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19. April 2010 Jan Brill

Flugbetrieb: Vulkanausbruch und die Folgen


Die Blamage der Bürokraten – das große EU-Aschefestival

Deutschland hat sich blamiert. Nein, nicht in erster Linie, weil aufgrund eines ungeprüften Rechenmodells sklavisch der IFR-Flugverkehr lahmgelegt wurde, auch nicht, weil die Regierungschefin in falsch verstandener Klassenfahrt-Solidarität tagelang mit ihrem Gefolge durch Europa tingelte, anstatt zügig in Berlin ihren Job (= die Führung) zu übernehmen, und auch nicht, weil ein augenscheinlich restlos überforderter Verkehrsminister, der nicht einmal die Bedeutung des Kürzels ICAO kennt, öffentlich den Vertreter der Lufthansa anpöbelte.


Segelflugzeugschlepp über dem Flughafen Frankfurt. Die tagelange Unterbindung des IFR-Flugverkehrs brachte für viele Piloten unvergessliche Erlebnisse. Sie demonstrierte aber auch die sagenhafte bürokratische Inkompetenz und skandalöse Gleichgültigkeit gegenüber gestrandeten Transit-Passagieren.
Nein, Deutschland hat sich blamiert, weil man den Menschen, die physisch und psychisch am meisten unter dem Zusammenbruch des Linienluftverkehrs zu leiden haben – den im Transitbereich deutscher Flughäfen gestrandeten Umsteige-Passagieren ohne Einreise- oder Aufenthaltsbewilligung –, noch nicht einmal die Barmherzigkeit erwies, sie aufgrund eines singulären und spektakulären Ereignisses höherer Gewalt wenigstens kurzzeitig ins Land zu lassen und somit die Wartezeit menschenwürdig zu verbringen!

Stattdessen pendelt die tagelange öffentliche Debatte hin und her zwischen Bürokratie-Bashing, Öko-Romantik („blauer Himmel, Ruhe und keine Flugzeuge“ – und das am verkehrsreichsten AL-Tag des Jahres!) sowie Unterstellungen von Profitgier und Verantwortungslosigkeit durch den Bundesverkehrsminister, an denen sich in punkto Dumpfbacken-Populismus selbst die Linke noch ein Beispiel nehmen könnte.

Die Geschichte vom großen EU-Asche-Festival hat viele Facetten. Wir wollen versuchen, fachlich etwas Ordnung in das Chaos zu bringen und die Vorgänge auf ihre diversen Aspekte hin zu analysieren. Hierzu hat Klaus Schulte einen Technik-Artikel über die Auswirkungen von Vulkanasche in Flugzeugtriebwerken verfasst, den Sie in der Mai-Ausgabe von Pilot und Flugzeug finden.


Die menschenunwürdige Behandlung der Transit-Passagiere

Bevor wir nun aber die die Details der behördlichen Reaktion beleuchten, möchten wir in der Redaktion von Pilot und Flugzeug unseren Abscheu vor der Behandlung der hier gestrandeten Transit-Passagiere zum Ausdruck bringen.

Stellen Sie sich vor, aus den fünf oder acht Stunden Wartezeit, die Sie in CDG, JFK oder FFM verbringen mussten, würden plötzlich Tage werden! Ohne die Möglichkeit, den Transit-Bereich zu verlassen. Können Sie sich das überhaupt vorstellen? Keine private Dusche, kein privater Moment. Stattdessen: Feldbetten, Ungewissheit, Werbetafeln und noch mehr Ungewissheit. Das ganze vielleicht auch noch mit den Kindern!

Die Mitarbeiter am frankfurter Flughafen tun ihr Äußerstes für diese Passagiere. Das ist die gute Nachricht. Horrorgeschichten über Zehn-Euro-Brötchen sind zumindest seit Samstagmorgen unwahr. Es gibt kostenlose Mahlzeiten, Feldbetten und Kinderbetreuung. Aber es gibt keinen Ausgang, kein Hotelbett, keine eigene Dusche, keinen Spaziergang im Grünen und schon gar nicht die Möglichkeit, den unfreiwilligen Aufenthalt vielleicht durch eigene Initiative produktiv, interessant oder einfach nur menschenwürdig zu gestalten.

Die Festsetzung der ca. 1.000 Paxe allein am Flughafen Frankfurt ist der eigentliche Skandal dieser Story. Die durch Sicherheitskontrollen und Flughafenabläufe schon ein Stück weit entmenschlichten Passagiere können offenbar nicht auf die Barmherzigkeit der behördlich vertretenen Öffentlichkeit hoffen. Lediglich die Zuwendung einzelner Mitarbeiter am Flughafen erleichtert die Haftbedingungen etwas.

Haben wir eigentlich den Verstand verloren? Als am 11. und 12. September 2001 unzählige Passagiere von USA-Flügen in Kanada festsaßen, verzichteten die kanadischen Behörden auf Einreiseformalitäten und taten ihr Möglichstes, die Menschen menschenwürdig unterzubringen.
Unsere erste und dringendste Forderung lautet daher: Öffnet die Transitgefängnisse am Flughafen, damit die zahlenden Reisenden aus China, Indien, Afrika oder Südostasien den Aufenthalt in Deutschland menschenwürdig gestalten oder auf eigene Faust ihr Glück bei der Weiterreise über Land versuchen können!


Ein Plan und ein Modell

Die Außergewöhnlichkeit der Situation in Europa wird schon dadurch belegt, dass eines der vernünftigsten Statements zu einem Aviatik-Thema ausgerechnet im ansonsten technologisch eher unbeleckten Feuilliton der FAZ zu finden ist:Die Vorsicht der Behörden ist verständlich. Wer wollte für einen Absturz verantwortlich sein? Es geht auch nicht darum, die Triftigkeit von Simulationen prinzipiell zu bestreiten. Es geht darum, dass sie so sehr als Tatsachen gehandelt werden, dass Entscheidungsabläufe erzwungen werden, die keinen Raum mehr für Erfahrung, Intuition, vulgo: den gesunden Menschenverstand lassen.Am Beginn steht ein vollkommen legitimer Sicherheitsgrund: Flugzeuge sollten nicht in Wolken aus vulkanischer Asche einfliegen. Das liegt auf der Hand und ist unstrittig. Es gibt einige wenige Erfahrungen, aber keine belastbaren Daten. Niemand, auch nicht die Triebwerkshersteller, wissen, welche Konzentration an Asche in welcher Zusammensetzung noch akzeptabel ist und welche nicht. Grenzwerte für eine VA-Kontamination sind weder Bestandteil der Zulassungsstandards für Turbinen- oder Kolbentriebwerke noch finden sie Berücksichtigung in den Betriebshandbüchern der Flugbetriebe. Warum auch? Die Ereignisse sind selten und die Anwendung des gesunden Menschenverstandes (große heiße schwarze Wolke = nicht reinfliegen!) hat bislang durchaus auch zu zufrieden stellenden Ergebnissen geführt.


Mit dieser Karte begannen am 15. und 16. April die IFR-Beschränkungen im EU-Luftraum. Die kontaminierten Gebiete wurden als „ash cloud“ in den Aktionsplan der ICAO gefüttert. Der einsetzende Automatismus aus CFMU-Zero-Flow-Beschränkungen legte den IFR-Flugbetrieb lahm. Dabei steht groß und deutlich auf der Karte, dass die eigentliche Konzentration der Asche in den kontaminierten Gebieten eben gerade nicht bekannt sei.
© VAAC London 
Probleme gab es in der Vergangenheit immer dann, wenn Aschekonzentrationen durch die Flugbesatzungen nicht erkannt wurden, weil die Wolke z.B. in normaler Bewölkung eingebettet war, oder schlicht, weil Nacht herrschte (vgl. BA-Zwischenfall am 24.06.1982). Die logische und vernünftige Konsequenz: Ein Vorhersagemodell zu entwickeln, das unabhängig von optischer Sichtbarkeit der Kontamination Vorhersagen über Position und Höhe einer Aschewolke macht.

Diese Aufgabe hat die ICAO übernommen und auch erledigt. Eine Reihe von Vorhersagezentren (VAACs) wurde ins Leben gerufen, die Zuständigkeiten verteilt und die Verbreitung der Informaiton mittels ASHTAMS geregelt. Für bestimmte Gebiete wurde von der ICAO in Zusammenarbeit mit den lokalen Flugsicherungsorganisationen ein Aktionsplan (Contingency-Plan) entwickelt, der regeln soll, wer bei der Umleitung oder Sperrung von Lufträumen welche Pflichten hat. Für Europa handelt es sich dabei um das EUR Doc 19, den „VOLCANIC ASH CONTINGENCY PLAN EUR REGION“ in seiner zweiten Ausgabe vom September 2009.

Darin steht weder Ungewöhnliches noch Unvernünftiges: In dem gerade mal 15 Seiten umfassenden Dokument wird kurz und knapp beschrieben, wer, wann welche Informationspflichten hat und wie Umleitungen im IFR-Verkehr technisch implementiert werden, nämlich mit sog. CFMU-Zero-Flow-Beschränkungen, meist auf FIR-Basis.

Bedeutet: Damit z.B. in London keine Flugzeuge mehr starten, wenn in Prag der Luftraum schon dicht ist, werden die aschebedingten Sperrungen als „Null-Verkehrsdurchsatz“ im zentralen Flugplansystem CFMU implementiert. Flugpläne, die das betroffene Gebiet tangieren, werden dann mit der allseits beliebten und vertrauten Reject-Message bedacht. Soweit ist das ein reiner Implementierungsplan, der die inneren Mechanismen im Zusammenspiel der ATC-Organisationen festlegt. Ein wie auch immer geartetes Mandat zur Sperrung eines Luftraums ergibt sich dadurch in keinster Weise, es wird – um eine Analogie aus dem Straßenverkehr zu bemühen – vielmehr festgelegt, wo, wann und wie viele Warnbarken bei einer möglichen Straßensperrung aufgestellt werden.

Interkontinentale Schlagkraft entwickelt der Aktionsplan erst im Zusammenspiel mit den richtigen Eingabedaten. Und das liegt an einer unzureichenden Schnittstellendefinition. Denn im Plan ist nur die Rede von „ash clouds“.
Was aber eine Aschewolke ist, wird nirgendwo definiert. Lediglich die Extrembeispiele sind klar: Der dicke schwarze Pilz über dem isländischen Gletscher ist zweifellos eine „ash cloud“, der strahlend blaue Himmel über Zentraleuropa am Samstag und Sonntag wohl eher nicht.

Das viel gescholtene Rechenmodell des Londoner VAAC macht daraus übrigens keinen Hehl: In den Karten werden lediglich „contaminated areas“ verzeichnet. Von einer für das Doc 19 maßgeblichen „ash cloud“ ist gar nicht die Rede. In deutlichen Worten steht unter jeder VAAC-Karte, dass für das angegebene Kontaminationsgebiet die Konzentration der Asche gerade nicht bestimmt werden kann. Äpfel und Birnen zu vergleichen erscheint hier vergleichsweise noch als eine zulässige Methodik innerhalb der Rundungstoleranz:
Das ICAO Doc 19 verlangt „ash clouds“ als Input, um das Räderwerk der Zero-Flow-Restriction in Gang zu setzen, vorgesetzt bekommt es allerdings eine „contaminated area“ mit ausdrücklich unbestimmter Aschekonzentration.

Gegen einen Automatismus dieser Art wäre zunächst ja auch nicht viel einzuwenden. Gerade weil die Aschekonzentration in der kontaminierten Region zunächst unbestimmt ist, ist die Sperrung oder Umleitung des IFR-Verkehrs nach Plan im ersten Schritt vernünftig. Skurril wird der Vorgang erst, da die offenkundige Anschauung (keine Aschewolke zu sehen) zugunsten des fehlinterpretierten Computermodells verworfen wurde.

Ergebnis: Bei strahlend blauem CAVOK-Wetter, dem bislang besten Flugwetter des Jahres, steht die gesamte deutsche IFR-Luftfahrt still, weil man – vereinfacht gesagt – auf den Computer starrte, anstatt aus dem Fenster zu schauen.

In einer aufgeklärten Wissensgesellschaft wäre der offensichtliche Widerspruch zwischen Vorhersage-Interpretation (die Vorhersage selber war ja womöglich gar nicht so falsch, nur wurde hier „contaminated area“ mit „ash cloud“ gleichgesetzt) und simpler Anschauung irgendwann aufgefallen.
Eine normale und rationale Reaktion wäre nun gewesen: messen, vergleichen, testen, nochmals messen:
  1. Messen, wie hoch die Asche-Konzentration in den betroffenen Luftschichten wirklich ist.

  2. Vergleichen, ob diese Konzentration ungewöhnlich ist (nachdem die Stadtwerke inzwischen den Metallgehalt in der Biotonne messen und die Klimaforschung zu den überfinanziertesten Wissenschaftsbereichen überhaupt gehört, wird’s ja hoffentlich Vergleichsdaten aus der Vergangenheit für Vulkanasche in der Atmosphäre geben! Falls nein – schämen und diesen Schritt einfach überspringen).

  3. Testen, ob die angetroffene Maximalkonzentration sichtbare Befunde an Triebwerken oder anderen Flugzeugsystemen hervorruft. Dies bedarf eines Vorher-Nacher-Vergleichs!

  4. Nochmals messen! Messen ist gut, Messen bringt Daten, Messen bringt Sicherheit! Man bezeichnet dies auch als die „wissenschaftliche Methode“.
Nichts davon ist auf staatlicher Seite geschehen, jedenfalls nicht koordiniert. Die Schweiz ließ zwar einen umgebauten Motorsegler steigen, verzichtete aber auf die Schritte 3 und 4. In Finnland flog die Luftwaffe durch das kontaminierte Gebiet und veröffentlichte gruselige Boroskop-Bilder aus der Hot-Section eines Turbinentriebwerks, einen aussagekräftigen Vorher-Nachher-Vergleich mit Daten zur Kontaminationsintensität und -Zeit, sowie eventuellen Vorschädigungen der gezeigten Blades stellte man jedoch nicht an.

Der DWD maß den Ozongehalt irgendwo in Bayern, dieser deutete auch auf Asche hin, sicher war man sich jedoch nicht, die Abweichung könnte auch durch andere Effekte erklärt werden. Die LH flog am Samstag und Sonntag zweimal Fracht und mehrere leere Maschinen durch den betroffenen Luftraum, hatte aber das Pech, dass sich einfach gar nichts Ungewöhnliches fand und man somit auch keine sensationellen Bilder zeigen konnte.


Kopflosigkeit

Es stellt sich die Frage, was die deutsche Regierungschefin angesichts dieser Situation tut. Schließlich ist es eine legitime Forderung an die gewählten Vertreter in einer Situation, die den normalen Ablauf bei Weitem sprengt, Führung zu zeigen. Auch wenn eine dezentralisierte Katastrophe wie das Asche-Chaos nicht so telegen ist wie ein Gummistiefel-Trip durchs Hochwassergebiet – die wirtschaftlichen Schäden und die Beeinträchtigung der Menschen sind vergleichbar.
Gerade wenn außerhalb von Dienstanweisungen, Erlassen und Durchführungsvorschriften gehandelt werden muss, ist dies die Aufgabe der gewählten Vertreter, nicht der Verwaltung.

Hier eine kurze Aufstellung dessen, was Merkel nicht getan hat:
  1. Umgehend und wenn nötig auch auf ungewöhnlichen Wegen an den Regierungssitz zurückkehren und auf die sofortige (= gestrige) Abarbeitung der oben angeführten Analyseschritte drängen.

  2. Fachkundigen Rat einholen, um aus den gewonnenen Erkenntnissen flexible Exposure-Limits (soundso lange darf in der Konzentration X geflogen werden) zu erarbeiten und stetig zu überprüfen.

  3. Ihren pöbelnden Verkehrsminister solange zurück ins Münchner Bierzelt zu schicken, bis die Ausnahmesituation beendet ist und er keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann.

  4. Ihre EU-Kollegen innerhalb von Stunden zusammenrufen und die Erkenntnisse und Maßnahmen koordinieren.
Stattdessen betreut sie rührend und in völlig unangebrachter Klassenfahrts-Solidarität („Wenn Tina nicht mit ins Schwimmbad kann, dann gehen wir alle nicht!“) ihre 60-köpfige USA-Reisedelegation, auch wenn dies bedeutet eine tagelange Bus-Odyssee durch Italien, Österreich und Deutschland hinzulegen, anstatt – wie Bundesminister zu Guttenberg – bei der nächsten Gelegenheit ein geeignetes Militär- oder Zivilflugzeug zu besteigen und schleunigst in die Hauptstadt zu fliegen.


„Schadenfreude“ ist ein deutsches Lehnwort

In der öffentlichen Diskussion bricht sich indes eine kaum gekannte Öko-Romantik Bahn. Was am ersten Tag vielleicht für manche noch den Reiz eines Bomben-Fehlalarms in der Schule mit Unterrichtsausfall hatte, ist spätestens am Samstag und Sonntag als menschliches und volkswirtschaftliches Großschadensereignis zu erkennen.

Ermuntert durch das zeitweise In-den-Seilen hängen der Linienluftfahrt lassen sich Mitbürger seitenweise auf Spiegel.de und Zeit.de
  1. Es wird ersichtlich, wieso „Schadenfreude“ in Englisch ein Lehnwort aus dem Deutschen ist.
Mögliche Konsequenzen aus der Lektüre der sich hier bahnbrechenden Volksseele sind:
  • Die Landeplatzlärmschutzverordnung umgehend und ersatzlos streichen, da die GA offenbar von lärmgeplagten Bürgern noch nichteinmal wahr genommen wird.

  • Sofort auswandern.


Situation der GA – und ein skandalöser Erlass

Lizenz: Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)
Autor: Arni Frioriksson
Titel: Eyjafjallajokull-April-17.JPG" text="Bild ansehen">
Das eine Extrem (oben): Ash cloud des Eyja­fjallajökull vom Boden aus betrachtet. Dass man in diese Wolke nicht einfliegen sollte, dürfte ohne weitere Erklärungen einleuchtend sein. Das andere Extrem (unten, zur gleichen Zeit 2.370 km entfernt): Sagenhaft blauer Himmel und optimales Flugwetter im Rhein-Main-Gebiet. Warum man hier nicht fliegen soll, leuchtete nicht nur den Lufthanseaten kaum ein. Einen Ausgleich zwischen diesen Extremen herzustellen und eine pragmatische Lösung zu finden gelang der EU-Bürokratie über Tage hinweg nicht.
© Wikimedia / Nils Gies 
Für die GA ergibt sich ein recht ungewöhnliches Wochenende. Luftraume C und D, für die sonst nur schwer Freigaben zu bekommen sind, standen dem von den CFMU-Einschränkungen nicht betroffenen VFR-Verkehr weit offen.
Flexible ATC und bestes Wetter sorgten für hunderte unvergessliche Flugerlebnisse und Foto-Gelegenheiten. Auch unser Leserflugzeug Lisa war mehrmals in der Luft und verrichtete – von Asche gänzlich unbehelligt – zur Zufriedenheit der Kunden ihren Dienst.

Die Freude war jedoch nicht ungetrübt. Zahlreiche Piloten wollten die Gelegenheit nutzen, um Anflüge auf Verkehrsflughäfen zu üben. Eine sinnvolle und seltene Gelegenheit, den Ausnahmezustand zu ernsthaften Ausbildungsmaßnahmen zu nutzen. Dies jedoch war per Erlass des Verkehrsministeriums am Samstag und Sonntag untersagt. Begründung (weitergegeben durch den Wachleiter des Towers in EDDF): Man wolle den wartenden Reisenden nicht den Anblick fliegender Flugzeuge zumuten!

Halten wir also fest: Das Ministerium ist nicht in der Lage, notwendige Messungen und flexible Betriebsverfahren mit den Airlines zu koordinieren. Man erleichtert den gestrandeten Reisenden auch nicht die Wartezeit indem man sie aus dem Transitbereich herauslässt, in Hotels bringt und damit die Möglichkeit gibt den Zwangsaufenthalt sinnvoll und menschenwürdig zu gestalten – aber für eine Einschränkung der VFR-Ausbildung mit Rücksicht auf eventuelle Befindlichkeiten reichts! Noch Fragen?

Völlig über die Stränge schlugen auch die Flugsicherungsorganisationen in Belgien, der Schweiz und Dänemark. Dort waren selbst VFR-Flüge landesweit untersagt. Der Sinn dieser Maßnahme erschloss sich niemandem, schließlich ist ein VFR-Pilot in jedem Fall in der Lage, einer großen dicken schwarzen Wolke am blauen Himmel auszuweichen. In der Schweiz wurde das VFR-Verbot im Laufe des Wochenendes nach Erkenntnissen von Pilot und Flugzeug aufgeweicht, Belgien und Dänemark blieben zu, selbst für Segelflieger, deren Triebwerke gemeinhin ja wenig anfällig für Asche-Rückstände sind.

Einen hirnloseren Aktionismus haben wir in Europa selten erlebt. Es ist der DFS hoch anzurechnen, dass man auch angesichts des Presserummels vom angeblich „gesperrten Luftraum“ die Nerven behielt und wirklich nur soweit ging, wie es der Aktionsplan der ICAO verlangte. Diese Umsicht der Deutschen Flugsicherung im Umgang mit dem VFR-Verkehr stellt einen der wenigen Lichtblicke in dem ganzen Drama dar.

Die Freude über die neue Freiheit am Himmel wurde jedoch auch durch die Erkenntnis getrübt, dass offenbar selbst Sachverstand und Gewicht der gesammelten deutschen Luftfahrtindustrie nicht in der Lage sind, einen offenkundigen bürokratischen Irrweg zügig in die Schranken zu weisen.

Der ARD-Brennpunkt am Sonntagabend brachte es dann wirklich auf den Punkt: Pöbelnd und von keinerlei Fachkunde getrübt schwang der Verkehrsminister die Populismus-Keule gegen einen LH-Sprecher, der eigentlich nur wollte, dass die Modellrechnungen am vierten Tag des Groundings allmählich mal durch Messungen ergänzt und überprüft werden.


NOTAM-Chaos: Während die DFS sich weitgehend an die Vorgaben des Aktionsplans hielt, sperrte die Schweiz völlig unnötigerweise den Luftraum auch für sämtliche VFR-Flüge. Idiotischer geht’s wirklich nicht mehr, auch Dänemark und Belgien groundeten den Sichtflugverkehr. Das VFR-Verbot in der Schweiz wurde indess im Laufe des Wochenendes aufgeweicht und am Flughafen Zürich entwickelte sich ein regelrechtes GA-Festival, da der Flughafenbetreiber und Skyguide sogar auf die Erhebung von Gebühren weitestgehend verzichteten.
Viele sicherheitsfetischistischen Irrwege der letzten Jahre werden nun nachvollziehbarer. Sicherheit wird nicht als rationale Zielsetzung im Risikomanagement verstanden, sondern als Religion, deren Hohepriester und Heilsversprecher der Minister ist. Hätte es noch einer Illustration des aus der CRM-Lehre bekannten Risiko-Typus „Bürokrat“ bedurft (siehe Artikel von Ralph Eckhard in der kommenden Ausgabe von Pilot und Flugzeug), Ramsauer hat geradezu die Karikatur abgeliefert.


Fazit

Am Montagabend ist eine einheitliche Linie weiter entfernt denn je. Zwei deutsche Fluggesellschaften haben Genehmigungen für eine begrenzte Zahl von Rückflügen ins Bundesgebiet erwirkt. Der Trick: Die Maschinen fliegen im Sichtflug unter der Aschewolke. Schon wettert die VC, gegen das VFR-Verfahren. Andere Airlines dürfen zuschauen, die Passagiere im Transitbereich bleiben auf der Strecke.
Am späten Montagnachmittag startete die D-CMET der DLR aus Oberpfaffenhofen zum ersten Messflug im Bundesgebiet.

Statt diese Bemühungen zu unterstützen oder zu koordinieren und schnellstmöglich Grenzwerte und Betriebsverfahren zu erlassen, verspricht die EU-Kommission, Staatshilfen für Fluglinien zu erleichtern. Der Irrsinn wird damit lediglich institutionalisiert. England will seine Bürger mit Hilfe der Royal Navy retten und die Transitgefangenen in der EU interessieren augenscheinlich wirklich niemanden.

Dringend geboten wäre es die starren Zero-Flow-Beschränkungen durch CFMU nach Höhen zu staffeln. Denn selbst das Modell des Londoner VAAC sieht die Asche-Wolke ja nicht in allen Levels, und warum im unkontaminierten Bereich nicht IFR geflogen werden kann ist vollkommen widersinnig.

Währenddessen herrscht komplette Verwirrung über die berechtige Frage warum man in ein- und demselben Luftraum nach Sichtflug aber nicht nach IFR unterwegs sein darf und was dazu selbst in den besseren Nachrichtensendungen zum Thema VFR verzapft wird ist einfach nur noch unterirdisch (Erdsicht und Maximalhöhe von 3.000 Metern und das fliegen mit Paxen ist VFR generell verboten – alles klar?).

Den technologischen Entwicklungsgrad einer Gesellschaft erkennt man nicht daran, wie diese den Alltag meistert, sondern daran, wie diese mit neuen Herausforderungen umgeht. Die isländische Aschewolke ist eine neue Herausforderung. Die EU und Deutschland haben mit Bürokratie geantwortet, wo Kompetenz, Flexibilität und Entschlusskraft gefordert gewesen wären. Das Ergebnis fällt entsprechend aus. Wenn es einen Lichtblick am Aschehorizont gibt, dann vielleicht den, dass Grenzen und Praxisferne bürokratischer Problemlösungen in der Luftfahrt nun einem Großteil der Bevölkerung vor Augen geführt wurden.


  
 
 




20. April 2010: Von Kai Schmitz an Jan Brill
Hallo Herr Brill,

der von der VC nicht ganz zu Unrecht als juristischer Winkelzug gebrandmarkte Ansatz nun Verkehrsmaschinen im "kontrollierten Sichtflug" abfliegen zu lassen zieht jetzt weitere Absurditäten nach sich.

Die Kontrollzone am Verkehrslandeplatz Mönchengladbach EDLN bleibt heute vormittag fünf Stunden geschlossen. Vermutlich ist die Steigleistung der aus EDDL startenden Maschinen unter Sichtflugbedingungen zu gering.

C1208/10 - MOENCHENGLADBACH CTR (D) CLOSED. 20 APR 05:00 2010 UNTIL 20 APR 10:00 2010. CREATED:
20 APR 05:00 2010

Gruss,

Kai Schmitz
20. April 2010: Von Dietrichb H. Bauer an Jan Brill
Lieber Herr Brill, ich will mich nicht wiederholen und verweise auf meinen Beitrag zu "D gehört den VFR-Fliegern".

Nur noch kurz folgendes: wenn man VFR-Nachtflüge zuläßt, dann kann man auch IFR fliegen, denn nachts sieht man eventuelle Aschewolken nicht, um ihnen auszuweichen. Im übrigen waren und sind die Randbedingungen seit Donnerstag ideal für eine flexible Lösung, denn oberhalb der bodennahen Dunstschicht herrscht(e) VMC im fraglichen Gebiet. Und einer Wettererscheinung auszuweichen, das können alle Piloten. Denken sie nur an Gewitterlagen, wenn jeder den CBs ausweicht und die Flugsicherung das freundlich mitmacht.

Im übrigen: Gib' einem Trottel Macht und er richtet die Welt zugrunde!
20. April 2010: Von  an Kai Schmitz
wartet doch erst mal ab, was passiert, wenn grün-rot-rot regiert:

dann wird bei geringster konzentration von ozon ein generelles mobilitätsverbot verhängt...

vielleicht war das ein kleiner vorgeschmack auf die totale einschränkung der reisefreiheit...mit der natur als argument..


ich geh ja schon...

mfg
ingo fuhrmeister
20. April 2010: Von Hubert Eckl an Kai Schmitz
Moin,

wir diskutieren hier gerade wie die Airliner unter FL100 CVFR fliegen können und das Limit von 250kn für Sichtflug einhalten ? Oder gibts es da eine Ausnahmeregelung?
20. April 2010: Von Kai-Olav Roscher an Jan Brill
Hallo Herr Brill,

Ihre größtenteils berechtigte Kritik in Ehren, aber bezüglich der in den Transitbereichen festsitzenden Menschen hat man sich durchaus etwas einfallen lassen:

https://de.news.yahoo.com/1/20100419/twl-gestrandete-sollen-schnell-bergangsv-13c1e7b.html

So ganz entmenschlicht ist man zumindest im BMI und bei der Bundespolizei glücklicherweise offensichtlich nicht.

Ansonsten stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, was die fehlende Professionalität im Umgang mit diesem, zugegebenermassen bisher einmaligen, Ereignis angeht. Der Bürokratisierungsgrad in Deutschland ist erschreckend und treibt insbesondere in der Luftfahrt mittlerweile teils groteske Blüten.

Mit freundlichen Grüssen,
Kai-Olav Roscher.
20. April 2010: Von Jörg-Martin Rassow an Kai-Olav Roscher
Das ist doch mal was! Bereits nach nur vier Tagen Transithaft dürfen die Leute immerhin hoffen, daß es "schnelle und unbürokratische Hilfe" gibt. Ein Lob den deutschen Behörden!
20. April 2010: Von Peter Wertz an Jan Brill
"Der Trick: Die Maschinen fliegen im Sichtflug unter der Aschewolke"

Ist das wirklich so? Sind sie nicht gerade dort in denangeblich kontaminierten Höhen?

Sigmet heute:

"601
WVDL31 EDZF 200545
EDGG SIGMET 02 VALID 200700/201300 EDZF-
EDGG LANGEN FIR VA ERUPTION MT EYJAFJALLAJOKULL LOC N6338 W01937
VA CLD OBS AT 0600Z SFC/FL200 ENTIRE FIR
FCST 1200Z VA CLD SFC/FL200 ENTIRE FIR
FCST 1800Z VA CLD SFC/FL200 ENTIRE FIR
FCST 2400Z VA CLD SFC/FL200 ENTIRE FIR"

Und dazu die passende Notams:

"A1291/2010

EDGG EDWW EDMM
from: 2010/04/19 07:51 until: 2010/04/22 12:00 EST
DUE TO SIGNIFICANT VOLCANIC ACTIVITY FROM VOLCANO EYAFJALLAJOKULL,
ICELAND, VFR FLIGHTS ARE STRONGLY ADVISED TO MONITOR THE RELEVANT
GERMAN SIGMETS, ASHTAMS AND NOTAMS. DETAILED INFORMATION CAN BE
OBTAINED FROM DFS AIS-C AND FLIGHT INFORMATION SERVICE. ACCORDING TO
ICAO EUR DOC 019 (VOLCANIC ASH CONTINGENCY PLAN EUR REGION) A NUMBER
OF HAZARDS TO AIRCRAFT ENCOUNTERING VOLCANIC ASH CLOUDS MAY BE
OBSERVED. IT HAS TO BE NOTED, THAT THE CONTAMINATED AREA MUST NOT
NECESSARILY BE VISIBLE. THE RESPONSIBILITY TO CONDUCT A FLIGHT RESTS
WITH THE PILOT-IN-COMMAND.
FOR ALL IFR FLIGHTS, ATC WILL NOT ISSUE CLEARNCES TO TRAFFIC
PENETRATING CONTAMINATED AREAS BASED ON THE ACTUAL SIGMET
INFORMATION
SFC up to UNL"


###-MYBR-###sowie:

###-MYBR-###"A1325/2010

EDWW EDGG EDMM
from: 2010/04/19 21:09 until: 2010/04/20 00:00 EST
IN RESPECT TO THE CURRENT SIGMET FOR GERMAN AIRSPACE DFS WILL ISSUE
IFR CLEARANCES FOR FLIGHTS WITHIN UIR RHEIN NW OF LINE 5622N01316E
- 5218N01032E ABOVE FL350.

IN RESPECT TO THE CURRENT SIGMET FOR GERMAN AIRSPACE DFS WILL ISSUE
IFR CLEARANCES FOR FLIGHTS WITHIN FIR BREMEN SW OF LINE 5659N01157E -
5419N01124E - 5457N01713E AT OR ABOVE FL200.

IN RESPECT TO THE CURRENT SIGMET FOR GERMAN AIRSPACE DFS WILL ISSUE
IFR CLEARANCES FOR FLIGHTS WITHIN FIR BREMEN NW OF LINE 5622N01316E -
5218N01032E - 5158N00050E AT FL250 AND ABOVE.

IN RESPECT TO THE CURRENT SIGMET FOR GERMAN AIRSPACE DFS WILL ISSUE
IFR CLEARANCES FOR FLIGHTS WITHIN FIRS LANGEN AND MUNICH AT
OR ABOVE FL200.

PILOTS ARE REMINDED THAT IN ACCORDANCE WITH THE CURRENT SIGMET THE
AIRSPACE BELOW THE RESTRICTIONS MENTIONED ABOVE IS CONSIDERED TO BE
CONTAMINATED WITH VOLCANIC ASH. IFR FLIGHTS HAVE TO BE CONDUCTED AT
PILOTS OWN RISK, SHOULD THE NECESSITY OCCUR TO DESCEND BELOW THE
RESTRICTIONS MENTIONED ABOVE DUE TO ACFT MALFUNCTIONS.

BASED ON THE SIGMET FORECAST, ATFCM MEASURES HAVE BEEN IMPLEMENTED
UNTIL TUESDAY MORNING 0600 OR 1200 RECPECTIVELY. AIRCRAFT OPERATORS
ARE ADVISED THAT THE SITUATION MAY CHANGE ON SHORT NOTICE DUE TO
CHANGES IN THE WEATHER SITUATION."
###-MYBR-###

Wenn die Airlines gezwungen werden , CVFR in den kontaminierten Höhen im unteren Luftraum zu bleiben , weil es keine IFR-clearance gibt , werden sie gerade dort unnötig lange der "Asche" ausgesetzt. Viel besser wäre es doch , mit IFR-clearance zügig in die Höhe zu steigen , weil dort angeblich alles frei ist.

Im übrigen : Dank und Respekt für die struckturierte Analyse und Zusammenfassung der gegenwärtigen Situation.
20. April 2010: Von alexis von croy an Peter Wertz
Was mich mehr interessieren würde, ist die rechtliche Lage bzgl dieser "VFR"-Flüge. Folgende Aspekte könnte man mal durchleuchten:
- was, wenn im Anflug auf MUC Wolken durchflogen werden müssen? (Meines Erachtens illegal) Im Grund könnte man hieraus einen ganz schönen Zirkus machen. Säße ich in einem VFR-Airliner, der im Sinkflug durch die Wolken geht, könnte ich als fachkundiger IFR-Pilot der LH ziemliche Schwierigkeiten machen ...
- was ist mit der Speed Restriction? Diese wird garantiert nicht eingehalten, kann aber m.E. nicht einfach "außer Kraft" gesetzt werden, das sie GA-Flüge gefährdet.
- Was, wenn sich das Wetter auch nur marginal verschlechtert?

VORGESTERN kam mir in der Nähe von Zürich in FL70 ein Gleitschirmflieger entgegen. ...

Gruß###-MYBR-###Alexis
###-MYBR-###
20. April 2010: Von  an Peter Wertz
Gestern abend wegen Nachtdienst fern gesehen. Bezahlten Qualitätsjournalismus im deutschen Fernsehen genossen. Erst Beckmann mit den "Experten" der Luftfahrt. Ein weinerlicher Flugsicherungschef "was sollen wir denn machen, heul!" ging ja noch, als Hunold dem geneigten Zuschauer dann das Thema CVFR näher bringen wollte, wurde es aber echt bizarr. Der HAMMER kam aber danach, als Gaby Bauer im Nachtmagazin des deutschen Fernsehens im Gespräch mit einem weiteren "Luftfahrt-Experten-Reporter am Frankfurter Flughafen allen Ernstes erklärte, Zitat: "Flüge nach Sicht mit Passagieren sind verboten!"
Leute, geht's noch? Ich stimme ja wirklich ungern und selten in das übliche Gejammere ein, aber hier zeigt sich mal wieder, daß wir in der Mittelmäßigkeit ersaufen werden. Können die Jungs vom ARDZDF nicht mal kurz vorher mit Herrn Brill telefonieren? Wenn ich die Wahl hätte, würde ich die Zahlung der GEZ-Gebühren einstellen; Leistung nicht erbracht. Weiter so, Deutschland!
20. April 2010: Von alexis von croy an 
Grundsätzlich stimmt es, dass Airline-Flüge mit Passagieren VFR verboten sind - und ob diese "Ausnahmegenehmigung" rechtens ist, wird sich zeigen. Richttig spannend wird es wenn zum ersten Mal Bewölkung aufzieht ...

Alexis
20. April 2010: Von Jan Brill an alexis von croy
Grundsätzlich stimmt es, dass Airline-Flüge mit Passagieren verboten sind - und ob diese "Ausnahmegenehmigung" rechtens ist, wird sich zeigen... das ergibt sich aus den Betriebshandbüchern der einzelnen Flugbetriebe. Nicht jede Airline unterliegt dieser Einschränkung und auch nicht überall (wie wollte man sonst z.B. den JFK-Parkway-Visual fliegen oder den Expressway-Visual nach LGA?)

§22a(1) LuftVO legt für Gewerblich+Pax > 14 Tonnen lediglich fest, dass nur gestartet und gelandet werden darf wenn "für die Anflüge Instrumentenanflugverfahren festgelegt sind;"

Über die Nutzung derselben macht die Vorschrift keine Aussage und selbst davon darf nach Absatz (2) unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen wertden. No big deal.

Die CVFR-Nummer ist aber natürlich eine Hilfskonstruktion, das ist klar. Hier kann man schon verstehen wieso der ein oder andere Luftfahrt-Experte da im Live-Interview ins Trudeln gerät.

Die Argumentation der VC, dass ein Luftraum entweder sicher ist oder nicht, greift jedoch auch zu kurz. Der Grund wieso die VFR-Flüge von der Beschränkung nicht betroffen sind ist ja, dass man in VMC der bösen Aschewolke ausweichen kann.
Demnach sind nicht sichtbare Konzentrationen ohnehin keine Gefahr, was uns wiederum auf den kleinen aber feinen Unterschied zwischen "ash cloud" und "contaminated area" zurückführt ...

In der Praxis wird sowieso geflogen wie immer: Als am Samstag die Leerflüge nach EDDF rein sind waren die Funkverfahren die üblichen, bis auf:
"cleared simulated ILS 07 left ."
viele Grüße
Jan Brill
20. April 2010: Von Gerhard Uhlhorn an Jan Brill
Schöner Artikel! Ich werde fleißig die Werbetrommel rühren. ;-)

Übrigens ist Frau Merkel Physikerin! Um so mehr wundert es mich, dass sie kein Kolbenflugzeug mit Luftfilter für ihre Heimreise bestellt hat.

Zum IFR/VFR: Ist es nicht so, dass man auch im unteren Luftraum nach IFR fliegen kann? Ich verstehe ja, dass die Linien die Aschewolken unterfliegen wollen, aber warum nach VFR?

Noch zwei Überlegungen:

Nach Geruch fliegen
Der schweizer Mess-Pilot sagte im Fernsehen aus, dass man die Wolke riechen kann, es würde nach „Dampflokomotive“ riechen. Wenn dem so ist, dann hätten doch alle Flugzeuge Messgeräte für die Asche-Wolke dabei: die Nase. Sollte es damit nicht möglich sein die Aschewolke zu vermeiden?

Glasbildung vermeiden
Ich bin kein Turbinen-Flieger, aber ist es vielleicht möglich die Temperaturen in einer Turbine durch Leistungsreduzierung so weit zu senken, dass die Asche nicht mehr schmilzt und die Verglasung ausbleibt?

Darüber könnte man doch mal nachdenken, oder?
20. April 2010: Von alexis von croy an Jan Brill
Hallo

ok, der JFK-Express ;-) Da war wohl nicht das Thema ...DAs genehmigte Betriebshandbuch der LH jedenfalls untersagt VFR-Flüge mit Passagieren.

Und was ist mit den 250 KIAS? Diese Regelung kann "einfach so" außer Kraft gesetzt werden? Finde ich in etwa so sinnvoll wie das "ausnahmsweise Aussetzen der Verkehrsregeln" auf der Straße...

.. und was, wenn Wolken im Anflugweg sind? Meine Meinung: Garantiert illegal.

Grüße
AvC
20. April 2010: Von Gerhard Uhlhorn an 
Ja, und die Presse, die bei diesem Thema so versagt, wird auch bei anderen Themen nicht besser sein.

Und wenn die Themen zu Politik und Wirtschaft von ähnlicher „Qualität“ sind – und was anderes kann man nicht erwarten – dann weiß man auch, dass Massenmedien nur der Unterhaltung und der Propaganda dienen, nicht aber seriös berichten.
20. April 2010: Von Jan Brill an alexis von croy
.. und was, wenn Wolken im Anflugweg sind? Meine Meinung: Garantiert illegal. Ja, wenn’s wolkig wird, dann wird die Sache wirklich spannend! So wie’s aussieht hat sich das Thema aber in ein paar Stunden eh’ erledigt, da dann normal nach IFR weitergeflogen werden kann.

Und an die 250 Indicated muss man sich eben halten, da bleibt auch Zeit für’s rausschauen ...

Alles in allem finde ich die Sichtfliegerei unter den gegebenen Wetterbedingungen jetzt nicht sonderlich riskant. Für heute CAVOK über EDDF bis Anschlag. Glück gehabt.

viele Grüße,
Jan Brill
20. April 2010: Von Dietrichb H. Bauer an Gerhard Uhlhorn
Kurzantwort:
1) nach Geruch fliegen geht, weiß ich aus eigener Erfahrung.

2) das mit der Verglasung der Turbinenschaufeln läßt die Frage offen, ob dies zum akuten Ausfall führen kann, oder ob es nur ein Verschleißproblem ist, das schlicht die Nutzungsdauer verkürzt. In anderen Erdteilen wird unter schlimmeren Umständen mit Turbinen-Hubschraubern fröhlich geflogen, bis die T-Blätter nur mehr Stummel sind, es scheint daher eher letzteres zuzutreffen.
20. April 2010: Von Gerhard Uhlhorn an Dietrichb H. Bauer
Okay, wenn ich mit unter 250 kts fliege, entsteht die Verglasung vielleicht gar nicht erst. Was ich dann aber noch immer habe, ist erhöhte Abnutzung (Sandstrahl-Effekt), das ist klar.

Aber möglicherweise könnte man dann Folgendes machen:
Normal fliegen bis man die Wolke riecht. Wenn man sie riecht, macht man eine 180°-Umkehrkurve bei geringer Triebwerksleistung (um Triebwerkausfall durch Verglasung zu vermeiden).
So sollten Flüge sicher durchgeführt werden können, oder?
20. April 2010: Von Max Sutter an Gerhard Uhlhorn
unter 250 kts fliege ... dann aber noch immer habe ist ... (Sandstrahl-Effekt), das ist klar.

Aber auch der Sandstrahleffekt geht entsprechend quadratisch nach unten (Aufprallenergie der Partikel!), wenn ich die Geschwindigkeit verringere

Wie schon die Oma immer gemahnt hat: Flieg schön tief und langsam ...
20. April 2010: Von Kai Schmitz an Gerhard Uhlhorn
Im ICAO Doc steht auch drin, dass eine ggfls. entstandene Verglasung bei den starken Temperaturänderungen beim Übergang auf Idle oder nach dem kompletten Ausfall des Triebwerks wieder von selber abbröckeln kann.

Das würde ja auch erklären, dass man in solchen Fällen erst nach einem mehrminütigen Gleitflug einige Triebwerke wieder starten konnte.
20. April 2010: Von  an Kai Schmitz
Man könnte ja auch auf FL105 bzw 115 steigen und hätte so das Problem mit den 250Kn vom Tisch. Die LH &Co fliegen doch eh CVFR, oder?
20. April 2010: Von Jan Brill an 
Man könnte ja auch auf FL105 bzw 115 steigen und hätte so das Problem mit den 250Kn vom Tisch. Die LH &Co fliegen doch eh CVFR, oder?... ja, vermute ich auch, fliege heute aber leider nur meinen Schreibtisch und die Handgurke ist im Flugzeug.

Vielleicht kann mal einer der Leser im Raum EDDF/west auf der 120,8 reinhören und berichten was abgeht. Würde mich interessieren.

viele Grüße,
Jan Brill
20. April 2010: Von Pat Wie an Jan Brill
In einem Fernsehinterview am Wochenende berichtete schon ein LH Pilot vom Überführungsflug EDDM-EDDF in 8000m...VFR über FL100 scheint also genehmigt zu werden.

Das würde dem Ganzen ja noch die Krone aufsetzen, wenn diese "Wolke" bis FL200 vorhergesagt ist und man Piloten zwingt, darunter zu bleiben. Obwohl - wo ich das gerade schreibe - zuzutrauen wäre es unserem Herrn Minister.

Jetzt stelle man sich noch vor es würden etwaig veröffentliche VFR-Platzrunden nicht eingehalten - Skandal !

Beste Grüße und Danke für den gelungenen Artikel.
20. April 2010: Von  an Pat Wie
Das ganze geht in Richtung BRD-> BananenRepulikDeutschland. So würde es vermutlich Herr Fuhrmeister sagen. Da wird einfach was am grünen Tisch entschieden und die Folgen bzw. ob es überhaupt sinnvoll werden "übersehen".

Was Ramsauer da angestellt hat, ist eine totale Bevormundung und strozt vor Überheblichkeit und Arroganz. Er hat wohl vergessen, wer sein Gehalt bezahlt und wer ihn gewählt hat. Die deustchen Bürger, die im Ausland wegen solchen "Blödsinn" festsitzen sollten sich alle per Brief (nein, kein Mail) in Berlin beschweren. Er unterstellt indirekt AirBerlin und Lufthansa sowie allen anderen Airlines eine "Fahrlässigkeit aus wirtschaftlichen Interessen", wenn er von Sicherheit hat oberste Prioität redet und den Luftraum komplett dicht macht. Als ob eine Lufthansa oder AirBerlin nicht selber Interesse daran hätte, ihre Fluggäste sicher ans Ziel zu bringen. Und das Wissen, was sicher ist und was nicht, wissen die Airlines bestimmt eher als ein Frühstücks-Verkehrsminister, der nicht mal weiß, wer ICAO ist. Mehr als nur peinlich....
20. April 2010: Von Alexander Stöhr an Gerhard Uhlhorn
Im Notfall muß man sich an garnichts halten. Ja sind wir denn alle vom gesunden Menschenverstand verlassen? Das 250kts-Limit kann ohne schwierigkeit außer Kraft gesetzt werden. Und das würde niemanden jucken. Als Segelflieger teilt man sich mit 50kts den luftraum mit den jungs die mit dem zehnfachen unterwegs sind. und ja, es kommt zu gefährlichen annäherungen. aber eben sehr sehr selten zu kollisionen ('nausschau'n!)

Wofür waren eigentlich transponder???

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