...ich will nur nahcfragen, was Du mit der Charakterisierung des Schweizers als "medizinisch-autistisch" meinst. In der gleichen Zeitung ein gestriges Interview mit ihm.
Mit medizinisch-autistisch meine ich, dass er ein Primat der Medizin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft postuliert und das verkennt die Wirklichkeit. Er redet von dem langen, selbstbestimmten Leben, das man den Leuten schuldet aber ohne Wirtschaft gibt es das auch nicht somit muss hier abgewägt werden und die Wirtschaft spielt nicht die zweite Geige nach der Medizin. Ein Diktat der Mediziner ist fehl am Platz, die Politik muss verschiedene Aspekte gewichten.
autistisch ist dann der falsche Begriff und von ähnlichem Kaliber wie "BWLer gehen über Leichen". Die Relativierung des Wertes menschlichen Lebens ist unvermeidlich, aber gefährlich. Ich bin froh, daß bisher weitgehend das Primat der Medizin geherrscht hat. Die Alternative ist nämlich nicht umkehrbar.
und die Wirtschaft spielt nicht die zweite Geige nach der Medizin
Die Debatte muß im Moment der Politik überlassen werden, aber prinzipiell kann das nur gesellschaftlich ausgehandelt werden, wenn schon die Religion irrelevant geworden ist. Natürlich kann man eine Gesellschaft nicht nach absoluten Prinzipien führen und natürlich muß man die verschiedenen Faktoren gewichten, aber das ist ein trauriges Thema. Zwischen der Abwägung "was sind uns die Alten wert?", dem sozialverträglichen Frühableben und der kommerzialisierten Sterbehilfe bestehen graduelle, aber keine prinzipiellen Unterschiede. Fäuste runter, ich unterstelle Dir keine Euthanasie-Phantasien. Aber: wenn man das menschliche Leben nicht mehr absolut setzt, dann ist alles nur noch eine Frage der Wichtungsfaktoren.
Interessant sind die Auswirkungen der Wirtschaft auf das Leben: nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sank die Lebenserwartung der Männer schlagartig extrem, IIRC um mehr als 10 Jahre. Ich weiß nicht, ob Alkohol, fehlende Gesundheitsversorgung oder Suizid die Ursache waren, aber es war dramatisch.
Andererseits haben die Kubaner, obwohl mit einem pro-Kopf-BIP von vielleicht 1/20 der USA ausgestattet, eine etwas bessere Lebenserwartung (sonst ist die Lebenserwartung natürlich proportional zum BIP). Die Kindersterblichkeit als direktem Maß für die Entwicklung eines Landes ist ebenfalls in Kuba geringfügig besser als in den USA (und Deutschland liegt hinter Griechenland...).
Will sagen: das mit dem Geld scheint mir so einfach nicht.