Hallo Georg,
nur eine kleine Exkursion zum Budgetrecht der EU, das nicht ganz so einfach in einem Beitrag hier im Forum darzustellen ist. Grundsätzlich verabschiedet die Europäische Union (im Konsens der Mitgliedsstaaten, der Kommission und des Europäischen Parlaments) jährlich eigentlich zwei Haushalte. Einen bezüglich Zahlungsermächtigungen und einen anderen bezüglich Verpflichtungsermächtigungen. Der Haushalt bezüglich Verpflichtungsermächtigungen wurde von den Mitgliedsstaaten nie besonders ernst genommen, tatsächlich gibt es zwischen Parlament und Rat immer eine Art Kuhhandel, der Rat gibt dem Parlament seine Spielwiesen im Haushalt der Verpflichtungsermächtigungen, das Parlament nimmt dafür Kürzungen bei den Zahlungsermächtigungen hin.
Verpflichtungsermächtigungen sind im Grunde das Recht, bindende Verträge einzugehen und sich zu Zahlungen (die in der Zukunft liegen) zu verpflichten. Hier haben insbesondere die Mitgliedstaaten in den letzten zehn Jahren ohne Pardon Kohle rausgehauen und die Europäische Kommission wurde ermächtigt, für sehr hohe Summen Verpflichtungen einzugehen.
Hinterherhinken seit Jahren hingegen die Zahlungsermächtigungen. Das ist das Geld, das die Mitgliedsstaaten tatsächlich am Jahresende überweisen müssen. Das also wirklich weh tut. Verpflichtungsermächtigungen sind nur eine Art Versprechen an die Zukunft.
Die 60 Mrd. Euro sind nur der Anteil der Briten an denen unter ihrer Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungsermächtigungen. Sie mussten bei ihrem Beitritt auch nicht für Verpflichtungen zahlen, die die Mitgliedsstaaten der Union vor dem Beitritt der Briten eingegangen waren.
D.h. es ist schon ein bisschen vergleichbar mit dem Austritt aus dem Luftsportverein, wenn Du an der Theke noch einen riesigen Deckel offen hattest.
Durch das Fortschreiben in die Zukunft merken die einzelnen Staaten die eingegangen Verpflichtungen nicht so sehr, das Delta wird zwar in jedem Jahr etwas größer, aber das ist im Prinzip ein sorgloses Leben auf Pump.
Ich war ja ein paar Mal direkt in die Verhandlungen zwischen Rat und Parlament involviert und habe teilweise live mitbekommen, wie tatsächlich die mitgliedsstaatlichen Vertreter in den Verhandlungsrunden (die bei Bier (!) und Schnittchen bis tief in die Nacht gehen können) auf Botschafter oder Ministerebene völlig ahnungslos hinsichtlich des Umstandes waren, dass Verpflichtungserklärungen eines schönen Tages durch Zahlungsermächtigungen gedeckt werden müssen. Dieser Tag ist für die Briten nun auf einmal da.
Ansonsten: Bin gerade ein bisschen in den Cotswolds unterwegs, zufällig gestern Abend in eine Art Lobpreißgottesdienst gestolpert beim Versuch eine Kirche anzuschauen und dann mit der Gemeinde beim Imbiss hängen geblieben - ich habe schon den Eindruck, dass die Idioten wie immer sehr laut und sehr wenige sind. Der breite Teil der Bevölkerung setzt eigentlich irgendwie auf Ausgleich. Es ist ja auch nicht so, dass jeder, der für den Brexit ist, gleich ein Idiot oder ein ewig gestriger wäre. Einige Menschen haben da durchaus rational begündbare Vorstellungen. Bin ja noch ein paar Tage hier, aber echte Ablehnung oder auch nur Skepsis habe ich jetzt hier außerhalb der Großsstadt noch nicht erfahren. Bin auch noch einen Tag in Birmingham, vielleicht ist das da anders.