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8. August 2022: Von Ulrich Dr. Werner an Nicolas Nickisch Bewertung: +23.00 [23]

Guten Tag zusammen

Bei der Atmung fließt der Sauerstoff entlang eines Druckgefälles passiv von der Luft in den Lungenbläschen in das Blut und wird dort im Hämoglobin molekular gebunden.

Der O2 Druck in der Luft in Meereshöhe beträgt 213 hPa, im venösen Blut ist der Druck relativ konstant bei ca. 40 hPa (ja, Druck des gelösten Gases in einer Flüssigkeit !).

Ab ca. 39000 ft ist der O2-Partialdruck in der Luft bei ca. 40 hPa, es kann nichts mehr in der Lunge fließen. Darüber würde trotz Atmung der Sauerstoff sogar aus dem Blut in die Luft in den Lungenbläschen „zurück“ fließen. Spätestens hier gibt es die schnelle Bewusstlosigkeit nach Sekunden.

Durch Luftanhalten und „Pressen“ gegen die aktiv geschlossene Stimmritze, kann der status quo für einige Sekunden gehalten werden. Wer bei einer rapid decompression so cool ist und gegen Psyche und Druckverlust nicht schnappatmet, oder zu mindestens durch eine Wortäußerung automatisch ausatmet, hebe als Erster die Hand. Und wie einige Foristi beschreiben, das Druckgefälle arbeitet gegen den menschlichen Willen. Während dieses Luftanhaltens wird aber weiter O2 im Körper aus dem Blut verbraucht und CO2 produziert. Der nächste zwingend folgende Atemzug wird dann zur Katastrophe.

Ein emergency descent braucht etwa 30 – 60 Sekunden Denkzeit und Steuereingaben, bis der erste Höhenmeter real verloren wird. Dies kann schön in der Unfallakte des Quantas Fluges 80 mit einer B747 am 25.07.2008 ausgelesen werden, das Ereignis begann in FL 290. Bis zum Erreichen von FL100 vergehen weitere Minuten.

Das Luftanhalten hat bestenfalls eine Relevanz für die Zeit bis zum Anlegen der Notsauerstoffversorgung, im Cockpit also der quick donning mask. Aber wahrscheinlich sind da schon Worte gesprochen worden, der Gedanke also wahrscheinlich eher akademischer Natur.

In Businessjets hat der Fluggast über FL 400 schlechte Karten, der Eintritt der Bewusstlosigkeit ist einkalkuliert. Ab hier greift aber die Fremdrettungszeit, also die Reaktion der Crew zum emergency descent. Da diese Form der provozierten Bewusstlosigkeit eine retrograde Amnesie zur Folge hat, kann sich der Fluggast anschließend sowieso nicht an den Eintritt des Ereignisses erinnern.

@ N.Nickisch & S.Jaudas: Erst ab einer größeren Höhe, oder manueller Anwahl des emergency mode, liefert das geschlossene System bei Militärflugzeugen Überdruck in der Atemluft in der Maske. Der ist subjektiv hoch, real aber nur wenige mmHg höher als der Umgebungsdruck. Der höchste Druck wird bei Anti g Manövern bei 9g mit bis zu 60 mmHg Druckerhöhung erreicht. Das sind ca. 80 hPa und damit nur 7,9% Druckerhöhung bezogen auf Standardatmosphäre. Exorbitant ist da nicht die ideale Wortwahl.

@ E-P Nawothnig: bis 213 hPa Druckhöhe, ca. 37350 ft, reicht 100% Sauerstoff um 100 % Sauerstoffsättigung im Blut zu erhalten.

@ Eric N: in der Druckkabine ist der O2 Partialduck genau 21 %, egal wie hoch der absolute Druck ist.

@Patrick: jeder Kampfjet hat eine Druckkabine

Wer noch etwas lesen möchte:

https://helko-verlag.de/wp-content/uploads/2019/10/0616.pdf

aus dem Magazin Luftsport, Juni/Juli 2016, auf Seite 18 und 19.

Mit Fliegergruß

Ulrich Werner

9. August 2022: Von Holgi _______ an Ulrich Dr. Werner Bewertung: +1.00 [1]
In 45000 ft muss einer der beiden Piloten permanent die Maske tragen.
Das wird auch bei Rampchecks geprüft, wenn die Flasche bei der Landung noch voll ist, gibts Abzüge in der B Note.

Einen Notsinkflug einzuleiten dauert keine 30 bis 60 Sekunden.
Beim CJ3 ist das ein Knopfdruck und die Triebwerke auf Leerlauf.
Zusätzlich sollte man noch den Airway verlassen.
Das dauert höchstens 5 Sekunden. Aber zuerst wird trotzdem als Erstes die Maske aufgesetzt.

Die Passagiere sterben ja nicht sofort in den Flughöhen. Wir reden hier von der Selbstrettungszeit. Die beträgt nur Sekunden.
Die Passagiere kommen nach dem Sinkflug hoffentlich wieder zur Besinnung.
9. August 2022: Von Horst Metzig an Holgi _______

Wie soll das bei einen 12 Stunden Flug funktionieren, so viel Sauerstoff - Flaschenvolumen gibt es nicht?

9. August 2022: Von Friedhelm Stille an Horst Metzig
Bei Druckverlust wird ja sofort ein Sinkflug eingeleitet auf Höhen, in denen ohne Druckkabine normale Atmung möglich ist.
Anschließend ausweichen auf nächsten Flughafen.
I
9. August 2022: Von Rockhopper Flyer an Ulrich Dr. Werner Bewertung: +1.00 [1]

As a little sidenote: Die FAA hat kürzlich die Regularien geändert. Früher mußte man als Single Pilot ab FL250 edauerhaft eine Maske tragen, jetzt erst ab FL410:

https://www.federalregister.gov/documents/2020/03/25/2020-06312/oxygen-mask-requirement-supplemental-oxygen-for-emergency-descent-and-for-first-aid-turbine-engine

9. August 2022: Von Flieger Max L.oitfelder an Holgi _______ Bewertung: +1.00 [1]
Wird bei Euch vor jedem Start der Druck im Sauerstoffsystem in das Aircraft log eingetragen? Wie soll sonst eine Bewertung des Verbrauchs stattfinden?
9. August 2022: Von Patrick Lean Hard an Flieger Max L.oitfelder
Und wenn man irgendwo landet wo es eiskalt ist… „Sie haben ja mehr O2 als beim Abflug, haben Sie da reingeblasen..?“
9. August 2022: Von Thomas Dietrich an Patrick Lean Hard Bewertung: +1.00 [1]

Ich habe festgestellt daß durch Umstellung der Atmung auf Zwerchfellatmung der O2 Gehalt im Blut deutlich steigt. Wenigstens in Höhen von 14-16 T Ft. Einfach mal mit dem O2 Fingerklip probieren.

10. August 2022: Von Christopher Neuhaus an Thomas Dietrich Bewertung: +4.00 [4]

Liebe Alle,

da schon fast alles gesagt wurde, nur eine kleine Ergänzung: Wenn man "zwerchfellatmet", d.h. bewusst tiefer atmet, passieren zwei Dinge:

1. Man rekrutiert Lungenbereiche, in denen bei "normaler" Atmung, d. h. kleineren Atemzugvolumina, weniger Gasaustausch stattfindet. Dadurch erhöht man die Lungenoberfläche, über die O2 ins Blut diffundieren kann und erreicht so kurzzeitig eine bessere Oxygenierung, d.h. Sauerstoffaufsättigung. (Für alle, die sich brennend für die Physiologie interessieren: Sauerstoffaufnahme über die alveolo-kapilläre Membran wird mit dem Fick'schen Gesetz beschrieben, darin ist die Diffusionsfläche neben Druckgradient, Membrandicke und -durchlässigkeit ein Faktor)

2. Durch das erhöhte Atemzugvolumen wird sinkt der CO2-Gehalt in der Lunge, somit ist mehr "Platz" für O2. Formal korrekt müssen wir hier über Partialdrücke sprechen, anwendbar ist dabei das Gasgesetz von Dalton: Der Gesamtdruck eines Gasegemischs entspricht der Summe der Partialdrücke. Somit ist der Atmosphärendruck = Summe der Partialdrücke von Sauerstoff (pO2), Kohlendioxid (pCO2), Stickstoff (pN2) und Edelgase (die sind hier vernachlässigbar). In der Lunge ist noch die Besonderheit, dass es sich um ein feuchtes Gasgemisch handelt - die Atemluft wird in den oberen Luftwegen auf Körpertemperatur erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt, dies führt zu einer Volumenexpansion und (leider) zu einer Abnahme der verfügbaren Sauerstoffkonzentration um den Wasserdampfdruck (rund 47mmHg). Trotzdem - wenn man mehr und tiefer atmet (=hyperventiliert) und der alveoläre pCO2 abnimmt, kann bei entsprechendem Angebot der alveoläre pO2 leicht steigen. Physiologisch kann man beobachten, dass der Körper ab ca 8000-10000 ft kompensatorisch mit einer Hyperventilation beginnt.

Leider ist auch das nicht nur gut - durch den geringeren CO2-Gehalt im Blut verengen sich die zuführenden Hirngefäße und die Durchblutung des Gehirns nimmt ab. Das erklärt dann auch einiges in Bezug auf die kognitive Leistungseinschränkung bei Hypoxie. Der Sauerstoff muss ja nicht nur ins Blut, sondern auch dann vom Blut im Zielgewebe ankommen.

Jetzt kann man den Gedanken weiterspinnen und von Atmungs- zur Kreislaufphysiologie kommen, gerade wenn man über Lastvielfache im Flug etc. nachdenkt...aber dann kriegt man irgendwann Kopfweh :)

Für alle, die mehr wissen wollen: Ernsting's Aviation Medicine, 4th ed. Eine "Bibel" der Flugmedizin...

vg

Christopher


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