
Dringende gewerbliche Fracht- oder Passagierflüge sind zwingend auf die Allgemeinerlaubnis für Außenstarts und Landungen angewiesen. Laut einer vor Gericht vorgetragenen Interpretation des LBA gelten diese Allgemeinerlaubnisse aber nicht für die An- und Abreise zum Einsatzort (Repositionierungsflüge). Damit sind die von den RPs erteilten Erlaubnisse in der Praxis nicht mehr Nutzbar. |
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In dem Strafverfahren, das am 25. und 26. Februar nun schon in zweiter Instanz vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt wurde, ging es eigentlich um die Frage, ob ein gewerblich im AOC tätiger Hubschrauberpilot mit einer Landung auf dem Betriebsgelände eines Autohauses im Rahmen eines gewerblichen Auftrags eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verursacht hat oder nicht.
Der Prozess enthält neben dieser flugbetrieblichen Frage eine Reihe von Nebenaspekten. Einige davon sind politischer Natur, denn das ganze war wohl überhaupt nur deshalb zur Anzeige gekommen, weil der Pilot auch inmitten einer lokalpolitischen Fede aufsetzte. Mehr dazu in der kommenden Ausgabe von Pilot und Flugzeug.
Flugbetriebsprüfer Kaersten war jedenfalls vom Gericht als Sachverständiger bestellt worden um konkret zwei Fragen zu beantworten.
- War die Fläche auf der der Hubschrauber landete ausreichend groß?
- Bestand eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung?
Vorab soviel: Kaersten beantwortete diese beiden Fragen sicher nicht so, wie sich der angeklagte Hubschrauberpilot das gewünscht hätte. Er machte jedoch auch Aussagen zu einer Frage, die ihm so zumindest von der Kammer gar nicht gestellt wurde. Und diese Aussagen hatten es in sich, denn sie treffen die tägliche Praxis bei den gewerblichen Hubschrauberbetrieben in Deutschland im Kern.
Es geht um die Gültigkeit der für den Betrieb essenziellen Allgemeinerlaubnisse für Außenstarts- und Landungen.
Der Auftrag an das Unternehmen sowie den Piloten lautete, im Rahmen einer Veranstaltung eines Autohauses Rundflüge mit Passagieren durchzuführen. Diese Rundflüge wurden aus flugbetriebstechnischen und logistischen Gründen von einer nicht weit entfernten Wiese aus durchgeführt. Danach sollte der Hubschrauber auf dem Gelände des Autohauses als Attraktion ausgestellt werden.
Die Landung um die es in der Verhandlung ging, war die Landung auf dem Flug von der Rundflug-Wiese zum Autohaus. Bei diesem Flug war neben dem Pilot auch ein Familienmitglied des Veranstalters mit an Bord.
Allgemeinerlaubnisse
Bei den sog. Allgemeinerlaubnissen handelt es sich um von den Regierungspräsidien ausgestellte Befreiungen vom Flugplatzzwang in Deutschland. Für gewerbliche Hubschrauber-Betriebe sind diese Erlaubnisse unabdingbar. Denn nur um von Flugplatz zu Flugplatz zu fliegen nimmt man keinen Helikopter. Nahezu jedes Unternehmen hat eine solche Allgemeinerlaubnis. Sie ist Geschäftsgrundlage.
Diese Allgemeinerlaubnisse befreien das Luftfahrtunternehmen für bestimmte Zwecke und unter Auflagen vom Flugplatzzwang. Sie werden in ganz Deutschland weitgehend gleichlautend ausgestellt. Auch die Allgemeinerlaubnis des Luftfahrtunternehmens in diesem Fall hatte den üblichen Wortlaut:
Diese Erlaubnis gilt ausschließlich für:
- das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, ausgenommen Berlin, Bremen und
Hamburg und ausgenommen südlich der Linie mit den Koordinaten [...]
- Flüge zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen,
- Flüge im Such- und Rettungsdienst auf Anforderung und unter Koordinierung der
SAR-Leitstellen,
- Flüge im Rettungsdienst der Länder,
- Flüge zur Verlegung von Patienten (Ambulanzflüge) und Flüge zum Organtransport
(jeweils nur Außenstarts und Landungen),
- Arbeitsflüge (ohne Luftbildflüge)
- im Rahmen der aktuellen Berichterstattung (ohne Unterschreitung der Sicherheitsmindesthöhe)
- in der Land-, Weinbau-und Forstwirtschaft,
- amtliche Vermessungen,
- die im Zusammenhang mit dem Bau, der Unterhaltung und der Überwachung von
öffentlichen Verkehrswegen und Versorgungsleitungen stehen.
Diese Erlaubnis gilt nicht für
- Rundflüge mit Fluggästen,
- Flüge zum Absetzen von Fallschirmspringen,
- Flüge bei Nacht (ausgenommen Flüge gemäß Ziffer 2.3, 2.4, 2.5).
- Flüge zu privaten Zwecken,
- Lichtbildflüge.
Es gibt noch weitere Einschränkungen, z.B. dass von der Erlaubnis nicht innerhalb geschlossener Ortschaften Gebrauch gemacht werden darf.
Im konkreten Fall waren die wiederholten Rundflüge (sog. AA-Flüge) von der Allgemeinerlaubnis nicht abgedeckt. Das ist klar. Hierfür hatte der Hubschrauber-Unternehmer über einen Dienstleister wie üblich auch eine separate Erlaubnis einholen lassen. Das war vor Gericht unstrittig.
Die Frage zu der sich Kaersten nun aber äußerte, war die Frage, ob der Flug von der Wiese zum Autohaus von der Allgemeinerlaubnis gedeckt war. Hier kam er zu der überraschenden Antwort: Nein. Und das hatte für den Angeklagten in der Verhandlung äußerst ungünstige Folgen.
Betrachtet man den Wortlaut der Allgemeinerlaubnis, kommt man – zumindest nach gängiger Praxis – auf zwei Treffer weshalb die Allgemeinerlaubnis eigentlich gelten sollte:
Erstens wurde ein Gast transportiert. Damit war es ein Passagierflug, der vom Auftraggeber auch bezahlt wurde. Es handelte sich aber nicht um einen Rundflug, da es ein AB-Flug und kein AA-Flug war.
Zweitens wurde eine Sache transportiert. Nämlich der Hubschrauber. Dessen Ausstellung war vom Auftraggeber ausdrücklich beauftragt und auch bezahlt worden.
Kaersten argumentierte nun, dass es sich bei dem Flug um einen Repositionierungsflug gehandelt hat. Je nachdem, wie man die Anwesenheit des Gasts an Bord beurteilt (dieser hatte im vorangegangenen Rundflugbetrieb auch mitgeholfen) könnte man soweit noch folgen.
Der Paukenschlag kam im zweiten Schritt der Argumentation: Kaersten trug vor, dass Repositionierungsflüge grundsätzlich nicht von der Allgemeinerlaubnis abgedeckt seien.
Diese These war nicht nur dem Angeklagten und seinem Rechtsbeistand neu, sie sorgte auch bei den im Gerichtssaal als Zuschauer anwesenden Piloten für einiges Aufsehen.
Denn unabhängig davon, ob der Flug aufgrund des an Bord anwesenden Fluggasts/Helfers nun als Passagierflug oder als Repositionierungsflug anzusehen war, ging bislang die gesamte Hubschrauber-Branche in Deutschland davon aus, dass die Anreise notwendiger Bestandteil der nachfolgenden Beförderung sei!
Mehrfach fragten daher sowohl der Staatsanwalt, wie auch der Angeklagte beim Sachverständigen nach:
"Ist der Repositionierungsflug zu einem Feld, um einen Gast dort abzuholen, grundsätzlich von der Allgemeinerlaubnis abgedeckt?"
"Ist der Leerflug zu einer Fabrik, um ein Teil dort aufzunehmen und dann weiter zu transportieren, von der Allgemeinerlaubnis abgedeckt?"
Kaerstens Antwort in beiden Fällen: "Nein". Nur für den tatsächlichen Flug der der Beförderung dient sei durch die Allgemeinerlaubnis eine Befreiung vom Flugplatzzwang gegben. Wörtlich: "Der Repositionierungsflug fällt nicht drunter."
Für die Anreise (Leerflug, Repositionierungsflug) müsse sich der Unternehmer eine gesonderte Erlaubnis besorgen.
Mit dieser Aussage Kaerstens war der Angeklagte, der sich nach dem bisherigen Prozessverlauf gute Chancen auf einen Freispruch ausrechnen konnte, weitgehend versenkt. Und das noch bevor die flugbetrieblichen Aspekte der Landung überhaupt diskutiert wurden.
Es war nur der intensiven Bearbeitung des Staatsanwalts durch den sehr umsichtigen Richter zu verdanken, dass der Pilot mit einer zwar teuren, aber wenigstens nicht ZUP-relevanten Einstellung nach § 153a StPO davonkam.
Folgen

Allein schon aufgrund der Kosten ist der Einsatz eines Hubschraubers keine alltägliche Sache. Helikopter werden für besondere Anlässe genutzt oder wenn es eben wirklich dringend ist. Für die Erledigung ihrer Aufgaben sind die gewerblichen Flugbetriebe auf Allgemeinerlaubnisse (Befreiung vom Flugplatzzwang unter Auflagen) angewiesen. Diese wurden in Stuttgart nun von einem Sachverständigen des LBA für die allermeisten Anwendungen stark eingeschränkt, da nach Ansicht der Behörde für jegliche Repositionierung die mit dem Einsatz verbunden ist eine eigene und individuelle Genehmigung beim zuständigen RP einzuholen ist. |
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Nach der mehrfach und eindeutig vorgetragenen Argumentation des LBA-Flugbetriebsprüfers sind die Allgemeinerlaubnisse in Deutschland das Papier nicht wert auf dem sie geschrieben stehen. Denn sie dienen ja gerade dazu, dass (innerhalb der gegebenen Einschränkungen) ein Unternehmer nicht für jeden Frachtflug oder VIP-Transport langwierig eine Einzelgenehmigung einholen muss.
Wenn aber, wie Kaersten vorgetragen hat, die Allgemeinerlaubnisse nur für den eigentlichen Fracht- oder Passagierflug, nicht aber für An- oder Abreise des Hubschraubers gelten, sind die Erlaubnisse in der Praxis nicht nutzbar. Denn die wenigsten Hubschrauber können auf dem Landweg zum Einsatzort transportiert werden.
Kommentar
Grundsätzlich hat Kaersten ja zumindest ein formales Argument. Wenn man im Rahmen solcher Fracht- oder Personenbeförderungen zwischen Repositionierung und eigentlichem Transportflug unterscheidet, dann stehen Repositionierungsflüge tatsächlich nicht in der Positivliste der Allgemeinerlaubnisse.
Es ist jedoch genau diese ultraformale Form der Argumentation, die Piloten und Unternehmer im Umgang mit dem LBA zur Verzweiflung treibt. Denn auf praktischer und logischer Ebene gehört die Repositionierung natürlich zwingend zum eigentlichen Transportauftrag, es sei denn, man hat den Hubschrauber aufblasbar im Kofferraum.
Inhaber einer Allgemeinerlaubnis sollten nun dringend bei den Ausstellern ihrer Genehmigung eine Klarstellung bezüglich der Anwendbarkeit der Positivliste auf damit verbundene Repositionierungsflüge verlangen. Denn das LBA hat dieser weit vorbereiteten Annahme gerade aktenkundig vor Gericht den Boden entzogen.
Und das wird auch nicht versanden. Denn – auf die flächig anders gehandhabte Praxis in Deutschland angesprochen – entgegenete Flugbetriebsprüfer Kaersten trocken: “Das habe ich aufgenommen”.
Entweder müssen die Erlaubnisse geändert oder der Sachverhalt durch die Regierungspräsidien anderweitig klargestellt werden. Und bei den Regierungspräsidien freut man sich bestimmt riesig über die vom LBA (das dafür nichtmal zuständig ist) eingebrockte Zusatzarbeit.
Weitere Informationen und Details zu diesem Prozess in unserem ausführlichen Bericht in der Aprilausgabe.