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45 Beiträge Seite 1 von 2

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19. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an Olaf Musch
Ich erinnere mich noch sehr gut an einen ärztlichen Kollegen der Lufthansa, der auf einer Fortbildung die Problematik erläutert hat, wenn mann als Arzt an Bord eines Linienflugzeugs erste Hilfe leistet. Er warnte deutlich davor, auf die Ansage "Arzt an Bord?" zu reagieren. Man solle, wie in Amerika üblich, sofort in einen Tiefschlaf fallen. Fehler bei der Behandlung sind nicht durch die Arzthaftpflichtversicherung gedeckt, da nicht während der Berufsausübung gehandelt wurde. Und unten warten die Advokaten, die garantiert einen Fehler finden werden. Und das kostet in USA oft Millionen. Bevor ich mich für die Hilfe ruiniere, erlebe ich einen narkoseähnlichen Schlaf. Das wissen auch alle meine Begleiter. Eine weitere Empfehlung ist, den Dr. Titel nicht auf dem Ticket zu haben. Die werden zuerst geweckt.
Deutlich wurde auch gemacht, dass auf Lufthansa-Flügen dem helfenden Arzt kein Regress droht, bzw. die Kosten von der LH garantiert übernommen werden. Auf LH-Flügen habe ich daher schon 3x geholfen, und als "Lohn" 20.000 Meilen gut geschrieben bekommen.
Man mag das unethisch empfinden, dass da evtl. ein Kranker leidet. Aber für den Rest des Lebens für eine gute Tat mit dem garantierten Ruin belohnt zu werden? So masochistisch bin ich nicht...
19. Januar 2014: Von Olaf Musch an Dr. Thomas Kretzschmar
Ob das nicht wegen unterlassener Hilfeleistung mal irgendwann nach hinten los geht?
19. Januar 2014: Von Justus SJ an Dr. Thomas Kretzschmar
Bezieht sich das auf die Anwälte der jeweiligen Airline oder auf die des "Patienten"? Dieser zumindest sollte doch - sofern lebendig;-) - keine Interessen an irgendwelchen Forderungen gegenüber dem Helfer haben?
19. Januar 2014: Von Achim H. an Dr. Thomas Kretzschmar Bewertung: +1.00 [1]
Um das mit der unterlassenen Hilfeleistung gänzlich auszuschließen würde ich empfehlen, immer einen bestimmten Alkoholpegel zu halten. Die erste Flasche im Duty Free auf Ex um die Zeit bis zum Beginn des Caterings zu überbrücken und dann stabil bis zur Landung halten.
2012 erschien im Ärzteblatt ein ausführlicher Artikel über dieses Thema (in Form einer CME-Fortbildung). Dort heißt es unter anderem:

Recht an Bord eines Verkehrsflugzeugs

Die rechtliche Unsicherheit und das Risiko einer Schadenersatzklage werden häufig als Argument für die eigene Zurückhaltung bei der Ausübung ärztlicher (Not-)Hilfe an Bord eines Flugzeuges angeführt. Der Luftraum und das Flugzeug stellen keinen rechtsfreien Raum dar. Während des Fluges gilt das „flag right“, das heißt, das Rechtssystem des Zulassungslandes des Luftfahrzeuges beziehungsweise der Luftfahrtgesellschaft greift: Bei United Airlines also das Recht der USA, bei Lufthansa das Recht der Bundesrepublik Deutschland. In vielen Ländern gelten Gesetze, die zur Notfallhilfe verpflichten (in Deutschland § 323c StGB, ähnliche Gesetze gelten beispielsweise in Frankreich, Australien, vielen asiatischen Ländern und dem mittleren Osten). Im Gegensatz dazu sind nach britischem, kanadischem und US-amerikanischem Recht Ärzte nicht verpflichtet, bei medizinischen Zwischenfällen an Bord zu unterstützen, es sei denn, es liegt eine vorbestehende Arzt-Patienten-Beziehung vor (19).

Um helfenden Ärzten an Bord jegliche rechtliche Unsicherheit zu nehmen wird häufig eine entsprechende Enthaftungserklärung von der Kabinenbesatzung ausgehändigt, das heißt der handelnde Arzt ist – mit Ausnahme von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit – bei der Durchführung seiner Tätigkeit versichert. Diese Versicherung ist Bestandteil der Haftpflichtversicherung des Luftfahrzeugs und versichert auch eine ärztliche Tätigkeit, wenn im Zulassungsland des Flugzeuges beziehungsweise der Fluggesellschaft die ärztliche Approbation nicht allgemein anerkannt wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass keine Vergütung erfolgt oder geldwerte Leistung für das ärztliche Handeln gewährt wird. Akzeptiert und versichert ist die Notfallhilfe im Gegensatz zur gewerblichen ärztlichen Tätigkeit.

Wenn ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft zum Beispiel durch Ausrufen eines Arztes um medizinische Hilfe bittet, darf dies nicht als (Be-)Handlung im Auftrag missverstanden werden. Sollte ein helfender Arzt finanzielle Ansprüche aus seiner Hilfeleistung herleiten (Liquidation der ärztlichen Leistung), so sind diese gegenüber dem erkrankten Passagier und nicht gegenüber der Fluggesellschaft geltend zu machen.

Seit 1998 ergänzt der US-Aviation-Liable-Act die Gesetzgebung der USA, bekannt geworden als „Good Samaritan Law“: mit Ausnahme von grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlich schädigenden Handlungen („gross negligence or wilful misconduct“) besteht auch hier keine Haftung für helfende Mediziner (49 USC 44701. Aviation Medical Assistance Act of 1998) (20).


Den Rest des Artikels gibt es hier:

https://www.aerzteblatt.de/archiv/129543/Medizinische-Notfallsituationen-im-Flugzeug

19. Januar 2014: Von Lutz D. an Dr. Thomas Kretzschmar
Empfinde Deinen Beitrag als total ehrlich - und absolut verstörend.
19. Januar 2014: Von Willi Fundermann an Dr. Thomas Kretzschmar Bewertung: +1.00 [1]
"Fehler bei der Behandlung sind nicht durch die Arzthaftpflichtversicherung gedeckt, da nicht während der Berufsausübung gehandelt wurde"

Heißt das, bei einem Verkehrsunfall auch vorsichtshalber wegducken? Außerhalb der eigenen Praxis nur helfen, wenn es "Bonusmeilen" gibt und der potentielle Patient vorher eine "Enthaftungserklärung" unterschrieben hat?

Armes Deutschland. Ich hoffe, wenn mir etwas passieren sollte, auf einen etwas mutigeren Arzt.

19. Januar 2014: Von Christian F. an Willi Fundermann
Lufthansa wirbt mit dem "Arzt an Bord" Programm. Die Haftungsfragen sind dort geklärt...

https://www.lufthansa.com/de/de/Arzt-an-Bord

Auch eine Form von "Kundenbindung"....
Danke für den Artikel, ich hatte schon gehofft/vermutet dass es analog zum Chicagoer Abkommen auch im medizinischen Bereich ein Regelwerk gibt das den Arzt von Haftung befreit (die vermutlich nur bei fahrlässigem oder gar vorsätzlichen Fehlverhalten schlagend würde).

Ergänzend noch eine "Feinheit":
Die Gesetzgebung ds Zulassungsstaates gilt dann, wenn sich das Flugzeug "im Flug" befindet:
Das ist definiert durch den Zeitraum zwischen Schliessen der letzten Passagiertür bis zum Öffnen der ersten Tür nach der Landung. Solange die Türen offen sind gelten die Gesetze des Staates in dem sich das Flugzeug befindet, hier hat der Commander auch zum Beispiel keine Möglichkeit, das Betreten durch Polizei zu verbieten während er nach Schließen der Türen sehr wohl die Polizeigewalt an Bord innehat und unter Umständen die Gesetze des Aufenthaltsstaates sowie des Zulassungsstaates parallel gelten können.
19. Januar 2014: Von Achim H. an Flieger Max L.oitfelder
Das mit dem Recht es Zulassungsstaates macht es sehr interessant. Der freiwillige deutsche Arzt an Bord der US-Maschine wird dann in den USA auf Schadensersatz verklagt, da er ohne Approbation handelte, sprich Körperverletzung beging. Er ist ja kein US-Arzt sondern kommt aus einem 3.-Welt-Land.

Ich denke da müssten alle Fluglinien wie die Lufthansa agieren. Da dieses Haftungsproblem bei Ärzten bekannt ist, könnte man die Fluglinie verklagen, wenn sie keine entsprechende Haftungsübernahme anbietet und somit zu verantworten hat, dass dem Patienten nicht geholfen wurde.
19. Januar 2014: Von Flieger Max L.oitfelder an Achim H.
In Deinem Beispiel hat der Arzt ja nicht "in den USA" gehandelt wenn es auf dem Flug dorthin war, es wäre dann also der Zulassungsstaat zuständig.
Aber ich hoffe doch, dass es sogar in Amerika juristisch so etwas wie einen Funken von Hausverstand gibt!?
19. Januar 2014: Von Wolff E. an Flieger Max L.oitfelder
Markus. In den USA wäre ich mir da nicht so sicher. Die verklagen alles und jeden wenn es wad zu holen gibt. Da dort die Anwälte oft auf Honorarbasis arbeiten.
20. Januar 2014: Von Lutz D. an Flieger Max L.oitfelder
Siehe Artikel von Christian...
20. Januar 2014: Von Flieger Max L.oitfelder an Lutz D.
Ich weiß, aber es wird womöglich trotzdem versucht werden, den Samaritian Act zu umgehen.
Beim Standseilbahn-Unglück von Kaprun waren ja auch große Anwaltskanzleien aus den USA wie Aasgeier vor Ort und versuchten irgendwie, für das Unglück in Österreich einen Grund zu finden, in den USA zu klagen.
20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an Lutz D.
Hallo!!!!!
Ich habe nichts davon gesagt, dass ich wegen den Bonusmeilen geholfen habe.
Und nix "armes Deutschland". Hier ist die Rede von amerikanischen Strickfallen. Und der St. Martin hat seinen Mantel geteilt. Er hat nicht für seine Hilfe sich komplett häuten und ruinieren bis zum Lebensende lassen.
20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an Achim H.
Die Hoffnung gibts es in Amerika nicht. Das ist ja wohl hinlänglich bekannt, was da ab geht. Da gibt es gute Hollywoodfilme drüber und genügend Email-Witze, die leider wahr sind...
20. Januar 2014: Von Lutz D. an Dr. Thomas Kretzschmar Bewertung: +1.00 [1]

Jetzt hast Du an mich geantwortet, dabei habe ich das gar nicht gesagt.
Ich sage nur, dass ich das als verstörend empfinde. Ich will und kann das gar nicht bewerten.

20. Januar 2014: Von Flieger Max L.oitfelder an Dr. Thomas Kretzschmar
Das klingt dann doch etwas überzogen, außerdem nehme ich an dass die meisten Mediziner eine Haftpflichtversicherung haben, bei einer Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung dagegen gibt es wohl keine Versicherung.

Wenn es um Menschenleben geht wird logischerweise alles versucht werden, Ärzte unter den Passagieren aktiv zu finden und sie an den Hippokratischen Eid zu erinnern. Ich persönlich verstünde da auch keinen Spaß.
20. Januar 2014: Von  an Flieger Max L.oitfelder
"dass die meisten Mediziner eine Haftpflichtversicherung haben"

Klinikärzte brauchen die nicht, sofern sie keine Privatpatienten behandeln, für eine außerdienstliche/außervertragliche Tätigkeit auch nicht bei einer erste-Hilfe-Leistung/Nothilfe. Die Versicherung einschließlich Fahrlässigkeit muß der Betrieb vorhalten. Und grobe Fahrlässigkeit ist nicht versicherbar. Nicht vergessen: eine Rechtsschutzversicherung ist mindestens genauso wichtig.
20. Januar 2014: Von Achim H. an Flieger Max L.oitfelder
Die Berufshaftpflicht der Mediziner wird wohl wie bei den Juristen auch auf entgeltliche Tätigkeit beschränkt sein, d.h. der Arzt muss liquidieren sonst keine Deckung.

Zum Thema Rechtschutzversicherung: versuche mal von einem deutschen Versicherer eine Deckung für Versicherungsfällen in den USA zu bekommen. Ziemlich ausgeschlossen.

Ich würde als Arzt wohl ausschließlich tätig werden, wenn mir die Fluggesellschaft eine Haftungsfreistellung bietet, so wie Lufthansa. Ob die allerdings was wert ist bei einer US-Fluglinie, die im Durchschnitt alle 3 Jahre in Konkurs geht...
20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an Flieger Max L.oitfelder Bewertung: +1.00 [1]
Hallo Markus,
dein ehrenvolles Denken in Ehren, aber ich würde mal hier nicht aus dem Bauch schreiben, sondern mal sich in die Lage des Arztes rein zu denken, der am Ende bis zum Lebensende ruiniert ist. Wer macht sowas schon freiwillig.
Und: die Berufshaftpflicht deckt das nicht ab, garantiert. Schon garnicht in den zu erwartenden astronomischen Höhen der Schadensersatzforderung.
Und: was ist, wenn man mit einer vom Arzt anbehandelten Leiche in den USA landet? Meinst du, da kann ich dann meinen Urlaub machen und nachher termingerecht wieder nach hause kommen?
Oder wohl eher lange Verhöre, Anklagen, vielleicht mal amerkanische Gefängnisse, einen guten, seeeehr teuren Anwalt finden, die Botschaft um Unterstützung bitten, anschließend mehrfach in die USA zum Prozess, der Hundertausende kostet, verurteilt werden zu Millionen, eine Bank finden, die mir für das Geld gutschreibt, oder, da mir keine Bank Milionen leiht, vermutlich wieder keine Ausreise und den fraglichen Genuss der amerikanischen Gefängnisse auf viele gute Jahre meines Restlebens.
Würdest du das als Arzt auf dich nehmen? Wenn du mal ganz ehrlich bist und nicht unüberlegt den Heiligen abgibst......

Und wenn ich schlafe, und nix vom Aufruf mitbekomme, dann ist es keine unterlassene Hilfeleistung.
So einfach ist das
20. Januar 2014: Von Hofrat Jürgen Hinrichs an Wolff E. Bewertung: +6.00 [6]
Moin zusammen,

ich bin doch ein wenig erschrocken über die diffusen Ängste, die hier so verbreitet werden und die im ungünstigsten Falle dazu führen, dass einem Menschen ggf. lebensrettende Maßnahmen vorenhalten werden. Insbesondere die hier diskutierenden ärztlichen Kollegen möchte ich fragen, inwieweit ihre Kenntnisse belastbar sind oder sich aus "ich habe mal gehört" und "das weiß man doch" speisen.

Die ärztliche Berufsordnung verpflichtet in §1 Ärztinnen und Ärzte dazu, "das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten...", §2 regelt außerdem: "Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Sie dürfen keine Grundsätze an-erkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können."

Die früher vielleicht berechtigte Furcht vor Schadensersatzansprüchen in den USA hat seit dem "Aviation Medical Assistance Act" von 1998 offenbar keine Grundlage mehr: seit 1998 ist es zu keinen Klagen gegen einen hilfeleistenden Arzt auf Linienflügen gekommen (1). Bei den europäischen Fluglinien sieht die Situation sowieso anders aus.

Bei der auch oft zu Ängsten führenden Frage nach der Haftung im Falle einer Ausweichlandung gilt, dass diese nicht vom Arzt, sondern vom Kapitän verantwortet wird.

Ich hoffe sehr, dass die als Passagiere fliegenden Kollegen ihr ärztliches Ethos in der Praxis nicht durch Halbwissen und Vermutungen konterkarieren.

Was die Haftpflichtversicherungen angeht: auch hier scheint sich ein Halbwissen zu verbreiten. Es gibt durchaus Haftpflichtversicherungen für Ärzte, die auch grobe Fahrlässigkeit abdecken. Und natürlich kann man sich, sogar für kleines Geld, gegen Haftungsrisiken bei "gelegentlicher außerdienstlicher Tätigkeit" versichern, die also gerade die Erste-Hilfe-Fälle und ähnliches abdeckt. Eine Rechnungsstellung ist natürlich auch nicht Voraussetzung für eine Leistung der Haftpflichtversicherung.

Viele Grüße

Dr. med. J. Hinrichs

(1): Gendreau MA, De John C: Responding to medical events during commercial airline flights. N Engl J Med 2002; 346: 1067–1073. (Dr. Mark A. Gendreau, Department of Emergency Medicine, Lahey Clinic, 41 Mall Road,
Burlington, MA 01805, USA, mgndru@massmed.org)
20. Januar 2014: Von C*h*r*i*s*t*i*a*n S*u*e*r an Hofrat Jürgen Hinrichs Bewertung: +3.00 [3]
Danke, Jürgen, ich kann Dir absolut zustimmen.

RECHTLICH ist die Suppe ja nur halb so heiss wie sie gekocht wird, sogar unter amerikanischer Flagge - denn wie oben bereits erwähnt wurde, ist grobe(!) Fahrlässigkeit ohnehin nicht versicherbar, egal ob an Bord eines amerikanischen Flugzeugs oder im deutschen Arbeitsalltag. Das bedeutet ja, dass ärztliche Handlungen auch in Deutschland nur durchgeführt werden unter der Prämisse: ich bin nicht frei von Fehlern, weiß aber zumindest soweit, was ich tue, dass ich grobe(!) Fahrlässigkeit ausschließen kann. Von daher kann ich die rechtlichen Sorgen mancher Ärzte nicht so ganz verstehen. Wenn man mit einem gewissen Restrisiko nicht leben kann, sollte man sich überlegen, ob man überhaupt als Arzt arbeiten will.
Ich sehe ein, dass es einen etwas anderen Eindruck macht, ob man zur Nothilfe sogar verpflichtet ist oder ob man eben nur straffrei ausgeht, wenn man sich bei Nothilfe keiner groben Fahrlässigkeit schuldig macht. Angst vorm Ruin finde ich da dennoch völlig übertrieben, selbst wenn in anderen Bereichen das amerikanische Rechtssystem für abstruse Schadensersatzklagen berühmt ist.

ETHISCH geht es ja nicht um die Frage "was tue ich als Arzt?", sondern "was tue ich als Mensch?" (und zwar nach bestem Wissen). Denn die deutsche Approbation ist im USA-Flieger ohnehin nicht gültig.
Wenn sich jemand weigert, eine Platzwunde zu versorgen, nachdem jemandem ein Koffer auf den Kopf gefallen ist oder eine vergleichbare Situation, in der der "Hilfebedürftige" (ich sage jetzt mal bewusst nicht Patient) keinen ernstlichen Dauerschaden zu befürchten hat, dann kann ich das angesichts der Hysterie um das amerikanische Rechtssystem halbwegs verstehen. Doch wenn ein Passagier vor lauter Pulslosigkeit die Augen verdreht nicht zu reanimieren... das fände ich moralisch höchst bedenklich, ja falsch. Und ich finde, in einer solchen Situation gebietet es die Menschlichkeit, zuerst zu handeln und erst danach an Gesetze zu denken.
Solange die NSA kein Recht auf Privatsphäre kennt, Putin homophob ist, in manchen Ländern die Scharia gilt und China systematisch Menschenrechte ignoriert wird niemand bezweifeln, dass Gesetze nicht perfekt sind und dass es so etwas wie ein übergeordnetes, international gültiges ethisches Gemeingut gibt, an dem sich Gesetze messen müssen. Oder sei es nur der gute alte kategorische Imperativ...

Deshalb hoffe ich, dass es doch noch viele Ärzte, Passagiere, Stewardessen [...], MENSCHEN gibt, die in so einem Fall: "Tun, was richtig ist!"
20. Januar 2014: Von  an Hofrat Jürgen Hinrichs
Moin Herr Kollege.
Möchte gerne mal wissen, welche Versicherung das ist, die den Sachverhalt Grobe Fahrlässigkeit(§277 BGB) unter folgender Definition:

"Fahrlässig handelt:
  • sowohl derjenige, der den Schaden zwar voraussieht, aber hofft, er werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit),
  • als auch der, der den Erfolg nicht voraussieht, ihn aber bei Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte voraussehen müssen (unbewusste Fahrlässigkeit).

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn diese Sorgfaltspflicht in besonders grobem Maße missachtet worden ist."

versichert und zu welcher Prämie. Also, der reisende Kollege hat an Bord einen Schampus und zwei Carbernet inhaliert und ist jetzt "impaired", als er geweckt wird. So im Dienst, das wäre grob fahrlässig. Hier geht es dann bestenfalls im hypothetischen Rechtsstreit darum, daß die Versicherung gewinnt und Regress nehmen kann, oder nicht? PS

20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an 
Ist schon interessant.
Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt als gewissenloser Mensch von manchen etwas angemacht werde, was mich wenig stört.
Eigentlich wollte ich nur einen Denkanstoss geben. Aber ein kleiner Anstoß kann eine Lawine auslösen.
Fakt ist, dass echte Ärzte und Amerika-Kenner skeptisch sind.
"Normale" Menschen und Psychiater aber die humanitäre Pflicht des Arztes fordern.
Denen kann ja im Falle eines Falles auch nichts Schlechtes passieren. Dann kann ich auch locker empört sein.
Ob ich mich zum Helden eigne, weiß ich erst, wenn dieser Fall mal in einem amerikanischen Flugzeug passiert. Gott sei Dank war es bei meinen 3 Einsätzen zufällig immer ein LH-Flug. Einmal auf dem Flug nach Denver über Nordkanada. Patientin im Schockzustand nach Kreislaufzusammenbruch. Die Patientin auf dem Boden vor der Küche im Heck in Decken gelagert, 2 Infussionen mit Medikamenten gegeben. Ein Passagier hat als Infussionständer gedient. Man konnte sich wegen der Enge kaum bewegen, alles war nur mit krummen Rücken in Zwangshaltung zu erledigen. Ständig nörgelnde Passagiere, weil die nicht so ohne Weiteres zum Klo kamen. Und dann soll man noch Entscheidungshilfe geben, ob man in 1 Stunde in Winnipeg landen sollte oder bis Denver durchfliegen kann.
Wenn ich dann noch das Gefühl haben müsste, dass ich in Denver der amerikanischen Justizgewalt Rechenschaft abgeben müsste.
Aber soweit denken die meisten empörten Thread-Teilnehmer garnicht.
Für diesen Fall habe ich 10.000 Meilen als Dankeschön bekommen. (Wenn das nicht ein geldwerter Vorteil war, oder als Honorar angesehen würde?)

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