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20. Februar 2005 Jan Brill

Technik: Lycoming Kurbelwellen AD


Kurbelwellendesaster: Lycoming verliert Prozess

Im Zusammenhang mit dem jüngsten Urteil im TIO-540 Kurbelwellendesaster der Jahre 2000 bis 2002 von einem „juristischen Waterloo“ für Lycoming zu sprechen, würde selbst der totalen Niederlage Napoleons gegen den Herzog von Wellington kaum gerecht werden. Mit der juristischen Feststellung einer Schuld, eines Betruges und mehr als 100 Millionen Dollar in Strafzahlungen und Entschädigungen gegen den Motorenhersteller aus Williamsport, Pennsylvania ging dieser erste Prozess vor einen texanischen Geschworenengericht zu Ende.


Viel Chrom, wenig Substanz. Bei kaum einem Hersteller klaffen Anspruch und Wirklichkeit soweit auseinander wie bei Lycoming
© Textron Lycoming 
Erinnern wir uns: Ende 2002 kam es zur bislang spektakulärsten Rückruf- und Nachbesserungsaktion bei Qualitätsfragen durchaus leidgeprüften Allgemeinen Luftfahrt. Mehr als 1.400 Kurbelwellen der Motorenmodelle TIO-540 und LTIO-540 aus dem Hause Lycoming waren betroffen, ungenügende Festigkeit der Grund. Vorausgegangen waren mehrere Unfälle mit Triebwerksstörungen in der Ursachenkette. Es handelte sich zweifellos um den Gipfel einer auch von diesem Magazin seit langem beobachteten Entwicklung, denn jeder Flugzeughalter weis: Die Qualität der Teile, die aus den großen Motorenschmieden von Teledyne Continental und Textron Lycoming kommt ist erbärmlich – bestenfalls.

Lycoming zeigte sich großzügig, jedenfalls für die Verhältnisse der AL. Volle Kostenübernahme der Nachbesserung – immerhin musste das Triebwerk ausgebaut und vollständig zerlegt werden – sowie Flugtickets und bezahlte Anmietung von Ersatzmaschinen wurden den Haltern in Aussicht gestellt, dafür mussten sie auf ihr Recht einer Klage gegen den Motorenhersteller verzichten. Die meisten Halter machten von dem Angebot gebrauch, und so war es nun auch kein geschädigter Flugzeugeigentümer, der den Hersteller vor den Kadi zog, sondern der Zulieferer der besagten Kurbelwellen.
Interstate Southwest aus dem texanischen Navasota hatte im Auftrag von Lycoming die Kurbelwellen geschmiedet und war im Verlauf der Aktion als der Schuldige an der ganzen Misere hingestellt worden. Eine fehlerhafte Temperaturbehandlung der Wellen sei der Grund für die mangelnde Festigkeit stellte Lycoming umgehend fest – pikanter Weise folgte auch die FAA dieser Ansicht des Motorenherstellers.

Naturgemäß zeigte sich Interstate mit der Übernahme des schwarzen Peters nicht ganz einverstanden und klagte. Nicht eine mangelhafte Temperaturbehandlung sei der Grund für das Versagen der Bauteile, sondern ein zu schwaches Design im Zusammenhang mit einer von Lycoming veränderten Rezeptur des verwendeten Stahls behauptete der Zulieferer. Lycoming habe der Legierung mehr Vanadium beigegeben um das Material einfacher und damit billiger zu verarbeiten, dazu ein mit sehr wenig Sicherheitsreserve ausgelegtes Bauteil, daher die mangelnde Festigkeit der Kurbelwelle.

Lycoming ist verantwortlich, nicht der Zulieferer

Was folgte war eine Gutachterschlacht vor Gericht und nun das Urteil der Geschworenenkammer: Ja, die veränderte Rezeptur der Legierung sei ausschlaggebend für das Versagen der Wellen, ebenso wie das zu schwach ausgelegte Design der Kurbelwellen. Damit aber nicht genug: Lycoming habe betrügerisch die wahren Umstände verschleiert und der Aufsichtsbehörde, den Kunden und der Öffentlichkeit gegenüber unrichtig dargestellt. Daher habe der Motorenhersteller dem Zulieferer zusätzlich zu dem entstandenen finanziellen Schaden von 9,7 Millionen Dollar noch eine Strafzahlung in Höhe von 86,4 Millionen Dollar zu leisten, urteilten die Texaner.

Es gilt als sicher, das Lycoming gegen dieses erstinstanzliche Urteil in Berufung gehen wird, ebenso wie es wahrscheinlich ist, dass die Strafzahlung von 86,4 Millionen Dollar vom Richter etwas reduziert wird, aber das ganze wirft mehrere unangenehme Fragen auf:

Erstens wäre da das geheimniskrämerische und sehr unkooperative Verhalten des Motorenherstellers im Verlauf des Prozesses. Mehrmals haben sich sowohl der vorsitzende Richter, wie Prozessbeobachter befremdet über das Auftreten von Lycoming und über die Informationspolitik der Firma in diesem extrem sicherheitskritischen Bereich geäußert. „That certainly didn’t help“ sagen die Amerikaner.

Wieso folgte die FAA der ersten Erklärung von Lycoming?

Zweitens ist da die Frage, wieso sie Aufsichtsbehörde über den Herstellungsbetrieb, die amerikanische FAA, angesichts des Desasters anscheinend ungeprüft den Einlassungen des Herstellers gefolgt ist.

Seit Jahren schon kritisieren wir in diesem Magazin die mangelhafte Aufsicht der Behörden über bestimmte Herstellungbetriebe. Dabei fehlt es sicher nicht an Papierkram und bürokratischen Prozessen, sehr wohl aber am „hands-on“ Sachverstand der Behörde und einer wirksamen Ergebniskontrolle der ausgelieferten Teile. In anderen Worten – so lange die Papierlage stimmt und alle Stempel an der richtigen Stelle gesetzt sind, kann der größte Schrott ausgeliefert werden.
Eine Entwicklung, die jeder mit Motorenüberholung befasste Werftbetrieb bestätigen kann und die auch in diesem Magazin viel Raum einnimmt. Zuletzt im Novemberheft 2004 berichteten wir über einen Lycomingmotor der mit funktionsuntüchtiger Kraftstoffpumpe an den Kunden ausgeliefert wurde.
Da passt das unkritische Akzeptieren einer Schuldweitereichung an den Zulieferer durch die FAA ins Bild.


Weitreichende Konsequenzen

Drittens sind die Geschworenen nach Ende der Gutachterschlacht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kurbelwellen auch ohne die Veränderung der Legierung für die mit 300 und mehr PS zugelassenen Triebwerke zu schwach ausgelegt sind. Neben dem 100 Millionen Dollar Preisschild auf diesem Urteil dürfte das wohl der größte Spaßverderber für die Firma aus Pennsylvania sein, denn sollte diese Feststellung in den Folgeinstanzen Bestand haben, sind die Konsequenzen kaum absehbar:

Hier wäre nämlich auch für Flugzeughalter, die in Bezug auf die Nachbesserung ihr Klagerecht verwirkt haben, eine Handhabe gegeben. Denn die von den Geschworenen getroffene Feststellung bezieht die nachgelieferten neuen Kurbelwellen ganz ausdrücklich mit ein.

Eine Stellungnahme von Lycoming liegt zur Stunde noch nicht vor.

Den Originaltext des Urteils können Sie hier herunterladen (Quelle: avweb.com).


  
 
 




14. Dezember 2009: Von  an Jan Brill
Hallo,

bei solchen Urteilen und Strafzahlungen (100 Mio), sollte man vorsichtig sein, was man damit lostritt. Die Höhe der Beträge lässt eine Rechnung von Firmenchefs hochkommen, das es billiger wäre, den Laden "Konkurs" gehen zu lassen, als diese Zahlung zu leisten. Danach kauft dann eine Firma "hintenrum" wieder die Lyco auf und alles geht weiter. Ob die Versicherungen von Lyco überhaupt zahlen wenn das ganze beim Surpreme Court durch ist, ist aus meiner Sicht sehr fraglich, da es sich durch die Legierungsänderung durch Lyco um "Vorsatz" handeln könnte. Und Vorsatz kann man nicht versichern.

Wäre es nicht konstruktiver, Lyco zu verdonnern, jede Änderung erst mal extern prüfen zu lassen und die FAA überprüft dies und lässt auch extern prüfen? Natürlich müssen diese Prüfer unabhängig sein, nur ob es sowas wirklich gibt???
14. Dezember 2009: Von  an 
ich glaube nicht, daß lycoming insolvenz anmelden würde. dafür sind die zu reich. für alle bell uh-1-schrauber haben die die gasturbinen geliefert, ich glaube auch im kraftwerksturbinenbau ist ein standbein.

also - wenn das urteil rechtskräftig würde - wäre das aus der portokasse bezahlt.

mfg
ingo fuhrmeister
14. Dezember 2009: Von  an 
Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich kann mir vorstellen, das Lyco für jeden Geschäftszweig eine eigne Firma mit eigener Haftung hat. Ich würde es so machen, warum dann Lyco nicht ?

Und wenn Lyco es zahlen muss und nicht kaputt geht, dann werden Oh Wunder bestimmt die Teile und Motoren etwas teurer...
14. Dezember 2009: Von M Schnell an 
Beitrag vom Autor gelöscht
15. Dezember 2009: Von Andreas Heinzgen an M Schnell
Hat sich mal jemand angesehen, wann der Ausgangsbeitrag verfaßt wurde...?
15. Dezember 2009: Von  an Andreas Heinzgen
OH jeh,

wer lesen kann ist klar im Vorteil. Wie ging das denn aus,weiss das Einer ?
15. Dezember 2009: Von M Schnell an Andreas Heinzgen
Beitrag vom Autor gelöscht

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