Gleich vorab: Eine einfache und pauschale Empfehlung können wir leider nicht geben. Während sich diverse renommierte Unternehmen aus dem Nav-Data- und Consulting-Bereich in das Thema hineinknien und unterschiedliche Pakete und Leistungen anbieten, stellt sich für die Halter die Frage, ob
- das am Ende überhaupt alles nötig ist,
- die voraussichtlichen Änderungen mitberücksichtigt werden können,
- man mit einem solchen Manual einen ersten Review der Behörde übersteht und
- Preis und Leistung in einem akzeptablen Verhältnis stehen.
Firmen wie z.B. TRS Aviation Consulting verschicken in diesem Zusammenhang Offerten, die zahlreiche Behauptungen enthalten, die wir hier etwas näher unter die Lupe nehmen wollen.
Die Situation

Welche HPA-Complex-Flugzeuge sind wann und wie von der Manual-Pflicht nach Part NCC betroffen? Daran könnte sich noch einiges ändern. |
Die Rahmenbedingungen sind leider für alle Beteiligten unklar und wenig zufriedenstellend. Der Part OPC NCC der EU-Verordnung 800/2013 ist hinlänglich bekannt.
Private Betreiber von High-Performance-Complex-Flugzeugen, also der meisten Twin-Turboprops und aller Jets, müssen in Deutschland ab dem 25. August 2016 ein Handbuch vorweisen, das ähnlich einem Betriebshandbuch in einem Luftfahrtunternehmen die Betriebsverfahren und das Safety-Management des Betreibers festlegt und beschreibt.
Wir haben schon mehrfach erklärt, wie unsinnig diese Anforderungen in ihrer jetzigen semi-gewerblichen Form vor allem für kleine One-Man-Operator (=private Halter) sind, und wollen das jetzt nicht nochmal aufrollen.
Klar ist indes eines: Das Betriebshandbuch muss zunächst nicht genehmigt werden. Es wird lediglich deklariert. Man bekommt also bis zu einer zufälligen Betriebsprüfung keinerlei Feedback, ob der Behörde das Manual nun passt oder nicht.
Auch spezielle Approvals, wie RVSM oder MNPS, sind nicht erneut genehmigungspflichtig, da sie bei deutsch zugelassenen Flugzeugen ja bereits genehmigt sind.
Etwas anders sieht es z.B. bei Betreibern von Nicht-EASA-Flugzeugen (z.B. US- oder M-Registrierung) aus, die ihren Sitz in der EU haben. Diese fallen ebenfalls unter den Part NCC. In der Regel verfügen sie aber auch über z.B. einen RVSM-Approval des Eintragungsstaats. Ob dieser dann aber für die Zwecke von NCC ausreicht, ob man ihn also einfach nur kopieren und dazulegen muss, weiß im Moment kein Mensch.
Firmen wie TRS behaupten, zusätzlich sei aber in jedem Fall eine genehmigte MEL (Minimum Equipment List) erforderlich, deren Erstellung gegen einen Aufpreis angeboten wird. Vermutlich nehmen die Anbieter hier Bezug auf NCC.IDE.A.105.
Ein Flug darf nicht begonnen werden, wenn eine(s) der Instrumente, Ausrüstungsteile oder Funktionen des Flugzeugs, die für den vorgesehenen Flug erforderlich sind, nicht betriebsbereit sind oder fehlen, sofern nicht
a) das Flugzeug gemäß der Mindestausrüstungsliste (Minimum Equipment List, MEL) des Betreibers betrieben wird,
b) der Betreiber von der zuständigen Behörde die Genehmigung erhalten hat, das Flugzeug im Rahmen der Einschränkungen der Basis-Mindestausrüstungsliste (MMEL) zu betreiben, [...]
Daraus eine generelle Pflicht für eine behördlich genehmigte individuelle MEL abzuleiten ist für uns etwas gewagt. Nötig wird sie sowieso nur, wenn „Ausrüstungsteile oder Funktionen des Flugzeugs, die für den vorgesehenen Flug erforderlich sind, nicht betriebsbereit sind oder fehlen“.
Dass man unter diesen Bedingungen mit einer Twin-Turboprop überhaupt fliegen kann oder will, dürfte in der Praxis ein eher seltenes Szenario sein. Das sollte man den Kunden vielleicht mitteilen, bevor man dafür kassiert.
Zudem dürften die allermeisten deutsch registrierten HPA-Complex-Flugzeuge in einer CAMO sein, was bedeutet, dass ohnehin eine MEL erstellt wurde.
Die Preise, die ein Unternehmen wie TRS dafür aufruft, sind:
- 4.500,– € für die Erstellung des OM,
- 2.500,– € für die Erstellung der MEL,
- jährlich 2.000,– € für die Pflege des OM,
- jährlich 1.000,– € für die Pflege der MEL.
Das entspricht knapp dem Einstiegs-Preisniveau für ein zugelassenes kleines und simples gewerbliches OM, wenn man ein absolutes 0815-Manual wünscht.
Im Unterschied zum gewerblichen OM gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Für das gewerbliche OM gibt es ein klares Erfolgskriterium: die behördliche Genehmigung. Wird diese erteilt, können Auftraggeber und Auftragnehmer von einem Erfolg des Vertrags ausgehen.
Beim NCC-OM ist das nicht der Fall. Mängel im Manual können aufgrund der Deklaration erst nach vielen Jahren bei einer zufälligen Prüfung des Flugbetriebs auftauchen. Dann wird es sehr schwierig, Rückgriff auf den Consultant zu nehmen. Zumal TRS für diesen Fall auch einfach nur anbietet:
Für die Consulting Services gibt es Tagessätze, hier ist dann relevant, ob die Beratung vor Ort oder bei uns stattfinden soll.
Ohne klare Erfolgskontrolle ist die Erstellung eines NCC-OM für den Auftraggeber eine ziemlich riskante Angelegenheit.
Zweifellos, TRS ist ein erfahrener Manual-Schreiber und kennt sich im gewerblichen Bereich bestens aus. Ob diese Erfahrung aber am Ende im NCC-Bereich nützlich oder ausreichend ist, muss zurzeit noch völlig offen bleiben. Denn es soll wesentliche Änderungen beim Part-NCC geben, die größere Abweichungen von den gängigen gewerblichen Manuals mit sich bringen.
Zunächst mal sollen Twin-Turboprops komplett aus der Manual-Pflicht entlassen werden. Wer sich für seine KingAir ein solches Manual erstellen lässt und dann aus dem NCC-OM entlassen wird, hat einen ziemlich teuren Grillanzünder für die nächste Gartenparty erworben.
Ob und vor allem wann das wirklich geschieht, ist aber im Moment unklar. Die EASA muss hier zügigst Rechtssicherheit für die Betreiber schaffen.
Jets werden wohl nicht aus der Manual-Pflicht herauskommen. Es soll im Frühjahr/Sommer jedoch ein vereinfachtes Beispiel-Manual durch die EASA herausgegeben werden, dessen Verfahren – vor allem beim Safety-Management-System – deutlich von den bekannten gewerblichen Manuals abweichen werden.
Dieses soll für kleine Operator anwendbar sein, also für die meisten Betriebe, die ein oder zwei Jets betreiben. Auch das ist jedoch nur eine Absichtserklärung der Behörde. Ob und wann diese Änderungen/Ergänzungen kommen, ist ebenfalls unklar.
Halter von High-Performance-Complex-Flugzeugen schießen im Moment also auf stark bewegliche Ziele.
Das zweite Problem: Wenn sich angekündigte Beispiel-Manuals der EASA einmal etablieren, werden diese selbstverständlich auch Grundlage bei der Prüfung eines NCC-Betreibers sein. Wer dann ein komplett anders aufgebautes OM, das aus dem gewerblichen Bereich abgeleitet wurde, vorweist, bringt erstmal etwas Ungewohntes mit zur Prüfung.
Wenn jetzt aber alle Betreiber bis zum 24. August warten, ob die Ankündigungen nun umgesetzt werden oder nicht, ist es freilich zu spät.
Unsere Einschätzung
Vor diesem Hintergrund kurzfristig wechselnder Anforderungen kann man eigentlich nur raten. Und nichts anderes ist unsere Einschätzung auch. Eine Prognose, eine Vermutung.
Wer jetzt ein mehr oder weniger auf gewerblichen OMs basiertes Manual in Auftrag gibt, wird wohl mittelfristig alle Anforderungen erfüllen. Sie werden dann zwar möglicherweise im Vergleich zum Standard-Manual viel zu viel gemacht haben, aber kaum gegroundet oder ernsthaft beanstandet werden.
Das Risiko mit einem jetzt erstellten NCC-OM liegt vielmehr in der nicht stattfindenden Erfolgskontrolle und darin, dass Sie sich mit einem restriktiven quasi-gewerblichen Manual vielleicht zu sehr einschränken.
Sie sollten bei der Auftragserteilung darauf hinwirken, klare Erfolgskriterien zu definieren, um nicht bei einer Prüfung in drei oder fünf Jahren alleine oder mit irgendwelchen „Tagessätzen“ dazustehen.
Der Preis von knapp 5.000 Euro ist bei „Werksgarantie bis zur ersten LBA-Prüfung“ noch akzeptabel. 2.500 Euro für eine MEL sind sehr teuer. Jährliche Pflegekosten von mehr als 1.000 Euro für ein OM halten wir aus unserer Sicht auch für zu teuer, solange darin nicht die komplette Betreuung behördlicher Audits eingeschlossen ist.
Wir haben selber OMs für den NCC- und ATO-Betrieb in unserer genehmigten Ausbildungsorganisation erstellt und pflegen diese seit Frühjahr 2014. Der Arbeitsaufwand ist nicht allzu umfangreich.
Lange warten sollten Sie für einen Fremdauftrag allerdings nicht mehr. Ab März oder April ist mit erheblichem Rückstau zu rechnen.
Alternativen

Help yourself. Wer beim NCC-Manual etwas Eigenarbeit einbringen kann, der sollte die Entwicklung erstmal abwarten und dann kurzfristig wenn nötig ein Manual aus einer Vorlage erstellen. Unser Manual ist hierfür lizenzfrei verfügbar. |
Wenn Sie selber zumindest notfalls die Ressourcen im Unternehmen haben, um bei diesem Thema etwas Eigenarbeit einzubringen: Erstmal abwarten. Bedenken Sie: Am Anfang prüft niemand Ihr NCC-OM.
Sie beschäftigen also einen jungen Copiloten auf Ihrem Flugzeug, der eine interessante Aufgabe für seinen Lebenslauf sucht? Setzen Sie den ans OM! Die Sache ist machbar.
Als Vorlage können Sie
unser genehmigtes OM-A lizenzfrei verwenden. Es handelt sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Das Manual dürfte für die meisten NCC-Betriebe zu umfangreich sein, da es auch eine genehmigte Ausbildungsorganisation (ATO) abdeckt, die neuralgischen Kapitel zum Safey Management sind jedoch allgemein anwendbar.
Alternativ hat auch die AOPA ein NCC-Mustermanual zum Selbstkostenpreis
angekündigt.
Und wenn sich dann im Juni oder Juli noch nichts getan hat, lassen Sie Ihren Mitarbeiter ein rudimentäres OM aus einer solchen Vorlage erstellen. Oder setzen Sie sich selber zwei bis drei Tage in den Keller.
Denn: Es muss nicht toll sein. Es wird nicht genehmigt. Sie müssen erstmal nur eine halbwegs glaubhafte Deklaration abgeben. Wenn man Ihnen gesetzlich nur bewegliche Ziele vorsetzt, sitzt der erste Schuss eben nicht im Schwarzen. So be it!
Verbessern und prüfungsklar machen können Sie das Manual dann auch nach dem 25. August noch, wenn sich nichts weiter tut...