Die Konferenz, zu der mehr als 300 Teilnehmer aus ganz Europa erschienen waren, fand in der Innenstadt in einem großen Tagungshotel statt. Teilnehmer waren neben zahlreichen EASA-Mitarbeitern vor allem Behördenvertreter aus den EASA-Staaten und Inhaber oder Vertreter von Unternehmen aus der Allgemeinen Luftfahrt. Diese reichten von großen GA-Herstellern bis zu kleinen Flugschulen und Ein-Mann-Wartungsbetrieben.
Und natürlich kamen die Verbände nach Rom, AOPA, GAMA, European Air Sports – und auch der DAeC hatte zwei Mitarbeiter nach Rom entsandt.
Nicht vertreten – und das ist ein Skandal – war die deutsche Luftfahrtverwaltung. Weder das Verkehrsministerium noch das LBA oder die Landesluftfahrtbehörden hatten auch nur einen einzigen Vertreter geschickt. Und das auf einer Konferenz, wo man nicht nur Fragen stellen und Vorschläge unterbreiten konnte, sondern vor allem auch kräftig und an höchster Stelle meckern durfte. Das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Das LBA ist zufrieden und weiß schon alles über die aktuellen und kommenden EASA-Regeln!
Im Ernst: Fast jede europäische Luftfahrtbehörde hatte Vertreter geschickt. Und nicht nur als Zuhörer, sondern auch als Teilnehmer an den Diskussionsrunden. Auch sehr viel kleinere Staaten mit deutlich weniger GA waren vertreten: Selbst aus Moldawien, Malta und Griechenland waren Vertreter gekommen. Die skandinavischen Behörden waren gleich in Mannschaftsstärke vertreten. Polen, Frankreich und England schickten sogar die Direktoren der nationalen Luftfahrtbehörden, so wichtig war diesen Ländern die neue Marschrichtung der EASA.
Und das deutsche Verkehrsministerium unter Maut-Mann Alexander Dobrindt schickte: Niemanden!
Ebenfalls durch Abwesenheit glänzte die Deutsche Luftfahrtpresse. Kein aerokurier, kein fliegermagazin, kein „Luftfahrtpresseclub“ – oder wie auch immer dieser sinnloseste aller Verbände gerade heißt. Außer diesem Magazin war keine deutsche Luftfahrtpublikation in Rom anwesend, während englische, französische oder italienische Magazine die Konferenz aufmerksam verfolgten.
Nicht erschienen waren auch die angekündigten Abgeordneten des Europa-Parlaments. Jene Parlamentarier, die Part-FCL und Part OPS im Verkehrsausschuss trotz aller inzwischen auch von der EASA zugegebenen Fehler einfach durchgewunken hatten, fanden nicht die Zeit, sich hier aus erster Hand über die Auswirkungen ihrer Entscheidung zu informieren. Daran sollte man sich vielleicht erinnern, wenn man das nächste Mal seine Stimme bei der Europawahl „wie immer“ abgibt.
Anwesend waren jedoch mehrere Vertreter der EU-Kommission. Im Unterschied zur GA-Anhörung vor dem Europa-Parlament im Juni 2013, wo Matthew Baldwin, Director of Aviation der EU-Kommission, nach dem Absondern einiger hohler Phrasen zum Entsetzen der Anwesenden GA-Vertreter die Flucht ergriff, noch bevor er auch nur einen Satz von den Betroffenen selbst gehört hatte, blieben diese diesmal auch und hörten sich die Sache bis zum Ende an. Vor allem Jyrki Paajanen, Desk Officer ATM and General Aviation Issues, hatte ein offenes Ohr und suchte auch außerhalb der offiziellen Diskussionsrunden das Gespräch mit den Teilnehmern.
Inhalte der Konferenz
Patrick Ky, neuer EASA Direktor und GA-Pilot (3. v.r.), nimmt sich zwei Tage Zeit, sich über die Situation der GA in Europa zu informieren. In seiner Präsentation (rechts) stellt er offiziell fest, was jeder Branchenkenner und auch dieses Magazin schon lange behaupteten: Die überregulierte und strangulierte Allgemeine Luftfahrt in Europa hat einen deutlich schlechteren Safety-Record als die wesentlich freiere und auf Verantwortung setzende GA in den USA. |
Eröffnet wurde die aufgrund der italienischen Ratspräsidentschaft in Rom abgehaltene Konferenz zunächst einmal durch zwei eher lauwarme Grußworte. Der italienische Verkehrsminister Maurizio Lupi war nicht erschienen, also übernahm eine Beamtin aus seinem Ministerium diesen Job. Sie bezeichnete die GA als „Phenomenon“ und versprach artig mehr Flexibilität für die „minor entities“. Das traf – sagen wir‘s mal vorsichtig – auf eher mäßige Begeisterung bei den Zuhörern.
Dann jedoch betrat Grant V. Shapps, britischer Kabinettsminister (ohne Portfolio, aber mit Ambitionen auf das Transportministerium) und aktiver GA-Pilot, die Bühne.
Hätte jemand jedem Teilnehmer einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet, das Erwachen wäre kaum größer gewesen. Shapps verschanzte sich nicht hinter dem Rednerpult und sprach die Teilnehmer unmittelbar an, mit einer Art und Direktheit, die man nur erlernt, wenn man in einem harten englischen Wahlkreis regelmäßig um die Stimmen der Wähler kämpfen muss.
Shapps berichtete zunächst von seinen eigenen Erfahrungen in der Entbürokratisierungs-Initiative der aktuellen britischen Regierung, genannt Red Tape Challenge. Dort war er für den Bereich der Allgemeinen Luftfahrt zuständig. Von allen Industriebereichen, die an der Red Tape Challenge der Cameron-Regierung teilnahmen, kam mit Abstand das meiste Feedback aus der Luftfahrt. Und Shapps stellte entsetzt fest, dass die Regierung Ihrer Majestät in diesem Bereich so gut wie nichts mehr zu sagen hat.
Shapps kennt den EASA-Wahnsinn als GA-Pilot und Flugzeughalter aus eigener Erfahrung (er fliegt daher auch verständlicherweise n-reg). Die bis zur Einführung von Part-FCL selbstverwalteten englischen Segelflieger und Ballonfahrer sind durch die EASA-Regeln nahezu gegroundet. Und das – wie er immer wieder betonte – ohne den kleinsten Sicherheitszugewinn.
Shapps schlug einen Ton an, der in Europa selten geworden ist. Er verteidigte das Recht des Einzelnen, auch Risiken auf sich zu nehmen, solange er die Allgemeinheit damit nicht gefährde. Er sprach von Freiheit und erläuterte, dass wir die GA nur dort einschränken sollten, wo die Sicherheit Dritter gefährdet sei. Er machte die verheerenden Folgen der bisherigen EASA-Regularien für den Mittelstand deutlich und berichtete, wo Regeln für die gewerbliche Luftfahrt ohne Sinn und Verstand der Allgemeinen Luftfahrt übergestülpt wurden.
Und er berichtete, dass man den Auftrag der britischen CAA nun auf die Verantwortung für Wachstum in der Branche erweitert habe.
Er beschwor die Anwesenden, den Status quo nicht als gegeben hinzunehmen und alles dafür zu tun, dass Europa wieder ein attraktiver Standort für Betriebe und Betreiber in der Allgemeinen Luftfahrt wird. Und er merkte an, dass man mit dem neuen EASA-Direktor Patrick Ky den richtigen Partner habe, um endlich einen wirklichen Kurswechsel herbeizuführen.
Nachdem jetzt alle wach waren und klar war, dass hier in den nächsten zwei Tagen Tacheles geredet wird, nahm die Konferenz die Form von Diskussionsrunden auf der Bühne an, bei der bis zu acht Behörden- und Branchenvertreter ca. 45 Minuten lang ein gegebenes Thema diskutierten und im Anschluss Fragen der Teilnehmer entgegennahmen.
Und gleich die erste Diskussionsrunde hatte es in sich. Die Diskussion hatte die Notwendigkeit proportionaler, angepasster und risikobasierter Regeln für die GA zum Thema.
Oliver Onidi, Acting Director of Aviation and International Transport Affairs der EU-Kommission, ließ sich hierbei zwar durch den Chef der französischen Zivilluftfahrtbehörde und aktiven UL-Piloten Patrick Ganduil vertreten, aber Patrick Ky, neuer oberster Chef der EASA, nahm teil und wartete gleich mit einer handfesten Überraschung auf.
In seinen einführenden Bemerkungen legte Ky eine EASA-eigene Statistik vor, die klipp und klar aussagte, dass die Allgemeine Luftfahrt in den USA deutlich sicherer ist als in Europa. Eine These, die wir in diesem Magazin schon seit Langem vertreten und für die wir mächtig Prügel einstecken mussten.
Mangels verlässlicher Daten über die geflogenen Flugstunden in Europa setzte Ky die Anzahl der in der GA tödlich verunglückten Personen mit der Anzahl der Flugzeuge in Beziehung. Und was bei dieser recht einfachen Betrachtung zum Vorschein kam, ist das schlimmste Urteil über europäische Luftfahrtregelwut überhaupt. Während in den USA ca. zwei Todesfälle auf 1.000 zugelassene Flugzeuge kommen, sind es in Europa zwischen 2.5 und 3.
Dieser Unterschied ist so gewaltig, dass er alle Kritik an der zwangsläufigen Unschärfe der Betrachtung überwiegt. Die überregulierte restlos in Red Type verfangene europäische GA hat einen bis zu 50% schlechteren Safety-Record als die im Vergleich sehr viel freiere und auf Eigenverantwortung setzende General Aviation in den USA. Da steht‘s schwarz auf weiß, gesprochen vom Chef der EASA höchstpersönlich!
Und DGAC-Chef und bekennender UL-Pilot Ganduil setzte noch eins drauf. Seine Behörde habe erhoben, dass die im Vergleich zu EASA sehr viel lockerer geregelte französische UL-Fliegerei (ohne Medical und mit lebenslang gültiger Berechtigung) keinen Deut unsicherer sei als die normale GA im Bereich unter zwei Tonnen.
Patrick Ky selbst stellte mit diesen beiden Fakten im Raum die wesentliche Frage für die Konferenz: „Warum ist das so?“ Warum ist die kaum geregelte UL-Fliegerei in Frankreich nicht unsicherer als die überregulierte normale GA? Und warum ist die wesentlich praxisorientierter geregelte Allgemeine Luftfahrt in den USA, die dem Halter und Piloten viel mehr Freiheitsgrade einräumt, so viel sicherer als in Europa?
Zu dieser Frage wurden in den folgenden Diskussionsrunden nun zahlreiche Thesen vorgebracht.
Das Feedback der Branchenvertreter brachte dabei wenig Neues und dürfte regelmäßigen Lesern dieses Magazins auch gut bekannt sein. Anhand von unzähligen Einzelbeispielen verdeutlichten die Teilnehmer auf der Bühne und im Publikum folgende Grundproblematik:
• Regeln aus der gewerblichen Luftfahrt und der Großluftfahrt wurden und werden der GA übergestülpt, ohne dass sie auch nur im Entferntesten für diese Branche geeignet wären. Dies wird insbesondere bei der Instandhaltung (Part-M) deutlich.
• Neue und in ihren Auswirkungen teils drakonische Regeln werden und wurden für die GA erlassen, ohne dass es den kleinsten Sicherheitsgrund oder die kleinste messbare Verbesserung gibt.
• Verantwortlichkeiten werden auf Organisationen übertragen (CAMO, ATO, NCC-Flugbetrieb), selbst bei Tätigkeiten, die kaum mehr als eine Einzelperson umfassen. Das führt zu hohlen Strukturen ohne Berechtigung und folglich zu organisierter Verantwortungslosigkeit.
• Es gibt in den EASA-Regeln keine ausreichende Risiko-Hierarchie. Eine Vereins-Flugschule mit zwei Flugzeugen wird z.B. in Bezug auf Safety Management Systeme (SMS) kaum anderes behandelt als ein kommerzieller Passagierflugbetrieb.
• Steife Regeln und hohe Kosten bei Zulassung und Nachrüstung von Flugzeugen verhindern Sicherheit, indem moderne Sicherheitssysteme (z.B. AOA-Indicator, Glascockpit, TWAS) aufgrund der enormen Zulassungskosten gar nicht eingerüstet werden.
Vor allem zum letzten Punkt machten die Vertreter diverser GA-Flugzeughersteller (Diamond, Socata, Cirrus, Pilatus) sowie der Vertreter der GAMA, Peter Bunce, in einer wirklich spannenden Diskussionsrunde sehr detaillierte Angaben.
Einig waren sich alle Teilnehmer, dass Sicherheit beim heutigen Stand der Technik vor allem durch den Piloten erzeugt oder gemindert wird. Wirksame Verbesserungen der Sicherheit können also nur durch bessere Entscheidungen der Piloten und durch die Minimierung der Auswirkungen von Fehlern erreicht werden.
Robert Haig, Flight Training und Operations Director von Cirrus, gab einen kleinen Einblick in Sicherheitssysteme, wie z.B. Emergency- oder Auto-Land-Funktionen, die technologisch bereits zur Verfügung stehen, aber aus Zulassungsgründen nicht in den Markt eingeführt werden.
Auch im Bereich der Flugzeugstruktur sind deutliche Verbesserungen der passiven Sicherheit möglich, durch das Zulassungsregime für GA-Flugzeuge aber nicht marktfähig.
Oliver Masefield, Chefingenieur von Pilatus, zeigte in einer kurzen Präsentation eindrucksvoll das nahezu undurchschaubare Geflecht aus Zulassungs- und Bauvorschriften sowie die vielen Unterschiede zwischen Europa und den USA, die vor allem durch Sonderwege (z.B. ETSO) der europäischen Behörden verursacht wurden.
Warum ist das Fliegen in den USA sicherer? Diese Frage stellt Patrick Ky, Direktor der EASA und warf dabei ganz nebenbei das Mantra der höheren Sicherheit in Europa über Bord. |
Produktverbesserungen und Neuerungen in diesem Umfeld einzubringen ist eine kaum noch lösbare Aufgabe, was nach Angaben von Peter Bunce im zertifizierten Bereich zu deutlich längeren Produktzyklen und damit zu veralteter Technologie gegenüber den nicht zugelassenen Flugzeugklassen führt: „Perfect is the enemy of the good“ lautete sein Kernsatz, als er die Ergebnisse europäischer Überregulierung im Flugzeugbau zusammenfasste.
Dass ein Herstellungsbetrieb nicht berechtigt ist, die eigenen Produkte instand zu halten, sondern dafür eine gesonderte und sehr teure Genehmigung braucht, wurde von vielen Firmen-Repräsentanten als besonders irrsinnig bezeichnet.
Hier schaltete sich EASA Head of Design Organisation Approvals Dominique Roland in die Diskussion ein und bemerkte, dass dies genau die Position der EASA sei, man damit aber bei den Mitgliedsstaaten durchgefallen sei, da dies bei zahlreichen nationalen Luftfahrtbehörden eine Reorganisation erforderlich gemacht hätte.
Überhaupt betonten die EASA-Vertreter in den Diskussionsrunden immer wieder, dass die EASA nur so viel tun kann, wie die nationalen Luftfahrtbehörden erlauben, und dass in den letzten Jahren Initiativen zur Vereinfachung immer wieder am Widerstand oder schlicht am Desinteresse (dies war wohl eine eindeutige Anspielung auf das LBA!) der nationalen Behörden gescheitert seien.
Nun ist es leicht, sich hinter diesem Argument zu verschanzen. Doch die klägliche und schleppende Einführung der neuen IFR-Ausbildung in Deutschland sowie das völlige Desinteresse von LBA und BMV an dieser Konferenz zeigen, dass zumindest die bundesdeutschen Behörden in Europa zurzeit nicht gerade an der Spitze der Reformbemühungen stehen.
Andrew Haines, Chef der UK CAA, ging sogar noch einen Schritt weiter. Er forderte hohe Hürden für das Erlassen neuer Regeln. Der Prozess der letzten Jahre habe gezeigt, dass Regeln für Bereiche erlassen wurden, die sich vorher vortrefflich selbst verwaltet oder geregelt hatten. Damit bezog er sich auf die selbstverwalteten Segelflieger und Ballonfahrer in Großbritannien. Gleichzeitig sei die Möglichkeit der effektiven Durchsetzung aufgrund der auch für Behörden nicht mehr übersehbaren Komplexität der Regelwerke deutlich eingeschränkt worden.
Er forderte, mehr Aufgaben bei Zulassung und Pilotenzertifizierung an die Verbände und Branchenorganisationen abzugeben, bei gleichzeitig einfacher und verbesserter Durchgriffsmöglichkeit auf schwarze Schafe.
Aufsehen erregte dann noch einmal der Segelflugweltmeister und Segelflugzeug-Werftinhaber Steve Jones aus England, als er anmerkte, er fände die neuen EASA-Regeln, insbesondere zum Part-M, gar nicht so schlecht. Mit typischem britischen Humor schob er nach einer langen Schrecksekunde bei den Teilnehmern nach: „...because 25% of my competition has given up.“
Dass niemand ernsthaft auch nur einen positiven Aspekt der in den letzten Jahren über uns gekommenen EASA-Regeln vorbrachte, war typisch für diese Konferenz. Es gibt einfach keinen.
Lediglich in einem Punkt konnte man bereits auf greifbare Verbesserungen verweisen: beim IFR. Patrick Ky identifizierte in seinem Vortrag die geringe Anzahl der IFR-zertifizierten Privatpiloten in Europa als einen möglichen Faktor, der zu dem eklatanten Unterschied im Safety-Record zwischen den USA und Europa beitragen könnte.
Hier hat die EASA bereits geliefert und mit der EU-Verordnung 245/2014 eine spürbare und dringend nötige Verbesserung implementiert.
Was tut sich im Moment?
Es stellte sich im Verlauf der Konferenz mehr und mehr die Frage: Wenn wir alle einer Meinung sind – warum ändert sich dann nichts?
Torkell Saetervadet, Chefredaktuer des norwegischen GA-Magazins Flynytt, brachte diesen Gedanken gleich in der Eröffnungsrunde zum Ausdruck, indem er Patrick Ky fragte: „Wir sitzen hier zum wiederholten Male. Bereits 2006, 2007 und 2010 gab es Initiativen der EASA für einfachere, passendere und bessere Regeln im Bereich der Allgemeinen Luftfahrt. Was ist dieses Mal anders?“
Patrick Ky konnte die Antwort darauf nicht geben, denn nach einhelliger Meinung vieler Teilnehmer lautet sie: Patrick Ky.
Veränderung kommt in solchen Organisationen immer von oben. Und während sein Vorgänger die GA mit einer wohldosierten Mischung aus Ignoranz, Arroganz, Abscheu und Verachtung betrachtete, steht GA-Pilot und EASA Direktor Patrick Ky diesem Bereich sehr viel aufgeschlossener gegenüber.
Anders ist auch, dass eine Anzahl der nationalen CAA-Direktoren inzwischen auf seiner Wellenlänge sind. Die praktische Erfahrung mit den auch für die Behörden völlig untauglichen EASA-GA-Regeln mag da den Einsichtsprozess unterstützt haben.
UK-CAA-Direktor Haines forderte Veränderungen, die selbst wir uns nicht zu träumen gewagt hätten. Er will möglichst große Teile der Zulassung und Zertifizierung im GA-Sektor an die Verbände übergeben.
Der Chef der polnischen CAA, Piotr Olowski, selber GA- und Linien-Pilot, kritisiert zu viele „bad rules“ und die unübersehbare Komplexität der Regelwerke. Er träumt von einem Handbuch für Privatpiloten, in dem die Betriebs- und Lizensierungsregeln verständlich dargestellt sind.
UL-Pilot und DGAC-Chef Gandil will die Regeln zurückdrehen und hat schon mal damit begonnen, das nationale französische IFR wiederzubeleben, da das neue EASA-IFR ihm – bei allen Verbesserungen – vor allem in Bezug auf die verlangte englische Sprachqualifikation noch nicht weit genug geht.
Und der Chef der finnischen CAA, Pekka Henttu, sagte mit einem Blick auf die Unfallzahlen und das vollkommen untaugliche Regelwerk ganz einfach mit einem tiefen Seufzer: „We have failed.“
Sichtbarstes Zeichen für Veränderung ist die weitgreifende Neuorganisation der EASA. Das EASA Rulemaking Directorate unter Jules Kneepkens, das die meisten der für die GA katastrophalen Regeln zu verantworten hat, ist aufgelöst worden.
Regeln werden nun in den Fachabteilungen verfasst, und da gibt es für jede Fachabteilung eigene „GA-Focal-Points“, also Mitarbeiter aus dem Bereich der Allgemeinen Luftfahrt, die frühzeitig diesen Aspekt mit einbringen sollen.
Innerhalb der EASA gibt es eine GA Roadmap. Diese gibt vor, geleitet von einem Steering-Committee, dem Direktor Patrick Ky persönlich vorsteht, wie die unterschiedlichen Probleme der GA nach und nach angefasst werden. Das Steering-Committee wird dabei von der GA Task Force unterstützt, in der neben EASA, EU-Kommission und nationalen CAAs auch Vertreter der GA-Verbände sitzen.
Strukturen für Veränderung wären also gegeben. Und GA ist bei der EASA ab sofort Chefsache. Aber was passiert konkret?
Die Wunschliste der EASA
Was genau die EASA GA Task Force anfassen möchte, liest sich wie eine der Vorschlaglisten, die wir von Zeit zu Zeit in diesem Magazin veröffentlichen, und einige Themen wirken wie direkt aus unserem Artikel in Ausgabe 2014/10 „Unsere frommen Wünsche für Rom“ entnommen.
Bereits beschlossen ist die Erleichterung bei der Instandhaltung von ELA-1 Flugzeugen, also Non-Complex-Flugzeugen, unter 1.200kg MTOM. Hier soll ab nächstem Jahr eine Erklärung des Halters für die Instandhaltung genügen und ein standardisiertes Minimum-Inspection-Programm anwendbar sein. Die extrem bürokratischen IHP-Approvals und die CAMO-Wartung wären dann vom Tisch und der Halter übernimmt (wie vorher oder wie in den USA) die Verantwortung für die Lufttüchtigkeit. Das würde für diese Flugzeuge übrigens auch eine Lösung der Cessna-SID-Problematik bedeuten. Und eine Erweiterung auf ELA2 (also unter 2.000 kg) ist in der Planung und wird von der EASA befürwortet.
Es sollen die üblichen Reparaturen ohne Engineering Approval durchgeführt werden können. Das wird wohl für alle GA-Flugzeuge kommen, denn die EASA hat sich durchgerungen, das FAA AC 43-13, jene Bibel für Mechaniker, nach der seit Jahrzehnten Alu-Patches aufgebracht und Zellen repariert werden, endlich als zulässigen Standard für Reparaturen in Europa zu akzeptieren.
Die sündteuren Minor Change Approvals für kleinere Einbauten und Umrüstungen sollen ganz wegfallen bzw. zukünftig wieder direkt von normalen 145er-Wartungsbetrieben erteilt werden können.
All das soll noch 2015 erfolgen. Weiter in der Zukunft sollen US-LSA-Flugzeuge in Europa akzeptiert und zugelassen werden. Außerdem soll Certifying Staff, also Prüfer, wieder in die Lage versetzt werden, ARCs für bestimmte Luftfahrzeugklassen auszustellen (!).
Und die EASA träumt sowohl in der Lizenzierung wie bei der Zulassung vom baldigen BASA-Agreement mit den USA, durch das Zulassungen, STCs und Lizenzen endlich direkt gegenseitig anerkannt werden.
Die anstehende Überarbeitung des CS23 soll eine Angleichung an die US-Regeln und eine Flexibilisierung der Zulassungsregeln bringen, um endlich moderne Sicherheitstechnik und Avionik in unsere GA-Flugzeuge zu bringen.
Im Lizenzwesen soll es ein weiteres Amendment für den Part-FCL geben. Darin beabsichtigt die EASA, von einem strikten Dogma der Vergangenheit abzurücken: Das nämlich nur Organisationen – und nicht Einzelpersonen – Verantwortung übernehmen können.
Für kleine Flugschulen (ATOs) sollen die Anforderungen an das Safety Management System deutlich reduziert werden. Es läuft dann praktisch auf die Anwendung einiger organisatorischer Checklisten hinaus. Dazu wurde die Frist für die ATO-Zulassung registrierter Organisationen (RFs) um ein Jahr verlängert.
Auffrischungsschulungen sollen auch wieder durch Fluglehrer und nicht nur durch ATOs durchgeführt werden können (hört, hört!). Man überlegt, einfache Ausbildungslehrgänge komplett aus dem ATO-Regime in die Verantwortung der Lehrberechtigten zu legen – ganz so wie im US-amerikanischen FAR Part 61.
Für ausländische Lizenzinhaber soll es eine schnelle und einfache Validierung für das Fliegen europäischer Flugzeuge geben. Die maximal mögliche Deadline für Third-Country-Lizenzinhaber mit Sitz in Europa, also vor allem US-Lizenzinhaber, soll um ein weiteres Jahr auf April 2016 verlängert werden, bis das gegenseitige BASA-Agreement mit den USA fertig ist und die Umwandlung zwischen den Lizenzsystemen bis zum PPL/IR nur noch eine Formsache darstellt.
Und das ist erst der Anfang...
Lieber Leser, Sie können den vor Staunen offenen Mund nun vorsichtig wieder schließen. All das ist – bis auf die ELA1-Selbsterklärung bei der Instandhaltung – lediglich geplant.
Aber schön wär‘s schon!
Fazit
Patrick Ky hat mit dieser Konferenz und der GA Roadmap enorme Erwartungen geweckt. Die Erfüllung oder auch nur Teilerfüllung dieser Erwartungen ist nur gegen gigantische organisatorische und bürokratische Widerstände möglich.
Bei aller Verbindlichkeit und Ruhe im persönlichen Umgang vermittelt Ky jedoch auch einen anderen Eindruck: Man möchte ihm nicht im Wege stehen.
Ob diese Widerstände mehr aus der EASA oder mehr aus den nationalen CAAs kommen, ist schwer zu sagen. Das LBA beispielsweise blockiert durch schiere Organisationsträgheit im Moment zahlreiche Verbesserungen, die bereits geltendes Recht sind, so z.B. die neue IR-Ausbildung oder auch das IR ohne Night-Rating, auf das viele Piloten mit Rot/grün-Schwäche sehnlichst gewartet haben. Es ist seit VO 245/2014 Gesetz, wird jedoch vom LBA schlichtweg ignoriert.
Wir fragten einige der anwesenden EASA-Mitarbeiter ganz offen: „Wie fühlt sich das an, wenn man von oben offiziell hört, dass alles, was man in den letzten Jahren gemacht hat, untauglich war?“
Die Antwort war überraschend: „Endlich können wir tun, was wir lange für richtig gehalten haben.“ Das macht Hoffnung.
Immer wieder baten die EASA-Mitarbeiter in Rom die Teilnehmer der Konferenz: „Übt Druck auf eure nationalen Luftfahrtbehörden aus. Sorgt dafür, dass diese an Bord kommen.“ – „Change is happening, get on board!“
Tony Rapson, Chef der UK CAA GA-Fachabteilung, sprach in einem wirklich guten Vortrag, gegen den viele unserer Forderungen eher moderat wirken, aus, was notwendig sei: „Cultural Change. Change, change, change!“
Zumindest was den von Patrick Ky geforderten Druck auf unsere nationale Luftfahrtbehörde angeht, können wir uns bei Pilot und Flugzeug jedenfalls keine Untätigkeit vorwerfen lassen.
Häufiger wurde das LBA in Vorträgen und Zwischenfragen thematisiert. Vor allem der Bummelstreik bei den neuen Competency Based IR-Lehrgängen ist inzwischen europaweit bekannt. Diese Fragen beleuchteten aber auch eine gewaltige Schwäche der EASA. Sie kann keine CAA anweisen: „Get it done!“
Jede Verbesserung der EASA ist also nur so gut wie die Umsetzung durch die nationalen Behörden. Und da hapert es nicht nur beim LBA, sondern auch bei den Landesluftfahrtbehörden gewaltig. Hier werden die ohnehin schwer verständlichen EASA-FCL-Regeln nicht selten katastrophal fehlinterpretiert, so z.B. kürzlich wieder beim RP-Darmstadt, der nicht zwischen Eingangsvoraussetzungen für eine Lehr-Examiner-Berechtigung und Voraussetzungen für den Erhalt derselben unterscheiden konnte und einem Ex CPL(H)-Prüfer nach dem berufsbedingten Umstieg auf den PPL alle wesentlichen Lehr- und Prüfberechtigungen entzog.
Da wir mal davon ausgehen, dass solche Dinge nicht aus böser Absicht, sondern aus schlichter Unkenntnis passieren, wäre es in einem ersten Schritt schon hilfreich, eine schnelle Interpretationsstelle bei der EASA für solche Fragen einzurichten, bei der Bürger und Behörden – auch ohne nationale Rechtsverbindlichkeit – einfach mal nachfragen können, bevor ein langwieriger und teurer Rechtsweg beschritten wird.
Regeln der EASA zu Part-M, Part-FCL und Part-OPS haben in Europa enormen Schaden angerichtet. Ein Kurswechsel ist geplant. Mehr nicht. Es spielt für die Branche eine große Rolle, ob die hier vorgestellten Verbesserungen in ein, zwei oder drei Jahren verwirklicht werden.
Und es spricht Bände, dass der größte Erfolg und die maximale Erlösung, auf die wir im Moment hoffen dürfen, in der Umkehr der Maßnahmen der letzten sechs bis acht Jahre besteht.
Das idiotische und rein ideologisch begründete Dogma, dass Verantwortung nur von Organisationen (CAMO, ATO) und nicht mehr von Einzelpersonen (Mechaniker, Prüfer, Fluglehrer) übernommen werden kann, hat nicht nur großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet, sondern auch viele motivierte und hochspezialisierte Menschen frustriert und aus dem Feld der GA vertrieben. Feedback der Betroffenen wurde über Jahre beiseite gewischt, das Programm gegen alle Vernunft gnadenlos durchgezogen.
Ein wie auch immer geartetes „Sorry“ der EASA und der Kommission würde jetzt viel helfen, die nötige Geduld für die langwierigen Aufräumarbeiten dieses Kahlschlags zu erzeugen.
Fassungslos macht uns in der Redaktion von Pilot und Flugzeug nach wie vor die Abwesenheit der deutschen Luftfahrtverwaltung und Verkehrspolitik. Auf einer richtungsweisenden Konferenz, auf die selbst Moldawien Repräsentanten schickt und auf der die meisten großen EU-Länder mindestens auf Behördenleiter-, wenn nicht auf Minister-Ebene vertreten sind, darf Deutschland nicht fehlen.
Deutlicher konnte man die momentanen Zustände beim LBA wohl kaum zum Ausdruck bringen.