Guten Morgen,
interessante Lektüre dieser Thread(t).
Es geht aber auch wieder einiges durcheinander.
Fangen wir bei derTransparenz auf der Wingly-Website an. Früher war ich durchaus auch Kritiker, sehe das jetzt aber als ganz gut gemacht an. Es gibt viele Informationen zur Sicherheit, wenn auch kein zahlenmäßiger Vergleich, der tatsächlich ganz griffig wäre (ähnlich wie Motorradfahren - wobei: siehe Ausführungen weiter unten).
Aus Sicht des Verbraucherschutzes macht Wingly aber bereits mehr als genug, ich bin durchaus der Auffassung, dass ein mündiger Bürger das Risiko halbwegs vernünftig einschätzen kann bzw. die dazu notwendigen Informationen frei verfügbar sind. Abstürzende Kleinflugzeuge sind ja andauernd in den Nachrichten, was wir wiederum häufig beklagen.
Wenn ich für eine noch verbesserte Transparenz auf der Wingly-Website argumentiere, dann eher als Interessenvertreter der AL, der jeder Pilot sein sollte, denn als Verbraucherschützer. Und wenn man diese Perspektive einnimmt, wird manche Position in der oben geführten Diskussion auch klarer, denke ich. Als Pilot, der ab und an von Kostenteilungsmöglichkeit profitiert, habe ich einfach kein Interesse daran, dass Menschen mit falschen Vorstellungen in Flugzeuge steigen und ggf. dabei umkommen.
Aber diesen Schuh muss sich Wingly nicht anziehen und ich finde, das was gemacht wird, ist völlig ausreichend.
Das gleiche gilt für die Frage, ob die legalen Voraussetzungen zur Mitnahme von Gästen hinreichend sind, um das auch sicher zu tun. Die Antwort darauf kann nur lauten: Ja, unter Annahme des gegebenen Sicherheitsniveaus in der AL.
Die Forderung nach mehr Erfahrung, regelmäßiger Flugtätigkeit etc. - klingt alles hervorragend, ist aber völlig unfundiert. Ich finde es absolu unfair, so zu tun, als habe man den Stein der Weisen zur Erhöhung des Sicherheitsniveaus in der AL entdeckt. Nicht viel deutet darauf hin, dass "mehr fliegen" auch in "mehr Sicherheit" mündet.
Die objektiven Gefahren bei Rundflügen bestehen in erster Linie aus Faktoren, die die meisten Piloten in ihrem Leben nicht wegtrainiert bekommen. Newbies sterben sehr selten an Spritmangel. Rookies "vergessen" sehr selten eine Vorflugkontrolle. Anfänger überladen sehr selten Ihre Maschinen. Selbst Motorausfälle nach dem Start, der nächste Killer in der Reihe, hängen hinsichtlich ihrer Überlebbarkeit weniger an der Flugerfahrung, als daran, sich vernünftig darauf vorzubereiten.
Ich würde meine Tochter auch nicht zu einem mir Unbekannten in den Flieger setzen - aber auch nicht ins Auto. Oder allein zum Spielplatz gehen lassen. Das sind doch Allgemeinplätze.
Bei Streckenflügen ist das alles ähnlich. Es gibt auch hier keinen Hinweis darauf, dass sich unerfahrene Scheinneulinge eher im Wetter umbringen als erfahrene Piloten. Auch homeitis scheint abhängog vom Alter zu sein (aber vielleicht nicht abhängig von der Lebenssituation).
Menschen, Piloten, Passagiere sind allgemein sehr schlecht darin, Risiken anhand objektiver Kriterien einzuschätzen, was uns zu einem Dilemma bringt. Grundsätzlich kann jeder, der Internet hat, sehr einfach das Sicherheitsniveau in der AL näherungsweise einschätzen. Und dennoch kommt es zu fatalen (im Wortsinne) Fehleinschätzungen. Diese treffen Piloten so wie Passagiere. Wer bei 200km/h auf 10m auffährt ist entweder unfähig, Risiken einzuschätzen oder ist ein risk-taker.
Wer bei OVC005 VFR losfliegt, kann entweder Risiken nicht einschätzen oder ist ein risk-taker. Wer nicht vor jedem Flug tankt oder mit dem Peilstab den Spritstand prüft, kann entweder Risiken nicht einschätzen oder ist ein risk-taker. Wer am Steuer zum Smartphone greift, kann entweder Risiken nicht einschätzen oder ist ein risk-taker.
Wer zu einem Privatpiloten ins lugzeug steigt, kann entweder Risiken nicht richtig einschätzen oder ist ein risk-taker.
Risk-taker eines moderaten Risikos. Vermutlich weit geringer als viele andere Risiken, die dieser Passagier bereits falsch eingeschätzt hat (auf der Autobahn) oder hingenommen hat.
Wir steigen ja auch zu uns selbst ins Flugzeug. Ich hoffe, weil wir uns entschieden haben, das erhöhte Risiko, dass jeder Flug bedeutet, einzugehen und nicht, weil wir denken, wir seien unbesiegbare Alleskönner.
Wer diesen Gedankengang mit seinen Passagieren vor einem Flug teilt, der macht alles richtig. Auch, weil er sich dann selbst noch einmal mental bewusst gemacht hat, was er der eigentlich gleich als Pilot tun wird, was von ihm ertwartet wird und welche Risiken er vielleicht besser vor dem Start mitigieren sollte.