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Reise | Mit der Jodel nach Ostafrika  
12. März 2017: Von Christian Weidner  Bewertung: +24.00 [24]

Wir waren Mitte Januar bis Mitte Februar 2017 unterwegs. Aus den Tagebucheinträgen ist ein Text geworden. Wir hoffen, dass er als Anregung geeignet ist, selber auch mal eine solche Reise zu unternehmen. Bei Fragen könnt Ihr gerne mailen.

Bei jeder unserer bisherigen Reisen haben wir eine Menge lernen dürfen. Die unserer Meinung nach wichtigsten Lektionen:

Erst, wenn es nicht mehr nach Plan läuft, beginnt das Abenteuer. 99 Prozent der Menschen sind gutherzig, freundlich und hilfsbereit, egal wo. Und es gibt kein Problem, für das es nicht auch eine Lösung gibt. Deshalb ist es auch kein Weltuntergang, wenn es mal schlechtes Wetter oder ein technisches Problem gibt. Gerade in solchen Situationen, in denen man auf die Hilfe der Mitmenschen angewiesen ist, ergeben sich tolle Freundschaften und Erinnerungen.

Mit diesem mentalen Handwerkszeug ausgestattet haben wir uns vor etwa einem Jahr an die Planung einer Flugreise nach Afrika gemacht.

Unser Ziel waren die Nationalparks in Kenia und Tansania. Wir haben uns vorgestellt, dass es auch heute noch möglich sein sollte, die Schönheit dieser Länder mit einem kleinen Flugzeug aus der Nähe zu erleben, so wie der bekannte Professor Grzimek und sein Sohn damals. Aber zunächst galt es wie so oft, einige Hürden zu überwinden.

Während es in Europa nicht ungewöhnlich ist, dass Menschen in ihrer Freizeit durch die Luft fliegen, ist es in vielen Ländern Afrikas schlicht undenkbar. Teilweise lässt es die wirtschaftliche Situation der Menschen nicht zu, oder der Staat und das Militär halten einen dicken Daumen drauf. Oft ist es eine Kombination aus diesen Gründen. In Ägypten gibt es zum Beispiel so gut wie keine privaten Piloten, und die einzigen kleinen Flugzeuge, die dort aufsteigen dürfen, sind die der Flight Academy. Und das auch nur zur Ausbildung von Verkehrspiloten und in ganz eng gesteckten Grenzen. Mit einem in Deutschland registrierten Flugzeug muss man uns allerdings durch lassen, denn ägyptische Flieger dürfen ja auch bei uns landen. Den Preis für Überflugs- und Landegenehmigungen diktiert allerdings das zu überfliegende Land. Und wo man Benzin für kleine Flugzeuge herbekommt, war am Anfang der Planungen auch ungewiss. Dann lag der Sudan auf unserer Route. Hatte man in den Nachrichten jemals etwas Positives über dieses Land gehört? Unsere Mitmenschen rieten uns, das Ganze bloß sein zu lassen. Man kann überfallen, ausgeraubt, verschleppt werden. In der Wüste kann man im Falle einer Notlandung verdursten. Wir fragten uns: "Kann man da auch einfach nur landen, tanken und übernachten?"

Dann kommt entweder Äthiopien mit seinem für unser kleines Flugzeug nahezu unüberwindbaren Hochland, oder der Südsudan, der aufgrund von Kämpfen in den letzten Jahren leider immer wieder für traurige Nachrichten sorgte.

Durch Zufall erfuhren wir von einem Team von Luftfahrtenthusiasten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die allgemeine Luftfahrt in Afrika und weltweit zu fördern. Sie sind, ebenso wie wir, fasziniert von der Idee, dass das Reisen mit kleinen Flugzeugen den Menschen ganz neue Perspektiven eröffnen kann, sowohl für die Schönheit unseres Planeten, als auch auf ihre Mitmenschen hinter den (aus der Luft unsichtbaren) Grenzen. Sie haben sich ausgerechnet in Ägypten zusammengefunden, einem der für die Allgemeine Luftfahrt schwierigsten Länder.

Ein Kontakt war schnell hergestellt und Eddie und Ahmed von G.A.S.E. (General Aviation Support Egypt) hatten für alle unsere Fragen sehr fundierte Antworten. Viele unserer Sorgen stellten sich als unbegründet heraus, so dass wir uns nun um die wirklichen Herausforderungen kümmern konnten. Wo gibt es Sprit, welche Werkzeuge müssen mit, welche Überlebensausrüstungen brauchen wir, wie gehen wir in Notsituationen vor, wie weit können wir fliegen mit einer Tankfüllung, auf welchen Flugplätzen können wir bei welchen Temperaturen starten, was können wir an Gewicht einsparen, an welchen Flughäfen kann man Zoll- und Einreiseformalitäten erledigen, wo übernachten wir, und vieles mehr. Unser Wohnzimmer war bald mit Karten und To-Do Listen tapeziert. Ende 2016 stand die Flugroute fest und wir hatten mit Eddies und Ahmeds Hilfe alle Vorbereitungen abgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass für jedes Afrikanische Land Überflug- und Landegenehmigungen beantragt werden müssen, die immer nur 72 Stunden gültig sind, hatten wir einen für eine Urlaubsreise ungewöhnlich straffen Zeitplan. Um schlechtes Wetter am Abflugtag zu umgehen, stationierten wir den fertig gepackten Flieger kurzerhand zu Freunden nach Acqui Terme in Italien, um dann eine Woche später von dort aus los zu fliegen.

Am 18. Januar ging es los, allerdings kamen wir wegen schlechten Wetters statt nach Süditalien nur bis Rom. Als Entschädigung verbrachten wir einen schönen Abend in der Altstadt. Am nächsten Tag flogen wir dann von Rom aus weiter nach Süden. An Neapel und dem Vesuv vorbei bis Scalea an der Italienischen Westküste. Nach einem sehr zügigen Tankstopp ging es dann quer übers Mittelmeer bis nach Heraklion auf Kreta. Wir hatten Rückenwind und konnten die verlorene Zeit vom Vortag wieder aufholen. Trotzdem war die Zeit zwischen Sonnenaufgang und -untergang komplett ausgereizt, das bringt das Reisen mit kleinen und langsamen Flugzeugen so mit sich. Der folgende Tag hatte es ebenso in sich: Von Heraklion übers Mittelmeer in Richtung El Alamein an der Ägyptischen Küste, dann durften wir abbiegen nach Mersa Matruh. Den völlig unnötigen Umweg von 170 Km hatten wir der vom Militär diktierten Luftraumstruktur in Ägypten zu verdanken. In Mersa Matruh haben wir getankt, Einreise und Zollformalitäten erledigt und sind dann unserer mit weiteren Umwegen gespickten Route nach Kairo gefolgt. Am „6th October“ genannten Flugplatz empfingen uns viele freundliche Flieger, die inzwischen leider nicht mehr selber fliegen dürfen in ihrem schönen Land. Wir parkten unser Flugzeug in einem Hangar voll mit verstaubten und vergessenen kleinen Flugzeugen, die alle von besseren Zeiten zeugten. Draußen stand auch alles voll mit Flugzeugskeletten, ein trauriger Anblick. Uns wurde vor Augen geführt, wie wertvoll unsere Freiheit zuhause ist, und was aus einem Land wird, in dem Militär und Angst regieren. Die Herzlichkeit unseres Empfangskomitees war dann aber ein toller Auftakt für unser Afrika Abenteuer. Wir verbrachten einen schönen gemeinsamen Nachmittag mit den gegroundeten Fliegern in Kairo und sprachen viel von den besseren Zeiten. Es war schon ein seltsames Gefühl, als Ausländer mehr Freiheiten zu genießen, als diejenigen, denen das Land gehört. Wir durften weiter fliegen, unsere neuen Freunde mussten am Boden bleiben.

Am nächsten Tag flogen wir, wieder mit vielen Umwegen, bis nach Assuan. Die Fluglotsen waren freundlich, aber auch sie konnten nichts an den seltsamen Regeln ihres Landes ändern. Ein Teil der Flugroute führte uns weit ab von allen Siedlungen durch die Wüste. Erst ab Luxor konnten wir dem Nil folgen. Der abrupte Übergang von lebendigem Grün zu lebensfeindlicher Wüste an den Rändern der vom Nil bewässerten Landschaften hat uns sehr beeindruckt. Wie viel Leben dieser Fluss in eine solche Landschaft bringt.

In Assuan legten wir einen Pausentag ein, unter anderem mit einem netten kleinen Segeltörn auf dem Nil. Die geringen Besucherzahlen machen den Einheimischen sehr große Sorgen. Viele Hotels sind kaum besucht, eine ganze Flotte von Nilkreuzfahrt Schiffen liegt ungenutzt im Wasser. Die Menschen hier sind allesamt sehr freundlich, es geht sehr ruhig zu, und wir sehen wirklich keinen Grund, hier keine Reise hin zu machen.

Nach dem Pausentag stand der Weiterflug nach Khartum im Sudan an. Wir waren sehr gespannt, was uns erwarten würde. Es ging nach einem Start zum Sonnenaufgang zunächst am Nasser Stausee bis Abu Simbel und dann den Nil entlang nach Dongola, wo wir zum Tanken zwischenlandeten. Die Wüste in dieser Gegend hat sehr schöne Formen und Farben, die man nur aus den geringen Höhen, in denen man im Kleinflugzeug unterwegs ist, wahrnehmen kann.

Wir wurden äußerst freundlich empfangen von den Flughafenmitarbeitern. Man hatte uns bereits Benzin besorgt, half uns beim Tanken und wir verstanden uns prima. Nach der Runde durch die Büros zum Bezahlen der Landegebühr und zum Tower wegen des Flugplans wurden wir noch zu den Flugplatzfeuerwehrleuten eingeladen. Aufgrund von viel weniger Bürokratie als in Ägypten fanden wir noch Zeit für eine gemütliche Runde Tee im Schatten und waren ganz gerührt von der Gastfreundschaft. Die Verständigung klappte dank der Englisch Kenntnisse unserer Gastgeber sehr gut. Unser erster Eindruck vom Sudan war äußerst positiv, und so sollte es auch bleiben. Weiter ging es nach Khartum, ein stundenlanger Flug über der Wüste, es war heiß und ermüdend. Die Öltemperatur bewegte sich nicht vom roten Strich weg. Der Laderegler schien die Hitze nicht zu mögen und die Bordspannung fiel zeitweise unter 12 Volt, so dass wir bereits die Funkausfallverfahren rekapitulierten. Der Anflug auf die große Stadt, an der der Weiße Nil und der Blaue Nil zusammen fließen, war dann wieder ein echt tolles Erlebnis. Wir stellten den kleinen Flieger zwischen verlassenen Hubschraubern ab, machten unsere Nacharbeiten, tankten, stellten den Laderegler ein und fuhren dann ins Hotel. Es war inzwischen wieder dunkel, so dass wir nicht allzu viele Eindrücke sammeln konnten. Der Straßenverkehr ging sehr ruhig und besonnen zu, entsprechend dem Gemüt der Menschen hier. Im Restaurant gab es gutes Essen und die Bedienungen machten einen sehr weltoffenen Eindruck. Wieder alles ganz anders, als wir es erwartet hätten.

Der nächste Flug führte uns drei Stunden den Blauen Nil hinunter nach Damazin, wo wir noch einmal tanken mussten. Wieder das gleiche Bild. Hilfsbereite, freundliche Menschen mit Humor und guten Manieren empfingen uns, halfen uns beim Tanken und ein paar technischen Handgriffen am Flieger, zeigten uns die Wege zu den Büros, fragten uns über unsere Reise und unsere Eindrücke aus, gaben uns Proviant mit und winkten zum Abschied. Leider hatten wir es eilig, wollten wir doch noch vor Sonnenuntergang in Lokichoggio in Kenia landen. Nochmal 5 1/2 Flugstunden weiter. Der Start und Steigflug mit dem beladenen Flugzeug in der Mittagshitze von 35 Grad war an der Grenze dessen, was man einem Flugzeugmotor zumuten möchte, an den man manchmal sein Leben hängt. Der Flug ging mehr oder weniger direkt an der Äthiopisch-Sudanesischen Grenze entlang. Es war heiß, turbulent und wir hatten stundenlang mit dem dichten Rauch zahlreicher Busch- und Waldbrände zu tun, sehr schlechte Luft und keine wirkliche Sicht nach außen. (Nach der Landung war der Propeller schwarz vom Ruß.) Unter uns gab es nur wenige Siedlungen und wir markierten jede freie Fläche für Notlandungen im GPS. Die Störche, die uns auf dem Weg begegneten, waren eine willkommene Abwechslung. Es ist gut möglich, dass diese Ostzieher bereits auf dem Heimweg sind und uns in ein paar Monaten den Frühling mit nach Hause bringen. Zuhause fühlte sich gerade echt weit weg an... Wir waren am Ende sehr froh, in Kenia angekommen zu sein. Da wir am nächsten Tag wegen der erwarteten Hitze von bis zu 37 Grad wieder ganz früh starten mussten, erledigten wir noch alle Formalitäten und Vorbereitungen für den Weiterflug, bevor wir wieder im Dunklen im Hotel , dem Camp 748, ankamen. Ein echt afrikanischer Schuppen, 1-2 Sterne vielleicht, aber es gab kaltes Bier und leckere Burger, ein Bett und eine Dusche. Mehr brauchten wir eh nicht mehr.

Morgens begann dann endlich unser Urlaub, der erste Flug durch Kenia mit dem Ziel Samburu Nationalpark. In Kenia gehört die Allgemeine Luftfahrt zur Normalität, zwar weniger als Freizeitbeschäftigung, aber viele Orte sind durch kleine Landepisten an die größeren Städte angebunden. Wir starteten kurz nach Sonnenaufgang und flogen tief in der noch ruhigen Luft. Unter uns sahen wir kleine Hütten von Menschen, die immer noch so leben, wie vor hunderten von Jahren. Trockene Flussbetten mit grünen Bäumen und Palmen in sonst brauner Landschaft. Nach einer Stunde stieg das Gelände an und wir stiegen bis auf 7000 Fuß Höhe, um über die Berge zu kommen. Die letzte Stunde war wieder turbulent, über den Bergen setzt die Thermik früh ein. Wegen der guten Sicht und unserer nicht ganz akkuraten Karten hatten wir einige Mühe, Distanzen zu schätzen. Den Landeplatz Samburu South fanden wir aber und machten auf der groben Asphaltpiste unsere erste "Buschlandung" auf 3300 ft Flugplatzhöhe.

Die am Platz ansässigen Ranger des Samburu Nationalparks nahmen uns freundlich in Empfang. Wir entrichteten unsere Eintritts- und Landegebühr und man versicherte uns, das der Flugplatz Tag und Nacht bewacht sei. Beruhigt stiegen wir in den Safari Jeep der Lodge, bei der wir uns für die Nacht eingebucht hatten. Der Samburu Nationalpark ist wenig bekannt, hat aber einen großen Tierbestand und ist noch nicht vom Tourismus überlaufen. Schon auf der kurzen Fahrt zur Unterkunft zeigte uns der Fahrer diverse Giraffen, Zebras, Elefanten, ein Krokodil und einige Affen, und wir ahnten, dass auch die Abendsafari unsere Erwartungen übertreffen würde. So kam es dann auch. Wir hielten zum Beispiel mitten in einer Elefantenherde und konnten den Tieren aus nächster Nähe bei Ihrer Hauptbeschäftigung, Pflanzen futtern, zusehen und -hören. Unser Fahrer konnte uns sehr viel über die Natur und die Verhaltensweisen der Tiere erklären, das war super interessant. Am nächsten Morgen konnten wir einer Löwenfamlie beim Umzug zusehen, selbst unser Fahrer, der seit 8 Jahren solche Touren macht, war ganz begeistert, etwas derart Seltenes zu erleben. Die morgendliche Safari endete mit Löwen bedingter Verspätung am Flugplatz, denn für uns ging es jetzt weiter nach Süden. Ziel war der Flugplatz Kilaguni im Tsavo West Nationalpark. Es war schon ziemlich warm und wir waren froh, in Lokichoggio nicht noch mehr getankt zu haben. Nach unseren Berechnungen hatten wir 30 Min Reserve am Ziel, und für den Start wollten wir nicht schwerer sein, als nötig. Wir fanden den Flieger unversehrt vor, gaben den freundlichen Bewachern einen kleinen "Tip" und machten uns vom Acker. Mit dem Gemischhebel stellten wir vor dem Lösen der Bremse die maximale Drehzahl ein und genossen dann die unendliche Langsamkeit des Starts in 5000 ft Dichtehöhe. Nachdem wir mit der 50/70 Regel überprüft hatten, dass die Startstrecke reichen würde, ging es nur noch vorwärts und das Bahnende kam schnell näher. Am Ende fiel das Gelände ab und wir leider auch, da ein thermischer Abwind genau dort stand, wo wir entlang flogen. Wir suchten in der Platzrunde einen Aufwind und nutzten dann wie Segelflieger die geschenkte Energie, um schnell und Motor schonend auf Höhe zu kommen.

Der Flug ging wieder über hohes Gelände, an Meru vorbei nach Süden. Diesmal war viel Grün zu sehen an den östlichen Gebirgshängen. Den Überflug des Äquators bemerkten wir erst einige Meilen später, da uns die Landschaft doch mehr beeindruckte, als das GPS. In Kilaguni im Tsavo Nationalpark suchten wir den Windsack, fanden aber nur einen großen Elefanten nicht weit von der Landebahn. Der konnte uns nicht weiter helfen. Ziehende Wolkenschatten und unsere Drift halfen uns dann, die beste Landerichtung zu finden. Wir verankerten den Flieger am Boden, besorgten bei der nahe gelegenen Autotankstelle etwas Benzin für den Weiterflug, und wurden dann von unseren Gastgebern des Severin Safari Camps abgeholt. Die Fahrt in dem offenen alten Landrover war traumhaft. In dieser Gegend wurde auch der Film „Jenseits von Afrika" gedreht. Nun waren wir selber mitten drin in der Landschaft, die für so viele den Traum von Afrika verkörpert. Wir verbrachten zwei volle Tage in dem Camp und es war wirklich großartig. Von unserem Balkon vor dem luxuriösen Zelt konnten wir zusehen, wie Zebraherden, Giraffen, Gazellen und Gnus zu den nahegelegenen Wasserlöchern zogen. Morgens wachten wir zum Sonnenaufgang vom Getrampel der Zebras auf, abends kämpften die Gazellen lautstark um die Vorherrschaft in der Herde. Die friedlichen majestätischen Giraffen stehen über all dem Trubel und essen einfach in aller Ruhe die Blätter, an die ohnehin sonst keiner herankommt. Wirklich ganz große klasse. Wenn wir nicht unseren Zeitplan gehabt hätten, wären wir wohl heute noch dort. Zum Abschied umrundeten wir unser Zuhause der letzten Tage noch einige Male, bevor wir unseren Flug nach Nairobi fortsetzten. Es war wirklich wie im Film, wir konnten kaum fassen, was wir gerade machten. Zunächst flogen wir nördlich am Kilimanjaro entlang nach Westen zum Amboseli Nationalpark. Wir machten einige Schleifen entlang der Seen und sahen eine riesige Elefantenherde, die gerade Rüssel an Schwanz eine Straße überquerte. Beim nächsten Besuch würden wir länger bleiben, nun aber mussten wir weiter nach Nairobi. Das Gelände stieg nach Norden immer mehr an und kurz vor der Stadt flogen wir in über 6000ft, während das Land nur 500ft unter uns entlang zog. Der Anflug war etwas anstrengend, da die Fluglotsin fürchterlich schnell und leise irgendwelche unverständlichen Anweisungen von sich gab. Trotzdem fanden wir uns bald im Final der 5500ft hoch gelegenen Piste 07 wieder. Nach der kurzen Landung verließen wir die Bahn schnell nach links, um für die anderen vielen Flugzeuge Platz zu machen. Dafür mussten wir uns dann beim Rollen gegen einen langen Strom von Caravans und Dash 8 bis zur Abstellposition durchfriemeln. In etwa so, wie beim Autoscooter auf dem Jahrmarkt gegen den Strom zu fahren, nur mit Flugzeugen. Den weiteren Tag verbrachten wir damit, ohne Hilfe und Rechnung von Handlingagenturen alle Büros zu finden, um den Weiterflug und die Ausreise nach Kilimanjaro in Tanzania vorzubereiten. Wir hatten ziemlichen Spaß inmitten der vielen kreuz und quer rollenden Flugzeuge unsere Besorgungen zu machen. Die von den Briten übernommenen Abläufe erinnern teilweise sehr an Monty Python Sketche, und mit Zeit und Humor kann man vieles geduldig ertragen. Etwas Bewegung brauchten wir sowieso mal wieder. Für die fällige 50 Stunden Kontrolle und die Nacht erhielt unser Flugzeug freundlicherweise einen Hangarplatz bei der Hawk Aviation, gleich gegenüber von unserer Parkposition. Wir wurden beim Schrauben super unterstützt mit Werkzeug, dem Heranschaffen und Entsorgen von Öl, und Asim, der Mechaniker dort, rief sogar für uns beim Aeroclub of East Africa an, ob unserer Reservierung fürs Zimmer noch besteht. Als endlich alles fertig war, waren wir es auch. Den restlichen Nachmittag und Abend verbrachten wir bei dem altehrwürdigen Aeroclub. Im Gegensatz zu uns, wo Fliegen auch für normale Bürger der Mittelschicht erschwinglich ist, vertreiben sich hier eher die Reichen und Schönen oder Ausländer mit entsprechendem Einkommen ihre Zeit. Wir genossen dennoch das Flair dieses historischen Ortes, an dem die zivile Fliegerei in Ostafrika in den 20er Jahren ihren Anfang nahm.

Die Nacht war kurz und wir waren früh wieder wach. Wir holten uns am Flughafen noch einige Stempel für die GENDECs und waren kurz nach sechs Uhr schon an der Halle. Jola bereitete das Flugzeug vor und ich besorgte vor den Toren des Airport noch ein paar Liter Motoröl zum Mitnehmen. Wieder ein kleines Abenteuer. In einem blauen Container, den eine Dame als Aeroshop betrieb, befand sich alles, was das Piloten- und Schrauberherz begehrt. Von Headsets über Werkzeuge bis hin zu Hydraulikflüssigkeit...

Vom Anlassen bis zum Start auf der Piste 14 vergingen nur wenige Minuten. Trotz des vermeintlichen Chaos läuft es sehr effizient ab in Wilson. Wir gaben uns besondere Mühe, die beste Motorleistung einzustellen, bevor wir die Bremse lösten. Die Beschleunigung war wie erwartet sehr langsam. Wir hielten den Anstellwinkel klein, um möglichst wenig Widerstand zu erzeugen. Erst nach der Hälfte der 1500m langen Bahn hatten wir unsere 130Km/h erreicht, mit denen wir sicher steigen konnten. Mit 250ft/min ging es aufwärts und dann in seidenweicher Morgenluft die Abflugstrecke entlang aus Nairobis Kontrollzone hinaus. Wir freuten uns, dass dieses kleine Flugzeug auch in einer Dichtehöhe von 7500 Fuß noch deutlich besser in die Luft kam, als wir es erwartet hatten. Wirklich ein prima Flugzeug, so eine Jodel. Es ging dem abfallenden Gelände folgend nach Süden, wieder durch den Amboseli Nationalpark. Wir schauten von oben zu, wie die Elefanten frühstückten. Direkt voraus lag der Kilimanjaro in seiner vollen Größe und diesmal komplett ohne Wolken. Wir schlichen uns an seiner Westflanke entlang nach Süden, bis wir endlich Funkkontakt mit dem großen Flughafen in Tansania aufnehmen konnten. Bald landeten wir auf der langen Bahn und rollten unser winziges Flugzeug auf das große Vorfeld. Nachdem wir unsere weißen Pilotenhemden mit Bernds goldenen Kapitänsstreifen übergezogen hatten, begaben wir uns wieder in die Mühlen der Bürokraten. Zur Einreise brauchten wir Visa und mussten zum Zoll, jedem mussten wir unser winziges Fluggerät zeigen, das kaum noch sichtbar am Ende der Rampe stand. Dann ging es daran, Flugpläne aufzugeben für die kommenden Tage, Überfluggebühren und Landegebühren bezahlen... Das ganze immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und mit der Zeit und den steigenden Temperaturen "im Nacken". Nach knapp zwei Stunden waren wir wieder abflugbereit. Glücklicherweise hatte Jola in Nairobi etwas mehr getankt, als was wir ausgerechnet hatten. Dadurch war es nicht schlimm, dass es in Kilimanjaro wider Erwarten kein Benzin für uns gab. Wir hatten genug, um in Lake Manyara mit einer guten halben Stunde Reserve zu landen, und im Falle einer blockierten Bahn hätte es noch zurück bis Arusha gereicht. Ansonsten hätten wir wohl auf dem kurzen Flug nicht nur wegen der Mittagshitze geschwitzt. Im Anflug auf den wunderschön auf einem Hochplateau gelegenen Flugplatz waren wir die ersten, noch vor zwei Cessna Caravan, die im Charterverkehr hier anfliegen. Die Sandpiste liegt auf 4150 ft und ist im super Zustand. Wir fanden jemanden von der Flugplatzfeuerwehr, der uns zweimal mit unserem Kanister zur Tankstelle fuhr, so dass wir für den nächsten Flug wieder ausreichend Benzin hatten. Dann ging es zu einem kleinen gemütlichen Zeltplatz direkt am Rande des Plateaus. Traumhaftes Panorama über den Lake Manyara gab es dort. Als abends die Gewitter kamen, näherte sich auch eine riesige Staubwalze von Norden her. Ich konnte nicht einschätzen, wie stark der Wind werden würde und so sprinteten wir wie zwei Verrückte quer über Felder und Wiesen die zwei Kilometer um den Flugplatzzaun herum und zum Flieger. Die Einheimischen schauten uns verwundert hinterher. Nachdem wir die kleine Jodel mit vielen großen Steinen beschwert hatten, warteten wir noch eine Weile auf Wind, aber mehr als 15 Knoten wurden es nicht. Wenigstens hatten wir mal wieder Sport gemacht.

Der nächste Tag war spannend. Wir wollten weiter fliegen über den großen Ngorogoro Krater hinweg in die Serengeti, und dort in Seronera landen. Stattdessen verbrachten wir den Morgen damit, im Nebel und Regen ein paar Routinearbeiten am Flugzeug zu verrichten und auf besseres Wetter zu warten. Ab und zu lichtete sich der Nebel und es war verlockend, zu starten und mal zu schauen, ob man nicht doch auf die andere Seite des Kraters kommt, wo das Wetter viel besser sein sollte. Aber es ging immer wieder so schnell zu, dass wir dann eventuell im Falle einer Rückkehr zu einem Ausweichplatz hätten fliegen müssen, und die waren auch alle in miserablem Wetter. Während wir warteten, kamen wir mit Paulo ins Gespräch, der am Flugplatz arbeitet, um sich die Ausbildung zum Fremdenführer zu verdienen. Er konnte uns viel über Tansania und die Situation der Menschen dort erzählen. Das Land ist viel ärmer, als das Nachbarland Kenia. Viele Jahre lang haben korrupte Politiker die Reichtümer des Landes unter sich aufgeteilt und an Ausländer verschachert. Heute wird es langsam besser. Von dem Geld, welches die Touristen ins Land bringen, geht jedoch vieles direkt wieder hinaus, in die Taschen der ausländischen Investoren, die einen Großteil der noblen und teuren Hotels, Lodges und Camps betreiben. Inzwischen gäbe es aber auch einheimische Unterkünfte, die man buchen kann, und damit die Bevölkerung in Tanzania unterstützen, erzählte er. Paulos Ausführungen halfen uns zu verstehen, weshalb uns die Menschen in Tanzania deutlich ernster und weniger unbeschwert vorkamen, als in Kenia. Abends wurden wir dann Paulos erste geführte Touristen. Wir gingen zusammen zu einem Aussichtspunkt und er erklärte uns, was dort unten im Lake Manyara Nationalpark alles vor sich geht. Die Front war inzwischen abgezogen, die Sicht besserte sich auf über 100 Kilometer und wir freuten uns sehr über den netten Nachmittag und die vernünftige Entscheidung, am Boden geblieben zu sein. Morgen würde es sicherlich ein sehr schöner Flug werden. Am Abend trafen wir noch einen anderen jungen Mann, der ebenfalls Paulo hieß. Er erzählte uns seine beeindruckende Geschichte, wie er es mit viel Arbeit und Engagement fertiggebracht hatte, zu Zufriedenheit und Wohlstand zu gelangen. Er hat inzwischen im Ort eine Schule gebaut und von dem Schulgeld, was ein Teil der besser gestellten Schüler bezahlt, finanziert er die Ausbildung von sozial schwächer gestellten Kindern. Das alles hörte sich echt unglaublich an, fast zu gut, um wahr zu sein. Auf dem Fußweg zum Flugplatz am nächsten Morgen trafen wir eine Mutter mit ihren Kindern (in Schuluniformen) auf dem Weg zur Schule. Es war tatsächlich Paulos Schule, bestätigte sie uns. Eine wahrlich beeindruckende Geschichte, die uns immer als Beispiel dienen soll. Bei sehr gutem Wetter und nur einigen Wolken am Ostrand des Kraters schraubten wir uns zunächst über dem See auf 6500ft Höhe, bevor wir Kurs auf den großen Berg nahmen. Der Kraterrand war etwa 8000ft hoch und wir überflogen ihn trotz Windstille mit etwas Sicherheitsabstand. Dann lag vor und unter uns der größte Vulkankrater der Welt. Wir gingen in den Sinkflug und inspizierten die Gegend aus der Nähe. Es waren um diese Zeit noch nicht viele Safari Jeeps unterwegs, so dass wir dieses Paradies für eine Zeit lang fast für uns alleine hatten. Ein riesiger Elefant mit sehr langen leuchtend weißen Stoßzähnen beeindruckte uns sehr, der sah aus, als gehöre ihm der gesamte Krater. Jola machte viele Fotos von der Landschaft und den Tieren und wir fühlten uns ein bisschen wie Astronauten, die einen abgelegenen Winkel des Universums genau inspizierten, jedoch in ihrer Kapsel bald wieder abfliegen mussten. Wir trimmten unsere Raumkapsel dann auch wieder auf Steigflug, um auf die Höhe zu kommen, die uns den Ausflug aus dem Krater erlaubte. Der Kraterboden liegt auf etwa 6000ft, der Westrand ca. 7500ft. Am Westrand fanden wir viele Siedlungen der Massai, die dort ihre Tierherden haben. Weiter ging es in die Serengeti hinein. Zunächst in Richtung Ndutu im Südosten des Nationalparks, dann nach Seronera. Wir sahen viele große Tierherden, hauptsächlich Gnus, Antilopen und Zebras. Die Weite der Landschaft war durch die rundum Verglasung ohne Streben sehr gut wahrzunehmen, wir fühlten uns wie ein Teil des großen Ganzen. In Seronera und auf der Unicom Frequenz war schon viel los. Hier landen und starten viele kleine Charterflieger, um die Touristen zu bringen. Wir reihten uns ein und landeten unsere brave Jodel auf der langen Schotterpiste. Es ist wirklich angenehm, das die meisten Plätze in dieser hoch gelegenen Gegend komfortabel lange Landepisten haben, die auch für schwächer motorisierte Flugzeuge ausreichen. Am Vortag hatte uns der Besitzer des Camps einen Kontakt mit einer jungen Mitarbeiterin des Tanzania Wildlife Service hergestellt. Sie erwartete schon mit einem Fahrer am Flugplatz.

Nach einer sehr langen und ergiebigen Safaritour setzten uns unsere Guides an einem der öffentlichen Campingplätze nahe Seronera ab. Dort stellten wir schnell fest, dass es sich dabei tatsächlich nur um eine Fläche zum Zelten und mit sehr rudimentären sanitären Anlagen handelte, sonst war da nichts. Wir bauten unser kleines rotes Zelt auf und freuten uns über einen Regenschauer, der Abkühlung brachte. Bald merkten wir, dass wir außer einem Liter Wasser keinerlei Proviant eingepackt hatten. Somit konnten wir sogar noch ein bisschen mentales Überlebenstraining auf dieser Reise verbuchen. Nach einem etwas anstrengenden Telefonat mit dem Flightplanning office in Kilimanjaro, um den Flugplan für den Folgetag nach Musoma zu verifizieren, konnten wir einigermaßen gut schlafen. Ab und zu grunzte und raschelte es draußen, wir waren aber nicht sonderlich beunruhigt, haben wir doch auf der Safari nur satt gefressene und zufriedene Löwen gesehen. Der nächste Tag begann zunächst ganz friedlich mit einem schönen Sonnenaufgang, während wir unser Zelt abbauten und die Rucksäcke packten. Die Zeit drängte jedoch schon wieder, denn wir wollten erst nach Musoma, um dort aus Tansania auszureisen, und dann weiter nach Kisumu in Kenia fliegen. Die Feuchtigkeit in der Luftmasse versprach für den Nachmittag wieder Schauer und Gewitter, was Umwege und somit mehr Treibstoffbedarf beim Start in Musoma bedeuten würde. Die ansteigenden Temperaturen, die hohe Luftfeuchtigkeit und die Platzhöhe von Musoma von fast 3800 ft ließen aber nicht viel mehr Zuladung zu, also musste alles klappen heute, keine Verzögerungen bitte. Würde unser Fahrer, den wir bereits am Vortag bezahlt hatten, wirklich pünktlich kommen, um uns zum Flugplatz zu bringen? Wer vertraut, leidet nicht. Während ich schon wieder nach Alternativen suchte, wartete Jola geduldig die obligatorischen 10 Minuten ab, nach denen unser freundlicher Fahrer dann auch kam. Unseren gefüllten Benzinkanister hatte er auch dabei, alles prima.

In Seronera war noch nichts los, und wir machten zügig unsere Jodel abflugbereit, wozu neben Tanken und Packen auch das Entfernen der Dornensträucher um die Reifen gehörte. Diese, so sagte uns einer der ortskundigen Piloten, halten die Hyänen davon ab, die Reifen kaputt zu beißen. Der Start auf der langen Schotterpiste, die auf über 5000 ft liegt, war spannend. Aus den Bremsen zu starten und erst in Ruhe mit dem Gemischhebel die maximale Leistung einzustellen, hätte unserem Propeller nicht gefallen, so dass wir das ganze beim Beschleunigen erledigten. Beschleunigung war erwartungsgemäß gering, das kannten wir ja schon aus Nairobi. Wir ließen den Flieger wieder lange mit kleinem Anstellwinkel rollen, um keinen zusätzlichen Widerstand zu erzeugen. Das robuste Fahrwerk steckte die Belastung und die recht hohe Rollgeschwindigkeit klaglos weg, bis wir endlich unsere beste Steiggeschwindigkeit für diese Höhen erreichten und erst dann vorsichtig abhoben. Mehr als 300 ft/Minute gab es trotzdem nicht, die Luft war aber ruhig und die Landschaft flach. Wir stiegen in einem flachen Vollkreis bis auf 500 ft über Grund und machten uns dann auf den Weg zum Victoriasee. Es war einfach herrlich, der Rückenwind ließ uns zügig über die Weite Landschaft der Serengeti hinweg gleiten. Der Motor lief ruhig wie eine Turbine und wir waren für einige Zeit komplett sorgenfrei. Unter uns sahen wir wieder große Tierherden, Flüsse, einzelne Hügel und nahezu unberührte Landschaft von Horizont zu Horizont. Nach einer halben Stunde änderte sich das Bild. Das Land zwischen Victoriasee und den Grenzen der Serengeti ist komplett landwirtschaftlich genutzt. Viele kleine Felder und vereinzelte kleine Ortschaften mit Blechhütten prägen das Bild. Auf vielen Feldern wird noch mit Pferd oder Ochsen gepflügt. Wir erreichten Musoma nach nur einer knappen Stunde Flugzeit. Der Flugplatz hat eine komfortable Sandpiste mitten im Ort, jedoch ist die Hindernislage der Piste 18 für eine beladene Jodel in den vorherrschenden Dichtehöhen nicht gerade einladend. Wir landeten also auf der 18, leicht bergauf, und vermieden alles, was zum Durchstarten hätte führen können. Nach der Landung wurden wir mit ernsten Mienen von diversen Offiziellen und Flugplatzmitarbeitern in Empfang genommen. Wir spürten das Misstrauen und fühlten uns unwohl, jedoch blieben wir freundlich, lächelten und erklärten geduldig den Sinn und Unsinn unserer Reise. Die Chefin, eine strenge Frau mit Kinnbart, forderte uns auf, unser gesamtes Gepäck auszuladen und durchleuchten zu lassen. Wir baten, zunächst einmal Benzin besorgen zu dürfen und gingen dann mit unserem Kanister einen Kilometer der Hauptstraße entlang zur Tankstelle. Es ist immer wieder ein Erlebnis, in das geschäftige und undurchsichtige Treiben afrikanischer Städte einzutauchen. Als wir wieder am Flugplatz ankamen, begann die angekündigte Tortur. Jola räumte all unser Gepäck auf die eine Tragfläche, ich schleppte es schicksalsergeben ins Terminal, ließ es durchleuchten, und dann wieder zurück auf die andere Tragfläche. Im Zuge der Aktion konnten wir wenigstens ein paar Kilo Abfall und unnützes Zeugs loswerden, das sich angesammelt hatte. Am Ende war die Stimmung dann doch freundlich, das Eis war gebrochen und wir machten noch einige Bilder mit unseren Zöllnern und Bewachern. Nebenbei erledigten wir die Ausreiseformalitäten: Wir erstellten eine GENDEC, ließen diese und die Pässe stempeln, machten einen Flugplan nach Kisumu (per Telefon mit Kilimanjaro), bezahlten die Flughafen- und sonstige Gebühren und sortieren unsere Karten. Irgendwann konnten wir endlich wieder los, inzwischen war es gute 25 Grad warm und wir waren doch ein wenig erschöpft. Wir rollten auf der 18 zurück und starteten auf der 36. Es ging leicht bergab, die Piste ist sehr eben und die Besonderheiten eines Starts in der dünnen Luft kannten wir bereits. Unter uns sahen wir das Hotel am See, das wir gerne noch für eine Nacht besucht hätten. Leider waren wir bereits am Ende des Gültigkeitszeitraumes unserer Einfluggenehmigung angelangt und mussten Tansania verlassen, um Komplikationen zu vermeiden. Der Steigflug bis 6500 ft (ca. 2500 ft GND) dauerte seine Zeit. Wir flogen dem östlichen Rand des Victoriasees entlang nach Norden. Viel Landwirtschaft, kleine Felder, Fischerdörfer an der Küste. Auf dem See lagen Algenteppiche, zum Baden lud er nicht ein. Die Grenze nach Kenia war erwartungsgemäß aus der Luft nicht auszumachen. Die eine Stunde Flug nutzten wir zur Erholung, denn wir ahnten schon, dass es in Kisumu, einem größeren Flughafen, wieder anstrengend werden würde. Im Anflug erklärten wir dem Fluglotsen mal wieder, wer wir sind, wo wir herkommen und was für ein Gerät eine Jodel überhaupt ist. Flugpläne werden wohl nur zur Abrechnung der Streckengebühren erstellt. In Kisumu parkten wir auf dem großen leeren Vorfeld und bekamen bald Besuch von einem freundlichen Handling Agenten. Wir erklärten ihm, dass wir nur ein kleines Flugzeug hätten, unsere Geldvorräte zuneige gingen, und dass wir keine Unsummen für Handling zahlen können. Als er sagte, dass es höchstens 200$ werden würden, verhandelten wir nochmal nach und am Ende einigten wir uns, dass wir einfach soviel zahlen würden, wie uns die Dienste wert waren. Dann ging das Theater los. Die Frau bei der Einreise beanstandete eine schlecht lesbare Eintragung im Impfbuch und wurde richtig laut, so kannten wir Kenia noch gar nicht. Wir zogen den Kopf ein, nickten und versprachen, dem Arzt in Deutschland ihre Grüße zu bestellen und auszurichten, dass seine Arbeit nicht gut sei. So kamen wir dann weiter. Die nächste Dame war ein richtiger Sonnenschein und stempelte zügig unsere Pässe, während wir ihr mit Komplimenten über die allgemeine Freundlichkeit in ihrem Land schmeichelten. Dann folgte eine endlose Odyssee von einem Büro zum nächsten, um alle Rechnungen und Gebühren für Flughafen, Luftraumnutzung, etc. zu bezahlen. Wir bestanden darauf, alles in Kenianischer Währung zu bezahlen, um unsere Dollars für Sudan und Ägypten aufzusparen. Das kostete zusätzliche Zeit. Irgendwann waren wir dann so weit, uns an die Treibstoffversorgung zu wagen. AVGAS ist in Kisumu trotz anders lautender Infos im Jeppesen nicht verfügbar, so dass wir mit der Hilfe des Teams vom Tradewind Aviation Handling Service Sprit von der Tankstelle auftreiben mussten. Das war ein Abenteuer für sich. Wir besorgten uns in einem Slum zwei große Kanister. Dass der Musungo (der weiße Mann) der Aufforderung „Musungo, give us Dollars!“ nicht nachkam, sondern in Kenian Shillings bezahlte, wurde mit Verwunderung aufgenommen. Auch das Spülen und reinigen der fettigen Bratölkanister an der Tankstelle sorgte für viel Aufsehen, aus dem Schulbus hinter mir guckten geschätzte 100 Kinder zu, was der verrückte Fremde da macht. Es gab viel zu lachen für alle beteiligten. Irgendwann hatten wir unseren Flieger dann auch betankt und durften ihn an den Rand des Vorfeldes schieben und dort im Gras verzurren. Drei Stunden nach der Landung war endlich alles erledigt. Wir fanden, dass der sehr gute Service von Tradewind uns eine Menge Arbeit erspart hat und bezahlten entsprechend. Der Chef organisierte noch die Fahrt zum Royal City Hotel, seine Leute kamen sogar mit rein, um sich zu überzeugen, dass diese 50$ Absteige wirklich in Ordnung ist. Uns war es völlig egal, dass das Hotelzimmer kein Fenster hatte, es gab ein Bett, eine Dusche und ein super Restaurant. Dort konnten wir uns dann nach fast zwei Tagen endlich wieder satt essen. Wir wuschen dann noch unsere Kleider im Waschbecken und schliefen danach sehr schnell ein. Nachts regnete und gewitterte es heftig. Unsere selbst gebauten Erdnägel hatte ich zum Verankern des Flugzeugs so fest in den Boden gehämmert, dass ich trotz des Wetters beruhigt weiter schlafen konnte. Durch das konstante frühe Aufstehen, die langen Tage, die nervige Arbeit am Boden, die herausfordernden Flüge und die Hitze waren wir nicht mehr ganz so frisch und fröhlich, wie noch am Anfang der Reise. Als wir früh morgens in Kisumu dabei waren, den Flieger vorzubereiten, kam jemand vom Flughafenbüro zu uns und wollte wissen, ob wir denn überhaupt alle unsere Gebühren bezahlt hätten, und das sollten wir dann auch noch mit Quittungen belegen. Nachdem wir am Vortag drei Stunden lang nichts anderes gemacht hatten, als in irgendwelchen Büros irgendwelche Rechnungen zu bezahlen, nur um heute pünktlich zu starten, platzte mir der Kragen. Ich knallte ihm die ganzen Belege auf die nasse Tragfläche und war plötzlich unglaublich wütend. Das hatte den Vorteil, dass ich die langen Erdnägel aus dem festen Boden ziehen konnte, als steckten sie in Butter. Bevor ich noch auf andere Ideen kommen konnte, verstaute ich die langen spitzen Dinger schnell im Werkzeugsack. Der Bürohengst hielt bis zu unserem Abflug einen Sicherheitsabstand und sprach uns auch nicht mehr an. Pünktlich hoben wir ab und gewannen zunächst im Südwesten über dem See an Höhe, um danach in nordöstliche Richtung Kurs auf das Hochland im Westen Kenias zu nehmen. Wieder waren wir zutiefst beeindruckt von der Landschaft, die sich trotz angezeigter Höhen von bis zu 9000 ft ziemlich dicht unter uns befand. Links voraus sahen wir den riesigen Mt. Elgon, der an der Grenze zu Uganda steht. Nordwestlich von Eldoret fiel das Hochplateau plötzlich ab und tiefe Canyons lagen vor uns. Denen folgten wir bis zur Grabenbruchkante, an der das Gebirge endete. Auf dem Weg nach Lokichoggio passierten wir noch einige unlandbare Landstriche und wurden von Leewellen ordentlich durchgeschüttelt. Wir tauchten von oben in eine ziemlich warme Dunstschicht ein und vermissten schon vor der Landung die kühle klare Luft der größeren Höhen. In Loki wurden wir wie alte Bekannte willkommen geheißen. Es gab viel zu erzählen. Die Notlandung von Maurice Kirk war Thema Nummer 1. Er war angeblich mit der alten verbeulten Piper ohne Genehmigung und ohne Funk und mit viel Gepäck und Benzinkanistern an Bord gestartet. Der Motor hat nicht lange durchgehalten und der Flug endete neben einer Schule. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. Die Nacharbeiten und das Tanken in der Hitze gingen uns nicht mehr so leicht von der Hand, dafür kannten wir aber inzwischen die Wege und die Leute vor Ort. Im Camp 748 angekommen hatten wir viel Zeit, die wir in der Nähe der Klimaanlage mit Schlafen, Flugplanung und Wäsche waschen verbrachten. Nachts und morgens gab es wieder Schauer und Gewitter. Die Wettervorhersagen für die geplante Strecke über den Westen Äthiopiens waren lückenhaft und ließen Zweifel, wie es sich entwickeln würde. Entweder die Schauer lösten sich auf, oder sie würden im Tagesgang zu Gewittern werden. Auf der Strecke von Lokichoggio nach Damazin liegt nur Gambela auf etwa halber Strecke, ansonsten sind die Ausweichmöglichkeiten Mangelware. Östlich liegt das Hochland, im Westen der Südsudan. In Anbetracht der Tatsache, dass die Folgetage ähnlich aussehen würden, hätte Abwarten keinen Sicherheitsgewinn bedeutet. Wir entschieden uns also dafür, es zu versuchen und waren froh über unsere 7 ½ Stunden Benzin an Bord. Pünktlich zum Tagesbeginn verzogen sich die Gewitter nach Westen und wir konnten starten. Der Steigflug war sehr zäh in der warmen und feuchten Luft. Wir umflogen die Berge im Nordosten des Platzes und gingen dann auf Kurs. Die Quellwolken voraus sahen bedrohlich aus, stellten sich dann aber als harmlos heraus. In dem trüben Dunst gab es nicht viel zu sehen, während wir ein paar Meilen lang den Südsudan überflogen. Einen Großteil der Strecke über Äthiopien war es sehr dunstig, und über uns hielt sich lange eine Wolkendecke, so dass die Thermik nicht so hoch ging und es ein ruhiger Flug über der Inversion wurde. Die geringe Einstrahlung hemmte auch die Schauertätigkeit. Der Wind kam nur schwach aus verschiedenen Richtungen, wir kamen bis Gambela gut voran. Unsere Sorgen über die Gewitter machten Platz für die Sorgen über das Gelände unter uns. Durch die schlechte Sicht konnten wir immer erst spät sehen, was da so an Landschaft vor und unter uns lag, und das waren echt große bewaldete Berge. Sie waren sehr schön anzusehen, wie sie sich so aus dem Dunst von unten an uns heran schlichen. Der Gedanke an eine Notlandung in dieser Gegend war aber alles andere als angenehm. Wir dachten also an andere Dinge und nach einer guten Stunde war der Spuk vorbei. Der flache Sudan lag vor uns und wir folgten einer Straße in Richtung Damazin. 15 Minuten vor der Landung kamen wir über zwei große Flüchtlingslager hinweg. In was für unterschiedlichen Welten man auf dem gleichen Planeten man leben kann. Wir waren voller Vorfreude auf dem Weg nach Hause, und die Menschen dort unten hatten keine Heimat mehr. Wieder einmal wurde uns klar, was für ein großes Glück wir haben, in Europa geboren worden zu sein. Die meisten unserer Sorgen und Nöte sind relativ unbedeutend, aber das merkt man meistens erst dann, wenn man sich aus diesem Paradies heraus begibt. Es war Wochenende, und im Landeanflug auf die Piste 35 in Damazin hatten wir gute Einblicke in das Leben der Stadtbewohner. Auf den Märkten war viel los, in den Gärten hing überall die bunte Wäsche, und eine Familie machte Picknick in einem Feld. Es war richtig idyllisch und wir konnten uns leicht vorstellen, dass sich die Menschen hier zuhause fühlten und ihr Leben mochten. Nach dem Tanken setzten wir uns noch für eine halbe Stunde zu dem sehr netten Flugplatzchef ins Büro. Er trug an diesem Tag sein traditionelles Gewand, vielleicht kam er gerade aus der Moschee. Wir philosophierten über Religion und die Zukunft Afrikas und der westlichen Welt. Die Geschichte von Paulo aus Tansania stimmte auch ihn zuversichtlicher. Wir wären sehr gerne länger geblieben, denn es war ein schönes Gespräch und wir fühlten uns sehr willkommen. Es war nicht mehr so drückend heiß, als wir uns wieder auf den Weg machten. Leider schien der sudanesische Sprit unserem Flieger nicht so gut zu schmecken. Wir stiegen über dem Platz auf Höhe bis wir sicher waren, dass der Motor trotzdem vernünftig läuft. Dann ging es nochmal drei Stunden über die trockene Landschaft direkt nach Khartum. Erst 20 Meilen vor dem Platz konnten wir ohne Relays von anderen Flugzeugen mit dem Anfluglotsen sprechen. Da er unseren Transponder nicht empfing, stellte er die Staffelung per Radial und DME her, und wir hatten zum Abschluss dieses Flugtages noch ein paar nette Übungen in Funknavigation mit unserem alten Dampfradio. Dann tauchten wir wieder in die Stadt ein, links von uns der weiße, rechts der blaue Nil. Unter der Inversion roch es wie in vielen Städten Afrikas nach Rauch von verbranntem Müll und Abgasen. Die große Stadt war ein beeindruckender Anblick. Auch hier ging es nach der Landung schneller, als bei unserem ersten Besuch vor zwei Wochen. Wir waren noch bei Tageslicht im Hotel, nicht zuletzt auch wegen der Pilotenhemden, die vieles einfacher machen am Flughafen. An einem Obststand unweit des Hotels versorgten wir uns mit vitaminreicher Verpflegung für die nächsten Tage.

Am nächsten Morgen waren wir richtig früh am Flieger, alles, was auf dem Hinweg Verzögerungen mit sich brachte, lief diesmal problemlos. Eine interessante Lehre erhielten wir dennoch auf der kurzen Fahrt vom Hotel zum Flughafen, als der Wagen erst nicht bremsen konnte und es fast zu einem Unfall gekommen war. Eine Dose Erdnüsse war unter das Bremspedal gerollt und hatte es blockiert. Jola brachte es auf den Punkt: „Die meisten Dinge, um die man sich sorgt, stellen sich als unbegründet heraus. Und von den Dingen, die einem ernsthaft Probleme bereiten könnte, weiß man vorher meistens eh nichts.“ Wir starteten noch vor Sonnenaufgang und folgten dem Nil für eine Viertelstunde, bevor wir in Richtung Dongola abbiegen durften. Leider war trotz unserer Bemühungen, alle Tanks und Filter zu entwässern, immer noch Wasser im Sprit und der Motor lief nicht besonders schön. Wir kamen zu dem Entschluss, dass eine Umkehr nach Khartum kein wirklicher Sicherheitsgewinn wäre, da wir zwar alle Tanks, Filter und den Vergaser nochmals reinigen könnten, danach aber wieder den gleichen Treibstoff bekommen würden. Daher flogen wir mit Sparleistung weiter nach Dongola, wo es auf dem Hinweg keine derartigen Probleme gab. Nach einem weiteren gastfreundlichen Empfang mit netten Gesprächen beim Tee in dem am Vorfeld angrenzenden Garten der Mitarbeiter fühlten wir uns gestärkt für den Weiterflug nach Assuan. Jetzt würde sich herausstellen, ob unser Transponder wirklich eine Störung hatte, oder ob nur das Equipment der Flugsicherung im Sudan nicht ganz richtig lief. Ohne Transponder, so sagte man uns, würden wir in Ägypten Schwierigkeiten bekommen. Wenigstens lief der Motor wieder so ruhig und gleichmäßig, wie wir es gewohnt waren. So konnten wir auch problemlos der Aufforderung nachkommen, bis zur ägyptischen Grenze auf 9500 ft zu steigen. Die Luft war ruhig und kühl, der Flieger lief gut und wir hatten Rückenwind. Unter uns zog die unglaublich schöne und abwechslungsreiche Nubische Wüste entlang. Und wir wussten, dass es für alle Probleme eine Lösung geben würde, daher war der gesamte Flug bis nach Assuan ein wahrer Genuss. Richtig gut war der Moment, als uns der Fluglotse in Ägypten kurz hinter Abu Simbel „Radar Contact“ bestätigte, der Transponder funktionierte also. In Assuan blieben wir nochmals zwei Nächte und konnten uns prima erholen. Es ist ein schöner und ruhiger Ort mit angenehmem Klima und die meisten Menschen sind trotz oder gerade wegen der angespannten politischen Lage im Land sehr nett zu Besuchern. Bevor wir jedoch in das schöne Hotel konnten, gab es noch kurz Ärger. Die Soldaten kamen wieder mit ihrem uralten AVGAS Tankwagen angefahren. Unser Handling Agent von Egyptair warnte uns, dass deren Zähler für die Abgabemenge ungenau ginge, und dass wir unsere eigene Tankanzeige nutzen sollten, um die getankte Menge zu ermitteln. Soweit kein Problem. Da der Tankstutzen riesig groß ist, haben wir versucht, mit einem Trichter den vorderen Tank zu befüllen. Leider hatte die Zapfpistole an der Verbindung zum Schlauch so große Lecks, dass sich ein ordentlicher Benzinstrahl über die Cowling und in Richtung des noch heißen Motors ergoss. Der Druck der Pumpe war so groß, dass der Tanksoldat beim ersten Versuch, den Benzinfluss in den Trichter zu starten, sich selbst, einen Kollegen und das Flugzeug mit AVGAS duschte, im Tank landete jedoch nichts. Das war brandgefährlich und wir ordneten an, den Tankvorgang, der eigentlich eher einer Hochdruckreinigung ähnelte, abzubrechen. Nachdem der Tanksoldat mit einer unserer Wasserflaschen seine Augen gespült hatte, begannen wir in sicherer Entfernung zum Flugzeug unseren Kanister zu füllen, und damit dann den Flieger zu betanken. Nach drei Kanisterfüllungen, was genau 66 Litern entsprach, war der Flieger voll. Auf der Anzeige des Tankfahrzeugs standen 65 Liter, und die Soldaten forderten uns auf, 70 Liter zu bezahlen. Das ergab dann eine weitere explosive Situation. Jola hatte endgültig genug davon, dass man an jeder Ecke versuchte, uns irgendwie zu beschubsen. So entschlossen hatte ich meine Frau noch nie gesehen, als sie alle umstehenden Leute, sogar den wortkargen Geheimdienstmann, in die Diskussion mit einbezog. Es war klar, dass die vier Liter im Wert von 16 $ nicht in unseren Tanks gelandet ist. Die Tatsache, dass man auf den Lieferscheinen nie eine Menge vermerken wollte und nur Barzahlung in US$ akzeptierte, war ja an sich noch halbwegs akzeptabel, aber dann auch noch den Hals nicht voll zu bekommen, das war zu viel. Plötzlich waren die Soldaten gar nicht mehr so nett, die Fronten waren verhärtet. Mit meinem Angebot, uns auf 68 Liter zu einigen, machte ich mich auf beiden Seiten unbeliebt, am Ende war das aber die Zahl, auf die wir uns verständigten. Als dann unser Handling Agent später im Terminal schüchtern anmerkte, dass man uns auf dem Hinweg die falsche Landegebühr berechnet hatte und noch einmal 28 $ zu zahlen seien, wobei die Neuberechnung von 24$ plus 10% Steuer nur 27$ ergeben hätte, war die Stimmung endgültig im Eimer. Erst die Betrachtung der gesamten Reise mit all den schönen Eindrücken und Abenteuern, die man mit Geld nicht aufwiegen kann, versöhnte uns an diesem Abend wieder mit der Welt. Der weitere Rückweg ist schnell erzählt. In Kairo verbrachten wir zusammen mit Eddie und Abdullah einen interessanten Tag bei den Pyramiden und durften auf Kamelen ein Stück durch die Wüste reiten. Für den Flug von Kairo nach Heraklion entschieden wir uns, für die Ausreise und Zoll auf Alexandrias neuem Flughafen Borg El Arab zwischen zu landen, was uns eine Menge Zeit und Geld sparte. Dennoch mussten wir uns für das 120 Meilen Stück auf unsägliche 10000 Fuß Höhe quälen, das wollen die Regeln so. Der Weiterflug übers Mittelmeer bei bestem Wetter war dann unglaublich schön und entspannend. Wir freuten uns sehr auf Europa und wissen jetzt noch mehr die (Reise) Freiheit zu schätzen, die uns das Schengener Abkommen und die EU ermöglichen. In Heraklion fühlten wir uns bereits, als wären wir zuhause, obwohl ja noch 1000 Meilen vor uns lagen. Wie schön ist es, nicht an jeder Ecke bewaffnete Polizisten und Militärs zu sehen. Wir müssen aber wachsam sein, dass dieser Frieden in Europa nicht kaputt gemacht wird von denjenigen, die von Krieg und Uneinigkeit zwischen den Menschen profitieren wollen. Und von unserer Gleichgültigkeit, die es diesen Leuten leicht macht.

Der Weiterflug war nochmal spannend. Kaum hatten wir die Bürokratie als Gegenspieler hinter uns gelassen, schon war das Europäische Wetter wieder zur Stelle, damit es nicht langweilig wurde. In bis zu 11000 Ft Höhe quälten wir uns um und teilweise über mit Regen und Eis gefüllte Wolken bis zum Festland. Danach ging es vor einer Front mit Rückenwind und gutem Wetter die Küste Griechenlands, Albaniens und Montenegros entlang bis nach Dubrovnik, wo wir nach 5 ½ Stunden landeten. Zwei Tage später zeichnete sich eine Möglichkeit ab, den Alpenhauptkamm nach Norden zu überfliegen und damit das letzte große Hindernis für eine pünktliche Heimkehr zu überwinden. Wir nutzten den Flughafen Portoroz bei Piran in Slowenien für die Einreise, da das Schengener Abkommen für die Luftfahrt in Kroatien keine Anwendung findet. Es war richtig schön, wieder kleine Flugzeuge zu sehen, die dort ihre Runden drehten und auf dem Vorfeld parkten. Wie klein ist doch der Teil der Welt, in dem kleine Flugzeuge nichts Ungewöhnliches sind. Weiter ging es durch einen ca. 40 Km breiten Korridor mit schönem Wetter über die ansonsten von Süden angestauten Alpen nach Zell am See. Hinter uns ging die Lücke am folgenden Tag schon wieder zu. Weitere zwei Tage später flogen wir dann wie geplant nach Hause. In Kiel lichtete sich der Nebel eine halbe Stunde vor unserer Ankunft zum ersten Mal seit vielen Tagen. Wir kennen solche Wetterphänomene inzwischen und haben aufgehört, an Zufälle zu glauben.

FAQ:

Kosten?

In Ägypten haben wir In Mersa Matruh und Assuan für Landung, Handling, Transportation etc. ca. 400$ pro Stop bezahlt. Mit G.A.S.E. Unterstützung läuft das sehr korrekt ab. In Kairo (October 6th) war es jeweils nur etwa 70$. Sprit in Ägypten ca. 4$/Liter AVGAS, in HEOC etwas günstiger.

Sudan war bei Landung und Handling auch etwa in der Größenordnung, wobei der Sprit (MOGAS) mit etwa 1$ pro Liter viel günstiger kam.

Kenia und Tanzania hatte Preise wie man sie aus Europa kennt. Mogas etw 1 - 1,20$/Liter.

Insgesamt sind wir mit etwa 2$ pro Meile unterwegs gewesen für alles, Fliegen, Landen, parken, Tanken, Überfluggebühren, Unterkunft und Essen, Safaris machen...

Umgerechnet macht das 160€ pro Flugstunde, wieder alles eingerechnet. (davon 50€ variable Kosten pro Stunde Jodel Fliegen. Fixkosten sind außen vor, denn wir haben den Flieger ja eh)

Längste Strecke?

Eine der Engstellen auf der Route war Damazin-Lokichoggio. Ca. 5-6h, Start mit MTOW in der Mittagshitze, wenige Alternates unterwegs, Sonnenuntergang.

Flugstunden?

97 von Kiel bis Kiel.




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Reiseroute


12. März 2017: Von Alfred Obermaier an Christian Weidner

Super Bericht, super Bilder, couragiert und entschlossen. Das gefällt mir.
You get what you really want.

13. März 2017: Von Andreas Albrecht an Christian Weidner Bewertung: +2.00 [2]

Hallo,

wir sind im Oktober 2015 auf einer ähnlichen Route mit der Diesel Piper, alledings über Adis Abeba, bis nach Capetown geflogen. Es war ein unvergässlicher Trip. Leider hatten wir für die einzigartige Natur nicht so viel Zeit. Dafür haben wir bei diversen Flugschulen Vorführungen durchgeführt. In Nairobi alleine bei drei Flugschulen, ja die Büros kenne ich dort auch gut und ohne Geduld und gute Worte geht nicht einmal eine Platzrunde.

Hut ab für Eure Organisation. Uns hat man in Ägypten richtig abgezogen, da waren Eure Kontakte absolut Gold Wert.

In jedem Fall gebe ich Euch recht, das man auf so einem Trip lernt was wir alle zu verlieren haben, wenn die machtsüchtigen Populisten Europa zerschlagen oder auch nur beschädigen.

Ja AVGAS is in dieser Gegend eine echte Mangelware, glücklicherweise konntet Ihr Mogas mit dem O200 und wir Jetfuel mit dem CD155 tanken.

Euch alles gute und noch viele schöne Flüge.

Andreas

13. März 2017: Von Eckard Ahrens an Andreas Albrecht

Hallo, Christian,

Ihr unternehmt ja immer wieder tolle Flüge! Danke fürs Mitnehmen.

Vor zwei Jahren in Nordnorwegen und jetzt über den Äquator! Und das alles mit eurem kleinen Zweisitzer.

Vielleicht kannst du den Artikel ja noch mit ein paar Fakten ergänzen:

z.B. längste Flugstrecke ohne Zwischenlandmöglichkeiten, ein paar Angaben zu Gebühren und Spritpreisen und wieviel Flugstunden ihr unterwegs wart.

Viel Spass weiterhin.

13. März 2017: Von Olaf Musch an Christian Weidner

Danke für diesen tollen Bericht. Ihr habt einmalige Erfahrungen gemacht. Kompliment für Euren Mut zu dieser Tour, der sich anscheinend bezahlt gemacht hat.

Gerne mehr davon ;-)

Olaf

13. März 2017: Von Roland Schmidt an Christian Weidner

Toller Reisebericht und tolle Bilder - vielen Dank für's Teilen! Respekt, sich so weit aus seiner (meiner ;-) Komfortzone zu entfernen. Du hast recht, dass wir uns alle als sehr privilegiert betrachten können.

8. April 2017: Von Christian Weidner an Roland Schmidt Bewertung: +1.00 [1]

Entschuldigt bitte die unleserliche Schriftart. War keine Absicht. Auf nicht-i-Geräten war es als normale Druckschrift zu sehen. Nun müsste es besser sein.


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