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27. April 2006 Jan Brill

Luftrecht: SIGMA 2 DEVIATION


Abgezockt im Sigma2 - oder: die Gnade der Bürokraten

Vor einem Jahr berichtete Pilot und Flugzeug über das haarsträubende Verfahren, mit dem in München Piloten, die vom Kartenstrich der SID abweichen, belangt werden. Der betroffene Flugbetrieb schickte uns jetzt ein Update zu diesem Fall. Das LBA, in Person Frau Balz, scheint demnach in einem wahrhaftigen Paralleluniversum zu fliegen: Wussten Sie etwa, dass "jedes Verlassen der allein rechtlich maßgeblichen Ideallinie“ schon einen Rechtsverstoß darstellt? Nur der Gnade der Bürokraten haben wir es zu verdanken wenn wir bei unserem verbrecherischem Tun manchmal auch Straffrei davonkommen.


Jedes Verlassen der allein rechtlich maßgeblichen Ideallinie stellt nach Ansicht des LBA einen Rechtsverstoß dar. Amtspersonen, die solche Sätze zu Papier bringen, stellen ein fliegerisches und gesellschaftliches Sicherheitsrisiko erster Ordnung dar.
Sehr geehrter Herr Brill, wußten Sie, dass Sie ein Verbrecher sind und fast täglich tatbeständlich handeln? Sie wundern sich, dass sie dann nicht angezeigt wurden? Dies verdanken Sie lediglich der Nachsicht des Luftfahrtbundesamtes. Siehe Anlage. Sie hatten dankenswerterweise in Pilot und Flugzeug auf die unhaltbare Rechtsauffassung des LBA hingewiesen, nachdem ein Pilot angeblich rechtswidrig handelt, wenn er die statistische Größe „Flugerwartungsgebiet 2-Sigma“ bezüglich einer Standard Departure Route überschreitet. Wenn Sie nun glauben, das LBA hätte aufgrund Ihrer sehr fundierten Hinweise ein Einsehen, dann haben Sie sich geirrt. Es kommt viel besser: Laut der anliegenden Einlassung der Berufsbußgeldverhängerin Frau Balz vom LBA handeln Sie bereits tatbeständlich, wenn Sie auch nur einen Millimeter von der Ideallinie abweichen. Fragen Sie mich bitte nicht, was das ist. Das weiß nur Frau Balz. Sie ist aber amtsintern bereit, auf eine Anzeige zu verzichten, wenn Sie sich dabei innerhalb des 2-Sigma Flugerwartungsgebietes aufhalten. Alles andere wird strafrechtlich verfolgt, unabhängig davon, was in der Departure Route veröffentlicht ist, und unabhängig davon, welche Toleranzen Ihre Navigationsgeräte aufweisen. Laut Frau Balz wissen Sie aufgrund Ihrer Instrumente immer genau, wo Sie sich befinden. Noch Fragen? Ach, noch etwas: Lassen Sie sich bloß nicht einfallen, dieses amerikanische Teufelszeug namens „Jeppesen Charts“ zu verwenden. Denn da sind laut Frau Balz falsche Übersetzungen drin. Dann sind Sie dran. Dumm nur, dass in unserem vom LBA genehmigten Flugbetriebs-Operation-Manual (OM) ausschließlich diese Karten verbindlich vorgeschrieben sind. Das Gericht hat mangels eigener Sachkenntnis diese Argumentation voll bernommen und unseren ansonsten unbescholtenen Piloten verurteilt. Ich persönlich hätte so etwas höchstens irgendwo im Kongo für möglich gehalten. Aber leider genießen in unserem Rechtsstaat gewisse Behörden anscheinend völlige Narrenfreiheit. Nicht unerwähnt darf dabei bleiben, dass die uns in Luftfahrtfragen als kompetent empfohlene Rechtsanwaltskanzlei Rossmann und Partner, Darmstadt, sich ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert hat. Sie hat die komplette Rechtswidrigkeit der Einlassung des LBA nicht erkannt und, ohne uns auch nur zu informieren, einem Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Dümmer geht‘s nimmer. Wir würden uns freuen, wenn uns jemand eine wirklich kompetente Kanzlei empfehlen könnte. Ob man damit gegen solche Beamtenköpfe ankommt, bleibt natürlich dahingestellt. In der Vergangenheit wurde Heiko Tegen immer wieder wegen seiner Diktion gegenüber LBA-Beamten angegriffen. In Anbetracht dessen, was wir hier täglich in einem JAR-OPS Flugbetrieb zu sehen bekommen, kann ich nur sagen: Er war noch viel zu höflich. Hier reden wir nämlich nicht mehr nur über sprichwörtliche Borniertheit, sondern über vermutlich vorsätzliche Irreführung des Gerichts, nur um einen völlig unhaltbaren Bußgeldbescheid durchzuboxen. Mit freundlichen Grüßen Dr. Schenk Flugbetrieb GmbH i.A. Dr. Christoph Schenk Originalbericht aus Pilot und Flugzeug Ausgabe 2003/03 zum Download


  
 
 




27. April 2006: Von Michael Hermann an Jan Brill
Nachdem ich mir das alles so durchgelesen und kann zu meinem eigenen Erstaunen die Argumentation des LBA recht gut nachvollziehen. Übersehe ich was Wesentliches?

So stellt sich mir das dar:

Die veröffentlichte Route ist die Ideallinie und nur diese wird beschrieben. Da kein real existierender Pilot die Ideallinie unter allen Umständen einhalten kann, wird um diese Ideallinie ein Toleranzraum R definiert.
Wer innerhalb dieses Raumes R fliegt, der wird trotz tatsächlicher Abweichung rechtlich als "Idealflieger" betrachtet.
Wer ausserhalb von R fliegt, der muss mit Sanktionen rechnen.
Bis dahin scheint mir das vollkommen üblich, siehe Strassenverkehr und Geschwindigkeitskontrolle.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie die Toleranz definiert wird. Hier SCHEINT folgendes Verfahren angewendet zu werden: Es wird eine Menge von Flugbewegungen ausgewertet, z.B. 1000. Man kann wohl hier erwarten, dass sich für die Abweichung von der Ideallinie eine Glockenkurve ergibt (meine Gründe für die Annahme lasse ich hier weg, kann ich bei Interesse schon schreiben).
"Zwei Sigma" bedeutet dann, dass man den Toleranzraum R so legt, dass 70% der Flugbewegungen in R verlaufen und die anderen ausserhalb.

Ich muss sagen, dass ich ein so "fortschrittliches" Verfahren einer Behörde gar nicht zugetraut hätte. Warum meiner Meinung nach fortschrittlich? Im Gegensatz zu festen Toleranzen (sagen wir 1NM, 100ft) berücksichtigt die Statistik die Gegebenheiten vor Ort. Wenn Abflug A aus irgendwelchen Gründen "schwieriger" als Abflug B ist, dann bekommt A automatisch größere Toleranzen als B und zwar genau in dem Mass, dass bei beiden die "Trefferquote" bei 70% liegt.
Das erscheint mir ziemlich gerecht.

Eine Frage, die natürlich nur willkürlich zu beantworten ist, ist, welche Quote man für akzeptabel hält. 70%? 80%, 90%?

Sicherlich sehr ärgerlich ist, dass die Übersetzung bei Jeppesen falsch ist. Meine Vermutung ist (leider), dass sowohl das LBA als auch Jeppesen sich gegen Konsequenzen aus solchen Fehlern abgesichert haben und der schwarze Peter juristisch beim Piloten bzw. dem Luftfahrtunternehmen hängen bleibt :(

Ganz klar ist mir auch nicht, was es gebracht hätte, den Piloten hinterher anzurufen. Lärmschutz: Der Lärm war ja schon verursacht. Sicherheit: Soll man per Telefon rausfinden, ob der Pilot zurechnungsfähig ist und ihm ggf. im Interesse der Sicherheit die Lizenz entziehen??

Wieder Strassenverkehr:
Wenn ich falsch parke, dann bekomme ich kommentarlos ein Knöllchen. Sonst passiert da nichts. Ist ja auch nicht viel passiert. Kleiner Verstoss, da braucht es keine persönliche Nachsorge.

Wenn ich mit 250 km/h durch die Stadt rase und geblitzt werde, dann kommt vermutlich wirklich zeitnah die Polizei bei mir vorbei und stellt erst mal meinen Führerschein sicher.

Kritisieren kann man sicher, dass die Toleranzgrenzen offenbar in keiner Veröffentlichung stehen. So zumindest verstehe ich den Artikel. Dass es solche geben muss, scheint mir klar zu sein.
So richtig kann ich aber hier weder die "Abzocke" noch eine an jeder Realität vorbeigehende Argumentation durch das LBA erkennen.

Was übersehe ich da?

M. Hermann
27. April 2006: Von  an Jan Brill
Hallo Herr Dr. Schenk,

sind Sie und Ihr Betrieb etwa nicht Mitglied der AOPA-Germany????

Wären Sie dies, so hätten Sie keine Probleme, einen kompetenten Fachanwalt zu bekommen. Zudem würde sich die AOPA auch mal mit Frau Balz unterhalten, um zu klären, in welchem "Paralleluniversum" diese lebt...

Wenn selbst PuF der AOPA beigetreten ist und man die Verfahren und das dortige Engagement der AOPA-Crew sieht, so hätten Sie sicherlich das Geld besser dort investiert...

Übrigens!
Zum Thema "Einhalten von Flugrouten" und "Was bedeuted Flugerwartungsgebiet?" gibt es 2 sehr klare und kurz formulierte Artikel (PDF-Format) auf den Seiten der DFS in der Rubrik "Fluglärm & Umwelt" > GRUNDLAGEN!!!

Link zu den Artikel der DFS:
Hier klicken!

Zitate aus o.g. Artikeln "Flugerwartungsgebiete":
"Im Flugverkehr ist aber - trotz erheblicher Fortschritte - eine Präzision "wie auf Schienen" nicht erreichbar."
Zitat Ende

und weiter ist dort zu lesen:
Zitat:
"... Auch Wettereinflüsse spielen eine Rolle, und nicht alle Flugzeuge haben die allerneueste Ausrüstung. Also kommen Abweichungen von der Ideallinie immer wieder vor. Das ist
bekannt und führt dazu, dass weltweit Flugkorridore rechts und links der Sollkurse bestehen, das sogenannte
"Flugerwartungsgebiet"."
Zitat Ende

Sehr wichtig dort zu lesen:
Zitat:
"..., dass auf Grund der Flugerwartungsgebiete rechts und links der Abflugrouten praktisch der gesamte
Nahverkehrsbereich beflogen werden kann.
Denn: Solange die Cockpitbesatzungen ihre Maschinen innerhalb dieser Korridore führen, handeln sie den
Vorschriften entsprechend
."
###-MYBR-###Anmerkung:
Außerhalb der o.g. Gebiete werden Verstöße geprüft und ggf. OWi eingeleitet.

Allerdings kommt es darauf an, ob die Abweichung auf weiter Flur geschieht oder im Nahverkehrsbereich eines Flughafens, wo durch die Flugerwartungsgebiete praktisch das gesamte Gebiet abgedeckt wird.

Die "Konstruktion" bzw. Grundlagen der Festlegung von FLugerwartungsgebieten ist durch die ICAO festgelegt:
Zitat DFS:
"Ein Flugerwartungsgebiet ist, wie der Name schon sagt, ein Gebiet, in dem im Nahbereich eines Flughafens und entlang einer Abflugstrecke Flüge erwartet werden können und müssen. Jedes Flugverfahren unterliegt navigatorischen
Toleranzen, die von der ICAO (International Civil Aviation Organisation) im Dokument 8168 festgelegt sind. Dieses Dokument beinhaltet die Procedures for "Air Navigation Services – Aircraft Operations, kurz PANS OPS" genannt.

In einer 7-seitigen Beschreibung wird auf den Seiten der DFS - Grundlagen, die Konstruktion von FEG´s erklärt:
Hier klicken!
###-MYBR-###
Grüße,
TS
27. April 2006: Von Michael Hermann an 
Hallo Thomas,

danke für den zweiten Link. Da hatte ich also die Fortschrittlichkeit der Behörden doch überschätzt und die Konstruktion folgt rein mechanischen Regeln (1) :)

Immerhin hatte ich ja SCHEINT geschrieben, weil sich zu 2-Sigma nichts per google fand. Frage an Dich: Woher kommt denn dann der Name?

Den Rest sehe ich auch so.

M. Hermann
###-MYBR-###
(1)
Die mechanische Konstruktion ist zwar einfach, aber sie berücksichtigt nach meiner Meinung in keinster Weise den tatsächlichen "Schwierigkeitsgrad" einer Route.
27. April 2006: Von  an Michael Hermann
Hallo Michael,

Zu 1)
es ist wie bei Anflugverfahren, die so konstruiert sind, dass sie von Flugzeugen mit Standardmanövern (Speed, Schräglage, Climbrate) geflogen werden können.
Die FEG sind ja laterale Festlegungen und keine Röhren, innerhalb derer man fliegt.

Übrigens, was die Sache mit amtlichen und nichtamtlichen Flugkarten (Jeppesens) betrifft, so habe ich die Erfahrung gemacht, dass dort z.T. schon fehlerhafte Einträge stehen. Was aber kein Problem wäre, würden diese auch alle in AMD´s ausgemerzt..
Dies ist allerdings ein fast aussichtsloses Unterfangen:
Wir versuchen an unserem Flugplatz seit Jahren (schriftlich, telefonisch) bei Jeppesen zu erreichen, dass ein völlig simpler Satz aus den Kartenunterlagen entfernt wird:
"IFR-Traffic PPR"

Dieser Satz stammt noch aus Zeiten der innerdeutschen Grenze... also sieht man, wie lange das schon falsch / überflüssig drinsteht...

Grüße,
TS
27. April 2006: Von Stefan Jaudas an Michael Hermann
Hallo,

nach meinem bischen Statistikwissen heißt das doch automatisch, daß dann die Leute außerhalb von 2 Sigma (ca. 30%?) automatisch rechtswidrig fliegen?

Und warum 2 Sigma, und nicht 3, 4, 5 oder 6 Sigma?

Und das würde auch heißen, daß die zulässigen Abweichungen für jede Route anders sind. Manche Routen werden eher professionell beflogen (enge Grenzen), andere eher von den Freizeitfliegern (weitere Grenzen). Das eröffnet dem Amtsschimmel natürlich völlig neue Möglichkeiten ... vieleicht gibts ab 2007 dann neue Einträge in den En-Route-Karten ... um Angaben zur zulässigen Abweichungen ergänzt ... *LOL* ... verkorkst und abgefüllt bei Pallhuber und Söhne ...

Gruß

Stefan
28. April 2006: Von Michael Hermann an Stefan Jaudas
Hallo Stefan,

> Und warum 2 Sigma, und nicht 3, 4, 5 oder 6 Sigma?

Ja, warum? Reine Willkür wie bei allen menschlichen Vereinbarungen. Siehe

> Eine Frage, die natürlich nur willkürlich zu beantworten ist,
> ist, welche Quote man für akzeptabel hält. 70%? 80%, 90%?

Warum gilt für eine Prüfung zum PPL-A-VFR ein Höhentoleranzband von 100ft und nicht 50ft oder 200ft? Reine Willkür. Such' Dir eine beliebige Vorschrift für irgendwas: es ist reine Willkür.
Das gilt für die mechanische Konstruktion der Toleranz ebenso.

> Und das würde auch heißen, daß die zulässigen Abweichungen
> für jede Route anders sind. Manche Routen werden eher
> professionell beflogen (enge Grenzen), andere eher von den
> Freizeitfliegern (weitere Grenzen).

Völlig richtige Erkenntnis. Wenn in EDDM von 1000 Flugbewegungen 999 "professionell" sind und 1 "freizeitmässig", dann sind die Anforderungen tendenziell höher als in EDMY daneben, wo von 1000 Flugbewegungen 1 "professionell" ist und 999 "freizeitmässig".

Eine Festlegung des Toleranzgebietes durch statistische Auswertung würde für jeden Platz die unterschiedlichen Gegebenheiten berücksichtigen. Ich z.B. (persönliche Meinung) halte eine Grenzziehung bei ca. 97% für sinnvoll. Das ist wiederum reine Willkür und muss mit anderen Meinungen gemittelt werden, bevor es gesamtgesellschaftlich wirksam werden kann.

mch
28. April 2006: Von Stefan Jaudas an Michael Hermann
Hallo,

Zitat:
Eine Festlegung des Toleranzgebietes durch statistische Auswertung würde für jeden Platz die unterschiedlichen Gegebenheiten berücksichtigen. Ich z.B. (persönliche Meinung) halte eine Grenzziehung bei ca. 97% für sinnvoll. Das ist wiederum reine Willkür und muss mit anderen Meinungen gemittelt werden, bevor es gesamtgesellschaftlich wirksam werden kann.
Zitat Ende

Entschuldigung, das ist aber grundsätzlich der falsche Denkansatz. Man darf nicht Grenzen legen, die zwangsläufig einen gewissen Prozentsatz der Betroffenen quasi "kriminalisiert".

Das wäre so, wie wenn man sagen würde, das Tempolimit auf der Landstraße beträgt 100 km/h (Idealwert). Bestraft wird aber nach der Geschwindigkeit, die von allen Verkehrsteilnehmern tatsächlich gefahren wird, jeweils die oberen 3%. Auf gut ausgebauten Straßen kann man und es wird schnell gefahren, also liegt die Strafgrenze z.B. bei 140km/h (3% aller Benutzer fahren schneller als 140, der Durchschnitt liegt bei 105). Bei einem kurvigen Fiktionalssträßchen mit viel landwirtschaftlichem Verkehr liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit z.B. bei 65 km/h, die 97%-Grenze liegt bei 80 km/h, also wird jeder gestraft, der schneller als 80 fährt? Zur Erinnerung, das Gesetz erlaubt 100 ... wer einmal Solschenizin gelesen hat, der erkennt das Muster ...

Bei sowas kann ein Rechtsstaat nur feste Grenzen legen. Z.B. maximal 5 Meilen Abweichung und/oder 5 Grad.

Aber auch das wäre immer noch ein Denkfehler ... Wollen wir, daß jeder immer und überall auf den Meter genau navigiert? Anno 1997 haben das eine TU-154 und eine C-141 vor der Afrikanischen Küste vorgemacht ... auf die Spitze getrieben hätten die Piloten dann die Wahl: Strafbare Kursabweichung wegen Ausweichen, oder Zusammenstoß dank überkorrekter Navigation? Man muß auch mal links überholen, weil man rechts zu weit von der Ideallinie weg wäre?

Ich denke, Sie erkennen die Absurdität.

Gruß
###-MYBR-###Stefan

P.S.: Wo im LuftVG ist denn der Begriff "Flugerwartungsgebiet" definiert? Zu welchem Zweck und mit welchen Konditionen und Sanktionen?
28. April 2006: Von Michael Hermann an Stefan Jaudas
Hallo Stefan,

sie hätten recht, wenn ein Verfahren jemanden zwangsweise kriminalisieren würde, d.h. also, ohne dass er jemand was dagegen tun kann.
So ist das aber nicht. Eine über die Statistik festgelegte Grenze sagt nur, dass der *Erwartungswert* (z.B. für die Überschreitung) bei 3% liegt.
Wer das ist, ist unbekannt. Wer korrekt bzw. innerhalb der Toleranz navigiert, ist nicht betroffen.
Stellen Sie sich vor, durch einen Zufall wären die "mechanisch" errechnete Toleranz identisch zu einer 3%-Toleranz.
In einem Fall würden Sie dann sagen, 3% werden zwangsweise kriminalisiert, im anderen Fall nicht - obwohl die Anzahl der ausserhalb der Toleranz fliegenden Piloten identisch ist. Absurd?

Genauer gesprochen: Wie, glauben Sie, werden die "mechanischen" Grenzen festgelegt?

Ich nehme an, Sie meinen Solschenizyn. Von dem habe ich vor Jahrzehnten mal Archipel Gulag gelesen, aber ich gebe zu, ich kann im Moment den Bezug nicht herstellen. Liegt an meiner Vergesslichkeit. Worauf spielen Sie an? Auf Willkürgesetze der Stalin-Ära? Sozusagen man ist immer schuldig, egal, was man macht?

Mich würde auch interessieren, wo denn nun der Begriff 2-Sigma in dem Fall herkommt und was er bedeutet. Den hat laut Artikel das LBA benutzt, aber nirgends steht bisher, wie er definiert ist.

Was Notfälle betrifft so ist ohnehin klar, dass jeder Pilot letzten Endes selber entscheidet, was er tut. Die Verfahren sind Normalverfahren.

Wenn ich meine Frau mit Herzinfarkt ins Krankenhaus fahre, dann scheisse ich (mit Verlaub) auf die 100km/h auf der Landstrasse, sofern sich dabei nicht eine grössere Gefährdung anderer ergibt.
Wenn mich nun eine Streife mit 150 blitzt und es zu einer Verhandlung käme, dann habe ich sehr gute Chancen, dass mein Verstoss keine Konsequenzen hat.

M. Hermann
28. April 2006: Von  an Stefan Jaudas
Hallo Stefan,

nicht im LuftVG sondern hier:
Zitat:
"Jedes Flugverfahren unterliegt navigatorischen
Toleranzen, die von der ICAO (International Civil Aviation Organisation) im Dokument 8168 festgelegt sind. Dieses Dokument beinhaltet die Procedures for "Air Navigation Services – Aircraft Operations, kurz PANS OPS" genannt"
Zitat Ende

Wie ein FEG-Konstrukt gebastelt wird bzw. aussieht findest Du hier (pdf):
Hier klicken!

Bekanntermaßen sind die ICAO-Richtlinien von der Bundesrepublik anerkannt und grundsätzlich übernommen worden!
28. April 2006: Von Michael Hermann an 
Thomas,

nach dreimaligem Lesen des Berichts habe ich jetzt wohl den Ursprung dieses Sigma raus (hat bei mir lange gedauert).

Die spezielle Route heisst KIRDI2S und vermutlich meint das LBA nun "KIRDI-2-Sigma".
Also ist das "2-Sigma-Flugerwartungsgebiet" identisch mit dem "Flugerwartungsgebiet der Route KIRDI2S".
Hat nichts mit Statistik zu tun - mea culpa.

Wie und warum ein S zu Sigma statt, wenn schon eine neue Abkürzung her muss, Sierra wird: keine Ahnung.

Aber damit fühle ich mich jetzt wohl und verstehe SOWOHL das LBA-Schreiben ALS AUCH die mechanistische Konstruktion des FEG.

Deswegen läuft auch google komplett in die Leere ...

M. Hermann
28. April 2006: Von Stefan Jaudas an 
Hi,

damit wäre ja das Thema "Statistik" von Tisch. Wie gesagt, feste Grenzen sind OK. Drin oder nicht drin. Grenzen, bei denen automatisch ein Teil nicht drin wären, die wären Kappes.

Trotzdem, man wird anscheinend schon zum "Täter", wenn man von irgendeiner Ideallinie abweicht. Nur wird man gnadenhalber erst ab einer gewissen Schwere des Vergehens verfolgt. Das ist aber nett. Und interessant. Walk the line, and you'll be fine. Das ist Gedankengut, das ich lieber nicht ins Politische übersetze ...

Eine "Linie" ist eine eindimensionale geometrische Figur. Bereits bei ihrer Darstellung wird es aber zweidimensional (und damit ordnungswidrig). Weil der Strich in der Karte zwecks Sichtbarkeit zwangsläufig eine Breite hat, welche eine Linie nicht hat. Und schon ist es vorbei mit der Ideallinie ... *LOL*

Wenn ich das nächste Mal in eine CTR will, und ich melde mich "5 Minuten nörlich November 1", und es sind tatsächlich 5,5 Minuten, oder Nordnordwest, muß ich dann auch 250 Steine abdrücken?

Und wenn ich mir den Tenor des Schreibens ansehe, da wird anscheinend auf dem Lärmschutz herumgeritten. Ganz nebenbei wird etwas von Fliegen ohne FVK- Freigabe erwähnt. Das scheint aber bei weitem nicht so wichtig zu sein wie der Lärmschutz. Kann mir armem VFR- Piloten das mal jemand erklären?

Gruß
###-MYBR-###Stefan

P.S.:
Die 33.te VO zur 114.ten DVO? Mist, jetzt musste ich in den Papierkorb kotzen, aufs Klo hats nicht mehr gereicht ...
28. April 2006: Von Michael Hermann an Stefan Jaudas
Stefan,

ich denke, jetzt habe ich "unser" Missverständnis auch herausgefunden. Du meintest vermutlich, ein statistisches Verfahren würde *nachträglich* die Grenzen so festlegen, dass immer welche rausfliegen (Wortspiel :)).
Ist aber nicht so, dürfte jetzt klar sein. Die Grenzen sind fest und sie sind vorab bekannt.

Die "Gnade" habe ich so auch nicht verstanden, das hat das LBA bzw. diese Sachbearbeiterin m.E. ziemlich ungeschickt ausgedrückt. Das Toleranzgebiet ist keine Gnade, das ist halt so definiert. Da kann sich das LBA auf den Kopf stellen und mit den Füssen wackeln.

M. Hermann
21. Juni 2006: Von Helge Zembold an Michael Hermann
Hallo,

kurz mal ein Nachtrag zum Thema "Sigma2" oder besser: "Standardabweichung Sigma". Sigma kommt aus dem Bereich der Statistik und hat rein gar nichts zu tun mit der Bezeichnung KIRDI2S(igma). Genaueres gibts hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Standardabweichung.

Ich habe dereinst mal im ATPL lernen müssen, was 2 Sigma bedeutet... Wenn ich mich recht entsinne, ging es dabei um Fehlerbetrachtungen. Die Standardabweichung Sigma (= 68 %) ist ein Maß für die Streuung einer Verteilung (z. B. Menge von Messungen) um den Erwartungswert (z. B. Mittelwert über alle Messungen). 2 Sigma bedeutet, dass sich rund 95 % Prozent aller Messwerte innerhalb eines definierten Intervalls um den Erwartungswert herum befinden. Wie das jetzt im konkreten Fall auf der KIRDI2S-Departure aussieht, kann ich allerdings auch nicht erklären...
22. Juni 2006: Von Herbert Schödel an Helge Zembold
Hallo,

die Anwendung dieser statistischen Verfahrens ist aus meiner Sicht relativ einfach.
Man zerlegt die zu fliegenden Flugbahnen in Grundmanöver wie Geradeausflug, Kurven etc. Zu jedem Grundmanöver ermittelt man experimentell, wie gut Piloten diesem Sollweg folgen können. Dieses hängt natürlich von den drei Faktoren Pilot (inkl. Lfz Typ), Wetter, Instrumente ab. Dann ermittelt man den Abstand, den 95% der Piloten (z.B. bei 950 von 1000 Flügen)von der Sollbahn eingehalten haben. Zu jedem Grundmanöver gibt es so ein Toleranzband in Metern von der Sollbahn, den statistisch 95% der Piloten einhalten können.
Mit diesem Toleranzband kann man nun zu allen Procedures den 2Sigma Raum festlegen, ohne jemals wieder Statistik anwenden zu müssen. Sondern dieses geht nun rein mechanisch.

Diese Verfahren kommen relativ häufig vor (z.B. Toleranzen für Geschwindigkeitsüberschreitungen). Sie nehmen bewusst Ungerechtigkeiten in Kauf, denn die 5% außerhalb der Toleranz basieren evtl. auf mangelnder Fähigkeit des Piloten, vieleicht aber auch auf extreme (seltene)Wettersituationen. Aus Gründen der Rechtssicherheit nimmt man dieses aber hin.

Die Prozente 68% und 96% für Sigma bzw. 2Sigma gelten übrigens nur für die sogenannte Gausßsche Normalverteilung. Es gibt aber vernünftige Gründe, diese im vorliegenden Fall zur Modellierung zu unterstellen. Die Richtigkeit dieser Annahme ist allerdings grundsätzlich nicht beweisbar.

Beispiel 1: Die elektrische Spannung 230V aus der Steckdose ist übrigens der 1Sigma Wert der el. Spannung, denn der Mittelwert ist Null (positive und negative Werte!). Der Abstand der elektrischen Spannung von diesem Mittelwert quadriert, summiert und Wurzel daraus ergibt 230V.

Beispiel 2: Eine Technische Größe (Widerstand, Schraubendurchmesser, Gewicht von Lebensmitteln ...) hat z.B.einen Wert von X+-10%. Das bedeutet, dass 68% der Produktionsmenge (Losgröße) einen Wert zwischen X-10% und X+10% haben, 95% zwischen X-20% und X+20%, ganz ganz wenige aus der Produktion können Werte weit weit aus der Toleranz, z.B. 1000X haben. Dieses kann man aber methodisch nicht ausschließen, auch wenn es höchst selten vorkommt. Wenn man dieses Ausschließen will, muss man jedes Stück Einzeln prüfen und aussortieren (nennt man Screening). Wer behauptet, dass solche Ausreißer ausgeschlossen sind, beweist damit, dass die Annahme einer Gaußschen Normalverteilung nicht richtig ist.

Dipl.-Ing.(Uni) Herbert Schödel

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