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1. August 2005: Von  an Jan Brill
Hier der Wortlaut meines offenen Briefes an
Verkehrsminister Stolpe in Sachen ED-R 146:
-------------------------------------------


An den Minister für Verkehr, Bauen und Wohnen,
Herrn Manfred Stolpe, MdB


Herr Minister Stolpe,


mit Wirkung vom 1.8.2005, 0.01 wurde durch das Ministerium für Verkehr, Bauen und Wohnen, welchem Sie vorstehen, per Erlass die ED-R146 , ein Flugbeschränkungsgebiet mit einem Radius von 3 Nautischen Meilen um das Berliner Regierungsviertel erlassen, zum Schutz eben dieser Einrichtungen vor terroristischen Anschlägen.

Der effektive Schutz von Regierungs- und vergleichbaren Einrichtungen sowie Amtsträgern ist sicherlich notwendig, nicht erst seit den Ereignissen vom September 2001.

Auslöser dieses Erlasses, und das ist wohl unbestritten, war der offenbar vorsätzlich herbeigeführte Absturz eines Doppeldeckers der Marke Kiebitz, ein zur Klasse Ultraleichtflugzeug gehörendes Luftfahrzeug mit einem maximalen Abfluggewicht von 450 kg. Der Pilot, und das war wohl dessen Absicht, kam dabei ums Leben; weiterer Personenschaden war nicht zu beklagen. Dennoch ein tragischer Vorfall, wie es alle Suizid-Fälle schließlich sind.

Obwohl Sie sich, Herr Minister, beeilten festzustellen, es handle sich definitiv nicht um einen Terroranschlag, gab Ihnen dieser traurige Vorfall Anlass, über verstärkte Maßnahmen zum Schutze des Reichstages und des Bundeskanzleramtes gegen vermeintliche Gefahren aus der Luft nachzudenken. Dieses sei Ihnen unbenommen.

Ich sprach eingangs von der Effektivität etwaiger Schutz- bzw. Präventivmaßnahmen. Als Mitglied des Souveräns, dem Sie letztlich Ihr derzeitiges Amt verdanken und dem Sie Rechenschaft abzulegen haben, muss ich daher diese so genannten Anti-Terror-Maßnahmen auf eben diese Effektivität hinterfragen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass dieser Kiebitz mit seinen maximal 450 kg Abfluggewicht an sich keine Masse darstellt, welche ein größeres Gefährdungspotential darstellt als beispielsweise die massenhaft verfügbaren Kleinkraftwagen, also die Privat-PKWs.
Vielleicht erinnern Sie sich noch an den gestörten Landsmann, der mit seinem Auto durch die Straßen und in Cafes raste, oder an die an einem Fahrrad befestigte Bombe vom 9.Juni letzten Jahres, die in Köln hoch ging. In beiden Fällen waren echte Opfer zu beklagen. Meines Wissens ist die Innenstadt Berlins und auch das Regierungsviertel nach wie vor zugänglich für Privatautos und Privatfahrräder. Im Gegenteil, anlässlich der Premiere des Films "Herbie vollgetankt" waren „am Nachmittag vor der Premiere rund 1500 knallbunte Käfer und New Beetles äußerst öffentlichkeitswirksam im Konvoi durch das Zentrum Berlins gerollt.“, so der Tagesspiegel.
- Auch der Verkauf sowie das Tragen von Rucksäcken ist meines Wissens weiterhin möglich, in Berlin und anderswo, trotz der Vorfälle in London.

In den Massenmedien, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, wird gerne von einer durch Kleinflugzeuge ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit geredet, da diese ja mit Sprengstoff beladen in Harakiri-Manier als Terrorwaffe missbraucht werden könnten. Dem stimme ich zu. Ihr Haus und andere Staatsorgane sollten dann aber, besorgt und bemüht um den Schutz des Volkes, korrekterweise auf den Sprengstoff als das eigentliche Gefahrenpotential hinweisen; dieser ist, wie wir alle in den vergangenen Zeiten schmerzlich erfahren mussten, in vielfältiger Weise einsetzbar. Das Bedrohliche, das Tödliche einer Autobombe ist ja nicht das Auto, sondern die mit ihm transportierte Bombe.

Das per NOTAM errichtete Flugbeschränkungsgebiet ED-R146 nun beschränkt allein den nach Sichtflugregeln fliegenden Verkehr und schließt ihn vom Durch- bzw. Überfliegen des Stadtgebiets aus. Weder sind An- noch Abflug von Tegel oder Tempelhof betroffen, deren Anflugverfahren die ED-R tangieren, und schon gar nicht der nach Instrumentenregeln fliegende Verkehr, gleich welcher Flugzeugklasse. Das betreffende NOTAM spricht übrigens auch nicht von einem in den Medien, aber auch von Ihrem Hause (sehen Sie mal auf die Website https://www.bmvbw.de) gerne zitierten Verbot für Privat- bzw. Hobbyflieger; auch nicht weiter verwunderlich, bedenkt man deren nebulöse Semantik, welche sich schwerlich als Begriffe in einer Verordnung eignen.
Dagegen sind – wieder einmal im Gegensatz zu einschlägigen Darstellungen der letzten Tage – eben auch jene Unternehmen von dem besagten Flugbeschränkungsgebiet betroffen, deren Geschäftsgrundlage die kommerziell durchgeführten Rundflüge über Berlin darstellt. Sie dementieren? - Lesen Sie mal Ihr NOTAM.

Der sich mit seiner Kiebitz in die Wiesen am Reichstag stürzende Landsmann verstieß mit diesem Flug gleich gegen mindestens drei Gesetze bzw. Verordnungen:
- Einflug in die Kontrollzone(n) ohne Freigabe
- Unterschreitung der Mindestflughöhe über bebautem Gebiet
- Gefährdung Dritter
Herr Minister, Sie werden nicht wirklich meinen, eine vierte Vorschrift wie das neue Flugbeschränkungsgebiet, hätte den Piloten von seiner Tag abhalten können. Eher sollten Sie sich einmal die Frage nach der Motivation stellen: Warum gerade das Berliner Stadtgebiet, die Nähe zum Reichstag? Ist es nicht vielleicht gerade diese Exponiertheit, welche der Reichstag oder das Bundeskanzleramt auf derart gestörte Persönlichkeiten ausüben? Sicherlich erinnern Sie sich noch an den geistig verirrten Stephan S., jenem Piloten, welcher in einem über Frankfurt kreisenden Motorsegler drohte, sich in die Skyline zu stürzen, und seiner Forderung, „er wolle den Bruder der US-Astronautin Judith Resnik sprechen“ [Frankfurter Rundschau]. Die Evakuierung der Frankfurter Innenstadt, die Alarmierung zweier Abfangjäger und die sensationshungrige Medienwelt, wie z.B. das öffentlich-rechtliche Magazin Kontraste mit ihrer unsachlichen, emotionellen Hysterie waren es doch erst, welche diesen geistig gestörten Zeitgenossen die Bühne bauten, die halfen, seine Psychose auszuleben.
Doch statt hier sachlich Aufklärungsarbeit zu leisten, schürte ihr Ministerium – und damit letztlich Sie - mit dem seinerzeit neu geschaffenen Luftsicherheitsgesetz mögliche Ängste weiter.

Sie, Herr Minister, sowie die Massenmedien, werden nicht müde, immer wieder den 11.September 2001 in Erinnerung zu rufen, wenn es um mehr Überwachung, um mehr Prävention, um weitere Beschneidung von Bürgerrechten geht, in der Annahme – oder Hoffnung – Gesetze und Verordnungen leichter, unkritischer durch-, umsetzen zu können. Und die Medien haben wie immer ein quotenträchtiges Thema, welches sich immer neu auflegen lässt.
Erinnern Sie sich: Die Ereignisse jenes Septembertages vor vier Jahren begannen in New York; mit Linienmaschinen, ausgerüstet mit mehreren Transpondern , die nach Instrumentenflugregeln flogen, einen Flugplan aufgegeben hatten und unter der Kontrolle der Flugsicherung standen. Das Flugbeschränkungsgebiet ED-R 146 wird auf diese Art von Verkehr nicht angewendet.Es sind – wieder einmal – die vorzugsweise in Einmots nach Sichtflugverkehr fliegenden Piloten, ein Teil des üblicherweise Allgemeine Luftfahrt genannten Luftverkehrs, der hier populistisch zum Ersatzsujet gemacht wird. Betrachten Sie, verehrter Herr Minister, doch einmal die New York Terminal Area Chart. Dort gibt es mit JFK, La Guardia und Newark gleich drei große, internationale Verkehrsflughäfen mit einem Luftraum Bravo. Und natürlich ist es Piloten der Allgemeinen Luftfahrt, gleich ob VFR oder IFR, ob Einmot oder Twin, nach entsprechender Freigabe möglich, die Stadt zu überfliegen. Ja, es geht sogar ganz ohne Freigabe; entlang des Hudson Rivers in 900 Fuß. Es ist ein sogenannter Klasse B-Flugkorridor. Das ist wirklich etwas ganz anderes als eine ED-R, ein Flugbeschränkungsgebiet. Und wenn New York so etwas nicht braucht, warum dann Berlin?

Mit freundlichen Grüßen,

Friedhelm Stille
1. August 2005: Von Andreas Heinzgen an 
Ser guter Brief. Wird nur leider kaum mehr auslösen, als das übliche 08/15-Antwortblabla.

Sehr gut ist m.E. auch der nachstehende Kommentar, den ich heute auf einer Fliegerseite im Web gefunden habe (Quelle: https://www.eddh.de/topics/btw.html):
###-MYBR-###-----------------------------

Der Arm des Terrors
Stell' dir vor, du wirst in dunkler Gasse von einem Mörder mit dem Messer bedroht. Was tust du? Du holst dein eigenes Messer aus der Tasche, stichst es dir in den Hals und mit einem röchelnden "Ätsch!" verabschiedest du dich in die ewigen Jagdgründe, voller Häme für den Mörder, der dich nun nicht mehr töten kann und sicher ganz schön blöd aus der Wäsche guckt...

Das ist verrückt, sagst du? Tja, aber genau das sind wir im Begriff, zu tun. Weil ein Ultraleichtflugzeug in die Reichstagswiese gestürzt ist. Und weil eine Flugverbotszone überm Regierungsviertel logischerweise von jedem respektiert wird, erst recht von wirklichen Terroristen.

Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. (...) Die dazu notwendigen Wählerstimmen sind längst nicht mehr durch intelligente oder gar sinnvolle Entscheidungen und Maßnahmen zu sammeln (wenn sie es denn überhaupt je waren), sondern am ehesten durch populistische. Also solche, die ohne die Notwendigkeit, einen Denkprozess in immer dumpfer werdenden Bürgerhirnen auszulösen, auf fruchtbaren Boden fallen.

Daraus folgt, dass alle Bemühungen, die Unsinnigkeit von immer neuen Gesetzen oder Gesetzesverschärfungen deutlich zu machen, weil kein Gesetz dieser Welt jemals einen Terrorakt verhindert hat und das auch in Zukunft nicht können wird, so wirksam sind, wie Wasser zu harken.

Und so werden wir wohl zusehen müssen, wie der Terror siegt. Denn wer immer noch glaubt, Ziel des Terrors sei es, Menschen und Sachen zu zerstören, um auf irgendetwas aufmerksam zu machen, irrt sich leider sehr. Wir brauchen nur mal genauer hinzusehen: Was ist durch den Terror der letzten Jahre in Gang gesetzt worden? Woll'n mal sehen... Ausweise sollen mit Fingerabdruck versehen werden (der genetische Fingerabdruck bleibt uns noch eine zeitlang erspart). Videokameras sollen uns an vielen (am liebsten an allen) öffentlichen Bereichen beobachten (die eigenen vier Wände bleiben uns vorerst erspart). Wir dürfen abgeschossen werden, wenn wir in einem Flugzeug sitzen, von dem der (jeweilige)Innenminister überzeugt ist, dass es in der Gewalt potentieller Terroristen ist und vermutlich auf irgend ein Ziel in unserem Lande gesteuert werden soll (ob das zutraf, wird danach nicht mehr geklärt werden können). Das sind nur ein paar Beispiele, durchaus möglich, dass die Liste ohnehin bei Erscheinen schon nicht mehr vollständig wäre... Die vielen Einschränkungen für uns Piloten erspare ich mir, erneut aufzuzählen, wir kennen sie leider alle, und ich habe meine Meinung darüber in verschiedenen 'By the way's' ergossen.

Was hat sich also seither geändert? Richtig, unser aller Freiheit, beileibe nicht nur von uns Piloten, ist drastisch eingeschränkt worden und wird es weiter werden. Terroranschläge sind also nur ein Relais, ein Schalter, der mit vergleichsweise minimalem Einsatz an Aufwand eine ungleich größere, weitreichendere Reaktion auslöst. Nämlich die Freiheit, unser höchstes Gut, aufzuweichen, bis sie sich in Wohlgefallen auflöst. Das wird dem Terror wohl gefallen. Und das Ganze geht auch noch nach unseren demokratischen Regeln ab: Die Legislative beschließt, die Judikative erlässt und die Exekutive führt aus. Sie exekutiert. Unsere Freiheit.

Mit einem Wort: Der Terror klickt ein kleines Schalterchen, den Rest, nämlich unsere Freiheit Stück für Stück über Bord zu kippen, machen wir schon ganz alleine. Und damit opfern wir genau das, was wir angeblich vor dem Terror schützen wollen.

Ist ja auch logisch: Wer sich selbst umbringt, kann nicht mehr von anderen umgebracht werden...
1. August 2005: Von Walter Pastucha an 
Sehr geehrter Herr Stille,
ein ausgezeichneter, sachlicher Brief an unseren Herrn Minister
Stolpe oder das Paradoxon schlechthin..
ist der Minister in der Lage diesen Brief vollstaendig zu lesen und den Inhalt zu verstehen und zu begreifen, dann muß er zu der Einsicht gelangen, dass er ein einfältiger, dummer und ignoranter Mensch ist.
Wenn er aber ein einfältiger, dummer, ignoranter Mensch ist, kann er den Brief nicht verstehen.
Cargolifter läßt grüßen.
Ansonsten ist dem Drama ED-R146, Zuverlässigkeitsprüfung nichts mehr hinzuzufügen.
P.S. Auch werde trotzdem schreiben, obwohl.. aber die Hoffnung stirbt immer zuletzt.
mfg.
W.P

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