Glaube in diesem Thread geht einiges durcheinander.
Zunächst mal aus Sicht des gesunden Menschenverstandes, der ja mit der rechtlichen Lage oft nicht unbedingt viel zu tun haben muss:
Natürlich ist es bescheuert, einen Windenstart rauszulassen, wenn ein Flugzeug (egal welcher Klasse) im kurzen Endanflug ist. Das ist nicht nur wegen des Windenseils gefährlich. Wenn der Segelflieger einen Seilriss hat und nicht mehr geradeaus landen kann, muss er je nach lokaler Situation (kenne ich im konkreten Fall natürlich nicht) ne verkürzte Platzrunde oder ne Umkehrkurve (ja, wirklich!) fliegen. Dann wird das schnell ganz blöd, wenn noch einer im Anflug ist, auch bei verkürzten Bahnen.
In der SBO (Segelflugbetriebsordnung), nach der hierzulande üblicherweise verfahren wird, ist sicherlich auch irgendwo geregelt, dass dann kein Start erfolgen darf. Hier haben eigentlich alle gepennt: Startleiter, Windenfahrer, und auch der Pilot im Segelflugzeug. Der sieht Dich zwar wahrscheinlich nicht, aber Deine Meldung im Funk muss er auch mitbekommen.
Ich schleppe relativ viel bei uns am Segelfluggelände, und da gab es einige Male den Fall, dass die Segelflieger zwischen Seilabwurf und Landung noch einen Windenstart rauslassen wollten. Das ist auch keine besonders gute Idee, da nach dem Seilabwurf eigentlich nur noch ein verlängerter Vollkreis / verkürzte Platzrunde geflogen wird, dauert keine 30 Sekunden. Das konnte aber durch Intervention im Funk und ein nettes Gespräch nach der Landung gelöst werden. War auch keine böse Absicht, sondern einfach noch ein wenig Unerfahrenheit.
Was die rechtliche Lage angeht: Mit der Argumentation des Kollegen Schaudel kann man m.E. ziemlich schnell vor Gericht absaufen, wenn in der AIP steht, dass bei Windenbetrieb / aktiver Blinkleuchte keine Starts oder Landungen von motorbetriebenen LFZGen erfolgen dürfen. Das ist dann nämlich eine sehr konkrete Anweisung für diese Situation, die der allgemeinen Rechtslage ("Luftfahrzeuge in der Luft / im Endanflug haben Vorflugrecht") vorrangig sein könnte.
Vor Gericht, d.h. nachdem es schief gegangen ist, haben Staatsanwaltschaft plus Richter mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sowieso nicht den geringsten Schimmer von Allgemeiner Luftfahrt. Dann wird ein Gutachter bestellt, und je nachdem, wer das ist, kann der Ausgang dann sagen wir mal "dynamisch" sein.
Und noch ein Wort zu den Einlassungen des gefalteten Mannis: Die Rechtslage hat sich mit Einführung des Betriebsleiters nicht geändert:
- Der Betriebsleiter darf exakt genau das, was der Flugleiter vorher auch durfte: Nix.
- Den Startleiter gibt es immer noch, dessen Rechte und Pflichten haben sich nicht geändert.
De facto können / sollten sowohl der Windenfahrer als auch der Startleiter und der Pilot im Segelflieger einen Start abbrechen / verzögern. Die ersten beiden, indem sie einfach nicht tätig werden. Der letztere im Zweifel mittels gelben Hebels.
Auch hierzu noch eine Anekdote: Vor ein paar Monaten war mal ein Kollege bei uns Betriebsleiter (und in Personalunion Startleiter), der schon seit langer Zeit nicht mehr fliegt, aber aus Solidarität zum Verein noch einen oder zwei Dienste pro Jahr übernimmt. Da war dann auch ein Flugzeug im Anflug, und ich habe als Fluglehrer im Segelflugzeug ausgeklinkt, weil nicht so richtig klar war, was jetzt der Plan ist. Der Kollege hat sich dann beschwert, weil er gerne entscheiden würde, ob wir starten oder nicht, da er "den besseren Überblick" hätte. Das hatte auch ein nettes Gespräch nach der Landung zur Folge, wird er in Zukunft nicht mehr machen. Das letzte Wort über Start oder Landung hat immer der PIC im Luftfahrzeug.