Ich genieße mein Hobby der Privatpilotenfliegerei, weil es mich von meinem Beruf gut abschalten lässt: Ich bin Gesellschafter in einer größeren Kanzlei und berate ausschließlich zum Datenschutzrecht. Wenn sich in diesem Thread beide Themen verbinden, möchte ich etwas dazu schreiben:
Als Warm-up ein einfaches Gedankenspiel:
Die Maschine steht im Eigentum des Leasinggebers (1), der Vercharterer (2) ist der Halter der Maschine, eine weitere Person ist Charterkunde (3), noch eine andere Person PIC (4) und ich bin Passagier (5). Eine andere eine Person hat eine kleine ADSB-Antenne auf dem Balkon (6). Und FR24 bereitet die Daten auf und speichert sie (7). Drei weitere Nutzer (8a, 8b, 8c) mit unterschiedlichen Hintergrundwissen rufen nun die Daten ab. Könnten nun alle zehn hier beteiligten Personen behaupten, es seien „ihre“ Daten?
Es gibt nicht „meine“ oder „Deine“ Daten. Das Datenschutzrecht und auch die europäische Rechtsordnung insgesamt kennen kein allgemeines Eigentum an Daten. Es gab politische Pläne, das anders zu regeln; und Sonderfälle wie ein Datenbankrecht oder Urheberrechte (die hier keine Relevanz haben) lassen wir außer Betracht. Im vorgenannten Beispiel ließen sich die Daten mit unterschiedlichen Argumentationen jeder der Personen zuschreiben.
Es geht im Datenschutzrecht um die Balance zwischen der Gefahr von Daten und dem Nutzen von Daten. Dass ich in der getrackten Maschine sitze, ist jemandem (8b) bekannt. Für die datenschutzrechtliche Bewertung sind deshalb zwei Fragen relevant: 1.) Handelt es sich um personenbezogene oder personenbeziehbare Daten? 2.) Existiert dann eine Erlaubnis für die konkrete Verarbeitung?
Frage 1) ist die Gretchenfrage des Datenschutzrecht und sorgt seit rund 40 Jahren für Diskussionen. Im Kern kommt es auf die Fähigkeit einer Stelle an, Daten auf einen Menschen zu beziehen. Die Schwierigkeit zeigt sich ja auch hier in der Diskussion: Zwar speichert FR24 die Daten, aber das Wissen, um wen es dabei geht, hat FR24 vielleicht nicht. Vielleicht hat ein Nutzer dieses Wissen, und wahrscheinlich ist das bei Usern auch wieder unterschiedlich. Wem die D-IAFM gehört, weiß der Eine, aber nicht der Andere. Ob das der Fall ist, kann wiederum FR24 nicht unbedingt wissen.
Deshalb präzisieren Gerichte immer wieder, welche Stelle relevant ist, wie Fähigkeiten im Detail zu bewerten sind, was im Nebeneinander oder Miteinander von mehreren Stellen gilt, und so weiter. Im Kern wird die Antwort auf Frage 1 zwar nicht immer, aber doch in verschiedenen Fällen immer wieder „ja“ lauten. Denn selbst wenn FR24 nicht weiß, auf wen sich die Daten beziehen, aber FR24 durch Veröffentlichung irgendjemandem, der die Daten auf einen Menschen beziehen kann, verfügbar macht, sind die Daten auch für FR24 datenschutzrechtlich relevant. Dies folgt aus einem Verfahren, was der EuGH erst vor wenigen Wochen entschieden hatte. Wir hatten das geführt zur Frage von Fahrzeugidentifikationsnummern. Dabei ging es zwar nicht um Flugzeuge, auch sendet ein Fahrzeug seine VIN ja nicht aus. Aber dieser Grundsatz lässt sich übertragen. Deshalb wird FR24 das praktisch nicht trennen können und insgesamt die Datensätze als datenschutzrechtlich relevant behandeln müssen.
Frage 2 ist differenzierter. Nein, wie hier schon richtig geschrieben, gibt es weder eine Einwilligung, (Opt-in) noch irgendeine Vertragsbeziehung mit FR24. Das sind aber auch nicht die beiden einzigen möglichen Rechtsgrundlagen. Relevant dürfte hier eine allgemeine Interessenabwägung sein. Das ist im Datenschutzrecht so etwas wie ein Waagschalenmechanismus: Was spricht für wen für die Verarbeitung, was spricht aus Sicht der betroffenen Person dagegen.
Für einen Umgang mit den Daten spricht zunächst einiges: Es sind keine Daten aus der Intim- oder auch nur Privatsphäre. Sondern aus der Sozialsphäre; ich bewege mich nun einmal durch den öffentlichen (Luft-)raum. Auch erlauben die Flugspuren kein so detailliertes Bild über meine Lebensführung, wie dies beim Pkw der Fall wäre; der Besuch beim Psychiater, bei den anonymen Alkoholikern und bei der Affäre ließen sich vielleicht aus der Fahrspur eines Autos ableiten, aber eher nicht aus den Flugspuren eines Flugzeug. Und anders als ein Autokennzeichen sendet ein Luftfahrzeug seine Kennung aktiv aus. Auch ist klar, dass das ausgesendete Signal bei vielen anderen Stellen empfangen und in irgendeiner Form verarbeitet wird - sei es bei Langen, oder im von mir benutzten SkyEcho oder in der von mir geflogenen SR 22. Ein Transponder ist im Grundsatz gewollte Kommunikation.
Nur ist zwischen gewollten und ungewollten Empfängern zu unterscheiden. Und wohl auch zwischen der genauen Form der Verarbeitung: Die Anzeige in Echtheit hat einen anderen Charakter, als das Archivieren der Spuren und die spätere Abrufbarkeit.
Andererseits lassen sich natürlich sehr wohl Informationen ableiten, die niemand mit der Öffentlichkeit teilen will. Ob ich nun einen Tag auf Juist oder drei Tage in Zell am See verbringe, muss niemand aus meinen Flugspuren ablesen. Und Echtzeitdaten haben zwar noch einen gewissen Nutzen in Bezug auf Sicherheit; und bei Linienflügen lässt die Pünktlichkeit die letzten Umläufe sinnvolle Rückschlüsse auf den anstehenden Flug zu. Aber aus archivierten Daten privater Maschinen lässt sich kaum etwas Berechtigtes für Dritte ableiten.
Im Rahmen der Waagschale ist aber auch das Verhalten der Personen relevant. Wenn etwa der YouTuber Pilot Frank die Öffentlichkeit sucht, sein Kennzeichen D-MCCV kommuniziert und seine Flüge öffentlich nachbereitet, wäre es für ihn schwer, hier ein entgegenstehendes Interesse überzeugend darzulegen. Bei Friedrich Merz ist die Sache etwas anders gelagert. Nach meinem Verständnis hat er als Kennzeichen bewusst Foxtrott Mike für die beiden letzten Buchstaben gewählt. Natürlich legt er damit nicht automatisch seine Identität offen. Früher gab es aber auch ein Pressefoto von ihm vor (seiner? damaligen?) C 172. Andererseits dürfte er ein nachvollziehbares Sicherheitsinteresse haben. Vielleicht Angst vor Anschlägen, Sabotage. Auch wäre wahrscheinlich gerade er ein attraktives Ziel für Klimaaktivisten. Bei ihm spricht also viel dafür, dass ein Trackingdienst die Maschine sowieso nicht aufbereiten dürfte.
Wir Normalos liegen dazwischen: Ein Trackingdienst darf die ADSB-Spuren einsammeln und öffentlich zugänglich machen - solange sich nicht eine Person dort meldet und dokumentiert darlegt, dass sie in Bezug auf die Maschine (Halter) oder einen einzelnen Flug berechtigt ist (Charterkunde) und dieser Verarbeitung widerspricht (Opt-out). Sinnvollerweise sollten die Tracking-Dienste dafür ein Portal anbieten. Die Archivierung und spätere Abrufbarkeit ist bei Maschinen, die nicht im kommerziellen Einsatz sind, kritisch. Hier fehlt es am berechtigten Interesse Dritter, und gleichzeitig vergrößert die Archivierung den Eingriff in die Position der Betroffenen. In Echtzeit ausgeleitete Daten also ja (Beispiel SafeSky, Argument Sicherheit), später abrufbare Spuren für diese Maschinen aber eher nein. Eben weil die Abwägungen aber abstrakt sind, wird es immer ein Bereich mit Rechtsunsicherheit bleiben: zwei Juristen, drei Meinungen. Rechtssicherheit könnte hier nur der Gesetzgeber schaffen. Das insoweit ähnlich gelagerte Beispiel des Flugfunks ist ja hier bereits erwähnt.