Die Betriebsregeln des Part-OPS waren für deutsch registrierte Luftfahrzeuge bislang in der LuftBO (Luftbetriebsordnung) und den diversen Durchführungsverordnungen dazu festgelegt. Diese nationalen Regeln sollen durch den Part-OPS abgelöst werden. Im Unterschied zur LuftBO sind diese Betriebsregeln dann auch für die in der EU ansässigen Drittlands-Operator, also N-, M- etc. registrierte Flugzeuge, anzuwenden. Betreiber von N-registrierten Luftfahrzeugen müssen dann sowohl den FAR Part 91 wie auch die Regeln des EASA Part-OPS beachten.
Und bei den Betriebsregeln wird im privaten Bereich grundsätzlich zwischen „complex“ und „non-complex“ unterschieden. „Complex“ sind Flugzeuge die eine der genannten Bedingungen erfüllen:
- 5.700 kg MTOW oder mehr,
- mehr als 19 Sitzplätze,
- minimum Crew > 1,
- mehr als ein Turbinentriebwerk,
- ein oder mehr Strahltriebwerke.
Das bedeutet, dass King Air, Cheyenne, Conquest ebenso Complex-Flugzeuge sind wie Citation Jet, Phenom oder auch der D-Jet oder Cirrus-Jet. Non-Complex sind alle anderen Flugzeuge, das umfasst alles von der 152er bis zur PC-12.

Zweimotorige Turboprops operieren im Werksverkehr weltweit häufig von kurzen und auch von unbefestigten Pisten aus. Der Gesetzesentwurf der EASA zum Part OPS NCC führt nun zu der absurden Situation, dass im Interesse der Sicherheit (!) solche Flüge zukünftig nur noch einmotorig möglich sind. |
© Wolfgang Lamminger |
Mit dem anzuwendenden Subpart des Part-OPS, dem Part-NCC, werden nichtgewerbliche Betreiber von Complex-Flugzeugen fast genauso behandelt wie ein gewerblicher Flugbetrieb. Dies gilt unabhängig davon, ob die Flugzeuge privat oder für das eigene Unternehmen genutzt werden. Die Auflagen unterscheiden sich nur marginal von denen für gewerbliche Flugbetriebe: Es muss ein Flugbetriebshandbuch geschrieben werden, eine Management-Struktur definiert sein und es muss eine Unmenge von Daten aufbewahrt werden. Außerdem darf die Behörde jederzeit bei Ihnen (ja, auch in der Privatwohnung!) vorbeischauen und z.B. prüfen, ob die Räumlichkeiten für Ihre Flugvorbereitung ausreichend sind! Es gibt bei der Überwachung dann praktisch keinen Unterschied mehr zwischen privat und gewerblich.
Über diese für einen Einmann-Privatflugbetrieb völlig weltfremden Auflagen hatten wir in Pilot und Flugzeug 2011/10 bereits berichtet. Das verursacht zwar hohe Kosten, macht viel Arbeit und trägt in Mini-Flugbetrieben mit einem Flugzeug und vielleicht zwei Leuten praktisch nichts zur Sicherheit bei, denn als verantwortungsbewusster Operator haben Sie sich die nötigen Strukturen zum Safety-Management längst geschaffen – und wenn nicht, wird das eingekaufte Flug- und Betriebshandbuch mit seinen 1.000 Seiten ohnehin nur im Schrank verstauben.
So teuer, unnütz und bürokratisch diese Auflagen aber auch sind, sie lassen sich mit Geld und Zeit erfüllen und halten schlussendlich niemanden zwingend vom Fliegen ab.
Ganz anders sieht es leider mit den Betriebsregeln zur Start- und Landestreckenberechnung aus. Denn auch hier macht die EASA de facto keinen nennenswerten Unterschied mehr zwischen gewerblichen und privaten Betreibern. Dieses Problem lässt sich nicht mit Zeit und Mühe lösen, es wird viele Flüge, die heute und seit Jahrzehnten sicher und ohne Beanstandung mit zweimotorigen Turboprops durchgeführt werden, schlichtweg unmöglich machen.
Beginnen wir mit der Startstreckenberechnung. Eine Erläuterung der Struktur und Terminologie des Regelwerks finden Sie in Pilot und Flugzeug 2011/10. Hier fordert die EASA im Abschnitt NCC-POL.125 (leicht gekürzt):
Aircraft performance and operating limitations
NCC.POL.125 Take-off — aeroplanes
(a) When determining the maximum take-off mass, the pilot-in-command shall take the following into account:
(1) the calculated take-off distance shall not exceed the take-off distance available with a clearway distance not exceeding half of the take-off run available; [...]
(3) a single value of V1 shall be used for the rejected and continued take-off, where a V1 is specified in the AFM; and [...]
(b) In the event of an engine failure during take-off, the pilot-in-command shall ensure that:
(1) for the aeroplane where a V1 is specified in the AFM, the aeroplane shall be able to discontinue the take-off and stop within the accelerate-stop distance available; and
(2) for the aeroplane where a net take-off flight path is specified in the AFM, the aeroplane shall be able to continue the take-off and clear all obstacles along the flight path by an adequate margin until the aeroplane is in a position to comply with NCC.POL.130.
Damit hat die EASA trotz aller Kritik und Bitten um Klarstellung exakt den Text des vorangegangenen Entwurfs übernommen. Sie schafft die absurde Situation, dass im Privat- und Werksflugverkehr zukünftig Flüge mit Einmots oder Kolbenschüttlern durchgeführt werden müssen, die heute legal und sicher und aus gutem Grund mit zweimotorigen Turboprops oder Jets absolviert werden.
Grund dafür ist der Absatz (b) (1) und (2), in dem die EASA festlegt, dass für Flugzeuge, für die im AFM eine V1 definiert ist, nur starten dürfen, wenn die verfügbare Pistenlänge größer als die Accelerate-Stop-Distance ist. Damit sind z.B. für eine Cheyenne II unter üblichen Bedingungen (MTOW, 2.000 ft MSL) Pisten unterhalb 1.100 m nicht mehr anfliegbar. Bei einer King Air 90 ist irgendwo zwischen 1.200 und 1.300 Metern Pistenlänge Schluss. Kürzere Plätze können dann auch im privaten Betrieb nicht mehr angeflogen werden.
Ähnliches gilt für den Absatz (2). Da wird für Flugzeuge, die einmotorig einen Start fortsetzen könnten, gefordert, dass Masse und Hindernissituation dies ermöglichen müssen. Damit werden weitere Plätze unanfliegbar. Im Guidance Material wird dann auf den ICAO Annex 6 Part I verwiesen, der exakt die gewerblichen Berechnungsgrundlagen liefert. Auch hier wird kein nennenswerter Unterschied mehr zwischen dem privaten und dem gewerblichen Luftverkehr gemacht.
Einmal mehr stülpt die EASA dem privaten Flugbetrieb Standards und Regeln aus dem gewerblichen Luftverkehr über. Dies ist widersinnig. Denn der wesentliche Unterschied zwischen gewerblichem und privatem Luftverkehr ist ja nicht etwa, dass die einen Streifen an der Schulter tragen und die anderen im Polohemd fliegen. Vielmehr gelten aus gutem Grund für den Privat- und Werksverkehr andere – niedrigere – Sicherheitsstandards als für den öffentlichen Bedarfsluftverkehr. Es ist ja gerade Aufgabe und Daseinsberechtigung des Privat- und Werksverkehrs, Flüge durchzuführen, die gewerblich – ebenfalls aus gutem Grund – nicht möglich wären.
Dabei ist unstrittig, dass ein Takeoff von einer Bahn kürzer Accelerate-Stop-Distance riskanter ist als von einer langen Piste. Beim Triebwerksausfall im falschen Moment wird ein Overshoot unvermeidlich.
Es ist aber ebenfalls unstrittig, dass es keineswegs sicherer ist, eben diesen Takeoff dann mit einer genauso schweren Einmot zu versuchen. Das Risiko des Overshoots besteht nach wie vor, aber der gesamte Rest des Fluges wird nur mit einem einzigen Triebwerk durchgeführt. Eben das fordert aber die EASA! Für einen Werksflugbetrieb, der mit King Air oder ähnlichem Fluggerät Plätze unter 1.200 Metern anfliegt, bleibt nach Inkrafttreten des Part-NCC nichts weiter übrig, als diese Flüge mit einer Einmot oder mit einem Kolbenflugzeug zu machen.
Ebenso widersinnig ist auch das Festmachen der Kriterien an der V1. Denn abhängig von Baujahr oder Handbuch-Revision ist für ein und dasselbe Flugzeug (z.B. PA31-T1) mal eine V1 definiert und mal nicht! Das Kriterium ist also allerhöchst willkürlich.
Bitten um dringend notwendige Klarstellung ob die V1 als Teil der Zulassung veröffentlicht sein muss, z.B. bei Flugzeugen deren Start- und Landestrecken nicht nach FAR23, sondern nach FAR25 zugelassen sind (dann würde die Vorschrift durchaus Sinn ergeben), oder ob die reine Verwendung des Begriffs "V1" irgendwo im Handbuch schon genügt um unter den Absatz (b)(1) zu fallen, kam die EASA leider nicht nach.
Auf all das haben wir und zahlreiche andere Operator die zuständigen Rule-Making-Officers der EASA schriftlich und im persönlichen Gespräch mehrfach hingewiesen. Wir gewannen dabei den Eindruck, dass einige der dargelegten Zusammenhänge nicht unbedingt geläufig waren. Es ist daher umso bedauerlicher, dass die EASA den Eingaben aus der Praxis in diesem Punkt nach wie vor keine Beachtung schenkt.