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Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
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1. Juni 2011: Von Stefan Kondorffer an Jan Brill
Schlimm, schlimm. Da wurde in der Tat eine Ausnahmeregelung vergessen. Könnten Sie, Herr Brill (oder sonstwer, der hier mitliest und zum bezahlten oder Unbezahlten Interessenvertretertum der Luftfahrt gehört) in max. 25 Zeilen eine parlamentarische Anfrage formulieren, die ein EU-Abgeordneter an die Kommission schicken könnte, im Sinne von "Trifft es zu, dass auch VO xy, Abschnitt xy auch auf Luftfahrzeuge zur Anwendung kommt, die weniger als xy Tonnen (machen wir 5.7?) wiegen und hauptsächlich zu Rund- oder Geschäftsflügen eingesetzt werden etc etc."

Ich kümmere mich darum, dass ein Abgeordneter diese Anfrage stellt.

Dann gibt es einige Ungenauigkeiten und einige Polemik im Artikel, auf die ich ggf. verzichten würde, wenn wir uns nicht selbst ins Bein scheissen wollen:

a) Vorrang einer EU-Verordnung
Das ist zwar vielen ein Dorn im Auge und ich will das jetzt als überzeugter Europäer, der die Bürokratiebürde als kleieres übel auf sich nimmt auch nicht zum Gegenstand eines Diskurses machen - aber das ist Erstsemester öffentliches Recht. Eine EU-Verordnung gilt in allen Teilen verbindlich nach Inkraftreten. Deutsche Gesetze, die dem entgegenstehen sind auch für den Bürger vollkommen irrelevant. Eine "Umsetzung" erfolgt nicht (anders als bei der Richtlinie). Allenfalls ein Vollzug. Sie könnten also in dem Artikel besser von Spielraum beim Vollzug sprechen als von Umsetzung. Das führt in die Irre. Nach kurzem Lesen der VO lässt diese dem LBA aber tatsächlich kaum Spielraum.

b) Undemokratisch zustande-gekommen und "keine Anhörung".

Das ist rubbish. 27 Mitgliedsstaaten mit demokratisch legitimierten Regierungen und 785 gewâhlte Abgeordnete waren an dem Prozess beteiligt. Das mag bürgerfern sein, aber sicher nicht undemokratisch.
Auch gab es meines Wissens und Recherchestands eine Konsultationsphase sowohl bei der EU KOM als auch eine Anhörung und mehrere Workshops der politischen Fraktionen im EP. Interessenvertretung ist nunmal eine Bringschuld. Wir können sicher nicht irgendwo rumsitzen und darauf warten, dass wir angeschrieben und eingeladen werden. Habe kurz mit einem Vertreter des Flughafen-Verbandes gesprochen - die waren natürlich vor Ort und auch eingebunden. Wenn die AOPA et al. das nicht schaffen, zu mobilisieren, ist das kein Beweis dafür, dass hier in Brüssel etwas hinter verschlossenen Türen laufen würde. Zu dem gesonderten Beschluss der KOM müsste ich recherchieren. Das ist in der Tat fragwürdig, betrifft aber unser Problem hier nicht.

c) Gesetzestexte nur in englisch

Ist faktisch unzutreffend. Habe die von Ihnen genannte änderungsverordnung sowohl per google als auch im Amtsblatt der EU sofort in allem Amtssprachen der Union gefunden. Es gibt sogar eine gälische Version auf Anfrage.

https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32010R0983:DE:HTML

Also, in der Sache alles richtig, die Verordnung existiert, die Ausnahmeregelung fehlt, aber das drumherum könnte man noch etwas besser recherchieren, bzw. es ist nicht nötig und zielführend sachfremde und teilweise falsche Argumente hinzuzuziehen.
1. Juni 2011: Von Stefan Kondorffer an Stefan Kondorffer
Nachtrag: Der BDLI, nicht gerade die finanzschwächste Luftfahrt-Lobbyorganisation hat heute eine ganze Reihe deutscher EU-Abgeordneten nach Le Bourget eingeladen. Programm vom Feinsten. Tolle Aktion. Als Beilage gibt's Positionspapiere zu Forschungs- und Innovationsförderung. Zu Regelungswut kein Wort.
1. Juni 2011: Von Jan Brill an Stefan Kondorffer
Hallo Herr Korndoffer,

vielen Dank für die konstruktive Kritik. Zu Ihren Punkten in Kürze (bin im Urlaub):

a) Ist ja das, was ich beschrieben habe. EU-Verordung bricht deutsches Recht. Halte ich für problematisch, siehe (B).
Frage: Sie schreiben, Sie sähen dies als "kleineres Übel" an. Was ist denn dann das größere Übel? Dass Staaten selber Gesetze machen? Nach ihrer eigenen Verfassung, Sitte und Kultur? Ggf. auf Basis allgemeiner internationaler Richtlinien und Standards (z.B. ICAO) ?
Hatte mich daran eigentlich gewöhnt. Was folgt denn zwingend wenn die EU nicht jeden Pipikram regeln würde? Also in diesem Fall: "Deutsche Piloten dürfen gewerblich keine Brezn' mehr mit an Bord nehmen" – sonst passiert ––– ja was denn ???

Mit "Umsetzung" meinte ich übrigens den Prozess der Erstellung eines Luftsicherheitsplans zwischen Behörde und Unternehmer. Nicht die "Umsetzung" einer EU-Richtlinie. Sorry, das war wohl unklar formuliert.


b) Hier differieren wir in unseren politischen Ansichten. Ihre respektiere ich natürlich, teile sie aber nicht.
Ich halte die EU in ihrer Praxis für eine zutiefst undemokratische Struktur. Diese Ansicht rührt nicht aus irgendeiner tieferen politischen Überzeugung sondern aus der Betrachtung des Status Quo. Ich meine damit nicht das politische Ideal und auch nicht die Motivation der Akteuere. Aber die Praxis ist bei objektiver Beobachtung leider Murks.

Formal demokratieähnliche Strukturen begründen weder eine Demokratie noch eine Republik. Auf die Praxis kommt es an. Der Vorgang muss auch halbwegs einfach und durchschaubar sein. Eine demokratische Teilhabe darf kein Verwaltungsrechtsstudium, Fremdsprachen und Lobby-Office in Brüssel voraussetzen.

Schauen wir einfach auf das Ergebnis: Bei allem Grauen über die Fehlleistungen des deutschen Gesetzgebers (z.B. LLärmSV.), ich behaupte (ohne dies belegen zu können) – so ein Quark wäre in Bundestag und Bundesrat nicht verabschiedet worden. Irgendwann hätte ein Ausschussmitglied mit jemandem aus seinem Wahlkreis geredet, der sich mit so was auskennt. Die Wege sind einfach etwas kürzer. Wir reden hier aber über Abstufungen, das ist klar.


c) Da haben Sie Recht. Ich habe mich geirrt. Ich hatte auf Basis der englischen Verordnung im lex die Berichtigungen gesucht und daher vom System auch nur die englischen Berichtigungen angezeigt bekommen. Ist aus Sicht des Lex-Systems natürlich logisch.

Die Kritik ist aber trotz dieses leider untauglichen Beispiels begründet. Die so wichtigen ersten Gesetzesentwürfe der EASA zu FCL oder OPS waren nur in Englisch verfügbar. Auch das CRD (Antworten der Behörde) gab's nur in Englisch. Und das bei einem Text, bei dem selbst Muttersprachler Schwierigkeiten haben zu folgen. Aber da sind wir wieder beim Thema: Demokratische Teilhabe sieht für mich eben anders aus (siehe B).


Was die Anfrage beim Parlament betrifft: Ok, sollte aber von der AOPA kommen. Das sollten besser Leute machen, die mehr Geduld haben als ich. Grund: Das Resultat meiner letzten Bemühungen beim EU-Parlament Ende letzten Jahres als es um die N-Lizenzen ging:

- Es wird ein Termin von einem Angeordneten Krahmer (Partei und Nationalität habe ich vergessen, ist auch egal…) vereinbart. Er möchte sich informieren. Super! Da helfe ich gern!

- Ich stelle für den Tag Personal, meine Zeit, Fluggerät sowie andere Referenten bereit.

- Der mehrfach bestätigte Termin wird< 24 Stunden vorher ohne Begründung abgesagt.

- Der Assistent des MdEP kündigt einen Anruf des Abgeordneten an, zwecks neuen Termins.

- Der Autor wartet noch heute …

Ist mir übrigens mit MdLs oder MdBs noch nie passiert, wenigstens nicht ohne eine Entschuldigung oder Erklärung wie zwischen erwachsenen Menschen üblich.

War aber wohl auch besser so. Ich mache häufiger die Erfahrung, dass zu große Nähe zu "wichtigen Leuten" und all die Informationen die "natürlich nur Sie vorab bekommen" in diesem Umfeld verheerende Auswirkungen auf die Unabhängigkeit haben können: "Sie wollen doch beim nächsten Mal auch eingeladen werden - oder?" Nee … lieber nicht!

Eine Arbeitsteilung zwischen Presse und Interessenvertretung ist schon allein deshalb sehr sinnvoll.


Mal ehrlich - dass man einem MdEP eine Anfrage "vorformulieren" muss, die er dann untertänigst an die Kommission richtet – geht’s noch? Im deutschen Bundestag (als einzigem direkt gewähltem Verfassungsorgan) sind die für die Gesetzgebung de facto verantwortlichen Ausschussmitglieder wenigstens selber als MdB gewählt und antworten auf Anfragen des gemeinen Bürgers. Sehen Sie, was ich meine???

Könnte mich weiter aufregen, sitze aber gerade ganz bequem am Atlantikstrand und geniesse den Sonnenuntergang. Also: cut off!

Anyway - was die Anfrage betrifft: Sollten wir natürlich trotzdem machen. Sie können ja das Beispiel des Cockpitzugangs in der 172er nehmen. Plakativer geht’s echt ’nimmer!


MfG
jb
2. Juni 2011: Von  an Jan Brill
seit wann ist ein redaktör im urlaub? gehts noch???

wenns zischt...ist die sonne im meer versunken, oder war das nicht in capri?

mfg
ingo fuhrmeister
2. Juni 2011: Von Häupler Karl an Jan Brill
Also Herr Brill
wenn ich Sie richtig verstehe, dann sollten wir eigentlich das ganze so organisieren, dass wir Verordnungen für Hessen, Bayern, Bremen, Sachsen, etc. generieren, denn da sind die Abgeordneten "näher dran" oder wir machen für jeden Landkreis einen Bürgerentscheid.
Vergessen wir einfach, dass auch die EU-Abgeordneten direkt gewählt werden.
Vergessen wir einfach, dass Passagiere auch mal auf die Kanalinseln geflogen werden oder vom Allgäu nach Tirol.
Vergessen wir einfach, dass gerade die Luftfahrt überregional organisiert werden muss.
Vergessen wir einfach, dass P&F dauernd voll ist mit Klagen über den Stuss den deutschen Behörden anrichten!
Vergessen wir einfach, dass auch in Deutschland Bundesrecht Landesrecht bricht.
2. Juni 2011: Von Stefan Jaudas an Häupler Karl
Hallo,

> wenn ich Sie richtig verstehe, dann sollten wir eigentlich
> das ganze so organisieren, dass wir Verordnungen für Hessen,
> Bayern, Bremen, Sachsen, etc. generieren, denn da sind die
> Abgeordneten "näher dran" oder wir machen für jeden Landkreis
> einen Bürgerentscheid.

Vielleicht nicht gerade bei der Luftfahrt. Aber es gibt in der Politik reichlich Themen, die auf die direkt Betroffenen dezentralisiert gehören. Unser kleiner viersprachiger Nachbar macht das schon lange und offensichtlich mit großem Erfolg. Und dort schafft man es sogar ohne großes Geschrei, in 20 Jahren das größte Loch der Welt (Gotthardbasistunnel) zu bohren - bei uns reichen 20 Jahre nicht mal, um mit einem wesentlich kleineren Loch (neuer Albaufstieg) auch nur anzufangen ... oder die versprochenen Zugänge zum selbigem größten Loch termingerecht hinzubekommen.

Leider ist die EU eine hehre Idee, die schon viel zu lange komplett in die Irre und aus dem Ruder gelaufen ist. Ich schließe mich Herrn Brill an. Die EU ist eine in der Praxis zutiefst undemokratische Angelegenheit. Ich glaube auch nicht, dass sie in der heutigen Form besser machbar wäre.

Gruß

StefanJ
2. Juni 2011: Von Stefan Kondorffer an Jan Brill
Wie Polarius im Nachbarthread schrieb - 'sich ärgern heißt, für die Sünden anderer zu büßen'.

Sie haben ja recht. Gerade auch, was die Trennung Journalismus - IV angeht. Letztere hat halt keine Wahl, als vollständig pragmatisch vorzugehen. Dazu gehört auch, das System so zu nehmen wie es ist, inkl der Funktionsweise von Abgeordnetenbüros, die mit Themen überschuettet werden. Da ist es manchmal nicht einfach durchzudringen. Stehe da - mit einem viel, viel 'besseren' Thema immer wieder vor der Verzweifelung. Man lann dvjon die Frage stellen ob 'nur' 785 Abgeordnete mit nur 2-3 Assos ro Buero in der Lage sind alles abzudecken. Om US Kongress ist die Personalausstattung um den Faktor 10 höher. Aber das wiederum wollte hier auch niemand - schon gar nicht bezahlen. So, m
2. Juni 2011: Von Jan Brill an Häupler Karl
wenn ich Sie richtig verstehe, dann sollten wir eigentlich das ganze so organisieren, dass wir Verordnungen für Hessen, Bayern, Bremen, Sachsen, etc. generieren, denn da sind die Abgeordneten "näher dran" oder wir machen für jeden Landkreis einen Bürgerentscheid.Leider haben Sie mich nicht richtig verstanden. Ich hatte geschrieben dass "Staaten" Gesetze machen. Luftfahrt auf Landkreisebene abzuhandeln ist natürlich unsinnig. Prinzipiell ist auch nichts gegen Gesetze aus überstaatlichen Organisationen zu sagen – wäre bei Luftfahrt ja auch wünschenswert, wie Sie richtig sagen – nur sollten diese dann eben auch demokratisch verfasst werden. Dazu gehört, dass der Gesetzgebungsprozess in einer Sprache abläuft, die die späteren "Stakeholder" auch verstehen. Nicht nur das Ergebnis.

Vergessen wir einfach, dass auch die EU-Abgeordneten direkt gewählt werden.Ja, das kann man in diesem Fall wirklich getrost vergessen, denn das EU-Parlament hatte beim Zustandekommen der 185/2010 oder auch der EASA Basic Regulation (EC) 1702/2003 und (EC) 2042/2003 absolut keine Mitsprache. Auch der EASA Part FCL, Part OPS und der Part MED (Medical) ist als "Commission Regulation" verfasst, kann also ohne Zustimmung des Parlaments in Kraft treten.
Vgl. dazu die LuftPersV, für die war immerhin eine Zustimmung des Bundesrates notwendig.

Vergessen wir einfach, dass Passagiere auch mal auf die Kanalinseln geflogen werden oder vom Allgäu nach Tirol.Wenn Sie damit Schengen meinen: Das gehört sicher zu den großen Vorteilen der EU. Besonders aus Sicht der AL. Wird im Moment aber auch gerade mächtig zurückgedreht und war z.B. im Falle Griechenlands auch nie nutzbar.

Vergessen wir einfach, dass gerade die Luftfahrt überregional organisiert werden muss.s.o.

Vergessen wir einfach, dass P&F dauernd voll ist mit Klagen über den Stuss den deutschen Behörden anrichten!Stimmt. Daher hatte mich oben auch bemüht vorsichtig zu formulieren ...

Vergessen wir einfach, dass auch in Deutschland Bundesrecht Landesrecht bricht.Stimmt auch. Sehe ich aber nicht als problematisch, da beide Gesetzgebungsprozesse m.E. den demokratischen Grundanforderungen genügen. Das ist aber wie gesagt eher eine politische Diskussion und hier kann man natürlich vortrefflich streiten.

viele Grüße
jb
2. Juni 2011: Von  an Jan Brill
hallo herr brill,

ist denn in der EU-gesetzgebung nicht vorgeschrieben, daß für solche gesetze eine sog. "machbarkeits-studie" vorgeschaltet ist um die "DVO" entsprechend danach zu formulieren?

ich habe in erinnerung, daß es der leitsatz der eu-gesetzgebung einmal war, länderübergreifend zu prüfen, ob gesetze überhaupt anwendbar sind!

vielleicht verstoßen die eu-gesetzgeber permanent gg diese selbstauferlegte "vordenke"...

mfg
ingo fuhrmeister
2. Juni 2011: Von Jan Brill an 
ist denn in der EU-gesetzgebung nicht vorgeschrieben, daß für solche gesetze eine sog. "machbarkeits-studie" vorgeschaltet ist um die "DVO" entsprechend danach zu formulieren? Das weiss ich ehrlich gesagt nicht. Und selbst wenn: "Machbar" ist das sicher was in der 300/2008 und 185/2010 steht. Sie müssen nur eben alles was gewerblich unterhalb King Air B200 mit spezialverstärkter Cockpittür fliegt stillegen und dann die meisten kleinen Landeplätze zu Fußballfeldern machen oder zur Hochsicherheitsweide mit Ausweiskontrolle umrüsten.

Geht bestimmt. Halte ich nur eben nicht für wünschenswert.

jb
2. Juni 2011: Von  an Häupler Karl
Grüß Gott Herr Häupler,

auch wenns jetzt vordergründig nach Parteienwerbung mieft, aber Sie sprechen hier natürlich genau eines der Kernthemen der Bayernpartei an.

Es geht um das klassische Thema, das das Hl. Römische Reich Deutscher Nation über Jahrhunderte umgetrieben hat und das in der Gründung des (Klein-)Deutschen Reichs ohne Habsburg 1871 seinen Kulminationspunkt fand: Das Spannungsfeld zwischen den Unitaristen, die dem alles von oben nach unten regulierenden Zentralstaat Bismarckscher Prägung huldigen, und den Föderalisten, die die Subsidiarität hochhalten. Subsidiarität, kurz gefasst, begreifen Sie bitte als das Prinzip, wonach von unten nach oben die jeweils kleinere staatliche Organisationsform (z.B. Gemeinde) nur die Themen an die nächsthöhere staatliche Organisation (z.B. Kreis, Bezirk, Land, Zentrale) abgibt, die sie selbst nicht regeln kann.

Beide Organisationsformen funktionieren, siehe den Berliner Zentralstaat und die Confoederatio Helvetica. Beide sind hervorgegangen aus dem früheren Römischen Reich, beide sprechen teilweise und bis zu einem gewissen Grad die selbe Sprache, beide funktionieren auf der Basis demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Dennoch bilden sie in ihrer vertikalen staatlichen Organisation Gegenpole. Auch die internationale Luftfahrt funktioniert reibungslos in beiden Systemen. Sie können nämlich nicht nur vom Allgäu aus nach Edinburgh oder Barcelona fliegen, sondern auch aus dem "föderalen, subsidiären Chaos" in Altenrhein. Und das nicht erst, seitdem die Schweiz Verträge mit der EU ausgehandelt hat, sondern schon zu Zeiten, als es nur das Chicagoer Abkommen und noch keine EU gab.

Die Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg war und ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Warum? Weil sie demokratisch verfaßt ist, die demokratischen Institutionen gut funktionieren und dadurch der bundesdeutsche Rechtsstaat die Akzeptanz seiner Bevölkerung erworben hat. Auf dieser Basis wurden Frieden, Freiheit, Wohlstand und die Wiederaufnahme Deutschlands in die internationale, insbesondere europäische Staatengemeinschaft nach 1945 möglich.

Die Organisation der EU ist von einer solchen Akzeptanz im Volk weit entfernt. Warum? Weil sie nicht wirklich demokratisch verfaßt ist. Warum? Weil die Regierenden ihren eigenen Völkern Europa nicht zutrauen. Deswegen haben sie Europa feudal und weit weg vom Volk organisiert, als "Club" der Regierenden:

- Das Parlament ist Augenauswischerei, dient als Alibi für sogenannte demokratische Strukturen und hat de facto nur eine beratende Funktion, nicht viel "mächtiger" als ein beliebiges Parlament in einer der europäischen Monarchien des 18. oder 19. Jahrhunderts oder das syrische, libysche, saudische Parlament von heute.

- Die Musik spielt tatsächlich in den von den Regierungen nach Gutdünken der regierenden Herrinnen und Herren beschickten Gremien Komission und Rat. Die sind also nicht gewählt, sondern bestellt. Sie gehen auch nicht aus dem Parlament hervor. Hierin liegt das große Demokratiedefizit der EU. Und über die Verordnungen der EU, die Mitgliedsstaatenrecht brechen, wird dieses Demokratiedefizit in die einzelnen Mitgliedsstaaten zurück getragen. Laut Herrn Stoiber, also einer Person, die allzu großer Systemdistanz und des Aufrührertums nun wirklich unverdächtig ist, nehmen ca. 84 % aller Gesetze in der BRD ihren Ursprung in V E R O R D N U N G E N von Komission und Rat. Wie schwer es ist, gegen dieses von den Regierenden für die Regierenden in Europa geschaffene Feudalsystem anzurennen und einzelne Verordnungen abzuändern, zu vermenschlichen, näher an die Bedürfnisse nach unten zu den Betroffenen zu bringen, zeigt das Thema dieses Threads und Jan Brills, bzw. aller hier Postender Hilflosigkeit vor dem System.

Regional tätige politische Parteien z.B. in Belgien, Spanien, UK, und eben auch die Bayernpartei versuchen, Europa wieder näher an die Menschen zu bringen, indem sie sich subsidiär-radikaldemokratisch für eine Stärkung der kleineren staatlichen Organisationsform, des Bundeslandes oder einer Region unterhalb des Nationalstaats einsetzen. Dies kann sich in dem Ruf für mehr regionale Autonomie oder bis hin zur staatlichen Separation (siehe Tschechoslowakei) äußern.

Wenn schon der Einzelne in seinen demokratischen Grundrechten von der EU abgehängt wird, dann soll es wenigstens seiner Region, seinem Distrikt oder Bundesland, seiner ureigenen kulturellen und sozialen Identifikationsplattform möglich sein, über eigenen Komissar und Ratsmitglieder Einfluß auf die EU zu nehmen. Und zwar s e l b s t b e s t i m m t und ohne den Filter einer immer unbedeutender werdenden (100 minus 84 = 16 % originärer Gesetzgebungsverfahren der BRD) nationalstaatlichen Ebene.

Die Spieler des FC Barcelona haben ihren Championsleaguesieg nicht Spanien, sondern Katalanien gewidmet. Die starken separatistischen Bewegungen in Katalanien und dem Baskenland sind bekannt und von der Madrider Zentralregierung gefürchtet. Die SNP in Edinburgh bereitet ein Referendum über die Abspaltung Schottlands vom UK vor. Die Bayernpartei hat mit der Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Unabhängigkeit Bayerns von der BRD und die Rückkehr zu einer bayerischen Eigenstaatlichkeit wie in den 1500 Jahren vor der Reichgründung 1871 begonnen.

In 30 oder 50 Jahren mag Europa in staatlicher Hinsicht ganz anders als heute organisiert sein. Ob besser oder schlechter, wir wissen es nicht. Aber in weiten Bevölkerungskreisen wachsen die Zweifel daran, dass das Europa von heute optimal organisiert ist.

Viele Grüße
Walter Pohl

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