Ich frage mich schon lange, ob und wann eine grundlegende Modernsierung der ATC-Verfahren stattfindet. Mir ist klar, dass sowas lange dauert, weil international zu harmonisieren ist und viele alte und neue Systeme mit verschiedensten Fähigkeiten und Eigenschaften existieren. Aber mal vom Ergebnis her auf einem weißen Blatt Papier gedacht - wäre folgendes Konzept nicht schlauer - umweltfreundlicher - und ohne große Schwierigkeiten technisch machbar?
- Nach Anfangssteigflug geht jedes Flugzeug direkt auf direkten Kurs zum Ziel
- Ziel ist in dem Fall ein Punkt zB 10 Meilen vor der Runway in bestimmter Höhe (für finalen Sinkflug)
- Natürlich müssen Sperrgebiete oä berücksichtigt werden
Ich stelle die These auf, dass dadurch nur sehr sehr selten Kollisionen im Streckenflug zu befürchten wären. Flugzeuge sind im Verhältnis zu der ganzen Luft, die da oben ist, so irre klein, dass sie sich im Streckenflug von allein kaum je zu nahe kommen würden. Aus den Ländern, in denen IFR in Luftraum G stattfindet, hört man ja auch nicht von mehr Kollisionen.
Computer in den Flugzeugen rechnen vorher aus, ob es wirklich nicht zu Kollisionen kommt, und validieren es während des Fluges untereinander per Funk (Wind etc bringen ja Varianzen rein). Und wo das der Fall ist, wird durch minimale Kursänderungen lang genug vor der drohenden Kollision (+-1 bis 2 Grad reichen dann ja) für seitliche Staffelung gesorgt.
- In Flughafennähe wird es natürlich dichter, und die Lotsen wenden viel Mühe auf, da für saubere Staffelung zu sorgen. Mit moderner Computer-Unterstützung sollte es doch möglich sein, auszurechnen, welche Flugzeuge optimalerweise in welcher Reihenfolge an dem Zielpunkt (wie oben definiert) ankommen sollten. Ein Lotse könnte die gewünschte Reihenfolge ja auch manuell verändern. Und dann rechnen die Computer schlicht rechtzeitig vor Ankunft die richtige Geschwindigkeitsvorgabe aus, die genau zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle den turn to final erreicht.
Die Berechnungen, die für das Konzept nötig sind, erscheinen mir nicht allzu schwer. Es finden schon viel kompliziertere Berechnungen laufend statt. Es hängt natürlich von zutreffender Datenbasis ab (u.a. zuverlässig sendende Transponder) - aber das ist ja aktuell auch schon so.
Sparen würde man sich:
- Bei der Flugplanung die aufwendige Auswahl der am wenigsten ungünstigen Route aus mehreren Vorschlägen, die das System nach minutenlangem Rechnen aus zigtausenden Beschränkungen heraussucht, mit dem Ergebnis, dass die Route nur zu einem sehr kleinen Teil tatsächlich geflogen wird weil die ganzen Beschränkungen, die die Route so kompliziert machen, den Lotsen offenbar überwiegend egal sind
- Die ganzen kleinen oder nicht so kleinen Umwege entlang Airways und 5-letter-codes, die (wenn ich es richtig verstehe) im Wesentlichen zur Vereinfachung der Übergabe von einem Lotsen zum anderen in den Flugplänen landen
- Die Arbeit der Lotsen, diese Umwege durch "Abkürzungen" wieder zu lindern, wofür wohl gerne mal mehrere Telefonate mit den Lotsen der nächsten Sektoren nötig sind
- Die umständliche Führung zum Final hin in großen S-Kurven an vielen großen Flughäfen, die im wesentlichen dazu dient, dass man die anfliegenden Flugzeuge übersichtlich sehen und aus verschiedenen Richtungen einsortieren kann (spart Sprit und Lärm) [weiß jemand, ob die Lotsen das aktuell komplett "per Hand und Gefühl" machen, oder Unterstützung dabei haben, welche Geschwindigkeitsvorgabe sie wann machen müssen, um ein bestimmtes Flugzeug zum Zeitpunkt X am Beginn der Schlange zu haben?]
- Die komplizierte Festlegung von Airways und Regeln dafür, die dann doch sehr selten 1:1 abgeflogen werden
- Überhaupt würde man die vielen kleinteilig festgelegten Lufträume A-D nicht mehr so dringend brauchen (sie scheinen mir überwiegend der Arbeitsaufteilung bei den Lotsen zu dienen - korrekt?).
Mir ist schon klar, wo das alles herkommt - Funkausfallverfahren, verfügbare Technik in Flugzeugen und Lotsenarbeitsplätzen damals etc; und das ergab vor dem Hintergrund auch Sinn. Durch weltweite Standardisierung (die ja auch sehr sinnvoll ist) ist das sicher alles sehr aufwendig zu ändern, aber deswegen habe ich ja vorgegeben, erst einmal auf einem weißen Blatt Papier zu denken.
Für Funk- (oder allgemein Technik-)ausfallszenarien, Emergencies, wetterbedingte Umwege, Flugzeuge ohne modernste Computer etc. braucht man natürlich auch Lösungen, die ich noch nicht im Detail erdacht habe. Wenn man die Existenz der heute existierenden Technik zugrundelegt, sollte das aber alles eleganter gehen als bisher. Lotsen bräuchten zB nur die Vorgabe im Computer ändern, wann bestimmte Flugzeuge am Final ankommen, um eine Lücke für einzelne "manuell" zu lotsende Flugzeuge zu schaffen. Oder um ein Emergency-Flugzeug und seinen Weg herum den Computern Sperrzonen mitteilen.
Die ganz große Masse der Flüge (ich schätze >99,9%) wäre mit dem obigen Konzept deutlich effizienter (weniger Sprit, weniger Lotsenpersonal) und auch evtl. etwas sicherer (durch weniger workload im Cockpit).
Jetzt die Frage: Ist an dem Konzept ein grober Denkfehler? Weiß jemand, ob bei den Institutionen irgendwelche Projekte in diese Richtung laufen?