Als Jurist plädiere ich dafür, die Emotionale, politische und juristische Seite zu trennen und versuche mich mal an einer Erklärung aus Juristensicht:
Emotionale Seite
Notsituation, Spritmangel, Stress, Positive Fehlerkultur, Kinder im Flugzeug.
Juristerei ist erst einmal empathielos. Das beudet für den Anfang ist das aus gerichtlicher Sicht erst einmal völlig unerheblich (kann aber am Ende gegebenenfalls noch als Korrektiv eingesetz werden).
Politische Seite
Flugleiter sind überbewertet und unnötig, in anderen Ländern geht auch IFR unter 5.000 Fuß, Deutschland ist überreguliert, wenn es um die Luftfahrt geht.
Viele der Punkte sind nachvollziehbar und es wäre wünschenswert, dass sich einige davon ändern. Dies ist aber nicht Aufgabe der Justiz.
Juristische Seite
Es liegt ein Verstoß vor. Es wird von einer Fahrlässigkeit (also einem Versehen) ausgegangen (wie in der Regel beim zu schnell fahren auch).
Im Ergebnis ist ein Bußgeld juristisch wohl erst einmal in Ordnung. Was die exakten Erwägungen waren, den Fall weiter zu verfolgen, ob es "aus Prinzip" erfolgte oder gute Gründe dafür sprachen (z.B. wenn tatächlich die Verstöße auch noch im Luftraum Charlie stattgefunden haben) könnte man wohl nur prüfen, wenn man alle Unterlagen bzw. die Ermittlungsakte kennt.
Bußgeldsachen bei Amtsgerichten (gilt auch im Straßenverkehrsrecht) sind meist oftmals für Mandanten und auch Anwälte ein relativ hartes Brot und teils drängt sich ein gewisser Verurteilungspragmatismus zugegebenermaßen auch auf. Gerade im Verkehrsrecht hat man insoweit auch Rechtsmodelle eingeführt (z.B. standartisiertes Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen) um die Verurteilungen "zu erleichtern" bzw. auch dem Umstand gerecht zu werden, dass teils sicherlich sehr exzessiv Überprüfungen verlangt werden.
Im vorliegenden Fall kommt möglicherweise ebenfalls ein gewisser Pragmatismus zum Tragen. Grundsätzlich könnte man auch im Verfahren mit Beweisanträgen auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten hinwirken (soweit sich dafür Anhaltspunkte ergeben). Das Problem ist, dass in dem Fall, in dem der Mandant dann dennoch verurteilt wird (und das liegt hier nahe) er die Kosten zu tragen hat. Ohne Rechtsschutzversicherung wird es da schon schnell eng mit der Wirschaftlichkeit, denn ein solches Gutachten kann problemlos mehrere tausend Euro Kosten verursachen (Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall habe ich im Strafrecht schon Gutachterrechnungen im fünfstelligen Bereich gesehen, im Zivilrecht plant man mit mindestens 2.000 - 3.000 € pro Gutachten). Wie weit will man jetzt also gehen? Hinzu kommt, für Richter ist Fliegen in der Regel erst einmal elitär, weil teuer. Und nachdem es ja eh nur um ein "Versehen" (Bußgeld) geht, kann man da aus mancher Sicht vereinfacht gesagt vielleicht auch einfach schon mal zahlen (habe da Einblick in verschiedene Seiten der Beteiligten).
Nachdem objektiv und politisch der Verstoß wohl feststeht, bleibt damit nur noch das "emotionale" Korrektiv. Dieses liegt vorliegend leztendlich möglicherweise in der Reduzierung der Geldbuße (wenn diese nicht durch ein geringeres Gehalt bedingt ist) oder man könnte auch an eine Einstellung denken, was aber wohl nicht gewollt gewesen ist und möglicherweise auf Grund der Mehrzahl der im Raum stehenden Verstöße (wenn auch praktisch einheitlich) ausgeschlossen war. Nimmt man jetzt den "Pragmatismus", so kommt es zu dem Urteil, welches wohl auch gegensätzlich erfolgte.
Nach dem Artikel gab es aber wenig juristische, sondern eben nur politische und emotionale Ansätze gegen eine Verurteiltung. Das ganze wird dann gegenüber dem Gericht zum "Bitte, bitte nicht bestrafen". Und das ist meist auf Grund der Vielzahl der Fälle, in denen alle immer "Bitte, Bitte nicht bestrafen" sagen, kaum zu erreichen (man denke nur an die Probleme mit einem Absehen vom Fahrverbot bei Geschwindigkeitsverstößen und drohendem Fahrverlust - eine der Standartantworten: Nehmen Sie Urlaub oder einen Fahrer).
Unschön ist dabei sicherlich das teils das forsche Auftreten mancher Richter und eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Behörden (z.B. auch Staatsanwaltschaft, Finanzamt) mit den Gerichten. Anwälte werden gefühlt nicht selten bei derartigen Verfahren als Störfaktor wahrgenommen. Insoweit gibt es letztendlich wie in anderen Bereichen auch "Reibungspunkte", wie hier auch zwischen Lotsen und Piloten dargelegt. Letztendlich sitzen aber alle in einem Boot. Richter, Staatsanwälte und Anwälte als gleichberechtigte Organe de Rechtspflege. Lotsen und Piloten als gemeinsam Teilnehmer und (hoffentlich auch) Förderer der Sicherheit im Luftverkehr. in der Sache erscheint das Urteil nicht direkt angreifbar. Unglücklich ist der Eindruck, der Entsteht wenn der Richter sich in der Pause mit der Behörde gleich in einem anderen Fall austauscht. Richterliche Unabhängigkeit ist genau wie das Mandanteninterrese für den Anwalt das jeweils höchst Gut. Und bei aller guten - und notwendigen - fachlichen Zusammenarbeit sollte zumindest dies auch nach außen kommuniziert und auch gelebt werden.
Wenn sich etwas in solchen Fällen ändern soll, dann wird man zwingend auf der politischen Ebene ansetzen müssen. Ein Gerichtsbashing - auch wenn ich Situationen wir geschildert kenne und eine Verhandlungsführung wie im Artikel geschildert nicht unbedingt als souverän empfinden würde - bringt hier nicht weiter, sondern führt Erfahrungsgemäß eher dazu, dass "die Judikative" die Kritik noch weniger wahrnimmt, da sie auf aus ihrer Sicht unsachlicher, emotionaler und damit unerheblicher Ebene geführt wird. Juristerei ist empathielos und im Übrigen entweder pragmatisch oder teuer.
Bin mal gespannt auf den nächsten Urteilsbericht. Luftrecht an Amtsgerichten ist tatsächlich ein stets aufs neue überraschendes Thema. Das Urteil aus Aschaffenburg, welches ebenfalls schon mal besprochen worden war, würde ich dabei auch für fachlich falsch halten und die insoweit geäußerter Kritik würde ich eher teilen, als die juristischen Ausführungen in diesem Artikel. Vielleicht könnte man ja eine Rubrik einführen, das luftrechtliche Urteil :)