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War früher alles besser?
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Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
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21. August 2006 Jan Brill

Behörden: SLOTVERGABE


Der 50.000-Euro-Flug, oder warum uns die Fußball-WM noch lange beschäftigen wird

Die deutschen sind nicht ins Finale gekommen, Klinsi ist schon lange abgetreten und die Sperrgebiete wurden abgebaut. Nur die bizarren Slotregelungen treiben nach wie vor ihr Unwesen im europäischen Flugdatenwust – sehr zur Verwunderung so mancher Piloten.


Ein herzliches Willkommen in Deutschland: Wollen Sie die 50.000 Euro bar oder mit Karte zahlen?
Zwei Pilot und Flugzeug-Leser aus der Schweiz, beide international erfahrene Flieger und mit allen Wassern gewaschen, wollten Anfang August mit ihrer Piper Malibu nach Berlin fliegen. Nach Tempelhof versteht sich, es standen mehrere erbauliche Termine an, die beiden waren voller Vorfreude.
Gewissenhaft wurde der Flugplan erstellt, mit IFPUV geprüft, aufgegeben und auch bei AIS-Zürich nachgefragt of dieser empfangen sei und von CFMU aknowledged wurde. Alles bestens.

Der Flug führte von Zürich (LSZH) nach Tempelhof (EDDI). Eigentlich Routine. Doch früh am Morgen des Abflugtages rief ein offensichtlich engagierter Mitarbeiter von AIS-Zürich beim Piloten an. Man habe eine Airport-Slot-Warning. Der Flug sei „subject to a heavy fine up to 50.000 EUR!“.

Wie unser schweizer Leser so schön schreibt: „Das macht einen kleinen Piloten der GA irgendwie unsicher und vor allem tendenziell illiquid.“

Also wurde telefoniert: Erstmal mit der Airport-Slot-Coordination Germany. Eine recht schlaksige Dame bat um die Kontaktdaten für einen Rückruf. Dieser erfolgte freilich nicht. Nochmaliger Anruf: Keine Ahnung, keine Information. Willkommen in Deutschland!

Dann ein Anruf in Tempelhof. Ein sehr freundlicher Herr erklärte es sei alles bestens. Die „Warnung“ sei wohl noch ein Überbleibsel der Fußball-WM! Diese ist zwar schon über drei Wochen vorbei, aber was soll’s.

Unser Leser schreibt: „Wir wagen es, checken noch kurz unsere Bankbüchlein, wenn die 50.000 EUR dann doch noch über und nieder brechen würden, und fahren zum Airport.“

Dort bekommen die wacheren Schweizer die Meldung sogar schriftlich ausgehändigt. Wörtlich:

YOU ARE HEREWITH INFORMED THAT, PROCEEDING ACCORDING THE FILED FLIGHT PLAN, YOU VIOLATE COUNCIL REGULATION 95/93 (EWG) AND THEREFORE YOUR FLIGHT RISKS EITHER NOT TO BE ACCEPTED AT DESTINATION OR BE SUBJECT TO A HEAVY FINE OF UP TO 50.000 EUR. WE STRONGLY RECOMMEND ALTERING OR VERIFYING YOUR FLIGHT PLAN

Von dem schauderhaften Englisch dieses Textes einmal abgesehen – was soll denn ein Pilot der Allgemeinen Luftfahrt mit einem solchen Monster anfangen? Zudem, wenn die Slot-Coordination-Germany sich nicht mal äußert zu dem Problem?
Tempelhof war an diesem Tag natürlich nicht Gegenstand einer Slotregelung, aber auf diese Behauptung mal locker 50.000 Euro verwetten?
Und seit wann kann das „Council“ eigentlich in Deutschland Strafandrohungen aussprechen? Und solch absurde noch dazu?

Die angedrohte Summe steht ja wohl kaum in einem angemessenen Verhältnis zu dem Vergehen einer Unachtsamkeit bei der Slotvergabe.
Für 50.000 Euro kann man schließlich im deutschen Luftraum eine Menge Spaß haben. Man kann ohne Freigabe durch Kontrollzonen knattern, einen Flugplatz außerhalb der Öffnungszeiten benutzen und wenn man sich keinen Vorsatz nachweisen lässt, sogar ein aktives ED(R) besuchen.
Strafgelder für all diese Vergehen inklusive Rechtsanwalt und Verfahrensgebühren belaufen sich noch lange nicht auf die hier angedrohten 50 Riesen. Da bleibt sogar noch was für den Treibstoff übrig!

Es wäre schön, wenn die teutonische Luftfahrtbürokratie
  1. selbst angesichts der eigenen Ausnahme- und Regelungswut zur Fußball-WM zumindest drei Wochen nach der Veranstaltung die eigene Datenbasis wieder in Ordnung hätte;

  2. bei der Androhung von Sanktionen auf dem Teppich bleiben würde und

  3. für die Übersetzung jener grausamen Amtsdeutsch-Traktate ins Englische jemanden beschäftigen würde, der sich mit sowas auskennt.


Übrigens unsere Schweizer wurden in EDDI nicht zur Kasse gebeten. Sie berichten über einen ausgesprochen schönen Flug, einen freundlichen Empfang in Berlin und eine hilfsbereite deutsche ATC. Was macht da schon ein kleiner Schreck...


  
 
 




22. August 2006: Von RotorHead an Jan Brill
EDDI ist ein voll koordinierter Verkehrsflughafen, und das schon seit dem 13. Juni 1994! Selbst für lediglich koordinierte Verkehrsflughäfen besteht nach § 3 Abs. 1 FHKV (Verordnung über die Durchführung der Flughafenkoordinierung) die Pflicht des Luftfahrzeughalters, Starts und Landungen nach IFR dem Flughafenkoordinator anzumelden. Für vollständig koordinierte Verkehrsflughäfen, wie z.B. EDDI gilt § 3 Abs. 2 FHKV:

-----------------
Auf den nach § 1 Abs. 2 für vollständig koordiniert erklärte Flughäfen

1. hat der Halter eines Luftfahrzeugs für alle beabsichtigten Starts und Landungen von Flügen nach Instrumentenflugregeln Slots zur Zuweisung beim Flughafenkoordiniator zu beantragen;
2. sind Starts und Landungen eines Fluges nach Instrumentenflugregeln ohne zugewiesenen Slot untersagt;
3. ist der Halter eines Luftfahrzeugs verpflichtet, nicht genutzte Slots dem Flughafenkoordinator unverzüglich zurückzugeben.
------------------------

§ 4 FPKV regelts schließlich die Ordnungswidrigkeiten. Insbesondere ist jeder Verstoß gegen § 3 FHKV ordnungswidrig im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG. Gemäß § 58 Abs. 2 LuftVG kann ein Verstoß nach § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. Hierbei ist anzumerken, dass die genannten EUR 50.000,00 einen Höchstbetrag dartstellen, und keinen "festen" Betrag wie etwa ein Bußgeldkatalog.

Das Ganze hat also weder etwas mit Fußball zu tun, noch mit "good airmanship".

Es wäre also eher ein Beitrag angebracht, der IFR-Hobby-Piloten darauf hinweist, dass das Luftrecht der EU auch eine Slot-Regelung für IFR vorsieht.
22. August 2006: Von Jan Brill an RotorHead
Sehr geehrter "RotorHead",

natürlich ist Tempelhof nach den von Ihnen trefflich zitierten Vorschriften ein vollkoordinierter Flughafen. So wie andere Hotspots des internationalen Luftverkehrs auch. Z.B.

- Bremen,
- Dresden,
- Erfurt,
- Hannover,
- Münster/Osnabrück,
- Nürnberg,
- Saarbrücken,
- Stuttgart

Wollen Sie für den nächsten Flug nach Münster oder Bremen jetzt einen Slot einholen? Dann viel Spass am Telefon mit den Damen der Koordinierungsstelle.

Wie all diese verkehrsarmen Plätze wurde EDDI per NfL (Nr. suche ich Ihnen morgen raus) nach FPKV § 1 Absatz 3 aus der Koordinierungspflicht entlassen oder zu einem flugplanvermittelten Flughafen zurückgestuft.

Diese "Entlassung aus der Koordinierungspflicht" wurde - wie der Mitarbeiter in Tempelhof ja richtig bemerkt hat, mit dem AIP-SUP-IFR 8 bis zum 11.07.2006 aufgehoben.

Also bitte nicht auf den immaginären "Hobbypiloten" rumhacken. Die Papierlage ist hier eindeutig.

Herzliche Grüße
Jan Brill

P.S. Sein Sie doch so freundlich und geben Sie wie alle anderen auch hier Ihren vollständigen Namen an. Danke.
22. August 2006: Von  an Jan Brill
Aber warum der "stark frequentierte" Flugplatz Erfurt einen Solt braucht, verstehe ich nicht. Da würde ich es eher verstehen, wenn Hahn Slots einführen würde.
22. August 2006: Von RotorHead an Jan Brill
Gemäß Website des Flughafenkoordinators

https://www.fhkd.org/cms/9.html

werden für folgende Flughäfen Slots benötigt:

EDDB, EDDF, EDDI, EDDL, EDDM, EDDS und EDDT.

Für die anderen Verkehrsflughäfen aus § 1 Abs. 1 FHKV (EDDC, EDDE, EDDG, EDDH, EDDK, EDDN, EDDP, EDDR und EDDW) sind gemäß § 3 Abs. 1 FHKV dem Flughafenkoordinator die Starts und Landungen nach IFR anzumelden. Von Slots ist und war hierfür nicht die Rede. Auch ein Verstoß hiergegen ist nach deutschen Recht ordnungswidrig.
22. August 2006: Von Michael Richter an Jan Brill
Wo bleibt bitte die NFL, aus der sich die Entlassung ergibt?
24. August 2006: Von Jan Brill an RotorHead
Sorry für die späte Antwort, aber da ich die letzten zwei Tage ohnehin geschäftlich in EDAZ und EDDI war, dachte ich mir: einfach mal vor Ort nachfragen.

Zuerst aber zu den hier zitierten Websites. FHKD, also der "Airport Koordinator" in Person Herr Claus Ulrich schreibt:

Dies sind koordinierte Flughäfen, auf denen ein Luftfahrtunternehmen während der Zeit, in der diese Flughäfen vollständig koordiniert werden, zum Starten und Landen eine von einem Koordinator zugewiesene Zeitnische benötigt. [Formatierung durch die Red.]

Und genauso lese ich das auch: ein Luftfahrtunternehmen. Tatsächlich bietet die Webseite der FHKD online auch nur sesonale und gewerbliche Slots an. Ruft man dort an und fragt man nach einem Slot für EDDI, bekommt man die Auskunft es sei alles okay (wie unser schweizer Pilot auch).

Aber so leicht wollen wir's uns nicht machen. Anruf am Montag nach 1700 Uhr (da ist die Koordinierungsstelle geschlossen) bei AIS. Dort bekomme ich auf ausdrückliche Nachfrage sofort einen Slot für EDDI am Dienstag um 12.00 Uhr, auch für einen privaten Flug. Oh Schreck!

Ich frage: "was wenn ich die EBOT nicht einhalten kann?" Dann bitte bei AIS oder der Koordinierungsstelle anrufen. Am Dienstag dann - wir waren tatsächlich schon um 11.00 Uhr fertig - Anruf bei der Koordinierungsstelle. Antwort: "alles okay", ich bräuchte keinen Slot.

Dann nochmal Nachfrage bei der Luftaufsicht in Tempelhof: Slots?!? Keine Ahnung. Ich solle beim Tower nachfragen! Das spare ich mir.
Die Theorie dort: Nur wenn ich sicher sein wollte, meine Abflugzeit nicht verlegt zu bekommen, sollte ich mir als Privatverkehr einen Slot besorgen.
Und die 50.000 Euro-Drohung? Antwort: Ja, die sei zur WM gewesen...

Und schließlich: Keiner der von mir befragten in EDDI stationierten Piloten hat jemals einen Slot dort beantragt oder erhalten. Das wäre angesichts der Verkehrszahlen in Tempelhof auch lächerlich.

Aber wie gesagt. "Es wäre schön wenn die Luftfahrtverwaltung ihre Datenbasis in Ordnung hätte."

Die mir in Erinnerung gebliebene NfL werde ich wohl schuldig bleiben, da die Online-NfLs der DFS nur bis 1999 zurückreichen.

Vielleicht gibt's aber vom Flughafenkoordinator Herrn Ulrich eine verbindliche schriftliche Aussage über die Verfahren in EDDI.
Das Problem ist nämlich: Die Koordinierungsstelle schreibt für seine Dienste nämlich eine RECHNUNG! Piloten die häufiger EDDF oder EDDM anfliegen wissen das.

Bis dahin ist für mich die Information der FHKD verbindlich. Dass nämlich ein "Luftfahrtunternehmen während der Zeit, in der diese Flughäfen vollständig koordiniert werden, zum Starten und Landen eine von einem Koordinator zugewiesene Zeitnische benötigt". Quelle: http://www.fhkd.org/cms/9.html

MfG
Jan Brill
25. August 2006: Von Derk Dr. Janßen an Jan Brill
Sehr geehrter Herr Brill,

eine ähnliche Mitteilung hatte ich erhalten für einen Flug nach EDDH am 9.6.06, dem 1.Tag der WM. Pünkktlich ca. vier Stunden vor der EOBT. Allerdings per Fax ins Büro, welches vor dem Abflug nicht mehr aufgesucht worden war.
Der etwas abgeschnittene Text am Anfang der Mitteilung heißt :" No match has been found between your flight plan an your airport slot."

Allerdings: in einem am Vortage für Startort, Strecke und Zielort einheholten NOTAM war keinerlei Hinweis auf die Sonderregelung enthalten gewesen. Dies hätte ja ohne großen Aufwand wenigstens mit einem Querverweis erfolgen können.

AIP SUP IPR 8 habe ich nachher mit Interesse gelesen.

Hinflug und Rückflug verliefen ohne alle Probleme und in sehr guter Führung durch die Flugsicherung ohne jedes Delay am Boden oder in der der Luft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr.D.E. Janßen
27. August 2006: Von Dieter Leusch an Jan Brill
Hallo Herr Brill,

die "VERORDNUNG (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft" ist die Grundlage für die Einrichtung des "Koordinators".
Es wird hier grundsätzlich nur von Luftfahrtunternehmen gesprochen! Bei der Umsetzung in die AIP aber wieder einmal
"draufgesattelt" (GEN 1-2-7/1-2-8 vom 12.Mai 2005):
An den Plätzen Bremen, Dresden, Erfurt, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn,Leipzig,Münster/Osnabrück, Nürnberg und Saarbrücken hat der Halter/Pilot den IFR-Flug beim Koordinator nur "anzumelden" -
bei den Vollkoordinierten Plätzen EDDF,EDDM,EDDS,EDDL und den drei Berliner Flughäfen EDDT,EDDI,EDDB sind dagegen Slots "zu beantragen"(gebührenpflichtig!).
Starts/Landungen ohne Slot sind untersagt. Nicht genutzte Slots müssen zurückgegeben werden.
Und hier sind die 50.000 EUR bei Zuwiderhandlung genannt(§58 Abs 1, Nr.10 LuftVG)
Dieter Leusch

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