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Sonstiges | Felt like Smolensk  
2. Juni 2010: Von Stefan Kondorffer 
Guten Abend,

ist völlig off topic, aber ich muss mir das jetzt mal von der Seele schreiben. Bin gestern mit Air Adria von Ljublijana nach Skopje geflogen. Letzterer gilt ja als schwieriger Airport, wenn gleich das für Flugzeuge der AL m.E. nicht gilt. War schon ein paar Mal mit E-Klasse hier und da gab es außer malerischen Anflügen unterhalb der umliegenden Gipfel nicht viel zu berichten.

Im CRJ200 sieht das schon etwas anders aus. Da steht in der Verlängerung der Runway nämlich ein Berg, der zumindest bedacht werden will.

Sei's drum. Gestern abend also Anflug auf Skopje. Es war dunkel, Wetter als Passagier schwer zu erkennen, glaube da waren ein paar Fetzen in vielleicht 1500 Fuß aber max. Few. Ansonsten war zumindest die Wettervorhersage (hatte nur nach dem touristischen Wetter, nicht nach dem Flugwetter geschaut - war ja auch nur Passagier) gut, kaum Bewölkung, trocken, 22 Grad.

In ca. 50ft über der Runway dann go around. Prima, denke ich, haste lange nicht mehr gehabt. Anflug war recht stabil - also allenfalls etwas gewundert und neugierig gefragt, was es denn wohl gewesen sein könnte.

Dem Berg wird im go around alsbald mit einer Rechtskurve ausgewichen und mit ein paar weiteren Rechtskurven geht es zurück zum Platz. Kurz vor dem Final dann Durchsage des Käptn, das Instrumentenlandesystem des Flughafens hätte falsche Anzeigen geliiefert, deshalb hätte man neu angesetzt. Sei alles kein Problem. Gut, da fragt man sich natürlich, welches System denn was angezeigt haben könnte, aber ok, nimmt man zunächst mal so hin. Ist ja zumindest denkbar. Flieger war also über dem Gleitpfad, Landebahn dann zu kurz und go around.

Der zweite Anflug änderte erneut in fast exakt der gleichen Höhe, als das Gas nachgeschoben wurde - in zwei Stufen, zunächst vielleicht auf 70 Prozent und dann weiter bis nach vorne.

Double missed approach. Hmm, dann war da offensichtlich noch einer der Herren unsicher, ob er jetzt Gas geben sollte. Das macht einen dann schon deutlich nachdenklicher. Mittlerweile hat die Dame neben mir auch angefangen zu wimmern und hinter mir diskutieren zwei Herren ziemlich lautstark die ganze Bandbreite der Kraftausdrücke des Balkans.

Wieder in Rechtskurven zurück auf Anfang und dann eine ziemlich gestresste Stimme des Kapitäns, wegen Windscheerung hätte man durchstarten müssen. Man werde noch einen Versuch starten und andernfalls nach Pristina weiterfliegen. Ok, abgesehen davon, dass die Aussicht auf eine Landung im Kosovo und eine Nacht dort eher unschön für mich war, fragte ich mich in dem Moment natürlich schon ein paar Dinge:
- Was jetzt - Problem mit dem Gleitpfad oder mit dem Wind? Einmal hat er wohl gelogen
- ist ein dritter Anflug wirklich sinnvoll? Was wird er jetzt besser oder anders machen? Den Flieger auf den Boden zwingen?
- Wo haben gerade noch mehrere Fehlanflüge mit einer Katastrophe geendet?
- Wieso hat der beim zweiten Mal die Hebel so unentschlossen nach vorne gefahren? Sind die beiden da vorne noch im Besitz der situational awareness?

Das Ende der Geschichte, der Dritte Anflug endete mit einer Landung, etwas zu weit und vermutlich mit Überfahrt. War jedenfalls hart und am Ende der Bahn war ein kurzer Backtrack nötig, weil wir trotz starker Bremsleistung eben die ganze Bahn benötigten.

Tja, warum schreibe ich das - zunächst mal, um festzustellen, dass man als Passagier - mit oder ohne Kenntnisse der Verfahrensabläufe ganz schön ausgeliefert ist.

Zweitens, um festzustellen, ob und wer auch schon einmal zwei missed approaches in Folge erlebt hat? Und wie reagiert ihr bei Euch selbst? Ich muss lange überlegen und kann mich an zwei missed approaches nur erinnern, als ich meine Spornradeinweisung erhielt. Ansonsten war die Sache meistens mit einem Fehlversuch erledigt - aus ganz unterschiedlichen Gründen, die hier jeder kennt (Bahn noch belegt bei unkontrollierten Plätzen, minimum und Platz nicht in Sicht etc.).

Ich habe mich selber gefragt, was ich nach einem zweiten missed approach tun würde. Wirklich noch ein dritter Versuch? Klar, es kommt immer auf die Ursache an, aber wenn ich wiederholt feststelle - wie in diesem Falle - dass ich die Bahn nicht treffe weil ich zu hoch und/oder zu schnell bin (bei quasi CAVOK) und ich weiß dass ich mich nicht im Flachland befinde sondern bei nacht in gebirgigen Gelände - würde ich ein drittes Mal anfliegen?
Habe jetzt hin und her überlegt und komme zu dem Schluss, dass ich persönlich nach dem zweiten missed approach zum Alternate fliegen würde. Denn was mich eunruhigt ist das Szenario, dass man - evtl. zusammen mit dem Ko - ein riesiges Brett vorm Kopf hat und die Ursache nicht richtig sieht. Außerdem steigt das Bedürfnis beim dritten Versuch exorbitant an, den Flieger jetzt aber runter zu kriegen (so habe ich es als Passagier gefühlt) - was auch oft genug in der Hölle endete.

Eure Meinung würde mich interessieren.
Korndörffer.
2. Juni 2010: Von  an Stefan Kondorffer
Was ist dabei? Sowas kann vorkommen.
Besser ein Go-Around, als eine mißglückte Landung.
Es ist einfach ein ganz normales Flugmanöver und keine Kapitulation.
Beispiel (Lausanne letztes Jahr)
1. Anflug. Die Maschine vor mir räumt einfach die Bahn nicht.
2. Anflug. Windböhe mit Turbulenz wirft mich von der Anfluggrundline und das in 50 bis 60ft Höhe.
3. Anflug. Landung.

Man sollte sich bei jeder Landung auf einen Go-Around vorbereiten, wenn die Landung klappt (ist ja meistens so), dann ist das schön, wenn nicht dann gibts halt den nächsten Versuch.

Gruß,###-MYBR-###
Markus
###-MYBR-###

###-MYBR-###
2. Juni 2010: Von Flieger Max L.oitfelder an Stefan Kondorffer
HalloStefan!

Zu Deinem Erlebnis ein paar Anmerkungen:
"Letzterer gilt ja als schwieriger Airport"
Das ist etwas übertrieben, es gibt im SW-Anflugsektor auf die 34 einige Berge, aber überschiessen sollte man auch woanders nicht. Der GP mit 3,3 Grad ist nicht wesentlich steiler als sonst, die Piste mit 2,5km auch lang genug. Dafür gibt es Befeuerung, ILS und VOR.

"Im CRJ200 sieht das schon etwas anders aus. Da steht in der Verlängerung der Runway nämlich ein Berg, der zumindest bedacht werden will."
Der Berg ist ca. 8 NM nördlich der Schwelle 16, für die Piste 34 ist das relativ belanglos, aber es gibt keinen Instrumentenanflug auf die 16 und auch kein Circling bei Nacht (zumindest nicht für Großflugzeuge, zählen wir den CRJ mal dazu).

"..Instrumentenlandesystem des Flughafens hätte falsche Anzeigen geliefert..
..Flieger war also über dem Gleitpfad, Landebahn dann zu kurz und go around..."
Laut Wetterberichten war das Wetter tadellos mit fast Windstille und mehr als 10km Sicht bei Wolken nicht unter 5000ft. Wenn wirklich in so geringer Höhe durchgestartet wurde dann war die Ansage wohl eine Notlüge. Das Minimum ist in SKP mehr als 420ft/GND.

Und die "Windscherung" ist in SKP sicher möglich, bei weniger als 4 kts aber evt. auch nicht dramatisch.

Was ich damit sagen möchte: Ohne Genaueres Wissen ist auch mit Kenntnis des Platzes (war erst heute dort) keine Aussage zu treffen die Deine Fragen beantworten kann.

Zwei Mal oder auch drei Mal durchstarten KANN Sinn machen, mir fällt dazu aber nur Fog Patches, Wind gusts oder auf ATC Anordnung durchstarten ein.
Bei "herkömmlichen" Gründen reicht doch auch die Erkenntnis dass man beim ersten Mal am Minimum nichts sieht.

LG,
Max
4. Juni 2010: Von Stefan Kondorffer an Flieger Max L.oitfelder
vielen Dank für eure Antworten,
also zunächst mal - dass Durchstarten nichts "schlimmes" ist, ist mir auch klar und habe ich ja auch selbst oft genug gemacht, aus den unterschiedlichsten Gründen. Und zwei mal durchstarten (einmal Böe, einmal Bahn nicht frei) scheint mir auch denkbar.

Aber ich sage euch - als Pax bei Nacht auf dem Balkan in bergigem Gelände 2x durchstarten in ca. 50 Fuß mit einem Kapitän, der möglicherweise zu einer Notlüge greift - das fühlt sich zumindest merkwüdig an und man möchte in diesem Moment einfach sehr gerne wissen, was hinter der Tür vorgeht. Und ich persönlich häte mich als Passagier ohne einen dritten Anflug und mit Alternate einfach besser gefühlt - das ist halt ein ganz subjektives Gefühl, was möglicherweise von mangelnden Infos herrührt.

Aber Max - da Du noch im Liniendienst stehst - wie oft bist Du in den letzten 5 Jahren zweimal aus dem selben Grund durchgestartet und hast einen dritten Anflug gemacht?
4. Juni 2010: Von Flieger Max L.oitfelder an Stefan Kondorffer
In den letzten 5 Jahren aus demselben Grund ZWEIMAL durchgestartet?


In den letzten 15 Jahren nicht mehr, konnte aber einem Kollegen am Funk zuhören dem zweimal hintereinander ein Go Around befohlen wurde weil die ACTC sich etwas verschätzt hatte. Das zweite Mal entwickelte sich schon eine eigenartige Diskussion am Funk nach dem Muster "das geht doch leicht" "Negative".
###-MYBR-###:-)

Selbst kann ich mich nur an einen Abend in Klagenfurt erinnern mit interessanten Nebelschwaden; Beim Überflug des Platzes war jede Lampe der Befeuerung wunderbar zu erkennen, am Final dann auch noch, nur kurz vor dem Minimum war es dann zappenduster.
Beim Durchstarten dann wieder bester Blick nach unten, exakte Wiederholung beim zweiten Anflug, also zurück nach Wien. Auch das war für die Passagiere sicher eine intellektuelle Herausforderung, die ja nur den Blick nach unten beim Durchstarten hatten. Das eine Citation zur gleichen Zeit "problemlos gelandet" ist war keine Überraschung.
4. Juni 2010: Von  an Flieger Max L.oitfelder
..das eine Citation zur gleichen Zeit "problemlos gelandet" ist war keine Überraschung...

Da könnte man meinen, die GA-Piloten haben "Röntgen-Augen". Leider ist sowas immer noch "Standard" in der GA-Fliegerei. Ein Kunde (wirklich nur ein Kunde) zahlt für einen Flug von A nach B das 15-20 fache von einem Linienflug und erwartet einfach, das er da auch hin kommt. Der Druck auf die Piloten ist sehr groß, wenn nicht dort gelandet wird. Ärger mit dem zahlenden Kunden (meist sehr reich und erfolgsverwöhnt), Ärger mit dem Chef, Jobverlust, "schlechter Ruf" bei Kollegen und anderen GA-Airlines, usw.

Ich denke, jeder der gewerblich in der GA fliegt, hatte schon solche Erlebnisse.
4. Juni 2010: Von  an 
Womit sich der Kreis "Felt like Smolensk" schließt. Wenn der PIC einer gecharterten Citation Sanktionen erwartet, wenn er seinen Kunden nicht auftragsgemäß befördert, was kommt dann auf einen Militärpiloten zu, der in eine Kette aus Befehl und Gehorsam eingebunden ist, und den Staatspräsidenten befördert?

WP
4. Juni 2010: Von Flieger Max L.oitfelder an 
Ja, dieses "Phänomen" findet man aber leider nicht nur in der GA, ich habe mich schon des Öfteren über diverse kleine Airlines gewundert die zB bei 400m RVR einen VOR-APP hinlegten. Ist ja gutgegangen..

In diesem Zusammenhang wird der Tupolev-Absturz in Smolensk sicher noch interessant.
Mein polnisch sprechender Nachbar hat Teile des CVR-Transskripts übersetzt und da wird deutlich dass auf den Piloten sehr wohl entsprechender Druck seitens der Regierung gelastet hatte (Stimme im Cockpit: "ER hat noch keine Entscheidung getroffen").

Der Einzige der etwas entscheiden hätte sollen war beim Anflug auf Tiflis noch Copilot.
5. Juni 2010: Von Stefan Kondorffer an Flieger Max L.oitfelder
also Deine Innsbruck Erfahrung - zweimal go around wg Nebelschwaden und keine Sicht auf die Piste am Minimum und dann..."zurück nach Wien". Also auch kein dritter Versuch...Naja, vielleicht treffe ich den Air Adria Piloten mal irgendwann und kann ihn fragen. den Namen hab ich mir notiert :)

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