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2. Juni 2011: Von  an Häupler Karl
Grüß Gott Herr Häupler,

auch wenns jetzt vordergründig nach Parteienwerbung mieft, aber Sie sprechen hier natürlich genau eines der Kernthemen der Bayernpartei an.

Es geht um das klassische Thema, das das Hl. Römische Reich Deutscher Nation über Jahrhunderte umgetrieben hat und das in der Gründung des (Klein-)Deutschen Reichs ohne Habsburg 1871 seinen Kulminationspunkt fand: Das Spannungsfeld zwischen den Unitaristen, die dem alles von oben nach unten regulierenden Zentralstaat Bismarckscher Prägung huldigen, und den Föderalisten, die die Subsidiarität hochhalten. Subsidiarität, kurz gefasst, begreifen Sie bitte als das Prinzip, wonach von unten nach oben die jeweils kleinere staatliche Organisationsform (z.B. Gemeinde) nur die Themen an die nächsthöhere staatliche Organisation (z.B. Kreis, Bezirk, Land, Zentrale) abgibt, die sie selbst nicht regeln kann.

Beide Organisationsformen funktionieren, siehe den Berliner Zentralstaat und die Confoederatio Helvetica. Beide sind hervorgegangen aus dem früheren Römischen Reich, beide sprechen teilweise und bis zu einem gewissen Grad die selbe Sprache, beide funktionieren auf der Basis demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Dennoch bilden sie in ihrer vertikalen staatlichen Organisation Gegenpole. Auch die internationale Luftfahrt funktioniert reibungslos in beiden Systemen. Sie können nämlich nicht nur vom Allgäu aus nach Edinburgh oder Barcelona fliegen, sondern auch aus dem "föderalen, subsidiären Chaos" in Altenrhein. Und das nicht erst, seitdem die Schweiz Verträge mit der EU ausgehandelt hat, sondern schon zu Zeiten, als es nur das Chicagoer Abkommen und noch keine EU gab.

Die Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg war und ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte. Warum? Weil sie demokratisch verfaßt ist, die demokratischen Institutionen gut funktionieren und dadurch der bundesdeutsche Rechtsstaat die Akzeptanz seiner Bevölkerung erworben hat. Auf dieser Basis wurden Frieden, Freiheit, Wohlstand und die Wiederaufnahme Deutschlands in die internationale, insbesondere europäische Staatengemeinschaft nach 1945 möglich.

Die Organisation der EU ist von einer solchen Akzeptanz im Volk weit entfernt. Warum? Weil sie nicht wirklich demokratisch verfaßt ist. Warum? Weil die Regierenden ihren eigenen Völkern Europa nicht zutrauen. Deswegen haben sie Europa feudal und weit weg vom Volk organisiert, als "Club" der Regierenden:

- Das Parlament ist Augenauswischerei, dient als Alibi für sogenannte demokratische Strukturen und hat de facto nur eine beratende Funktion, nicht viel "mächtiger" als ein beliebiges Parlament in einer der europäischen Monarchien des 18. oder 19. Jahrhunderts oder das syrische, libysche, saudische Parlament von heute.

- Die Musik spielt tatsächlich in den von den Regierungen nach Gutdünken der regierenden Herrinnen und Herren beschickten Gremien Komission und Rat. Die sind also nicht gewählt, sondern bestellt. Sie gehen auch nicht aus dem Parlament hervor. Hierin liegt das große Demokratiedefizit der EU. Und über die Verordnungen der EU, die Mitgliedsstaatenrecht brechen, wird dieses Demokratiedefizit in die einzelnen Mitgliedsstaaten zurück getragen. Laut Herrn Stoiber, also einer Person, die allzu großer Systemdistanz und des Aufrührertums nun wirklich unverdächtig ist, nehmen ca. 84 % aller Gesetze in der BRD ihren Ursprung in V E R O R D N U N G E N von Komission und Rat. Wie schwer es ist, gegen dieses von den Regierenden für die Regierenden in Europa geschaffene Feudalsystem anzurennen und einzelne Verordnungen abzuändern, zu vermenschlichen, näher an die Bedürfnisse nach unten zu den Betroffenen zu bringen, zeigt das Thema dieses Threads und Jan Brills, bzw. aller hier Postender Hilflosigkeit vor dem System.

Regional tätige politische Parteien z.B. in Belgien, Spanien, UK, und eben auch die Bayernpartei versuchen, Europa wieder näher an die Menschen zu bringen, indem sie sich subsidiär-radikaldemokratisch für eine Stärkung der kleineren staatlichen Organisationsform, des Bundeslandes oder einer Region unterhalb des Nationalstaats einsetzen. Dies kann sich in dem Ruf für mehr regionale Autonomie oder bis hin zur staatlichen Separation (siehe Tschechoslowakei) äußern.

Wenn schon der Einzelne in seinen demokratischen Grundrechten von der EU abgehängt wird, dann soll es wenigstens seiner Region, seinem Distrikt oder Bundesland, seiner ureigenen kulturellen und sozialen Identifikationsplattform möglich sein, über eigenen Komissar und Ratsmitglieder Einfluß auf die EU zu nehmen. Und zwar s e l b s t b e s t i m m t und ohne den Filter einer immer unbedeutender werdenden (100 minus 84 = 16 % originärer Gesetzgebungsverfahren der BRD) nationalstaatlichen Ebene.

Die Spieler des FC Barcelona haben ihren Championsleaguesieg nicht Spanien, sondern Katalanien gewidmet. Die starken separatistischen Bewegungen in Katalanien und dem Baskenland sind bekannt und von der Madrider Zentralregierung gefürchtet. Die SNP in Edinburgh bereitet ein Referendum über die Abspaltung Schottlands vom UK vor. Die Bayernpartei hat mit der Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Unabhängigkeit Bayerns von der BRD und die Rückkehr zu einer bayerischen Eigenstaatlichkeit wie in den 1500 Jahren vor der Reichgründung 1871 begonnen.

In 30 oder 50 Jahren mag Europa in staatlicher Hinsicht ganz anders als heute organisiert sein. Ob besser oder schlechter, wir wissen es nicht. Aber in weiten Bevölkerungskreisen wachsen die Zweifel daran, dass das Europa von heute optimal organisiert ist.

Viele Grüße
Walter Pohl

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