Login: 
Passwort: 
Neuanmeldung 
Passwort vergessen



Das neue Heft erscheint am 1. Mai
Fliegen ohne Flugleiter – wir warten auf ...
Eindrücke von der AERO 2024
Notlandung: Diesmal in echt!
Kontamination von Kraftstoffsystemen
Kölner Handling-Agenten scheitern mit Klage
Unfall: Verunglücktes Änderungsmanagement
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Sortieren nach:  Datum - neue zuerst |  Datum - alte zuerst |  Bewertung

20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an 
Ist schon interessant.
Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt als gewissenloser Mensch von manchen etwas angemacht werde, was mich wenig stört.
Eigentlich wollte ich nur einen Denkanstoss geben. Aber ein kleiner Anstoß kann eine Lawine auslösen.
Fakt ist, dass echte Ärzte und Amerika-Kenner skeptisch sind.
"Normale" Menschen und Psychiater aber die humanitäre Pflicht des Arztes fordern.
Denen kann ja im Falle eines Falles auch nichts Schlechtes passieren. Dann kann ich auch locker empört sein.
Ob ich mich zum Helden eigne, weiß ich erst, wenn dieser Fall mal in einem amerikanischen Flugzeug passiert. Gott sei Dank war es bei meinen 3 Einsätzen zufällig immer ein LH-Flug. Einmal auf dem Flug nach Denver über Nordkanada. Patientin im Schockzustand nach Kreislaufzusammenbruch. Die Patientin auf dem Boden vor der Küche im Heck in Decken gelagert, 2 Infussionen mit Medikamenten gegeben. Ein Passagier hat als Infussionständer gedient. Man konnte sich wegen der Enge kaum bewegen, alles war nur mit krummen Rücken in Zwangshaltung zu erledigen. Ständig nörgelnde Passagiere, weil die nicht so ohne Weiteres zum Klo kamen. Und dann soll man noch Entscheidungshilfe geben, ob man in 1 Stunde in Winnipeg landen sollte oder bis Denver durchfliegen kann.
Wenn ich dann noch das Gefühl haben müsste, dass ich in Denver der amerikanischen Justizgewalt Rechenschaft abgeben müsste.
Aber soweit denken die meisten empörten Thread-Teilnehmer garnicht.
Für diesen Fall habe ich 10.000 Meilen als Dankeschön bekommen. (Wenn das nicht ein geldwerter Vorteil war, oder als Honorar angesehen würde?)
20. Januar 2014: Von  an Dr. Thomas Kretzschmar
"...weiß ich erst, wenn dieser Fall mal in einem amerikanischen Flugzeug passiert"
Genau so ist es, alles andere ist graue Theorie zumindest für die Diskussionsteilnehmer, die nicht schon mal persönlich davon betroffen waren, gleich ob sie Arzt sind oder "nur" gerade ihren Erste-Hilfe-Kurs gemacht haben.
20. Januar 2014: Von Wolff E. an Dr. Thomas Kretzschmar
@T. Kretschmer. Bin zwar kein Arzt, sehe diese Problematik aber ähnlich. In der USA wird leider oft erst "geschossen" (heißt festgesetzt) und dann erst gefragt. Es geht da weniger um den gesunden Menschenverstand sondern eher um die dortige Zunft der Anwälte. Wenn Anwälte aus Radio/Fernsehn erfahren, es gab einen Unfall (Flugzeug/PKW oder sonst was) gehen diese oft an den Ort des Geschehens oder ins Krankenhaus und "stacheln" die Verletzten oder Angehörigen an, doch zu klagen. Auch wenn es unter dem Strich dann gut ausgehen kann, hat man erst mal deutlich Ärger und Palaver. Und ob man das will, muss jeder für sich selber entscheiden.

Dazu mal ein paar Fragen:

- Kann der Cpt einer Fluglinie überhaupt eine Haftungsabgrenzung aussprechen?
- Wer sichert mir zu, das ich nach der Landung nicht erst mal stundenland was rechtfertigen muss und nicht
weiter reisen kann?
- Solange alles gut geht, wird es wohl kaum Ärger geben. Wenn aber Probleme bei der Behandlung auftreten?
Was dann? Oder ein paar Tage säter geht es dem Patienten schlecher und der behandelnde Arzt will seine
"Haut" retten. Da ist man leider sehr schnell der Dumme.
- Und wenn man als Arzt dann doch noch Hilfe leistet sollte man den CPT bei der kleinsten Unregelmässigkeit
sehr
deutlich sagen, das man die Folgen nicht absehen kann und der Patient schnellstens einen Arzt mit
"Technik" braucht. Nicht, weil man "es nicht kann" sondern weil man da eher an seine eigene Haut denken
sollte.
- Ich weiß nicht, was Flugzeuge als MED-Kit an Board haben, aber es ist bestimmt nicht so viel, wie es in einer
Praxis wäre.

Ich erinnere nur an meinen Vertrag in den USA als ich meinen Flieger kaufte. Das waren drei Seiten lang nur Rechsbelehrungen und Ausschlüsse, Kostenandrohung, Haftungsandrohungen und was man im Fall eines Streitfalles an Anwaltskosten (Stundenbasis á 250 USD) zu zahlen hat. Der Flieger selber war nur mit ein paar Zeilen (S/B, Stunden, BJ und as it is) aufgeführt. Aus meiner Sicht etwas "krank". Da lob ich mir dann doch die deutsche Regelung, die vermutlich ähnlich in ganz Europa ist. Ich bin was die USA betrifft inzwischen grundsätzlich absolut vorsichtig und mir selber gegenüber restriktiv, da ich überhaupt nicht überblicken kann, was man alles falsch machen kann. Es würde mich nicht wundern, wenn ich als PAX eine B1900 lande, weil der/die Piloten ohnmächtig sind, erst mal nach der Landung viel erklären muss und eine Weile festhänge. Wenn dann noch bei der Landung der Flieger etwas zu Bruch geht und ein anderer deswegen verletzt wird? Nicht auszudenken. Wenn schon eine Frau wegen zu heißen Kaffee erfolgreich MCDonalds verklagt hat....

Ein Land, das die Freiheit so hoch hält, aber dank NSA nichts von Privatspähre hält und sich oft sehr wenig um Gesetze in anderen Ländern (z.B. Merkels Handy) kümmert, muss man einfach mit sehr viel Vorsicht begegnen.
20. Januar 2014: Von Lutz D. an Dr. Thomas Kretzschmar

Aber soweit denken die meisten empörten Thread-Teilnehmer garnicht.

Da wäre ich jetzt mal vorsichtig. Es könnte ja auch Thread-Teilnehmer geben, die sogar noch weiter denken oder für die in der Güterabwägung materielle Fragen von der nach ungestörter Urlaubsfortsetzung bis hin zur Vermögenssituation nur nachrangig betrachtet werden.

Ich schätze wirklich, dass Du uns einen ehrlichen Einblick in die Denke arrivierter Allgemeinmediziner auf Reisen gegeben hast, aber bitte verlange nicht von uns allen, dass wir das im Einzelnen für nachvollziehbar oder gar begrüßenswert halten.

Das bedeutet für meinen Teil überhaupt nicht, dass damit eine Wertung einhergeht. Wie Du richtig bemerkst, ist es wohl entscheidend, ob man in der Situation ist oder sein könnte, oder das aus dem Armsessel heraus kommentiert. Aber ich kann behaupten, dass ich mir eine Welt wünsche, in der Ärzte zu einer anderen Einschätzung gelangen.

N.B. Denke, die von Jürgen zitierte Quelle lässt ja nicht wirklich Fragen offen. Vielleicht ist die von Dir getroffene Güterabwägung ja damit von falschen Prämissen geleitet.

20. Januar 2014: Von Achim H. an Dr. Thomas Kretzschmar
Hat man in so einmal Fall nicht die Möglichkeit, per Satellitentelefon mit dem Bereitschaftsarzt der Fluglinie zu sprechen? Ich sehe in der Entscheidung "landen oder weiterfliegen" ein großes potentielles Haftungsproblem, da der Passagier-Arzt in diesem Fall ein persönliches Interesse hat, schnell ans Ziel zu kommen. Aus solchen Interessenskonflikten gestalten sich dann die bösen Gerichtsfälle. Wenn man einfach dem Airlinearzt per Telefon die Diagnose gibt und ihn entscheiden lässt, wäre man damit aus dem Schneider.

@Lutz: grob fahrlässig ist nicht, wenn ein Arzt sich betrinkt, sondern wenn er in betrunkenem Zustand praktiziert. Der betrunkene Arzt darf und muss die Hilfe verweigern, der nüchterne darf das evtl. nicht.
20. Januar 2014: Von Lutz D. an Achim H.

@Lutz: grob fahrlässig ist nicht, wenn ein Arzt sich betrinkt, sondern wenn er in betrunkenem Zustand praktiziert.

Das trifft auf Fälle von Nothilfe schlicht so allgemein nicht zu. Das kannst Du Dir an folgendem Beispiel vergegenwärtigen. Ein fiktiver Dr. Hasenmeier und ich betrinken uns an meinem Pool. Lutz fällt ins Wasser und geht unter. Im Affekt zieht Doc Hasenmeier mich raus, stellt aber fest, dass ich nicht mehr atme. Meinst Du ernsthaft nun mit Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen, sei grob fahrlässig?

Anders ist natürlich, wenn drei nicht angetrunkene Leibärzte ebenfalls zugegen sind und Doc Hasenmeier sich aber vordrängelt. Oder Doc Hasenmeier erscheint betrunken zur Sprechstunde.

Im übrigen ist nach zwei Flaschen Cabernet insgesamt die Schuldfrage anders zu bewerten. Grobe Fahrlässigkeit Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit voraus. Das ist NACH dem Genuß besagter zweier Flaschen in Flugfläche 310 eventuell nicht gegeben.

20. Januar 2014: Von Hofrat Jürgen Hinrichs an Dr. Thomas Kretzschmar Bewertung: +5.00 [5]

Hallo Herr Kollege,

zunächst einmal möchte ich mich für das Kompliment bedanken, dass Sie uns Psychiater den "normalen Menschen" und nicht den "echten Ärzten" zuordnen. Wenn "echter Arzt" zu sein bedeutet, nicht mehr Mensch zu sein, möchte ich kein echter Arzt sein. Aber vielleicht haben wir hier ja auch schon den Kern der Diskussion.

Im übrigen vertrete ich für die Medizin die Auffassung, dass Behauptungen überprüfbar sein sollten. Die hier aufgestellten Behauptungen von eintretenden Schreckensszenarien sind bislang nicht belegt. Nennen Sie mir bitte einen nach 1998 eingetretenen Fall eines Arztes, der wegen einer Hilfeleistung an Bord zu was auch immer verurteilt worden ist, der Ihre Befürchtungen rechtfertigt. Das aber bitte konkret beleg- oder falsifizierbar und nicht auf der Grundlage von "das weiß doch jeder".

Was die medizinische Ausstattung angeht: die ist mir bekannt. Ich habe entsprechende Fortbildungen, auch bei Lufthansa, besucht, war lange Zeit im Rettungsdienst tätig und habe mehre Jahre lang Krankentransporte auf Linienflügen bei verschiedenen Airlines begleitet. Man kann immer nur so gut helfen, wie es unter den konkreten Umständen möglich ist. Das gilt ja auch im Alltag, oder fahren Sie an einem Verkehrsunfall mit Verletzten vorbei, nur weil Sie gerade keine Vakuummatratze dabei haben?

Mit kollegialen Grüßen

J. Hinrichs

20. Januar 2014: Von C*h*r*i*s*t*i*a*n S*u*e*r an Dr. Thomas Kretzschmar Bewertung: +2.00 [2]
Fakt ist, dass echte Ärzte und Amerika-Kenner skeptisch sind.
"Normale" Menschen und Psychiater aber die humanitäre Pflicht des Arztes fordern.


Fakt ist, dass die Ärzteschaft eine heterogene Gruppe ist und auch Deine Meinung eine Einzelmeinung darstellt. Deshalb tue ich mich mit einem solchen Generalaufruf, sich im Notfall schlafen zu stellen, schwer und finde, wer sich einen derartigen Aufruf zutraut, sollte abweichende Meinungen aushalten können ohne sich "angemacht" zu fühlen.

Als Kliniker in der Inneren Medizin sehe ich mich ebenfalls als "echten Arzt" und appelliere durchaus an die humanitäre Pflicht des Arztes.

Natürlich ist es leicht, am Schreibtisch sitzend zu behaupten, was man tun würde! Ob man den Mut in der konkreten Situation dann auch hat (ich möchte mich ebenso wenig als Helden aufspielen) ändert aber nichts an der ethischen Wertigkeit. Du sprichst selbst die "anbehandelte Leiche" an - wir reden hier also über ernste Zwischenfälle in der Luft. Ich(!) könnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, auf potentiell lebensrettende Maßnahmen zu verzichten und damit billigend hinzunehmen, dass bei einem Passagier für immer die Lichter ausgehen wenn ich eine Chance sehe, dies durch meine beruflichen Kenntnisse zu verhindern (dass die Arbeitsbedinungen in der Luft schlecht sind, ist auch klar; dass an Bord amerikanischer Maschinen (nicht Lufthansa) Standardmedikamente eines jeden Notfallkoffers wie Metoprolol, Midazolam, i.v. Prednisolon nicht in der Mindestausrüstung vorgeschrieben sind, ist in der Tat verbesserungswürdig - vielleicht gäb's allein dadurch weniger Fahrlässigkeit - das ist aber eine andere Diskussion...).

Die Frage, welcher Gedanke bzw. welche Konsequenz schwerer erträglich ist - also verzögerte Weiterreise/Urlaubsfortsetzung, Millionenklage, Gefängnis oder (mal etwas hart ausgedrückt) "eine Leiche im Keller zu haben" - wird jeder unterschiedlich für sich beantworten. Und da verstehe ich sehr gut, dass die individuelle Lebenssituation, also ob man verheiratet ist, Kinder hat, usw. und die bisherigen Lebenserfahrungen (sage ich mit dem Optimismus der späten Geburt) entscheidend dafür sind, welche Risiken man eingehen darf/kann. Und wer sich sorgt, dass die Kinder einen die nächsten 10 Jahre im Gefängnis aufsuchen müssen, der ist nicht zwangsläufig gewissenlos oder egoistisch, sondern betreibt ebenfalls eine Güterabwägung, die dann aber zugunsten der Kinder, Frau... ausfällt. Nochmal also: kein Grund, sich "angemacht" zu fühlen. Es ist sogar bewundernswert und mutig, öffentlich zu dieser Haltung zu stehen. Das respektiere ich. Aber mit dem Generalaufruf zur Passivität habe ich in der Tat ein Problem!

Gruß,
Christian.
Moin,

natürlich muss man immer, auch als Nicht-Arzt, zwischen Selbstschutz und Hilfe abwägen. Aber: es geht hier um eine vermutete Gefahr ohne Datenbasis. Und wenn ich aus einem unbestimmten Gefühl der Bedrohung, weil "mal jemand gesagt hat" oder "man ja weiß, wie das ist" eine Entscheidung zur Nicht-Hilfe treffe, dann ist das meiner Überzeugung nach zutiefst unethisch und auch unärztlich. Man hat die Pflicht, sich vorher fundiert zu informieren.

Grüße


J. Hinrichs
20. Januar 2014: Von Dr. Thomas Kretzschmar an Hofrat Jürgen Hinrichs
Hallo,

ich habe keinen generellen Aufruf getan. Ich hatte am Anfang nur mal einen Gedanken durchgespielt. Und habe bisher auch immer geholfen.
Aber interessant war das Lauffeuer hier schon. Und es haben sich eine Menge Leute doch Gedanken gemacht. Und das ist doch auch gut so ;-)
zum generellen Aufruf: Eine Empfehlung (!), den "Dr." auf dem Ticket wegzulassen, damit man nicht geweckt wird, richtete sich ja durchaus an andere (sich selbst muss man ja nichts empfehlen) und hat für mich keinen Charakter eines Gedankens, den man nur mit sich selbst durchspielt.

aber dass es gut ist, wenn wir uns hier zu dem Thema Gedanken machen: volle Zustimmung

Happy landings,
Christian

11 Beiträge Seite 1 von 1

 

Home
Impressum
© 2004-2024 Airwork Press GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Airwork Press GmbH. Die Nutzung des Pilot und Flugzeug Internet-Forums unterliegt den allgemeinen Nutzungsbedingungen (hier). Es gelten unsere Datenschutzerklärung unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier). Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA) Hub Version 14.22.03
Zur mobilen Ansicht wechseln
Seitenanfang