In Schieflage geraten: Seit März liess das LBA die Lizenzinhaber in Deutschland auf ein nach VO 245/2014 endlich mögliches IR ohne Night-Rating warten. Erst nach einigem Druck dieses Magazins informierte man sich in Braunschweig über die neue Rechtslage. |
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Nun ist es nicht so, dass reihenweise Piloten die IR-Berechtigung erwerben wollen, ohne vorher die paar Stunden für das Night-Rating geflogen zu sein. Der Fall ist viel dringlicher. Betroffen sind vor allem Piloten, die aufgrund einer Farbseh-Schwäche (rot/grün) einen sogenannten VCL-Eintrag im Medical haben. Dieser besagt, dass das Medical nur bei Tag gültig ist.
Die meisten dieser Piloten haben eine jahrelange und nervtötende Behördenodyssee hinter sich. Früher, also zu LuftPersV-Zeiten, konnte man mit einer solchen Sehschwäche in vielen Fällen noch ein reguläres Medical und damit ein IR erwerben. Denn in einem hat das LBA recht: Früher war das Night-Rating zwingend für die Erteilung einer Instrumentenflugberechtigung vorgeschrieben.
Mit JAR war's mit dem unrestricted Medical allerdings vorbei. Zahlreiche Piloten konnten sich aber noch eine Zeitlang mittels ICAO-Lizenz oder Medical-Exemption retten. Wohlgemerkt, es handelt sich hier flächig um Piloten, die vorher seit Jahren oder Jahrzehnten als PPL- oder Berufspiloten ohne Beanstandung am Luftverkehr teilnahmen.
Seitdem der Bundesrat 2010 aber beschlossen hatte, keine solchen Lizenzen mehr auszustellen, war endgültig der Ofen aus. Vereinfacht gesagt führt die gerade bei Männern verbreitete Rot-grün-Schwäche seitdem zwingend zum VCL-Eintrag – und der schloss das IR aus. Alles schön nach den Regeln. Aber ohne Sinn und Verstand.
Die Frustration bei den Piloten, die nun sämtlich IFR gegroundet waren, ist leicht vorstellbar. Entsprechend groß war die Freude bei den Betroffenen, mit Inkrafttreten der VO 245/2014 das IR wiederzuerlangen.
Die EASA hatte eine der vielen Baustellen und Fälle von versehentlichem „administrative roadkill“ tatsächlich beseitigt und repariert. Nun läuft für viele dieser Piloten aber auch die Uhr. Denn nach Ablauf von sieben Jahren wird es deutlich schwieriger, das IR wiederzuerlangen, und je nachdem, wie intensiv die Piloten gekämpft hatten, läuft für die ersten Betroffenen diese Frist nun langsam aus.
Nach den ersten Anfragen in Braunschweig kam jedoch die große Enttäuschung. Offenbar hatte das LBA davon nichts mitbekommen. Dabei hatten die Betroffenen das LBA selber auf die neue Rechtslage hingewiesen. Aber das Amt – man muss es leider so drastisch ausdrücken – stellte sich entweder doof oder es war doof.
Noch am 1. Juli 2014 antwortete z.B. eine Mitarbeiterin einem Betroffenen:
(...) die Eintragung der Einschränkung „VCL“ schließt den Erwerb einer Instrumentenflugberechtigung aus, auch nach dem April diesen Jahres (...)
Dabei konnte die betreffende Mitarbeiterin in der E-Mail-Korrespondenz, die Pilot und Flugzeug vorliegt, den präzisen Hinweis auf die genaue Stelle der Gesetzesänderung finden.
Und selbst am 14. November antwortete eine andere Mitarbeiterin des Amtes einem Betroffenen noch:
(...) der Eintrag VCL schließt den Erwerb der Instrumentenflugberechtigung aus, da eine Instrumentenflugberechtigung grundsätzlich auch Nachtflüge einschließt. Es gibt keine Instrumentenflugberechtigung nur für Flüge bei Tag. Da VCL „valid bei day only“ bedeutet, schließt das eine das andere aus.
Und das, nachdem der Pilot die Mitarbeiterin genauestens über die geänderte Passage des Teil FCL informiert hatte. Niemand würde schließlich vom LBA verlangen, selbstständig bei Gesetzesänderungen am Ball zu bleiben ...
Man kannte beim LBA offenbar die geltende Rechtslage nicht und hielt es auf Ansinnen der Betroffenen auch nicht für nötig diese nachzulesen.
Dabei hätte es schon gereicht einfach nur die Zusammenfassung der
EASA Opinion No 03/2013 zu lesen. Denn da steht für die Lesefaulen nochmal ganz deutlich und auf der ersten Seite:
an IFR-by-day restricted IR for PPL holders was enabled by making the night rating prerequisite flexible
Kann man es noch deutlicher sagen? Und selbst wenn man in Braunschweig einfach nicht glauben kann, dass sich wirklich einmal etwas zugunsten des Bürgers verändert hat: Einfach nachfragen bei der EASA. Die stellt eben diese Änderung nämlich seit geraumer Zeit als Musterbeispiel für den neuen sachbezogenen Approach in der Luftfahrtgesetzgebung dar.
Übrigens ist auch der Gesetzestext selbst nicht schwer zu verstehen. Bis März 2014 war eine Nachtlfugberechtigung Voraussetzung für das IR. Das ist unstrittig. Nach der VO 245/2014 sah die entsprechende Textstelle dann aber anders aus. Nämlich so:
Bewerber um eine IR müssen
a) Inhaber folgender Lizenzen sein:
(1) mindestens einer PPL in der entsprechenden Luftfahrzeugkategorie und
i) der Nachtflugberechtigung gemäß FCL.810, wenn die IR-Rechte nachts ausgeübt werden, [...]
Wir haben diverse Fälle recherchiert, in denen das LBA falsche und sehr entmutigende Auskünfte erteilte.
Können Sie sich vorstellen: Sie haben seit fünf Jahren kein IR mehr, weil fünf Vorschriften und der Bundesrat leider in einer ungünstigen Konstellation am Himmel standen. Sie können Ihrer Fliegerei damit kaum noch nachgehen. Dann wird dieser Murks endlich repariert – ganz offiziell, durch eine Gesetzesänderung. Und die Behörde schläft einfach?
Wir hatten in mehreren Anfragen an das LBA um eine Stellungnahme zur offensichtlich fehlerhaften Rechtsauffassung gebeten. Kurz nach Redaktionsschluss erreichte uns folgendes Schreiben:
[...] Zu Ihrer Frage können wir Ihnen nunmehr aus rechtlicher Sicht folgendes mitteilen:
Neben weiteren zu erfüllenden Voraussetzungen für eine IR müssen
Bewerber um eine IR gemäß FCL.610 a) Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr.
1178/2011 Inhaber mindestens einer PPL in der entsprechenden
Luftfahrzeugkategorie und der Nachtflugberechtigung gemäß FCL.810 sein,
wenn die IR-Rechte nachts ausgeübt werden.
Erfüllt der Bewerber die erforderlichen Voraussetzungen, besitzt jedoch
keine Nachtflugberechtigung, dürfen die IR-Rechte nur tagsüber ausgeübt
In der Lizenz wird diese Einschränkung unter "Bemerkungen und
Einschränkungen" eingetragen.
Immerhin. Das LBA hat dazugelernt. Passiert uns übrigens täglich, dass wir von einer Neuregelung überrascht werden. Und ist auch keine Schande. Ärgerlich nur, dass man auf die präzisen Eingaben der Betroffenen hin nicht einfach mal nachgelesen hat. Das muss man heutzutage nämlich auch täglich – um nicht zu sagen stündlich – wenn's um Europäische Luftfahrtregeln geht.
Das LBA hat damit auch eine Lösung für das zweite Problem gefunden, das wir im Januar-Editorial angeschnitten haben. Denn aus einem aktuellen Teil-FCL PPL mit IR geht gar nicht hervor, ob der Inhaber ein Night-Rating hat oder nicht. Denn das LBA hatte dieses bei Vorliegen eines IR schon seit geraumer Zeit nicht mehr eingetragen. War ja implizit.
Andere EASA-Staaten hatten auch beim PPL/IR das Night-Rating weiterhin eingetragen. Das LBA löst dies nun durch eine Einschränkung, das ist zwar nicht EASA-einheitlich aber pragmatisch und beseitigt die bestehende Unklarheit über die Lizenzrechte.
Die betroffenen Piloten mit VCL-Eintrag können nun über Weihnachten Pläne machen wie sie schnellstmöglich das IFR wieder zum Leben erwecken. Üblicherweise reicht eine Auffrischungsschulung an einer ATO und ein Checkflug.
Und wir können uns zum Jahresende über einen klitzekleinen aber wenigstens greifbaren Erfolg unserer Redaktionsarbeit freuen!