
Ganz oben: Das Original. So wurden Kennzeichen bei der King Air 200 seit 40 Jahren in Deutschland zugelassen. Unten: Nach einem Personalwechsel beim LBA beginnt die Lernkurve von Neuem! |
Ein Flugzeug, zumal ein hochwertiges, zu verkaufen ist richtig Arbeit. Und wer eine hochwertige Business-Turboprop sucht, der landet in Deutschland schnell bei Beechcraft in Augsburg. Das Unternehmen verfügt in der Branche sowohl bei der Wartung wie auch beim Handel mit den edlen Beech-Flugzeugen über einen tadellosen Ruf und ist für seinen exzellenten Service auch nach dem Kauf bekannt.
Und guten Service brauchen die Kunden. Denn Kauf samt Umregistrierung einer King Air ist inzwischen eigentlich nur noch für Profis zu schaffen. Wo wann welches Papier beim Amt wie und in welcher Frist auf welchem Formular und mit welchem Stempel eingereicht werden muss, ist eine Aufgabe, die im EASA-Land inzwischen mindestens so komplex geworden ist wie die Instandhaltung der Flugzeuge.
Beech Augsburg macht das seit Jahren. Zur Zufriedenheit der Kunden und zur Zufriedenheit des LBA.
Nun ist die Grundkonstruktion einer King Air 200 keineswegs brandneu. Die markigen Formen der Twin-Turboprop zieren den Himmel über der ganzen Welt seit 1969. Da sollte man doch meinen, dass die Frage, wo die ICAO-konformen Kennzeichen anzubringen sind, inzwischen gelöst sein müsste und als bekannt und beherrscht vorausgesetzt werden kann.
Die King Air ist zwar wuchtig, aber dennoch keine fliegende Plakatwand. Und solange man das Kennzeichen nicht im Bannerschlepp hinter sich herzieht, gibt es eigentlich nur einen Ort, an dem die Kennzeichen angebracht werden können: direkt hinter der Endleiste unten am Rumpf. Und dort werden sie seit 1969 auch platziert. Ziemlich unabhängig davon, ob ein D, ein G oder ein N auf den Rumpf kommt und ob es sich um das klassische Lack-Design mit Mittelstreifen oder das etwas modernere Design mit dunkler Rumpfunterseite handelt. Das Kennzeichen landet meistens da.
Seit 45 Jahren werden King Airs in Deutschland also mit dem Kennzeichen an dieser Stelle zum Verkehr zugelassen! Also brachte man bei der Umregistrierung einer frisch verkauften King Air 250 (gleiche Rumpfmaße) das Kennzeichen genau dort an.
Entsprechend groß war die Überraschung, als dies vom zuständigen Mitarbeiter des LBA plötzlich abgelehnt wurde. Das Kennzeichen müsse auch bei geöffneter Tür zu sehen sein! Wo diese Forderung herkommt, ist nicht ganz klar, aus den international verbindlichen ICAO-Regeln zur Kennzeichnung von Flugzeugen jedenfalls nicht. Seit über vier Jahrzehnten klebte oder lackierte man das Kennzeichen D an diese Stelle. Seit dem Herbst 2013 plötzlich nicht mehr!
Alles Verhandeln und Bitten half nichts. Das Kennzeichen musste aufwendig wieder entfernt und neu aufgebracht werden. Kosten: über 5.000 Euro und dazu eine saftige Verzögerung bei der Auslieferung des Flugzeugs!
Sodann stellte sich die Frage: Ja wohin soll das Kennzeichen denn jetzt? Und die war gar nicht so einfach zu beantworten!
- An die Rumpfoberseite hinter das letzte Fenster? Geht nicht, das verzerrt den letzten Buchstaben.
- Ans Leitwerk? Geht auch nicht, denn der zweite Buchstabe darf aus technischen Gründen nicht in den Seitenruderspalt geraten. Wenn man aber den nötigen Abstand herstellt, ist das Schriftbild zu weit auseinandergezogen.
- Hinter die Tür? Geht nicht. Da ist der Rumpf der King Air zu klein.
Es stellte sich heraus, dass es augenscheinlich durchaus einen Grund gibt, weshalb die Kennzeichen seit 45 Jahren meistens an der althergebrachten Stelle angebracht werden. Das konnte man beim LBA jetzt aber natürlich nicht mehr zugeben. Also fertigte man eine Sondergenehmigung aus, die Kennzeichen kleiner als von der ICAO gefordert hinter der Tür anzubringen. Die Kennzeichen sind jetzt also kleiner, schlechter lesbar und nicht mehr den internationalen Forderungen entsprechend. Aber das LBA ist zufrieden!
Das Ganze könnte man als Posse abtun. Wir haben dieses Beispiel jedoch an den Anfang unserer Reihe gestellt, da es ein bestimmtes Schema verdeutlicht. Nach einem Personalwechsel in der entsprechenden Abteilung wird das Rad neu erfunden. Jahrzehntelange Praxis wird verworfen. Dann stellt man fest, dass es gute Gründe für diese Praxis gab. Und weil man nicht mehr zurück kann, wird im Ergebnis eine absolute Murks-Lösung vorgeschrieben, mit der sich in diesem Fall nun eine arme King Air im Ausland schämen muss.
Hinzu kommt dann noch die Art und Weise, wie dies umgesetzt wird. Wenn eine Werft im Jahr 2013, ohne dass es eine Gesetzesänderung gegeben hätte, ein Kennzeichen dort anbringt, wo es schon seit mehr als 40 Jahren angebracht und genehmigt wurde und sich die Behörde plötzlich überlegt, dass all das nicht mehr gilt, dann wäre das mindeste, was das Amt tun könnte, zu sagen: „Also dieses Mal genehmigen wir das noch, nächstes Mal bitte die Kennzeichen hier oder da anbringen.“
Stattdessen bestand das LBA auf der teuren und zeitaufwendigen Neulackierung der Kennzeichen. Natürlich wäre ein Prozess hier höchst aussichtsreich gewesen, aber der Firma Beechcraft ging es um den Kunden. Und der sollte möglichst schnell sein Flugzeug bekommen.
Solche plötzlichen Änderungen der geübten Praxis sind für Bürger und Unternehmen absolut nicht absehbar. Es ist schon schwer genug, mit den Gesetzesänderungen Schritt zu halten. Wenn dann rückwirkend eine 45 Jahre lang geübte Praxis nicht mehr anerkannt wird, kann der Betroffene dies eigentlich nur noch als Willkür und Schikane ansehen.