Login: 
Passwort: 
Neuanmeldung 
Passwort vergessen



Das neue Heft erscheint am 1. November
Augen auf beim Linsenkauf!
LBA-Medical: Ein Fallbeispiel
Sicherheit in der Ausbildung
Riskante Take-off-Verfahren
Drei Wettermodelle, fünf Meinungen
Die Flugzeugbatterie
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Antworten sortieren nach:  Datum - neue zuerst |  Datum - alte zuerst |  Bewertung

11. September 2018: Von Ingo-Julian Rösch an Jan Brill Bewertung: +11.00 [11]

Als Jurist plädiere ich dafür, die Emotionale, politische und juristische Seite zu trennen und versuche mich mal an einer Erklärung aus Juristensicht:

Emotionale Seite

Notsituation, Spritmangel, Stress, Positive Fehlerkultur, Kinder im Flugzeug.

Juristerei ist erst einmal empathielos. Das beudet für den Anfang ist das aus gerichtlicher Sicht erst einmal völlig unerheblich (kann aber am Ende gegebenenfalls noch als Korrektiv eingesetz werden).

Politische Seite

Flugleiter sind überbewertet und unnötig, in anderen Ländern geht auch IFR unter 5.000 Fuß, Deutschland ist überreguliert, wenn es um die Luftfahrt geht.

Viele der Punkte sind nachvollziehbar und es wäre wünschenswert, dass sich einige davon ändern. Dies ist aber nicht Aufgabe der Justiz.

Juristische Seite

Es liegt ein Verstoß vor. Es wird von einer Fahrlässigkeit (also einem Versehen) ausgegangen (wie in der Regel beim zu schnell fahren auch).

Im Ergebnis ist ein Bußgeld juristisch wohl erst einmal in Ordnung. Was die exakten Erwägungen waren, den Fall weiter zu verfolgen, ob es "aus Prinzip" erfolgte oder gute Gründe dafür sprachen (z.B. wenn tatächlich die Verstöße auch noch im Luftraum Charlie stattgefunden haben) könnte man wohl nur prüfen, wenn man alle Unterlagen bzw. die Ermittlungsakte kennt.

Bußgeldsachen bei Amtsgerichten (gilt auch im Straßenverkehrsrecht) sind meist oftmals für Mandanten und auch Anwälte ein relativ hartes Brot und teils drängt sich ein gewisser Verurteilungspragmatismus zugegebenermaßen auch auf. Gerade im Verkehrsrecht hat man insoweit auch Rechtsmodelle eingeführt (z.B. standartisiertes Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen) um die Verurteilungen "zu erleichtern" bzw. auch dem Umstand gerecht zu werden, dass teils sicherlich sehr exzessiv Überprüfungen verlangt werden.

Im vorliegenden Fall kommt möglicherweise ebenfalls ein gewisser Pragmatismus zum Tragen. Grundsätzlich könnte man auch im Verfahren mit Beweisanträgen auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten hinwirken (soweit sich dafür Anhaltspunkte ergeben). Das Problem ist, dass in dem Fall, in dem der Mandant dann dennoch verurteilt wird (und das liegt hier nahe) er die Kosten zu tragen hat. Ohne Rechtsschutzversicherung wird es da schon schnell eng mit der Wirschaftlichkeit, denn ein solches Gutachten kann problemlos mehrere tausend Euro Kosten verursachen (Beispiel: Bei einem Verkehrsunfall habe ich im Strafrecht schon Gutachterrechnungen im fünfstelligen Bereich gesehen, im Zivilrecht plant man mit mindestens 2.000 - 3.000 € pro Gutachten). Wie weit will man jetzt also gehen? Hinzu kommt, für Richter ist Fliegen in der Regel erst einmal elitär, weil teuer. Und nachdem es ja eh nur um ein "Versehen" (Bußgeld) geht, kann man da aus mancher Sicht vereinfacht gesagt vielleicht auch einfach schon mal zahlen (habe da Einblick in verschiedene Seiten der Beteiligten).

Nachdem objektiv und politisch der Verstoß wohl feststeht, bleibt damit nur noch das "emotionale" Korrektiv. Dieses liegt vorliegend leztendlich möglicherweise in der Reduzierung der Geldbuße (wenn diese nicht durch ein geringeres Gehalt bedingt ist) oder man könnte auch an eine Einstellung denken, was aber wohl nicht gewollt gewesen ist und möglicherweise auf Grund der Mehrzahl der im Raum stehenden Verstöße (wenn auch praktisch einheitlich) ausgeschlossen war. Nimmt man jetzt den "Pragmatismus", so kommt es zu dem Urteil, welches wohl auch gegensätzlich erfolgte.

Nach dem Artikel gab es aber wenig juristische, sondern eben nur politische und emotionale Ansätze gegen eine Verurteiltung. Das ganze wird dann gegenüber dem Gericht zum "Bitte, bitte nicht bestrafen". Und das ist meist auf Grund der Vielzahl der Fälle, in denen alle immer "Bitte, Bitte nicht bestrafen" sagen, kaum zu erreichen (man denke nur an die Probleme mit einem Absehen vom Fahrverbot bei Geschwindigkeitsverstößen und drohendem Fahrverlust - eine der Standartantworten: Nehmen Sie Urlaub oder einen Fahrer).

Unschön ist dabei sicherlich das teils das forsche Auftreten mancher Richter und eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Behörden (z.B. auch Staatsanwaltschaft, Finanzamt) mit den Gerichten. Anwälte werden gefühlt nicht selten bei derartigen Verfahren als Störfaktor wahrgenommen. Insoweit gibt es letztendlich wie in anderen Bereichen auch "Reibungspunkte", wie hier auch zwischen Lotsen und Piloten dargelegt. Letztendlich sitzen aber alle in einem Boot. Richter, Staatsanwälte und Anwälte als gleichberechtigte Organe de Rechtspflege. Lotsen und Piloten als gemeinsam Teilnehmer und (hoffentlich auch) Förderer der Sicherheit im Luftverkehr. in der Sache erscheint das Urteil nicht direkt angreifbar. Unglücklich ist der Eindruck, der Entsteht wenn der Richter sich in der Pause mit der Behörde gleich in einem anderen Fall austauscht. Richterliche Unabhängigkeit ist genau wie das Mandanteninterrese für den Anwalt das jeweils höchst Gut. Und bei aller guten - und notwendigen - fachlichen Zusammenarbeit sollte zumindest dies auch nach außen kommuniziert und auch gelebt werden.

Wenn sich etwas in solchen Fällen ändern soll, dann wird man zwingend auf der politischen Ebene ansetzen müssen. Ein Gerichtsbashing - auch wenn ich Situationen wir geschildert kenne und eine Verhandlungsführung wie im Artikel geschildert nicht unbedingt als souverän empfinden würde - bringt hier nicht weiter, sondern führt Erfahrungsgemäß eher dazu, dass "die Judikative" die Kritik noch weniger wahrnimmt, da sie auf aus ihrer Sicht unsachlicher, emotionaler und damit unerheblicher Ebene geführt wird. Juristerei ist empathielos und im Übrigen entweder pragmatisch oder teuer.

Bin mal gespannt auf den nächsten Urteilsbericht. Luftrecht an Amtsgerichten ist tatsächlich ein stets aufs neue überraschendes Thema. Das Urteil aus Aschaffenburg, welches ebenfalls schon mal besprochen worden war, würde ich dabei auch für fachlich falsch halten und die insoweit geäußerter Kritik würde ich eher teilen, als die juristischen Ausführungen in diesem Artikel. Vielleicht könnte man ja eine Rubrik einführen, das luftrechtliche Urteil :)

12. September 2018: Von Tee Jay an Ingo-Julian Rösch Bewertung: +2.00 [2]

Das was Ingo-Julian geschrieben hat, fasst die Sache und die verschiedenen Ebenen sehr gut zusammen. Angereichert mit den zusätzlichen Infos zum Flugverlauf und der Berücksichtigung der Lotsen-Informationen aus erster Hand, das wäre meinem Empfinden nach ein sehr guter, journalistischer Beitrag gewesen.

Aus diesem heraus hätte man fragen können, ob es für die Beteiligten jenseits des Gerichtes nicht noch Wege gab oder hätte geben können. Oder ob im Ermessensspielraum der Beteiligten eine Art Mediation oder eine Art nicht-punitives Gespräch möglich gewesen wäre. Denn so wie sich das für mich darstellt, hätte dieses in diesem Fall mehr Wirkung gezeigt wie ein Bußgeld.

12. September 2018: Von Chris _____ an Tee Jay

Es fällt auch noch was auf: die Pilotenschaft ist ja extrem divers (vom fliegenden Regenschirm bis selbst geflogenem mehrstrahligen Jet). Da ist auch die Frage, wie hoch eigentlich Bußgelder sein sollten?

2000 EUR wurden hier verhängt. Das mögen für manchen UL-Flieger das Jahresbudget sein, während der Jet-Set-Kollege davon gerade mal die Platzrunde bestreitet.

Gibt es eigentlich einen Standard-Bußgeldkatalog für die Luftfahrt? Wenn nein, wie bemisst das BAF dann seine Bussgeldforderung?

12. September 2018: Von Johannes König an Chris _____ Bewertung: +1.00 [1]

Bußgelder sollten entweder standartisiert sein (Bußgeldtabelle im deutschen Straßenverkehr) oder an das Einkommen gekoppelt. Dies ist z.B. in Finnland der Fall und führt da bei wohlhabenden Verkehrssündern immer wieder zu kuriosen Bußgeldern, siehe z.B. diesen Spiegel-Artikel.

Vor allem eines sollten Sie aber sein: Transparent. Bußgelder nach Gusto durch Behördenvertreter und/oder Richter festsetzen zu lassen, finde ich ein Unding. Das kann dann ganz schnell und Neid-Gedanken oder in eine "Der hats mal verdient"-Geisteshaltung umkippen. In Ingos Analyse kommt diese Problematik ja auch zum Vorschein. Oben steht, das Recht soll emotionslos sein. Weiter unten steht dann (Zitat): "Hinzu kommt, für Richter ist Fliegen in der Regel erst einmal elitär, weil teuer."

Eine Frage stellt sich mir da schon. Im Straßenverkehr gibt es eine transparente Tabelle, in der ich feststellen kann, was mir blüht, wenn ich eine rote Ampel überfahre: https://www.bussgeldkatalog.org/rote-ampel/

Warum gibts sowas eigentlich nicht auch in der Luftfahrt? Rote Ampel ist ja vergleichbar z.B. mit einem Take-Off ohne Clearance.

12. September 2018: Von Jens Richter an Johannes König

Den Bussgeldkatalog fände ich auch die transparenteste Variante.

Wahrscheinlich liegt es an der Zahl der möglichen Betroffenen: ca. 20.000 Pilot(inn)en mit Lizenz gegen ca. 40 Mio Autofahrer(innen), dass sich dem keiner annimmt.

Mich würde es interessieren, wieviele OWi-Verfahren pro Jahr durch das Amt gegen Piloten eingeleitet werden.

12. September 2018: Von Malte Höltken an Jens Richter Bewertung: +2.00 [2]

Mich würde es interessieren, wieviele OWi-Verfahren pro Jahr durch das Amt gegen Piloten eingeleitet werden.

2015 waren es etwa 740. (299 Einflüge in C und D; 143 Abweichungen von Start- und Landestrecken, 121 Verluste der dauernden Hörbereitschaft, 57 Verstöße bei Bewegungen am Boden, 30 Abweichungen von Freigaben, 28 Einflüge in Beschränkungsgebiete und ein paar "Sonstige"). Einflüge in C und D sollen seit 2009 deutlich gestiegen sein.

Quelle: https://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_BAF/BAF_Jahresbericht_2015_2016.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Auch interessant: https://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_BAF/BAF_Jahresbericht_2014_2009.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Seite 32 ff

13. September 2018: Von Michael Höck an Malte Höltken Bewertung: +2.00 [2]

"Das Gericht und auch die Behördenvertreter machen klar, dass diese vier Punkte kein Verstoß gewesen wären, wenn der Pilot „Canceling IFR“ statt „I like to go visual“ gesagt oder eine Notlage deklariert hätte."

DAS ist der eigentliche Skandal.

13. September 2018: Von Andreas Ni an Michael Höck

Siehe mein post weiter oben, Michael. Wir sind da völlig einer Meinung. So ziemlich jeder andere deutsche Richter wäre meiner Auffassung gefolgt.

14. September 2018: Von Chris _____ an Ingo-Julian Rösch

Wenn man sich die zahlreichen Beiträge der "law-and-order" Bussgeldbefürworter hier ansieht, bekommt man den Eindruck, der Pilot hat sich _in Summe_ einfach so dämlich und unbotmäßig verhalten, dass der mal "auf die Mütze" kriegen musste.

Und dann macht man das halt an irgendetwas fest. _Leicht_ fehlerhafte Phraseologie ("go visual" statt "cancel IFR"), kein Notfall erklärt, Sicherheitslandung auf geschlossenem Platz (hä? dachte das wäre legal. aber hier wohl nicht...), usw.

Nur, liebe Leute: so funktioniert "Rechtsstaat" nicht. So funktioniert "Richterstaat".

Wenn jeder kleine Fehler (und auch welche, die gar keine sind, zB Sicherheitslandung auf geschlossenem Platz) sanktionsfähig wird, und dann auf Sachbearbeiterebene (BAF) entschieden wird, ob/wie tatsächlich sanktioniert wird, dann sind wir im Reich der Willkür. Denn dann kriegen sie jeden dran, den sie drankriegen wollen.

Aber Richter Horn, besoffen von seiner Allmacht, sieht das sicher anders.


9 Beiträge Seite 1 von 1

 

Home
Impressum
© 2004-2025 Airwork Press GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Airwork Press GmbH. Die Nutzung des Pilot und Flugzeug Internet-Forums unterliegt den allgemeinen Nutzungsbedingungen (hier). Es gelten unsere Datenschutzerklärung unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier). Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA) Hub Version 14.29.04
Zur mobilen Ansicht wechseln
Seitenanfang