wir hatten im Verlauf der Pandemie immer wieder die verschiedenen Wege der Länder durch die Pandemie diskutiert. Grundtenor war in etwa, dass wir in Deutschland aufgrund der strengen "Coronaschutzmaßnahmen" "gut" durch die Pandemie gekommen seien.
Tatsächlich lag Deutschland beim our-world-in-data abgebildetenen Governance Response Stringency Index monatelang auf Platz 2 (s. Bild), hatte also mit die stärksten Beschränkungen weltweit.
Unglücklicherweise hatten diese drakonischen Maßnahmen nur begrenzten Einfluss auf die Höhe der Übersterblichkeit im Vergleich zu anderen Ländern, die während der Pandemie wesentlich geringere Maßnahmen erließen.
Im Spätfrühjahr hat die WHO eine Bewertung der Übersterblichkeit der einzelnen Länder durchgeführt und kam zu folgendem Ergebnis:
"Deutschland bescheinigte die WHO trotz strenger Lockdowns eine höhere Übersterblichkeit als einigen Nachbarländern, unter anderem auch Schweden. Hierzulande seien pro 100.000 Einwohner 116 Menschen mehr gestorben als erwartet. In Schweden soll die Übersterblichkeit mit 56 Menschen deutlich darunter gelegen haben. Die Bild titelte daraufhin „Coronazeugnis der WHO: So schlecht ist Deutschland durch die Pandemie gekommen“.Quelle
Diese Aussage passte so überhaupt nicht ins von gewissen deutschen Politikern verbreitete Narrativ, Deutschland sei durch die von der Politik verhängten "Schutzmaßnahmen" besonders gut durch die Pandemie gekommen.
Wenig verwunderlich wurde alsbald deutliche Kritik an der Berechnung der WHO-Übersterblichkeit, vor allem aus Deutschland, laut. Die WHO, seit 2021 mit der in Berlin ansässigen "Globalen Drehscheibe für Pandemie- und Epidemieaufklärung", gab sodann schleunigst bekannt, die Berechnung der Übersterblichkeit erneut durchzuführen... und siehe da..., bei der erneuten Berechnung ergaben sich nun ganz andere Zahlen.
Die Übersterblichkeit für Deutschland sank, die für Schweden stieg:
"Neue Berechnung führt zu vergleichbarer Übersterblichkeit in Deutschland und Schweden
In der revidierten Publikation heißt es jetzt sinngemäß: In Deutschland habe die Modellierung zu weniger zufriedenstellenden Schätzungen der Übersterblichkeit geführt. Aus der Standarddatenverarbeitung resultierte eine absolute Übersterblichkeit von 195.000. Diese Schätzung sei jedoch zu hoch gewesen.
Neue Berechnungen ergaben eine realistischere Schätzung von 122.000 zusätzlichen Todesfällen. Das Robert-Koch-Institut hat aktuell fast 138.000 COVID-19-Todesfälle erfasst. Die Übersterblichkeit für Schweden korrigierten die Autoren indes nach oben, von 11.300 auf 13.400.
Für Schweden und Deutschland wäre die Übersterblichkeit nun vergleichbar, sagte Wakefield dem DÄ: Die Übersterblichkeit in Deutschland betrüge demnach für die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 im Mittel 73,013 mit einem 95%-Kredibilitätsintervall von 59,565-84,583 pro 100.000 Einwohner (statt zuvor 116), in Schweden wären es 66,333 (57,567-74,938) (statt zuvor 56).
In den ursprünglichen WHO-Daten sieht man zudem, dass Schweden vor allem im ersten Pandemiejahr 2020 eine höhere Sterblichkeit zu verzeichnen hatte, während in Deutschland das zweite Pandemiejahr deutlich höher lag als 2020."
Nun mag jeder seine eigenen Schlüsse aus diesem Verlauf der Berechnungen ziehen.
In jedem Fall bleibt festzuhalten, selbst wenn man die nachträglich korrigierten Zahlen heranzieht, dass Deutschland bei viel, viel strengeren Maßnahmen gerade einmal genauso gut/schlecht durch die Pandemie gekommen ist wie Länder (z.B. Schweden, das im Governance Response Stringency Index auf den hinteren Plätzen rangierte) die sehr viel weniger Maßnahmen ergriffen haben.
Zu diesem Schluss kommt auch Lancet, während andere Publikationen das deutsche Narrativ bedienen.
Jeder darf sich also, ganz ohne whataboutism, die Studie aussuchen, die ihm am besten gefällt und mit der er sein Gewissen maximal beruhigen kann.
Vor dem Hintergrund, dass wir unseren heranwachsenden Mitmenschen monatelang vernünftige Schulbildung verwehrt und schreckliche, nachhaltige gesundheitliche Schäden zugefügt haben sollte die Schlussfolgerung aber vergleichsweise leicht fallen.