"Einfach umdrehen" - bitte präzisieren. Nach welcher Seite in IMC? Es könnte ja sein, dass man gerade an einem CB vorbeischrammt und bei der Umkehrkurve direkt ins "Epizentrum" des CB einkurvt? Bei der Ausbildung haben wir gelernt: Geradeaus weiterfliegen!
Vielleicht sollte ich einen dieser Flüge schildern. Das Wetter: Die Wetterkarten der ZAMG.ac.at zeigten für beide Strecken (Hin- und Weiterflug) "grün", nur der Alpenhauptkamm war "gelb".
ganz offensichtlich herrschte über Alpenhauptkamm erhebliche Gewitteraktivität. Beim Flug aus dem süddeutschen Raum nach Wien ständig VMC, die Gewittertürme über den Bergen waren aber gut sichtbar. Der Weiterflug ging über Wien-Graz-Klagenfurt nach Bozen. Alle Flughäfen unterwegs meldeten VFR-Betrieb, mehr als 10 km Sicht, einen hohen Overcast und keinerlei Anzeichen für CB. Schon beim Hinflug hatte ich ständig 130.475 gerastet mit beruhigenden Infos.
Der Steigflug ab Wien erfolgte bis FL240 in VMC. Ab PUBEG Einflug in einen hohen Overcast, wobei die Sonnenscheibe noch eine Zeit lang sichtbar blieb. Nach einiger Zeit zeigte das Stormscope knapp rechts meines Flugweges auf dem M984 einige Echos, worauf ich "20° nach links" erbat und genehmigt bekam. Als in 25NM einige neue Punkte auftauchten, erbat ich weitere 20° nach links. Jetzt wurde auch am (schwachen) Wetterradar eine rote Zelle halbrechts in nur 10NM sichtbar, woraufhin ich gänzlich auf Südkurs ging, wo ich kurz vorher noch "blue skys" sah.
Das charakteristische Rauschen im Funk zeigte an, dass ich in unmittelbarer Nähe einer Zelle war. Gear down (Empfehlung Handbuch) und Gas halb zurück für eine stabile Va ging sich gerade noch aus, als das Theater los ging. Starkregen bei 250 km/h sorgte mit dem kreischenden Geräusch des Funkgerätes (das zweite hatte ich zuvor ausgeschaltet als "Reserve", falls #1 durch Blitz ausfällt), dem gekreische der weiblichen Passagiere sorgten für die akustische Kulisse. Innerhalb eines Spektrums von 3.000 ft galt es, overspeeds beidhändig wegzuziehen oder drohende Stalls durch massives Nachdrücken zu vermeiden. Auch der Schultergurt schütze nicht vor einigen heftigen Aufprallen auf der Decke. Handtaschen und Zeugs aus den Seitenablagen flogen durch die Kabine.
Wer glaubt, in dieser Situation den Lautstärkeknopf des Funkgerätes zu treffen, um das Kreischen abzustellen, oder gar 7700 einzurasten, um das Verlassen der Flugfläche anzuzeigen, ist ein Träumer. Im Kopf geistert nur die Erkenntnis, dass in den 80ern der Malibu die IFR-Zulassung eine Zeit lang entzogen wurde, weil sich 7 (!) davon in Gewittern in ihre Bestandteile aufgelöst hatten.
Den oder die (vermutlich) zwei Blitzschläge nimmt man kaum wahr. Es ist ein metallisches Knacken, mehr nicht, denn hell ist es auf Grund ständiger Blitze ohnehin, und die Augen sind auf die Instrumente fixiert.
Nach einer gefühlten Ewigkeit (5 Minuten?) verschwanden die Blitz-Echos vom Scope, und wir schossen aus einer senkrechten CB-Wand heraus in plenty VMC. So ungefähr stelle ich mir den Ausblick aus dem Stollenloch der Jungfraubahn in der Eiger-Nordwand vor. Wir waren bereits südlich der Karawanken. In Bozen landeten wir in VMC.
Eine erste Überprüfung ergab einen Blitzeinschlag am Spinner, wo die Schutzfolie auf Grund der Hitze Löcher hatte. Das Austrittsloch erspähte ich am hinteren, oberen Ende des Leitwerkes. Erst beim näheren Hinsehen durch unseren Mechaniker fanden wir einen zweiten Einschlag an der äußersten Propellerspitze unseres MT-Propellers. Auch der Heinzungs-Boot war beschädigt. Da möglicherweise die Laminierung des Propellerblattes unter der Hitze gelitten hatte, wurde der Flieger vom Wart gegroundet. Da ohnehin die GÜ des Props anstand, tauschte uns MT den gesamten Prop gegen einen GÜ-Prop aus, was die Mehrkosten zur ohnehin fälligen GÜ in Grenzen hielt. Natürlich wurden sämtliche Deckel geöffnet und observiert, aber zum Glück wurden keinerlei strukturelle Schäden entdeckt.
Ich glaube, dass viele Blitzschläge gar nicht bemerkt werden, insbesondere bei großen Flugzeugen. Ich habe einmal beim Vorflugcheck einer Vereins-PA28 ein klassisches "Austrittsloch" eines Blitzes entdeckt. Niemand hat einen Blitzschlag bemerkt oder gemeldet. Man kann ja auch außerhalb eines CBs in plenty VMC von einer Entladung getroffen werden. Ich bezweifle also, wenn hier IFR-Vielflieger behaupten, noch nie von einem Blitz getroffen worden zu sein.