In dem Bericht ging es um Streiks, von denen der Flugplatz in Schönhagen betroffen war. Stark vereinfacht wollten fünf AFISOs eine deutlich höhere Entlohnung durchsetzen, die sich an den Gehältern für Fluglotsen orientiert.
Das Problem dabei ist zweierlei:
Erstens sind AFISOs, was Ausbildung und Auswahlverfahren betrifft, in keinster Weise mit ausgebildeten Fluglotsen vergleichbar. Ein AFIS-Mitarbeiter ist als Fußgänger von der Straße in drei Monaten bis zur Platzreife eingelernt. Davon können angehende Fluglotsen nur träumen. Und zweitens kann sich ein Platz wie Schönhagen diese Gehälter nie und nimmer leisten. Dementsprechend stieß der Arbeitskampf der fünf Herren auch nur auf wenig Zustimmung bei den restlichen Mitarbeitern des Flugplatzes.
Interessant für uns und unsere Leser ist die Signalwirkung, die von diesem Arbeitskampf ausgeht. Denn es ist zu erwarten, dass aufgrund von gesetzlichen Änderungen ab nächstem Jahr mehr und mehr Airports mit Tower auf reinen AFIS-Betrieb umstellen. Mit entsprechenden Folgen für Mitarbeiter und Kunden.
Die fünf Herren führten den Arbeitskampf dabei weitgehend öffentlich, bekannten sich in Schönhagen in aller Form zu ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit und warben ganz offen am Arbeitsplatz (oft vergeblich) für ihren Standpunkt.
Briefmarke des Bundesfinanzministeriums zur Pressefreiheit. Ginge es nach der Rechtsauffassung von Jonas Dalby von der Kanzlei Weißmantel & Vogelsang würde die DSGVO eine Berichterstattung über öffentliche Tarifauseinandersetzungen nahezu unmöglich machen. Zum Glück ist das in Deutschland nicht der Fall. |
Ein Informationsschreiben des Flugplatz-Geschäftsführers Dr. Schwahn, das den Standpunkt der Flugplatzgesellschaft Schönhagen mbH darlegte, war knapp 200 Kunden des Flugplatzes zugegangen. Dieses Schreiben zitierten wir in unserem Artikel und ließen die darin genannten Namen der fünf Arbeitskämpfer natürlich stehen. Sie waren ja ohnehin schon lange bekannt.
Mit anderen Worten: Hier wurde öffentlich eine Auseinandersetzung geführt, an der – zumindest die Fliegeröffentlichkeit – ein berechtigtes Informationsinteresse hat.
Die Gewerkschaft schäumte in einer Mitteilung vom 2.Juli 2021 denn auch vor Zorn und Klassenkampf.
Besonders enttäuscht ist man bei der GdF von der Landrätin Wehlan (Die Linke), die sich nicht so recht für die Forderung der fünf Mitarbeiter begeistern konnte. Zitat aus der GdF-Mitteilung:
„Wie anders wäre es zu erklären, dass eine politische Größe der Partei, die sich Soziales und Gerechtigkeit auf die Fahne schreibt und für sich und ihr Wahlprogramm beansprucht, auf diese Weise agiert?“
Der Flugplatz ist eben ein kommunaler Arbeitgeber und bei den hier vorgetragenen Forderungen hört offenbar selbst für die Linken die Solidarität auf. Das ist natürlich bitter.
Selbst unsere Berichterstattung kochte man aus dem Blickwinkel des Klassenkampfes hoch und erhöhte damit die Reichweite des Artikels ganz enorm, wie mir zahlreiche Kollegen und Freunde aus der Flugsicherung erläuterten:
„Damit nicht genug, in der frischen Ausgabe unserer Lieblingslektüre „Pilot und Flugzeug (PuF)“ meint ein Redakteur, seinen Kommentar zu den Vorgängen in Schönhagen geben zu müssen, was selbstverständlich sein gutes Recht ist. Dass er dabei ungefiltert völligen Unsinn über angebliche politische Bestrebungen der GdF philosophiert, zeugt immerhin von einer lebhaften Fantasie. Das Abdrucken des gesamten Briefes des Herrn Schwahn inklusive der Klarnamen der beteiligten Kollegen hingegen verstößt gegen jedweden Grundsatz eines guten, engagierten und verantwortungsbewussten Journalismus, stammt aber auch aus der Feder des Redakteurs eines Blattes, das sich eigenen Angaben folgend dadurch auszeichnet, ausschließlich die Upper Class der Bevölkerung zu seinen Lesern zu zählen, diejenigen also, die einen ausgeprägten Machtinstinkt und Veränderungs- sowie gesellschaftlichen Gestaltungswillen in sich tragen. Besagter Redakteur geht offenbar davon aus, dass es im Sinne dieses Veränderungswillens sein muss, Arbeitnehmerrechte in Feudalherren-Attitüde kurzerhand über existenzbedrohende Maßnahmen zu schleifen.
Mitarbeiter, die ihre gesetzlichen Rechte einfordern und sich der Willkür eines Geschäftsführers und der Kreisverwaltung entgegenstellen wollen, derart öffentlich mit Dreck zu bewerfen und sich an der Vernichtung ihrer Existenz zu beteiligen, ist nicht nur schäbig und hochgradig tendenziell, sondern demnächst Teil einer rechtlichen Überprüfung. Wir werden den Ausgleich aller Schäden auf Heller und Pfennig einfordern.“
Dass Pilot und Flugzeug die Lieblingslektüre auch vieler Lotsen ist, hatten wir schon lange geahnt, freuen uns aber natürlich sehr über die Bestätigung aus berufenem Munde. Aus der Tatsache, dass wir uns für einen finanziell nicht gerade auf Rosen gebetteten öffentlichen GA-Flugplatz einsetzen, aber gleich den Willen zur Existenzvernichtung bestimmter Mitarbeiter abzuleiten, finde ich dann doch etwas übertrieben. In jedem Fall waren wir gespannt auf die „rechtliche Überprüfung“.
„Nettigkeitsanruf“ vom Anwalt ?
Kurz nach Erscheinen der Juli-Ausgabe rief dann Rechtsanwalt Jonas Dalby von der Kanzlei Weißmantel & Vogelsang in unserer Redaktion an und verlangte dringend, den Autor zu sprechen. Dieser war aber gerade im Flugdienst. Unserer Verlagsmitarbeiterin teilte der Anwalt sein Missfallen über unsere Berichterstattung mit und gab weiterhin an, dass ich ihn umgehend zurückrufen solle, es handele sich um einen „Nettigkeitsanruf“. In einer per E-Mail erneut vorgetragene Bitte um telefonische Rückmeldung erklärte Dalby darüber hinaus, er sei „Verhandlungsführer der Gewerkschaft der Flugsicherung“. Ich bot ihm meinen Rückruf für den nächsten Arbeitstag an, da ich davon ausging, dass er in einem Interview „on the records“ die Sicht der Gewerkschaft ergänzen oder vervollständigen wollte. Das reichte aber offenbar nicht. Dalby erklärte:
„In Anbetracht der Wichtigkeit des Anliegens werden wir allerdings kaum bis Montag warten können. Es handelte sich bei Versuch meiner Kontaktaufnahme ohnehin schon um ein Engegenkommen. Wir würden dann förmlich tätig werden.“
Außer dem für einen Anwalt eher unüblichen orthografischen Fehler macht hier natürlich eines gleich stutzig. Wenn ich in 18 Jahren Pilot und Flugzeug etwas gelernt habe, dann, dass Anwälte bei schlechter Presse keine „Nettigkeitsanrufe“ machen und dass ein freiwilliges „Entgegenkommen“ gegenüber einem potenziellen Prozessgegner in diesem Berufsstand ebenfalls äußerst selten vorkommt.
Stellungnahme der fünf Gewerkschafter an alle Kreistagsabgeordneten. Viel direkter kann man eigentlich nicht in die Öffentlichkeit treten. Trotzdem geht GdF-Anwald Dalby massiv gegen die Berichterstattung zum Thema vor. |
Tatsächlich zeigten noch am gleichen Tag die fünf Herren an, dass sie durch Rechtsanwalt Jonas Dalby, Rechts- und Fachanwälte Weißmantel & Vogelsang, vertreten seien, und am frühen Abend liefen fünf inhaltlich gleichlautende Schreiben dieser Kanzlei in unserem redaktionellen E-Mail-Postfach ein.
Das ist jetzt bei Weitem nicht das erste Mal, dass sich jemand anwaltlich über unsere Berichterstattung ärgert, aber diese fünf Schreiben waren wirklich etwas Besonderes. Statt wie üblich presserechtliche Beanstandungen geltend zu machen und z.B. Gegendarstellung oder Unterlassung zu fordern, erklärte der Verhandlungsführer der GdF:
„Gegenstand der Beauftragung ist, dass unserem Mandanten kurzfristig zur Kenntnis gelangt ist, dass Sie die Gewerkschaftszugehörigkeit unseres Mandanten als sogenanntes sensitives Datum im Sinne des Art. 9 DSGVO verarbeitet haben, indem die Gewerkschaftszugehörigkeit unseres Mandanten unter Nennung seines vollen Namens gegenüber Dritten offengelegt wurde.
Hiermit macht unser Mandant den ihm aus Art. 17 DSGVO zustehenden Löschungsanspruch geltend. Wir fordern Sie auf, unseren Mandanten betreffende personenbezogene Daten und Informationen von Ihrer Webseite in Deutschland [...] sowie aus der Zeitschrift Pilot und Flugzeug, Ausgabe 7/21: Artikel „Schönhagen: Die GdF sägt am Ast“ unverzüglich zu löschen bzw. die bereits ausgelieferten Zeitschriften unverzüglich zurückzuholen und zu vernichten.“
Und besonders wichtig (weil unterstrichen) fordert der Anwalt:
„Wir fordern Sie auf, Auskunft darüber zu erteilen, welche unseren Mandanten betreffenden personenbezogenen Daten Sie verarbeiten, sowie um eine Kopie dieser Daten.“
Dann folgte u.a. eine unerfüllbar kurze Frist und schließlich der entscheidende Absatz:
„Zur Beseitigung der immateriellen Beeinträchtigung haben Sie unserem Mandanten eine Geldentschädigung zu leisten. Unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs ist ein Betrag von € 5.000,00 angemessen.“
Gefolgt von der üblichen Geschäftsgebühr + Nebenkosten über immerhin 953,40 Euro netto, die Jonas Dalby trotz gleich gelagertem Sachverhalt ganz lässig für alle fünf Herren einzeln abforderte.
Immerhin. Das war mal was Neues. Statt der üblichen langweiligen Begründung aus dem Presserecht nahm Weißmantel & Vogelsang hier die DSGVO zu Hilfe – oder versuchte es jedenfalls. Denn Medien- und Presserecht gehört zumindest, wenn man dem Briefkopf und dem Internetauftritt der Kanzlei Glauben schenkt, ganz offensichtlich nicht zu den Schwerpunkten des Unternehmens.
Sonst wüsste man dort nämlich, dass natürlich kein Journalist der Welt seiner Tätigkeit in einer freien Presse nachgehen könnte, wenn er bei seinen Recherchen nach den Vorgaben der DSGVO handeln müsste und für jeden Eintrag in seinem Recherchearchiv oder die „Weitergabe“ der journalistischen Informationen an die Rezipienten eine Zustimmungserklärung der Betroffenen einholen müsste. Das ist derart evident, dass es sogar der EU-Gesetzgeber kapiert hat und in der DSGVO ausdrücklich das Medienprivileg verankert hat, das Journalisten bei ihrer Arbeit von wesentlichen Bereichen der Verordnung ausnimmt.Nur eine kurze Google-Suche hätte den GdF-Verhandlungsführer übrigens über diese Sachverhalte informiert.
Und um dem an dieser Stelle üblichen „ja, aber“ gleich entgegenzutreten: Natürlich sind die fünf Herren mit ihrem Arbeitskampf in die Öffentlichkeit getreten. Nicht nur mündlich vor Ort. In einem Aufruf an alle Abgeordneten des Kreistags Teltow-Fläming, den die Herren mit „Die Mitarbeiter des Bereichs AFIS am Flugplatz Schönhagen“ und dann ihren vollen Klarnamen unterschrieben haben, nehmen die Arbeitskämpfer im demokratischen Prozess zum Streik Stellung. Sehr viel unmittelbarer kann man eigentlich nicht in die Öffentlichkeit treten. Oder wie man es im Juristendeutsch ausdrückt: Es liegt hier eine sog. Selbstöffnung vor.
Auch sonst ist das Vorgehen des GdF-Anwalts nach unserer Auffassung reichlich absurd, insbesondere die Forderung nach einer immateriellen Entschädigung von 5.000 Euro (!) pro Person. Denn völlig unerfindlich ist, wie den fünf bereits in die Öffentlichkeit getretenen Mitarbeitern aus der Berichterstattung über ihren Arbeitskampf ein schwerer Schaden entstanden sein soll.
Die bloße Behauptung eines Verstoßes gegen die DSGVO reicht nämlich nicht, um einen Anspruch zu begründen. Das hat das OLG Bremen am 16. Juli gerade wieder ausdrücklich klargestellt.
Fazit
Um mal wieder zur Sache zu kommen – darum geht‘s: Flughäfen mit nur wenigen Linienverbindungen wie z.B. Kassel/EDVK könnten ab nächstem Jahr aufgrund einer Änderung der Bestimmungen auch ohne Tower auskommen und auf AFIS und RMZ umstellen. Das führt natürlich auch zu Veränderungen im Gehaltsgefüge. |
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Unseres Erachtens nach hat der GdF-Verhandlungsführer Dalby hier fünf gleichlautende evident rechtswidrige und damit sachfremde Forderungen nebst Kostennote gestellt, was wiederum die Frage des Rechtsmissbrauchs aufwirft. Wir sind jetzt mal sehr gespannt, ob die fünf Herren wirklich klagen ...
Als GdF-Beitragszahler würde ich allmählich mal beim Bundesvorstand nachfragen und sicherstellen, dass für diese unsinnige Auseinandersetzung mit der Presse keine Mitgliedsbeiträge verpulvert werden. Vielleicht überlegen sich die fünf Herren ja, ob die behauptete DSGVO-Verletzung wirklich das private Kostenrisiko eines Prozesses wert ist. Bei der Flugplatzgesellschaft Schönhagen tätig sind die Herrn inzwischen übrigens nicht mehr. Wir sehen einer diesbezüglichen Auseinandersetzung jedenfalls recht gelassen entgegen.
Und wir haben dazugelernt. In der Recherche zum ursprünglichen Artikel hatten uns Unternehmen, die mit der GdF im Tarifkonflikt standen, immer wieder „on Background“ gesagt, wie aggressiv die Gewerkschaft gerade im juristischen Bereich vorgehe. Das hielten wir in der Redaktion für parteiisch und haben es daher nicht gedruckt. Inzwischen halte ich diese Einschätzung aber für sehr viel plausibler.
Nur weil AFISOs und Lotsen beide an einem Ort namens „Tower“ arbeiten, bedeutet dies nicht, dass sie dieselbe Arbeit verrichten. Tatsache ist nun mal, dass man einen AFISO in drei Monaten angelernt hat und ein Lotse eher in drei Jahren fertig ausgebildet ist. Für beide ein ähnliches Gehalt zu fordern ist daher weltfremd.
Das hat nichts mit persönlicher Wertschätzung zu tun, sondern mit den Gesetzen des Arbeitsmarkts, denen Flugplätze genauso unterworfen sind wie Flugplatznutzer. Als Piloten brauchen wir gut bezahlte und motivierte AFISOs ebenso wie gut bezahlte und motivierte Lotsen. Wir sollten aber nicht vorgeben, dass die Berufe vergleichbar wären. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass AFISOs in Schönhagen nicht leistungsgerecht und fair bezahlt würden.