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11. April 2006 Redaktion

Behörden: JAR-FCL Medical


Manipulation bei der Übertragung von JAR-FCL ins Deutsche - Skandalöse Wende im Fall Dr. D.

Wir berichteten: Dr. D. war Anfang der neunziger Jahre trotz immer schon fehlenden Stereosehens als tauglich nach Tauglichkeitsgrad I befunden und vom LBA zur Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer zugelassen worden. Nach erfolgreichem Abschluss der rund 100.000 DM teuren und zwei Jahre Arbeit kostenden Ausbildung verweigerte ihm das LBA aber die Lizenz just mit dem Hinweis auf sein fehlendes Stereosehen. Dr. D. baute eine Gegenexpertise auf und publizierte selbst zwei entsprechende Fachartikel über die fliegerische Irrelevanz des Stereosehens, die in der Fachwelt ohne Widerspruch blieben. Unter diesem Druck musste das LBA nach etwa einem Jahr die Lizenz dann doch erteilen. Die hauptberuflichen Optionen von Dr. D. in der Fliegerei waren da aber schon zerstört, denn der Pilotenarbeitsmarkt war zwischenzeitlich wegen des ersten Golfkriegs völlig zusammengebrochen. Zu irgendwelchen Schadenersatzleistungen sah das LBA gleichwohl überhaupt keinen Grund.

© Grosse 
Ein Jahrzehnt später, nach Inkrafttreten von JAR-FCL: Dr. D. wird wegen einer ganz leichten Herzproblematik und wieder wegen des fehlenden Stereosehens erneut die Tauglichkeit verweigert; es dauert weit über ein Jahr, bis das LBA unter dem Druck gegenteiliger insbesondere kardiologischer Gutachten die Tauglichkeit (eingeschränkt auf ICAO-Lizenzen) zugesteht - nicht zuletzt unter publizistischer Nachhilfe durch Pilot und Flugzeug. Nun sind freilich auch die Dr. D. verbliebenen nebenberuflichen Optionen zerstört, Instrumenten- und Musterberechtigungen erloschen.

In der juristischen Aufarbeitung dieses ohnehin skandalösen Falles offenbart sich plötzlich ein weiterer Skandal: Die Tauglichkeitsforderung nach Stereosehen gibt es nur in JAR-FCL 3 deutsch, ausdrücklich nicht aber im englischsprachigen Original der JAA!

Wortlaut JAR-FCL 3.220 (c) bzw. 3.340 (c) deutsch: „Bewerber mit signifikanter Beeinträchtigung der Stereopsis müssen als untauglich eingestuft werden."

Wortlaut JAR-FCL 3.220 (c) bzw. 3.340 (c) original: „An applicant with significant defects of binocular vision shall be assessed as unfit. There is no stereoscopic test requirement."

Fazit: Während das Original auf - in dem zugehörigen Anhang näher spezifizierte - Beeinträchtigungen des beidäugigen Sehens zielt und dazu Beeinträchtigungen des Stereosehens ausdrücklich nicht zählt, verkehrt dies die deutsche Regelung in´s genaue Gegenteil.

Das kann kein schlichter Übersetzungsfehler sein, das ist offensichtlich gezielte Manipulation. Wer auch immer diese „Übersetzung" gemacht hat: Er hat dem vermutlich ahnungslosen deutschen Verordnungsgeber eine der zu übernehmenden JAA-Regelung diametral widersprechende Regelung untergeschoben. Nicht nur das besonderen medizinischen Wissens abholde Verkehrsministerium dürfte dies nicht bemerkt haben, sondern auch die des Deutschen unkundigen JAA-Gremien nicht, die einer solchen Abweichung wohl nie hätten zustimmen können. Dass diese Manipulation in den deutschen Luftfahrtbehörden gerade nach deren langjährigen Konflikt mit Dr. D. geschah, macht die Sache besonders brisant: Denn mit der korrekten Übertragung in´s Deutsche hätten die deutschen Luftfahrtbehörden ex post Dr. D. Recht geben müssen, dessen Position längst von allen Experten geteilt wird und sich daher bei der JAA offensichtlich durchgesetzt hat. Danach sind übrigens zumindest von Geburt an Stereountüchtige bei der fliegerischen visuellen Orientierung den Normalsichtigen nicht unterlegen, sondern vermutlich sogar überlegen.
Wer glaubt, hier seien nur wenige betroffen, der irrt: Der Anteil Stereountüchtiger wird auf bis zu 4 % der Bevölkerung geschätzt. Das heißt also: Die deutschen Luftfahrtbehörden vereigern zu Unrecht rund drei Millionen Bürgern jede fliegerische Betätigung aufgrund eines Merkmals, mit dem sie in allen anderen JAA-Staaten, vom Rest der Welt ganz zu schweigen, jede fliegerische Lizenz erhalten und dann gar als Kapitän einer Boeing 747 fliegen könnten - natürlich auch durch den deutschen Luftraum.

Wenn´s nicht so traurig und für Dr. D. so tragisch wäre: Die Manipulation in den deutschen Luftfahrtbehörden hat auch etwas Lustiges. Denn nach dieser Manipulation ergibt sich aus dem korrekt übersetzten zugehörigen Anhang, der flugerfahrenen Privatpiloten nach Verlust eines Auges die weitere Tauglichkeit Klasse 2 zugesteht, folgende Groteske: Stereountüchtige Privatpiloten sind nach JAR-FCL 3.340 (c) deutsch untauglich, es sei denn, sie haben nur noch ein Auge. Stereountüchtige mit zwei gut funktionierenden Augen sind demgegenüber ausnahmslos untauglich. Oder noch krasser formuliert: Für einen Stereountüchtigen führt allenfalls die Entfernung eines Auges zur Tauglichkeit Klasse 2.

Bevor potentiell Betroffene nun zum Messer greifen: Das Bundesverkehrsministerium ist bereits seit einem Jahr auf die Unsinnigkeit der deutschen Regelung hingewiesen. Zwar verweigert es bislang die erbetene Aufklärung über die Umstände, wie es zur Diskrepanz zwischen originaler und deutscher JAR-FCL 3 gekommen ist - verständlich angesichts der ungeheuren Peinlichkeit des Vorgangs. Welches Ministerium gibt auch schon gerne zu, Opfer einer Manipulation - vermutlich in einer nachgeordneten Behörde - geworden zu sein. Dass die deutschen Luftfahrtbehörden allerdings ihre fehlübersetzte und allem wissenschaftlichen Sachverstand widersprechende Tauglichkeitsforderung jetzt noch durchsetzen können, darf wohl als ausgeschlossen gelten. Vielleicht sollten alle Piloten schon einmal bei der nächsten Tauglichkeitsuntersuchung das Geld für den überflüssigen Stereotest zurückverlangen.

Pilot und Flugzeug wird weiter berichten.


  
 
 




11. April 2006: Von Maurice Konrad an Redaktion
Hallo Herr Kadam,
die Informationen über die beteiligten Personen und Umstände wie es zu den Falschübersetzungen kam kann man heute raus bekommen. Es gilt seit 1.Januar 2006 das Informationsfreiheitsgesetz. Die Behörden werden natürlich versuchen die Auskunft abzulehnen weil sie wissen, dass da einige sehr viel Einfluss genommen haben. Und das in eine Richtung die nur zum befüllen der eigenen Taschen dient. Warum die Mitarbeiter des Ministeriums die entsprechenden Personen immer noch decken verstehe ich nicht. Das die Sache rauskommen wird sollte wohl mittlerweile auch im Ministerium klar sein.
Das IFG wurde unter anderem zur Bekämpfung von Korruption geschaffen, also genau für diesen Fall.

Maurice Konrad

2 Beiträge Seite 1 von 1

 

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