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6. Mai 2007 Jan Brill

Flugbetrieb


Air-Taxi Operations: Kurzausflug in die Realität

Ein Air-Taxi-Unternehmen in North Dakota stellt den Betrieb ein. Eigentlich ein gewöhnlicher Vorgang. Betrachtet man sich die Sache allerdings genauer, wirft die Pleite ein Schlaglicht auf den Rummel um die angeblich boomenden neuen Air Taxi Operators. Denn mit dem Unternehmen lösen sich blumigste Versprechungen, über 100 behauptete Kaufoptionen bei Diamond, sowie nicht unerhebliche öffentliche Mittel in Luft auf. Was bleibt ist heiße Luft – und die Frage: Was machen Air-Taxi-Unternehmer eigentlich was herkömmliche Bedarfsflugbetriebe nicht schon seit geraumer Zeit tun?


Wuchtige Ankündigung - in einer strategischen Partnerschaft mit Diamond Aircraft wollte Point2Point rund 100 DA42- und D-Jet-Flugzeuge im Air-Taxi-Betrieb einsetzen.
© flyp2p.com 
Wer die Branche der Allgemeinen Luftfahrt aufmerksam verfolgt, der hat den Namen „Point to Point“ oder etwas schicker „Point2Point Airways“ zumindest schon einmal gehört. Das Unternehmen machte anlässlich des Oshkosh AirVenture 2006 von sich Reden, als man für den Air-Taxi Betrieb in North Dakota die Bestellung von satten 100 Flugzeugen der Typen Diamond DA-42 Twin Star und Diamond D-Jet bekannt gab. Diamond und Point2Point gaben darüber hinaus eine strategische Partnerschaft bekannt. Bei „custom aircraft features“ und „training protocols“ sollte zusammengearbeitet werden.
Bis zu zehn Flugzeuge des Typs DA-42 sollten bei Point2Point schon ab August 2006 in Dienst gestellt werden, weitere Maschinen würden bis Ende 2008 folgen.

Für Diamond war dies ein gelungener Einstieg in den US-amerikanischen Markt, sowohl mit der DA-42, wie auch mit dem noch zu entwickelnden D-Jet. Für Point2Point bedeutete die „Großbestellung“ einen willkommenen PR-Coup, der das Unternehmen schlagartig zum festen Begriff im Reigen der Air-Taxi Operator werden ließ.

Der PR-Coup als Selbstläufer

Tatsächlich geisterte die Nachricht im üblichen ungeprüften Copy-Paste-Verfahren durch die Branche. Sprach man mit „Fachleuten“ und „Brancheninsidern“ stieß man allerorten auf die wuchtige Großbestellung aus dem Mittleren Westen, ganz so, als handele es sich dabei um eine ökonomische Tatsache.

Eine Flotte aus DA-42 zur Personenbeförderung im eisigen North Dakota? Sowohl Preisangaben wie auch Beispielrechnungen von Point2Point halten selbst einer oberflächlichen Prüfung nicht stand. Trotzdem geisterte die Nachricht von den 100 bestellten Fliegern fast ein Jahr lang durch die Branche.
© flyp2p.com 
Selbst in so genannten „Branchenanalysen“ zum Pilotenbedarf der nächsten Jahre, tauchte der Vorgang auf, als Beleg dafür, dass nicht nur Fluglinien in den Boomstaaten Asiens Piloten benötigen, sondern dass auch der US-Arbeitsmarkt im Aufwind sei.

In der Redaktion von Pilot und Flugzeug landete diese Nachricht hübsch druckfertig von verschiedensten Unternehmen als Pressemitteilung aufbereitet und mit der „Bitte um Veröffentlichung“ versehen, insgesamt mehr als ein Duzend mal im Posteingang und wanderte von dort jeweils ohne Verzögerung weiter in den Papierkorb.

Tatsächlich meldete das Unternehmen zum Jahresende 2006 „exponentielles Wachstum“. Das Geschäft habe sich in den ersten drei Quartalen des Jahres jeweils von Vierteljahr zu Vierteljahr verdoppelt. Es sah nach einem beeindruckenden Erfolg aus. Würde es dem Unternehmen aus Bismarck, ND gelingen mit den schlanken und modernen Flugzeugen des Typs Cirrus SR-22 und Diamond DA-42 den alteingesessenen Bedarfsflugbetrieben mit ihren dicken King-Air und Cheyenne das Wasser abzugraben? Sollten die ewigen Nörgler vielleicht im Unrecht sein?

Am 1. Mai stellte das Unternehmen den Betrieb ein. Sang- und klanglos. Ein Büro gab es nicht, die Mitteilung über das Ende erreichte den Stadtrat von Bismarck per E-Mail. Wie ist das möglich? Wie kann ein Unternehmen, das noch zuletzt exponentielles Wachstum vermeldet hat kurzerhand die Segel streichen?

Unternehmenszahlen


Warb mit NASA-Logo und Fantasiestudien: Zwei Mio. Fördergelder später ist CEO und Unternehmensgründer John Boehle nicht mehr auffindbar.
© flyp2p.com 
Betrachten wir die Zahlen: Point2Point Airways LLC ist ein nach FAR Part 135 zugelassener Bedarfsflugbetrieb und betreibt laut Registerauskunft der FAA zum 2. Mai 2007 zwei Flugzeuge: N960JB, eine Cirrus SR-22 Baujahr 2006 und N962JB, eine DA-42 Baujahr ebenfalls 2006. Die Endung der Kennung „JB“ steht dabei mit großer Wahrscheinlichkeit für den Gründer, Inhaber und CEO der Firma, John Boehle. Von den weiteren angekündigten Zweimots ist zumindest nach Auskunft der FAA nichts im Betriebsvermögen des Unternehmens zu finden.

Nun zum exponentiellen Wachstum: 30.000 Meilen (SM) meldete das Unternehmen für das erste Quartal 2006. Macht bei wohlwollenden 150 Knoten pro Flugzeug ca. 85 Stunden. Im zweiten Quartal waren es dann schon 54.141 Meilen und im Q3 112.363 Statute Miles. Bedeutet: In 2006 war Point2Point rund 1.100 Stunden in der Luft.

Boehle gab sich noch im November 2006 aggressiv in der Preisgestaltung: $ 500 würde ein 600 NM Roundtrip (!) pro Sitz kosten. Mal abgesehen davon, dass dies nach FAR Part 135 mit einer DA-42 legal und mit drei Paxen plus Pilot nach IFR ohne Zwischenlandung zum Tanken gar nicht möglich ist, würde dies einen Stundenpreis von $ 187,50 bedeuten. Davon muss ein Pilot bezahlt und eine Versicherung beglichen werden. Unrealistisch wäre hier noch die mildeste Bezeichnung.

Gehen wir realistisch einmal vom doppelten als absolute Untergrenze aus: Bei einem Stundenpreis von rund 375 US-Dollar müsste das Unternehmen hier eine knappe halbe Million eingenommen haben. Hinzu kommt: Kapitalkosten sind dem Betrieb keine entstanden: 2,02 Mio. Dollar erhielt Boehle von der öffentlichen Hand, meist Fördergelder (Grants). Mehr als genug, um die beiden Flugzeuge anzuschaffen.

Folglich stellen sich nicht nur die Stadtväter von Bismarck, ND die Frage: Wo ist die Kohle geblieben? Boehle hätte einen Großteil dieser Gelder durch Gelder privater Investoren „matchen“, also gegenfinanzieren müssen. Die Rede war sogar von einem Linienbetrieb zwischen Minneapolis und den Städten North Dakotas. Stattdessen stehen zwei Flugzeuge in den Büchern und auf dem Vorfeld – Zeitwert nicht mehr als eine Mio. US-Dollar. Ansonsten sind die Fordergelder bis auf einen Rest von $ 46.000 aufgezehrt.


Weder neu noch sexy, aber mit realistischen Stundenpreisen von 1.000 bis 1.500 US-Dollar sind schwere Twins, Turboprops und Jets bislang der einzig wirklich gangbare Weg der gewerblichen Personenbeförderung nach IFR.
© FargoJet 
Betrachtet man die Angaben des Unternehmens genauer, fallen weitere Ungereimtheiten auf: Die SR-22 wurde am 30.5.2006 zugelassen, die DA-42 am 5.12.2006. Trotzdem sollen vorher aber schon reichlich Revenue-Meilen erfolgen worden sein. Angeblich über Subunternehmer. Beide großen ansässigen Firmen (Fargo Jet Center und Executive Air Taxi Group) bestreiten aber vehement für Boehle tätig gewesen zu sein.

Wie man indes im eisigen Klima von North Dakota im Winter mit Flugzeugen dieser Kategorie überhaupt nennenswerte Revenue-Flüge nach den Regeln des Part 135 absolvieren konnte, bleibt das Geheimnis von John Boehle. Tatsächlich macht er nun eben dieses eisige Klima für das Scheitern seines Unternehmens verantwortlich: Angesichts von Eis und Schnee sei die Einsetzbarkeit seiner beiden Maschinen begrenzt gewesen. Hinzu kommt dass die DA-42 in den USA nicht für den FAR-135-Betrieb unter bekannten Vereisungsbedingungen zugelassen ist. Warum dem Unternehmensgründer dies erst jetzt auffällt, darf ebenfalls kritisch hinterfragt werden.

Ergebnis: Statt 100 bestellter Maschinen, einem florierenden Air-Taxi-Betrieb und einem durchschlagenden neuen Konzept zur bedarfsorientierten Personenbeförderung über Kurzstrecken bleiben zwei nicht mehr ganz neue Flugzeuge, verschwundene Fördergelder, ein Zahlenwerk das hinten und vorne nicht aufgeht, sowie die kopfschüttelnden Chefs der alteingesessenen Bedarfsflug-Unternehmen, Fargo Jet Center und Executive Air Taxi Group, die mit jeweils schwerem Eisen (Navajo, King Air, Citation) ausgerüstet seit über 30 Jahren im Geschäft sind und bleiben.

John Boehle steht für Interviews nicht zur Verfügung und ist im Moment auch nicht auffindbar.

Was interessiert uns nun diese Posse aus der tiefsten US-Provinz?
  1. Die Frage, was die hoch gelobten Air-Taxi-Operators (von der Einmot bis zur Eclipse) eigentlich gegenüber den herkömmlichen Bedarfsflugunternehmen an Mehrwert bieten bleibt weiterhin unbeantwortet.
    Ebenso die Frage, wie dieser Markt denn signifikant erweitert werden soll, um für die vielen neuen Anbieter Platz zu schaffen. Wenn eine Erweiterung nach unten (also preislich) selbst in North Dakota nicht gelingt, wo – mal abgesehen vom Eis – nun wirklich gesetzlich wie strukturell optimale Bedingungen für die GA herrschen, dann darf dies für Zentraleuropa ebenfalls bezweifelt werden.

  2. Flugzeugbestellungen sind in der GA als Indikatoren das Papier nicht wert auf dem die frohe Botschaft verkündet wird. Auslieferungen sind die einzige Größe die wirklich auf ökonomische Tatsachen schließen lässt. Hier setzt sich in der GA seit 2004 ein gesundes und robustes Wachstum durch. Aber eben kein Boom.


Lesen Sie mehr zum Stand der Branche in der Juni-Ausgabe von Pilot und Flugzeug am 30. Mai 2007.


  
 
 




8. Mai 2007: Von Philip Plettenberg an Jan Brill
Lieber Jan Brill, vielen Dank, wie immer beste journalistische Arbeit !! Ein "vergessener" Aspekt dazu:
...vielleicht kommen die ja künftig mit dem Verkauf von belegten Brötchen und Cola auf Ihre Kosten ;->>
9. Mai 2007: Von Andreas Neri an Philip Plettenberg
Ich habe nach der 10. Klasse ein ganzes Jahr als Austausch-schüler in Bismarck N.D. verbracht.
Es ist das Ende der Welt.
Die Winter sind mit rein gar nichts zu vergleichen, was wir hier nur erahnen könnten.
Eine operation mit Kolbenmotoren gleich welcher Art ist purer Blödsinn, wenn einem vor Ort schon die Autos den Dienst versagen.
Für mich riecht das nach einem Bereicherungstrick, den ich nur zu gut aus unserem Heimatland kenne:
Irgendwelchen "Entscheidungsträgern" etwas präsentieren, wovon sie null Ahnung haben, Subventionen einstreichen und dann verdünnisieren.
Oder besser noch:
das Scheitern Anderen in die Schuhe schieben und dann doch tatsächlich ungeschoren davon kommen.
Aber das Geld ist und bleibt verschwunden.
9. Mai 2007: Von Oliver Giles an Andreas Neri
Beitrag vom Autor gelöscht
10. Mai 2007: Von Feldo an Jan Brill
Nun, dass hier augenscheinlich ein Abzocker am Werk war (beachteswert, dass es derartiges nicht nur in der EU gibt), bedeutet nicht, dass die Idee der Lufttaxis generell nicht durchführbar ist.

AirTaxi Europe scheint doch mit dem Konzept, Bedarfsflüge regional mit DA42 durchzuführen, recht erfolgreich zu sein. der in 2005 ausgelieferten GAAA sind lt Webiste noch vier weitere Maschinen gefolgt.

Vielleicht kann Herr Winter, GF der AirTaxi, der sich hier im Forum ab und an insbesondere zum Thema DA42 engagiert, etwas aus seiner Praxis zu dem Thema beitragen oder den Stoff einen interessanten Bericht in einem der kommende PuFs liefern.

Ich bin jedenfalls schon oft von Unternehmern oder auf Privatpersonen in meinem Umfeld gefragt worden, „was denn so was kosten könnte“.

Sicher, wir leben hier nicht fliegerparadiesischen amerikanischen Verhältnissen und Bestellungen von hunderter Eclipse oder Diamonds wird es auch kaum geben, aber sicher ist auch in Europa noch mehr Raum für Bedarfsfliegerei eine Stufe unter King Airs und Citations.

Gerade die Erweiterung des Wirtschaftsraums nach Ostens – und die schlechtere Infrastruktur dort – schafft doch die besten Vorraussetzungen für Lufttaxi aus Deutschland heraus.

5 Beiträge Seite 1 von 1

 

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