
Vom Tower geholt. Wegen eines Verkehrsdelikts muss ein junger Controller am Flughafen Paderborn-Lippstadt seinen Job aufgeben. Seine fachliche Eignung steht nicht in Frage, Schuld am Berufsverbot ist die Zuverlässigkeitsprüfung, die uns eigentlich einmal vor Terroristen schützen sollte, in der Praxis aber längst zur juristischen Allzweckwaffe geworden ist. |
© Paderborn-Lippstadt Airport |
Am 28. Februar 2014 begeht Philipp U. einen Fehler. Einen großen Fehler. Auf dem Höhepunkt einer durch eine unglückliche Beziehung ausgelösten Lebenskrise setzt er sich betrunken in sein Auto und fährt los. Nicht etwa „leicht alkoholisiert“, sondern – auf Deutsch gesagt – schwer besoffen. Mit 1,8 Promille landet er in einer Rechtskurve in der linken Leitplanke. Sein Fahrzeug wird schwer beschädigt. Er hält jedoch nicht an, sondern setzt die Fahrt fort.
Erst als sein Auto kurz danach aufgrund der starken Beschädigung nicht mehr kann, hält er an und verständigt einen Abschleppdienst, der dann die Polizei ruft.
Philipp U. ist Fluglotse. Als er wieder bei Verstand ist, wird ihm klar, dass ihm hier nicht etwa eine „Unachtsamkeit“ oder ein „Fehler“ unterlaufen ist, sondern dass er mehrere schwere Verkehrsstraftaten aneinandergereiht hat. Fahren unter Alkoholeinfluss, Entfernen vom Unfallort und dann sogar erneutes Fahren unter Alkoholeinfluss.
Für den jungen Mann Mitte 20 ist das ein deutliches Zeichen, dass sich sein Leben ändern muss. Und zwar grundsätzlich. Er beendet die für die Lebenskrise ursächliche Beziehung. Er reduziert seinen Alkoholkonsum auf null. Er sucht Hilfe bei einem Psychologen, um zu erörtern, wie ihm – einem bislang gesetzestreuen und gewissenhaften Mann in einem verantwortungsvollen und schönen Beruf – eine solche Reihe von schwersten Fehlern unterlaufen konnte. Den resultierenden Strafbefehl für die Verkehrsdelikte nimmt er unwidersprochen hin. Und seinen Arbeitgeber, die DFS-Tochter „The Tower Company“, setzt er frühzeitig über die Vorgänge in Kenntnis.
Nun ist Philipp U. natürlich nicht nur ein Trunkenheitsfahrer. Er ist auch ein geschätzter und äußerst zuverlässiger Mitarbeiter in dem DFS-Tochterunternehmen, das sich auf ATC-Dienstleistungen an Regionalflughäfen spezialisiert hat. Sein Arbeitgeber hält also zu ihm. Bei seiner Familie findet er die Unterstützung, die er zur Bewältigung der Lebenskrise braucht.
Unter allen Aspekten, die jetzt im Leben des jungen Mannes zusammenkommen: nämlich
- Beendigung der unglücklichen Beziehung,
- Scham über die Tat,
- grundsätzliche Änderung der Lebensumstände,
- Sicherstellung der weiteren Unterstützung des Arbeitgebers durch weiterhin ausgezeichnete Arbeit,
wäre wohl die Frage einer Verbindung ausgerechnet zum Terrorismus nicht die naheliegendste Sorge von Philipp U. und seinen Freunden und Kollegen gewesen.
Für die Bezirksregierung Münster, in der Person des Dezernenten Luftsicherheit und Fluglärm Klaus Greinert, scheint dies jedoch eine durchaus plausible Überlegung zu sein.
Am 23. Mai 2014 bittet er im Wege einer Anhörung um Stellungnahme. Philipp U. erklärt seine damaligen Lebensumstände und wie umfassend er diese inzwischen geändert hat. Greinert zeigt sich davon unbeeindruckt und entzieht ihm am 19. November 2014 die Zuverlässigkeitsüberprüfung gemäß § 7 Luftsicherheitsgesetz.
Für Philipp U. bedeutet dies ein sofortiges Berufsverbot, da er ohne ZUP nicht mehr in den Sicherheitsbereich des Flughafens und damit an seinen Arbeitsplatz im Tower gehen darf.
Greinert begründet den Entzug der ZUP wie folgt:
In Ihrem Schreiben geben Sie an, dass Sie sich zu der Tatzeit in einer Lebenskrise befanden und dadurch begannen mehr Alkohol zu trinken. Nach diesem Unfall geben Sie an, dass Sie Ihr Leben verändert haben. Dafür haben Sie einen Psychotherapeuten aufgesucht und Ihr Trinkverhalten wieder normalisiert. Außerdem betonten Sie, dass Sie niemals unter Alkoholeinfluss gearbeitet haben und sich über Ihre verantwortungsvolle Arbeit bewusst waren. Außerdem haben Sie als Anlage ein Schreiben Ihres Arbeitgebers, The Tower Company vom 11.06.2014 beigefügt. Darin bescheinigt dieser, dass Sie ein zuverlässiger Mitarbeiter sind, der seiner Arbeit stets sicher, korrekt und effizient nachkommt.
Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit ist zu prüfen, ob der Antragsteller nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt, um selbst bei lnaussichtstellen von Vorteilen oder Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren.
Zuverlässig ist der, der die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen.
Nach Prüfung und Auswertung des Sachverhaltes und unter der Gesamtwürdigung des Akteninhaltes kann nicht mit der im Hinblick auf den Schutz des Luftverkehrs erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Sie sich in Zukunft auch in Stresssituationen gesetzestreu verhalten werden.
Greinert begnügt sich allerdings nicht damit, die vergangenen Taten zu bewerten, er spekuliert auch fleißig über die Gewohnheiten von Philipp U.:
Dazu kommt allerdings noch nach den Feststellungen der Polizei vor Ort, dass Sie keine Ausfallerscheinungen hatten, trotz der sehr hohen Alkoholkonzentration. Dennoch konnten bei Ihnen zwar Gleichgewichtsprobleme festgestellt werden, allerdings keine geistigen oder kommunikativen Beeinträchtigungen, was auf eine Alkoholgewöhnung hindeutet.
In der Folge resümiert er:
Die Respektierung der geltenden Regeln sind für den reibungslosen Ablauf im luftrechtlichen, beruflichen aber auch im privaten Bereich wichtig. Auch in schwierigen Situationen darf man sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen. Bei dem in der Vergangenheit durch die Strafverfolgungsbehörden gemeldeten und dokumentiertem Verhalten kommt bei Ihnen ein Mangel an Rechtsbewusstsein zum Ausdruck, der sich negativ auf das Gesamtbild Ihrer Persönlichkeit auswirkt.
Somit führen nach Gesamtwürdigung des Sachverhalts und Beurteilung der vorliegenden Umstände die Ausführungen zu keiner Entlastung und entkräften die Zweifel nicht.
Jeglichen positiven Leumund, z.B. des Arbeitgebers, wischt Greinert vom Tisch. In einer späteren Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht Münster schreibt er:
Ein tadelloses Verhalten im Beruf kann von jedem Arbeitnehmer erwartet werden und resultiert allein schon aus seinen arbeitsvertraglichen Pflichten, kann daher nicht zu einer anderen Einschätzung der Situation führen.
Legt man diese Sichtweise zugrunde, ist schwer vorstellbar, welche Umstände überhaupt jemals zur Entkräftung von Zweifeln an der Zuverlässigkeit führen könnten.
Wir dachten am Beginn der Recherche zu diesem Fall zunächst an eine grobe Übertreibung des Regierungspräsidiums Münster. Wir mussten jedoch feststellen, dass Greinert sich – zumindest mit seiner Begründung – durchaus im Rahmen der aktuellen Auslegung und Rechtsprechung zur ZUP bewegt.
Dem Gesetzgeber genügen bereits „geringe Zweifel“ zum Entzug der ZUP. Und geringe Zweifel sind ein derart niedriger juristischer Standard, dass beinahe jedes Fehlverhalten hinreichend sein kann.
Bezug zum Terrorismus?
Unsere Vorstellung, dass die ZUP irgendwas mit Terrorismus zu tun habe, wurde durch die Rechtsprechung und Praxis der deutschen Behörden und Gerichte in den letzten zehn Jahren gründlich widerlegt.
Durch die inzwischen von vielen Verwaltungsgerichten flächig geteilte Annahme der Erpressbarkeit, hat sich die ZUP in den letzten Jahren zu einer ganz und gar allgemeinen charakterlichen Beurteilung gewandelt. Jeder, der – wie Greinert schreibt – im beruflichen oder privaten Bereich Regelverstöße begangen hat, kann mit dieser Konstruktion als unzuverlässig angesehen werden, da dies „geringe Zweifel“ begründet, ob er es in einer Stresssituation mit den Regeln der Luftsicherheit nicht ebenfalls so hält.
Dass sich besoffen ins Auto zu setzen andere Gründe und andere psychologische Auslöser haben kann, als dem netten ISIS-Terroristen von nebenan mal eben seinen Flughafenausweis zu leihen, damit der richtig einen draufmachen kann, das scheint der deutschen Rechtsprechung nicht zu dämmern.
So wurde in Bayern am 5. Dezember 2011 der ZUP-Entzug für einen Unternehmer bestätigt, der einen Fehler in seinem Jahresabschluss beging und damit Steuern und Abgaben um rund 14.000 Euro verkürzte. Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg begründete dies so (Az. RO 8 K 11.677):
Die Zuverlässigkeit im luftverkehrsrechtlichen Sinne ist bereits dann zu verneinen, wenn hieran auch nur geringe Zweifel bestehen, da das gerade beim Luftverkehr hohe Gefährdungspotential und die Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter dies erfordert.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt letztlich in ständiger Rechtsprechung, dass Bezugspunkt der Überprüfung der Zuverlässigkeit sein muss, ob Grund für die Annahme besteht, beim Überprüften sei aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten.
Entsprechend ist der Grad der ZUP-relevanten Verfehlungen nur durch den Grad der Weltfremde beschränkt, den deutsche Behörden und Gerichte bei der Anwendung dieses juristischen Allzweckwerkzeugs aufzubringen bereit sind. Ausdrücklich weisen andere Entscheidungen auch darauf hin, dass eine rechtskräftige Verurteilung gar nicht notwendig sei. Ermittlungen und Verdachtsmomente reichen völlig aus, ebenso wie Einstellungen gegen Geldauflage.
Hat der Behördenmitarbeiter einmal auch nur „geringe Zweifel“, können diese auch vor einem wohlmeinenden Gericht praktisch nicht mehr ausgeräumt werden, da selbst jahrzehntelanges Wohlverhalten schlicht als selbstverständlich angesehen wird und damit nicht mehr ins Gewicht fällt. Das ist eine echte Machtposition und verunmöglicht eine auch nur halbwegs ausgewogene Betrachtung der Persönlichkeit ebenso, wie eine realistische Prognose.
Verhandlung
Entsprechend verlief auch die Verhandlung in Sachen Philipp U. vor dem Verwaltungsgericht Minden am 18. Februar 2015.
Richter Dr. Hans-Jörg Korte trat Philipp U. mit hörbarem Verständnis gegenüber und erklärte zunächst, sich selber auch „durch diese Mühle drehen“ lassen zu müssen.
Er referierte im Anschluss über die Rechtslage und über den Umstand, dass eben geringe Zweifel schon ausreichen, um die ZUP zu entziehen. „Eine Ermessenserwägung findet nicht statt und Folgen werden nicht in den Blick genommen“, erklärte der Richter. „Eine strafrechtliche Verurteilung begründe aber immer Zweifel“, erklärte Korte und die Frage sei nur, ob es Umstände gebe, die diesen Zweifel entkräften könnten.
Solche Umstände wollte Behördenvertreter Greinert aber nicht gelten lassen.
Der Anwalt von Philipp U. erwähnte dann nochmals den bislang unbescholtenen Lebenswandel seines Mandanten und den Umstand, dass eine Prognose ausschlaggebend sei, ob der Betroffene in der Zukunft fähig sei, den Anforderungen der Zuverlässigkeit zu genügen. Auch lebe sein Mandant in geordneten persönlichen und finanziellen Verhältnissen, eine Erpressbarkeit sei daher auch deshalb zu verneinen.
Greinert, seiner Sache sicher, referierte eher lustlos den Standpunkt seiner Behörde: Es lägen aus der Verkehrsstraftat eben Anhaltspunkte vor, die darauf hindeuten würden, dass sich Philipp U. in Stresssituationen nicht immer richtig verhalte, daher sei die Zuverlässigkeit abzulehnen.
Das Gericht zog sich daraufhin zur Beratung zurück, aus der es nach nur wenigen Minuten wiederkam. Sichtlich bemüht, einen gangbaren Weg zu finden, erklärte Korte: „Wir wollen nichts unversucht lassen“, und fragte Behördenvertreter Greinert, wie lange er dem Kläger denn das Verkehrsdelikt vorhalten und die Zuverlässigkeit verneinen wolle. Schließlich werde das Delikt nach fünf Jahren aus dem polizeilichen Führungszeugnis des Betroffenen getilgt.
Greinert sagte daraufhin wörtlich, dass er „nach vier Jahren den Antrag des U. nicht mehr ausschließlich negativ bewerten würde“.
Richter Korte, erwiderte in diesem Moment mit hörbarer Enttäuschung, dass er darauf keinen sinnvollen Vergleichsvorschlag unterbreiten könne.
Wir wissen nicht, ob Greinert wirklich glaubt, dass sich Philipp U. unter irgendwelchen denkbaren Umständen dem Terrorismus zuwendet oder diesen begünstigt.
Dass Dezernent Greinert hier den Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Dr. Hans-Jörg Korte aber derart abblitzen ließ, zeigt aus unserer Sicht zwei Dinge: Seine offensichtliche Machtposition scheint den Behördenvertreter hier nicht allzu sehr zu bekümmern und Greinert war seiner Sache sehr sicher.
Tatsächlich fiel die Entscheidung denn auch entsprechend aus. Die Klage von Philipp U. wurde abgewiesen, der Entzug der ZUP hat damit Bestand, das Berufsverbot für Philipp U. somit auch.
Die mündliche Begründung verlief dann eng entlang jener de facto Textbausteine, die man in vielen vergleichbaren Urteilen und Entscheidungen lesen muss.
Folgen
Wenn es überhaupt einen positiven Aspekt gibt, dann den, dass hier der Arbeitgeber, die „Tower Company“, bislang hinter ihrem Mitarbeiter Philipp U. steht. Nicht nur, dass das Unternehmen dem Mitarbeiter einen positiven Leumund ausstellte, zahlreiche Kollegen und Vorgesetzte des Lotsen waren zur Verhandlung nach Minden gekommen und fingen den sichtlich bestürzten Kläger nach der Verhandlung auf. Auch ist Philipp U. nicht arbeitslos. Die Tower Company beschäftigt ihn zurzeit im Innendienst in Langen.
Wie im wahrsten Sinn des Wortes willkürlich der Ablauf und die Bewertung dieser Ereignisse sind, zeigen zwei bemerkenswerte Umstände:
1. Philipp U. könnte sofort in jedem EU-Land außer in Deutschland wieder als Lotse tätig werden.
2. Hätte Philipp U. keinen Privatpilotenschein, würde er heute noch ganz normal auf dem Turm in Paderborn/Lippstadt seinen Dienst verrichten.
Vor allem der Umstand No. 2 bedarf der Erklärung: Denn in den Zuständigkeitsbereich des RP-Münster kam Philipp U. nur durch seinen PPL. Ohne Pilotenlizenz wäre für ihn die Luftsicherheitsbehörde am Niederlassungsort seines Arbeitgebers zuständig. Und das ist für DFS- und TTC-Mitarbeiter das Polizeipräsidium Frankfurt.
Das Polizeipräsidium Frankfurt am Main ist mit seiner Zuständigkeit über den gesamten Frankfurter Flughafen, DFS und große Teile der Lufthansa die mit Abstand größte Luftsicherheitsbehörde Deutschlands.
Und da man es bei der Polizei eben auch ab und zu mal mit richtigen Kriminellen zu tun hat, sind die Abwägungen und Zuverlässigkeits-Zweifel da sehr viel – nunja – lebensnäher als bei einer reinen Verwaltungsbehörde wie dem RP Münster.
Möglicherweise hat der RP-Münster in seinem unbestrittenen Diensteifer dem betroffenen Lotsen hier aber auch einen Gefallen getan. Denn man entzog Philipp U. natürlich mit der ZUP auch gleich noch den PPL. Damit fällt Philipp U. aber in der behördlichen Zuständigkeit wieder zurück ans Polizeipräsidium Frankfurt.
Und dort kann er nach Ablauf eines Jahres, also im November 2015, wieder einen neuen Antrag auf Zuverlässigkeitsüberprüfung stellen, der – so die bisherige Praxis – angesichts einer Straßenverkehrs-Verurteilung von 55 Tagessätzen und eines ansonsten vollkommen unbescholtenen Lebenslaufs wohl sicher etwas lebensnäher geprüft wird als in Münster.
Fazit
Wer auch immer bei der Einführung der ZUP dachte, dass dieses Instrument etwas mit Terrorismus oder schweren Straftaten zu tun hat und ihn als unbescholtenen und gesetzestreuen Bürger nicht betrifft, der sieht sich getäuscht.
Längst ist in der Bewertung solcher Vorgänge die Grenze von 90 Tagessätzen, nach der man gem. § 53 BZRG als „nicht vorbestraft“ bzw. „unbestraft“ gilt, gefallen. Im Fall von Philipp U. reichen 55 Tagessätze.
Längst sind auch Steuer-, Wirtschafts- und Insolvenzvergehen nach Ansicht der Behörden geeignet, die ZUP zu entziehen. Ein Fehler in der Bilanz oder eine verpasste Frist können einen Unternehmer sehr schnell in diese Region bringen und eine rechtskräftige Verurteilung braucht man auch nicht mehr.
Mit der bemerkenswerten Konstruktion der Erpressbarkeit und dem extrem niedrigen Standard der „geringen Zweifel“ ist die ZUP zur juristischen Allzweckwaffe geworden.
Niemand möchte das Verhalten von Philipp U. bagatellisieren oder gar entschuldigen. Wer von sich jedoch behaupten kann, in seinem Leben noch nie ähnlich gravierende Fehler im beruflichen oder privaten Bereich begangen zu haben, der ist zu beneiden. Der Autor kann dies für sich jedenfalls nicht behaupten.
Und rechtlich ist der Rahmen auch keineswegs auf Vergehen oder Straftaten begrenzt. Auch wiederholte Ordnungswidrigkeiten eignen sich vortrefflich, um in den Köpfen von Behördenmitarbeitern Zweifel zu erzeugen. Die Praxis der Zuverlässigkeitsprüfung nach § 7 LuftSIG, befördert damit eine Auswahl nach zwei Kriterien:
- Heilige und
- Menschen, die bei ihren größten Fehlern nicht erwischt wurden.
Beides kann nicht im Sinne der Gerechtigkeit oder auch nur der Luftsicherheit sein.
Was den Autor an diesem Vorgang besonders befremdet, ist die buchstäbliche Unmenschlichkeit der durch Greinert hier angewendeten Sichtweise. Denn Fehler zu machen ist menschlich. Das soll nicht bedeuten, dass jeder einfach mal zwei Straftaten „frei bekommt“ oder dass die Trunkenheitsfahrt nur „halb so wild“ sei. Ganz und gar nicht. Niemand bestreitet die Richtigkeit einer Strafe – auch einer harten Strafe – für dieses Verhalten.
Aber bei der ZUP geht es um eine Prognose. Diese Prognose auf Basis eines Einzelereignisses anzustellen und alle anderen Aspekte wie den bislang völlig unbescholtenen Lebenslauf außer Acht zu lassen, das ist im Wortsinne unmenschlich, denn niemand kann in seiner Persönlichkeit auf ein Einzelereignis – positiv oder negativ – reduziert werden.
Das ist der Unterschied in der Sicht- und Arbeitsweise zwischen dem Polizeipräsidium Frankfurt und der Bezirksregierung Münster. Nicht die Frage, wie schlimm die Trunkenheitsfahrt war. Sie war schlimm. Es geht aber vielmehr die Frage, ob man die durch das LuftSIG geforderte Prognose auf einem einzigen Augenblick im Leben des Betroffenen aufbauen kann.