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30. Dezember 2013: Von Wolfgang Winkler an Georg v. Zulu-eZulu-schwit-Zulu
Lieber Hans-Georg,

nichts liegt mir ferner, als Sie persönlich in dieser wirklich sehr interessanten, praxisrelevanten und spannenden Diskussion zu ärgern. Offensichtlich verfolgen wir mit unserem Überlegungen beide nämlich exakt das gleiche Ziel wie schon der Thread-Starter: Das Finden einer Indikation für einen rechtzeitigen Startabbruch, wenn die Gefahr besteht, vor dem Ende der nutzbaren Piste nicht die erforderliche Abhebegeschwindigkeit zu erreichen.

Die 70%-Regel (nennen wir sie jetzt einfach mal so) beruht auf der vereinfachten Annahme einer linearen Geschwindigkeitszunahme (gleichbedeutend mit einer konstanten effektiven Beschleunigung) vom Beginn des Startlaufs bis zum Erreichen der Abhebegeschwindigkeit. Das dies technisch und physikalisch nicht exakt zutreffen kann, darüber sind wir uns auch einig. Weiterhin ist klar, dass wenn an der Halbbahn tatsächlich erst exakt 1/2 Vlo anliegen sollten, es beim Abheben eine Staubwolke an den Rändern gibt, weil diese dann gerade noch die Bahnkante "kratzen". Völlig konstante Beschleunigung immer vorausgesetzt.

Möchte man diese Regel nervenschonend modifizieren, muss man zunächst festlegen, wieviel "Restpiste" man denn nach dem Abheben noch gerne unter sich hätte. Ich hätte gerne noch 20% der Gesamtlänge. Wenn ich diese Bedingung in das Beschleunigungsdiagramm einsetze (man könnte auch sagen, ich definiere mir die Piste kürzer, als sie tatsächlich ist), dann komme ich auf 79,05...% der Vlo an der Halbbahn. Zur sicheren Seite aufgerundet 80%. Bis hierher reine Mathematik, keine "Philosophie" ;-)

Zu guter Letzt hilft natürlich im Grenzfall auch noch mit, dass die Handbuch-Vr und -Vlo keine absoluten aerodynamischen Mindestgeschwindigkeiten darstellen, sondern nach dem Abheben einen optimalen Steigflug ermöglichen. Anders gesagt, fliegt die Kiste zur Not auch schon 10 Knoten unter der Vlo im Bodeneffekt und man kann in diesem dann die fehlenden Knoten bis zur Vlo "nachholen". Darauf solle man es natürlich im Normalfall keinesfalls schon im Vorhinein anlegen, aber diese Tatsache gibt der 80%-Methode trotzdem noch einige Toleranz mit auf den Weg, selbst wenn die Beschleunigung nicht wie berechnet verlaufen sollte.

Stelt sich jetzt die Frage nach dem effektiven Verlauf der Beschleunigung und damit nach der Brauchbarkeit des Modells in der Praxis. Deshalb bin nicht nur ich auf Ihre Messungen sehr gespannt. Persönlich habe ich aber bereits mehrfach selbst gemessen. Zwar nicht mit so ausgefeiltem Equipment wie Sie es vorhaben, sondern mit Stoppuhr, Fahrtmesser, Beobachtungsperson und handelsüblichem Entfernungsmessroller am Boden. Unsere Messreihe hat 10 Starts mit zum Teil unterschiedlicher Beladung umfasst. Testflugzeug war eine PA28-161 mit Fixprop. Dabei haben wir folgendes festgestellt:
1. Der Verlauf der Geschwindigkeitszunahme war (wider Erwarten) ziemlich zeitlinear.
2. Die erwarteten Abhebepunkte nach der 80%-Regel entsprachen +/- 20 Meter den gemessenen Strecken.
3. Die Handbuchwerte konnten innerhalb der Fehlertoleranz praktisch bestätigt werden.

Also auch hier war keine Philosophie im Spiel ;-)

Gemäß eine alten (und guten) Regel in vielen Lehrbüchern soll man den Start abbrechen, wenn man an der Halbbahn noch nicht in der Luft ist, es sei denn, dass ein wenig späteres Abheben klar erkennbar ist. Und genau um den zweiten Teil dieses Satzes geht es doch hier: wie kann ich klar erkennen, dass ich noch sicher innerhalb der verfügbaren Piste abheben kann, wenn ich an der Halbbahn nicht eh' schon "airborne" bin.

Wie gesagt: Ihre Messergebnisse werden mit Spannung erwartet. In diesem Sinne einen guten Rutsch + always safe and happy take-offs :-)
31. Dezember 2013: Von Georg v. Zulu-eZulu-schwit-Zulu an Wolfgang Winkler
Hi Wolfgang & Runde,

Gut, ich nehme den Vorwurf von "Philosophie statt Mathematik" zurück. Für diejenigen, die Formel (für die Unterstellung einer linearen Beschleunigung) wissen wollen:

Da das Abheben bei 80% der Bahn erfolgen soll, ist die Geschwindigkeit bei 50% der Strecke gesucht. Es ist der Bruch zu nehmen: 1 / (Wurzel (80/50)) = 0,7905. Beispiel mit 100%: 1 / (Wurzel (100/50)) = 0,7071.

Herr Sünder hat bisher eine meiner neun Messungen in Kassel mit Jbeam ausgewertet. Die wesentliche Frage ist ja: Ist die Beschleunigung linear (was in dem Beispiel weiter oben im Thread definitiv nicht der Fall ist).

Ich habe mich bemüht, mit ein wenig Perl den Rest auszuwerten, aber dafür müsste ich noch einige Filter implementieren - mal eine Kostprobe ungefilterter Daten (Lat/Long/Speed in kt):

1866 51.421089 9.387598 0

1867 51.421089 9.387601 4.0482801811092

1868 51.421089 9.387605 5.39770690974364

1869 51.421089 9.38761 6.74713363598102

1870 51.421089 9.387616 8.0965603622184

1871 51.421089 9.387621 6.74713363598102

1872 51.421089 9.387626 6.74713363837808

1873 51.421089 9.387635 12.1448405433276

1874 51.421089 9.387641 8.09656036461546


Die Auswertung des ersten Startlaufs ist zwar nicht wirklich ehrenvoll (daher danke an Herrn Sünder, dass er nicht selber gepostet hat), aber sei hier schonungslos offengelegt. Der Wind beim ersten Startlauf war 170 / 10 kt, was in Kassel (Bahn 09 mit 093 Ausrichtung) fast reinen (rechten) Seitenwind bedeutet.

Im Einzelnen ist wohl zu erkennen:
- Es gibt einen gewissen "Satz", wenn man die Bremsen löst, den man durchaus mit vielleicht 5 "geschenkten" Knoten gleichsetzen kann.
- unser Held hat bei 14:54:05 - trotz vermutlich ausreichendem Airspeed - die Richtung (mit den Fußbremsen) korrigiert - ein hübscher Einbruch in der Beschleunigung.
- Weiter rotiert unser Experimentator bei 60 kt (statt 55 kt für 1000 kg), geht in den Gleitflug und geht erst mit 67,5 kt in den Steigflug (Vy für 1000 kg: 60 kt, Vy für MTOW: 65 kt).
- Den Steigflug leite ich aus dem gleichbleibenden Speed ab, dass die Elevation erst später sinnvoll steigt, ist vermutlich ein Artefakt.

Aber die interessanteste Aussage ist: Die Abnahme der Beschleunigung über die Zeit ist eher gering. Das spricht dafür, dass das Modell der linearen Beschleunigung gar nicht so falsch zu sein scheint.

Ich bin jetzt einmal sehr gespannt, was weitere Auswertungen ergeben.
Und selbstverständlich allen allzeit gute Landungen in 2014!


Georg


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Kassel1.jpg


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