Fußballer schneller wieder auf den Platz kommen oder die Kranken schneller wieder gesund werden, dann wäre der Fall klar: Selbstverständlich! Das wäre ein Begriff von Solidarität, mit dem ich etwas anfangen kann. Das Argument, die Infektionszahlen insgesamt durch Verzicht eindämmen zu können, sehe ich nicht als stichhaltig. Bund und Länder haben zu diesem Zweck massive Einschränkungen erlassen. Die sind in jedem Fall ausreichend und an die halte ich mich auch. Dann isses aber auch mal gut! Ich muss nicht übers Ziel hinausschießen und schon gar nicht kann ich das von anderen verlangen.
Verzicht also um der einheitlichen Übellaunigkeit willen? Das begreife ich nicht.
Und zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Luftsports trage ich bei, indem ich lärmarm fliege, regelmäßig bei Fliegerfesten mitarbeite und ehrenamtlich Flugschüler ausbilde. Nicht indem ich übellaunig zuhause sitze, weil irgendein Griesgram, den wir sowieso nicht mehr für uns gewinnen können, beim Anblick eines Segelflugzeugs am Himmel noch verbitterter werden könnte.
Schon mal überlegt, ob ein Segelflugzeug am Himmel für einen Corona-genervten Fußgänger nicht ein willkommenes und schönes Zeichen von Normalität sein kann? Wer Alternativen zur selbstauferlegten deutschen Neid-Vorbeugung kennenlernen will, der sollte sich dieses Video mal ansehen: Vier Bonnies auf einer Flughafen-Tour rund um New York Anfang April. Reaktion des lokalen Nachrichtensenders NY1: „Keep it up guys! It‘s great to see someone is still flying!“
Fazit
Machen wir uns nichts vor. Das Thema ist noch lange nicht vorbei. Wir werden uns in der Allgemeinen Luftfahrt noch viele Monate mit der Frage befassen müssen, was geht, was geht nicht und was können wir möglich machen.
Ein Verband der – ähnlich wie der Flugplatz Mainz oder auch mein Heimatverein im Taunus – hier nach Möglichkeiten sucht, was auch immer machbar ist, auch zu realisieren, wäre ein Verband, in dem ich mich gut aufgehoben fühlen würde.
Ob der DAeC hier die Antwort ist, muss ich bezweifeln. Noch gilt der Buko-Aufruf, und der öffentliche Ton des Verbandspräsidenten Stefan Klett hat mir nicht gerade gezeigt, dass der Deutsche Aeroclub an einer offenen und kontroversen Diskussion mit den Mitgliedern Interesse hat.