Hallo Alfred,
zunächst glaube ich, dass Du dan ein Problem rührst, dass eigentlich nicht existiert, weil es für den Flightenvelope tatsächlich und nachweislich den deutschen Entsprechungsbegriff der Flugenveloppe gibt, der aber vermutlich einfach nur auf einer Eindeutschung besteht, die irgendwann in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stattgefunden hat.
Nehmen wir aber einfach mal an, dass es tatsächlich keinen deutschen Entsprechungsbegriff für den englischen Begriff des flight envelope gäbe. Auch das wäre jetzt keine Einzigartigkeit in der Welt der Sprache und hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man sich im deutschen Sprachraum um diesen Gegenstand keine Gedanken gemacht hätte. Sprache und neue Wörter entstehen ja nicht nach einem Plan, sondern werden bedingt durch die Umstände und - ganz wichtig - Zufälle. Der Flight Envelope dürfte entstanden sein, weil er auf einem W&B chart nun mal so ähnlich aussieht. Irgendjemand hat den BEgriff geprägt, er wurde im englischen Sprachraum verwendet und dann langsam in seiner Definition ausgeweitet. Wir benutzen ihn so selbstverständlich, wie wir andere englische Wörte benutzen, für die es keine (gebräuchliche) deutsche Entsprechung gibt. Einige Beispiele:
Container - nur weil wir dafür kein Wort haben, gibt es trotzdem in Deutschland Reedereien und Verladehäfen
Petting - Ja, gut, muss ich das jetzt ausführen?
Leasing
Doping
Bloggen
etc.
Viele dieser Begriffe sind in Zeiten entstanden, in denen die Globalisierung (ich meine die erste Globalisierung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg und die zweite Globalisierung ab den 70ern) dazu führte, dass Sprache schneller in andere Weltregionen überschwappte, so dass bei Neuschöpfungen selten parallele Prozesse stattfanden, sondern einfach übernommen wurde.
Aber es gibt auch einige viel ältere Beispiele, auch für Wörter, die ihren Ursprung in der deutschen Sprache haben und die in anderen Sprachen ohne Entsprechung verwendet werden, berühmt sind sicherlich "gemütlich" und der "Kindergart(d)en".
Andere Kuriosität mit ähnlichem Hintergrund ist das "vasistas" (gesprochen wie "Was ist das?"), das im französischen ein Oberlicht bezeichnet, auf das der Legende nach Napoleon auf seinem Weg zur Niederlage in Leipzig irgendwo in Mitteldeutschland gezeigt haben soll.
Sprache ist lebendig, sie hält sich in ihrer Entstehung nicht an Regeln, einige darwinistische Leitmotive lassen sich auf die Persistenz und Entwicklung von Wörtern übertragen und das scheint mir im Falle des Envelopes eine ganz gute Erklärung zu sein:
Gemessen an den in der deutschen Sprache zur Verfügung stehenden Begriffen geht er relativ leicht über die Lippen, ist bereits beim deutschsprachigen Publikum etabliert und ist deutlich plastischer, vorstellbarer als die Entsprechungen. Das begünstigt - zusammen mit der englischen Sprachaffinität der Aviatiker - die Durchdringung.
Andere sachbezogene Gründe sehe ich eher nicht.