Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind entlang der Deutschen Nordseeküste fünf gewerbliche Luftfahrtunternehmen: Geographisch von West nach Ost geordnet sind es
Alle diese Firmen fliegen seit vielen Jahren mit einer amtlichen Betriebserlaubnis und unter strenger Aufsicht in der Inselversorgung. Und alle diese Firmen haben gerade in den letzten Jahren sehr viele Veränderungen und Anpassungen mitmachen müssen.
Erst waren wir den einzelnen Landesluftfahrtbehörden unterstellt, dann wurden wir dem LBA zwangsweise "übergeben". Nun haben wir eine EU-OPS Fluglizenz, die in eine europäische EASA-Betriebserlaubnis (AOC) umgewandelt werden muss. Bedenken muss man, dass alle Luftfahrtunternehmen die Flüge auf die Inseln fast ausnahmslos unter VFR-Flugbedingungen durchführen. Die meisten haben auch nur eine VFR-AOC.
Seit vielen Jahrzehnten versorgen die Inselfluggesellschaften an der Nord- und Ostseeküste die Region. Die Luftverkehrssteuer hat zur Stillegung vieler Strecken geführt. |
© fln-norddeich.de |
Unsere Papiere mussten trotzdem neu geschrieben werden: Allein zwei Mal für das LBA und nun noch einmal für die EASA! Das bedeutete: Immense Kosten und Zeitaufwand. Die Gebührensätze aus Braunschweig – übrigens noch in D-Mark – werden erst am Ende in Euro umgerechnet...
Dann durften wir per Gesetz plötzlich statt wie bisher bei 1,5 Kilometer Flugsicht, nur noch bei 5 KM Flugsicht fliegen (EU-OPS). Nach Interventionen wurde dies auf 3 KM "leicht verbessert"...
Dann wurden wir per 1. Januar 2011 zusätzlich mit der Luftverkehrssteuer (LVSt) belastet: Auch auf Fünf-Minuten-Flügen müssen wir 8 Euro zzgl. MwSt = 9,52 = aufgerundet auf 10 Euro von den Passagieren ab zwei Jahren kassieren und monatlich abführen.
Was bei einem Flug nach London vielleicht nicht weiter ins Gewicht fällt, ist für uns tödlich: Ein Flugticket von Harle nach Wangerooge kostete 2011 ab 30 Euro pro Erwachsener und ab 15 Euro pro Kind bis 11 Jahre. Dazu musste jeder "Nichtinsulaner" zusätzlich 10 Euro LVSt pro Person und pro Strecke (!) zahlen. Für Kinder bedeutet das eine Steigerung von 15 Euro auf 25 Euro, also 66% Erhöhung! Allein der Verwaltungsaufwand zur LVSt kostet jede der genannten Firmen locker 50.000 Euro pro Jahr. Abgeführt haben wir als LFH im Jahr 2011 über 340.000 Euro. Kontrolliert werden wir monatlich aufwendig von den Zollbehörden.
Dann gibt es da Kuriositäten: Unsere eigenen Mitarbeiter, die zum Kassieren der LVSt als Zusatzkraft oder Urlaubsvertretung auf die Insel fliegen muss, zahlen die Gebühr von 10 Euro pro Strecke.
Medizinisch tätige Menschen können sich auf Nachweis von der Steuer befreien lassen. Tierärzte aber nicht.
Ein zweiter Pilot an Bord braucht nicht zu zahlen, aber ein dritter Pilot (damit er ein anderes Lfz, das auf der Insel geparkt war besetzen kann) zahlt. Firmeneigene Flugzeugmechaniker müssen zu Wartungszwecken die Gebühr zur Insel und zurück zahlen. Unser Werkstattleiter, er hat auch eine Berufspilotenlizenz aber nicht....
Die LFH hat 2011 einige Verbindungen u.a. wegen der LVSt einstellen müssen. Darunter auch die Inselverbindungen zwischen den Ostfriesischen und Nordfriesischen Nordseeinseln. Fast dreißig Jahre wurde diese Gesamtstrecke dreimal wöchentlich linienmäßig in jedem Sommerhalbjahr geflogen! Die täglichen Linienflüge nach Langeoog, Baltrum und Norderney wurden ganz gestrichen.
Auf der Hausstrecke zwischen Harle und Wangerooge gab es Passagiereinbrüche von über 15%. Flugzeuge wurden Anfang 2011 zwangsläufig abgemeldet bzw. stillgelegt und zwei Passagiermaschinen nach Estland in die dortige Filiale überführt. Selbstverständlich werden auch keine weiteren Mitarbeiter mehr eingestellt.
Dann durften wir im April 2011 plötzlich nicht mehr direkt nach Helgoland fliegen, da man die Zöllner auf der Hochseeinsel abgeschafft hatte. Jeder Flug sollte über einen Zollflugplatz führen. Erst mit einer Klageandrohung hat man uns nach Tagen eine vorübergehende allgemeine Befreiung vom Zollflugplatzzwang ausgestellt. Inzwischen sind wieder Zöllner auf der Insel (dem Verursacher der Zollfreiheit) stationiert.
EASA-Regeln treiben Piloten in die Armut
Nun wird uns die EASA-Lizenzierung von Brüssel, bzw. Köln übergestülpt. Alle nationalen Rechte und Regelungen, so z.B. die Erlaubnis nach LuftPersV für Berufspiloten zwischen 60 und 65 Jahren im Bundesgebiet tätig zu sein, werden mit dem 8. April 2012 abgeschafft. Unsere erfahrenen Berufspiloten, die über 60 Jahre sind, dürfen von einem auf den anderen Tag nicht mehr gewerblich fliegen.
Seit vielen Jahren müssen sie sich schon zweimal jährlich beim Fliegerarzt einer besonderen Kontrolle unterziehen, damit sie im Einmann-Cockpit fliegen dürfen. Zusammen mit den halbjährlichen Überprüfungsflügen fliegen diese Luftfahrzeugführer genau so sicher die Passagiere zu den Inseln, wie mit 59 Jahren.
Mit dem Federstrich der EU-Behörden arbeitslos: Berufspiloten zwischen 60 und 65 Jahren dürfen ihre Tätigkeit nach dem 8. April 2012 mit Inkrafttreten des EASA Part-FCL nicht mehr ausüben. |
© fln-norddeich.de |
Kein Unternehmen hier an der Küste wird eine einmotorige Cessna mit zwei Mann im Cockpit betreiben um einen gewerblichen Rundflug zu veranstalten. Die Britten Norman, hier an der Küste das gängige Beförderungsmittel im öffentlichen Inselversorgungsbetrieb, wird auf der Kurzstrecke immer nur mit einem Piloten eingesetzt.
Nun sollen alle Piloten ab 60 Jahre hier mit einem Berufsverbot belegt werden, obwohl sie sich immer noch den CPL verlängern lassen können. Dazu stellt sich die Frage, wie die Betroffenen in diesem Berufszweig die Zeit bis zum gesetzlichen Rentenalter von bald 67 Jahren überbrücken sollen.
Dieses Problem kommt nicht nur hier in der gewerblichen VFR-Küstenfliegerei auf. Auch in der Hubschrauberszene sind viele Berufspiloten bereits über 60 Jahre und kalken Wälder, fliegen Rundfluggäste, oder machen Personen- und Frachttransporte quer durch Deutschland. Auch diese Kollegen sind am 8. April 2012 den Job los.
Ich selbst fliege seit 1973 hier an der Küste unter VFR-Bedingungen mit über 18.100 Flugstunden und über 84.000 Landungen. An Spitzentagen sind es schon mal mehr als 30 oder 40 Flüge und das unter verschiedensten Wettersituationen: Mal Sonne, mal Regen, mal starker Wind, mal leichter Schnee, mal diesig, mal kalt, mal heiß, mal mit Fracht, mal mit Passagieren usw. Ich und meine Kollegen machen dies seit Jahrzehnten – sicher, zuverlässig und mit sehr viel Freude bei der Arbeit.
Meine Lebensplanung war bislang dass ich aufgrund deutscher Gesetze meinem Beruf bis einschl. 64 Jahre als Berufspilot in der Küstenfliegerei nachgehen kann. Genau so habe ich meine finanziellen Ziele und Planungen aufgebaut. Eine Zwischenversorgung für die Zeit zwischen 60 und 65,5 Jahren konnte ich seit dem 31. August 2011 (Verabschiedung der EASA-Lizenzierung) nicht mehr aufbauen. Das ich mit 60 Jahren nicht mehr im europäischen Ausland fliegen darf – wir haben auch eine Filiale zur Inselversorgung in Estland – war bekannt; da habe ich mich schweren Herzens und notgedrungen schon abgefunden. Für meine berufliche Tätigkeit im Bundesgebiet dachte ich jedoch mich auf geltendes Bundesrecht verlassen zu können.
Nebenbei bekleide ich seit 1983 das Amt des Flugbetriebsleiters und Checkpiloten (CPL / IR mit FI(A): CPL + PPL; CRE (A): MEP). Darf ich da noch weiter tätig sein?
Ich hoffe, die Problematik der deutschen Inselflieger genügend beschrieben zu haben. Obwohl wir unsere Politiker auf all diese Themen angesprochen haben, wird gar nicht oder nur ungenügend reagiert. Auch mit unserem direkten Besuch in Brüssel, Berlin und Bonn haben wir nur wenig bewirken können. Alle von uns im Vorfeld gemachten Vorschläge wurden nicht berücksichtigt.
Ich glaube schon lange nicht mehr an unsere gewählten Volksvertreter!
Jan-Lüppen Brunzema
[bearbeitet durch die Redaktion]