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10. Juni 2019: Von Wolfgang Winkler an Chris _____ Bewertung: +4.00 [4]

Das Problem ist auch nicht der stationäre Schiebezustand selbst (wie bei der Seitenwindlandung), sondern die Transition, also der "Tritt" ins Seitenruder in Verbindung mit einem AoA nahe Alpha krit. Um zu verstehen, was dabei passiert, muss man sich zunächst anschauen, wie die "inhärente Rolldämpfung" funktioniert:

Nehmen wir eine kleine PA28 mit 1.000 kg Masse, also rund 10.000 N Gewicht, im Geradeausflug. Dann kann man sich zwei Stahlseile vorstellen, die etwa in der Mitte der beiden Tragflächen jeweils 5.000 N aufnehmen. Der Abstand der Aufhängepunktevom Rumpf beträgt jeweils 2,5 Meter. Macht also auf jeder Seite ein Drehmoment von 12.500 Nm. Beide Momente gleichen sich exakt aus, und die Insassen merken davon nichts. Ein Ungleichgewicht von z.B. 1% zwischen den beiden Momenten hätte ein Restmoment won 125 Nm zur Folge. Also wie ein VW Golf Motor, der am Boden stehend an die Längsachse des Fliegers angeflanscht und dann in Betrieb genommen wird. Die resultierende Rollbeschleunigung kann man sich vorstellen.

Nun können Auftriebsdifferenzen zwischen den Flächen immer mal auftreten. Erfreulicherweise werden diese aber dadurch von selbst ausgeglichen, dass die beginnende Drehbewegung um die Längsachse dem nach unten gehenden Flügel durch die Vektoraddition von horizontaler und vertikaler Anströmung einen höheren Anstellwinklel beschert (d.h. mehr Ca und damit mehr Auftrieb), während der AoA an der nach oben gehenden Fläche kleiner wird. Damit beseitigt sich das Momentungleichgewicht von alleine und zwar erst dann, wenn die Rollbewegung stoppt. Kann man schön sehen, wenn man einen Querruderausschlag neutralisiert, Der Flieger rollt dann nicht etwa weiter (was eigentlich kräftefrei auf Grund der Massenträgheit zu erwarten wäre), sondern stoppt die Rollbewegung in sehr kurzer Zeit von selbst und zwar ohne Gegenquerruder. Diese inhärente Rolldämpfung ist (neben dem aerodynamischen Auftrieb selbst) das zweite Geschenk der Natur an die Flieger. Und wie immer bei solchen Geschenken lernt man diese erst zu schätzen, wenn sie eimen weggenommen werden.

Womit wir jetzt wieder zum Tritt ins Seitenruder bei hohem AoA kommen. Bekanntlich hat die Funktion Ca = f(AoA) einen recht linearen Verlauf bis kurz von Alpha krit, vo Ca max erreicht wird. Von da an gibt es noch ein kurzes, aber entscheidendes Stück, wo Ca bei weiter ansteigendem AoA wieder kleiner wird. Dies kommt durch die beginnende, aber noch nicht vollständige Ablösung, vor allem aber durch die Schränkung der meisten Tragflächen zu Stande. Kurzum: Eine Erhöhung des AoA führt hier zu einer Reduzierung des Auftriebs. Was in diesem Bereich jetzt mit der eingangs beschriebenen Rolldämpfung passiert, ist klar: Diese verkehrt sich jetzt ins Gegenteil! Und jetzt kommen wir zum Tritt ins Seitenruder bei AoA nahe Alpha krit: Zunächst wird die wegdrehende Fläche nur langsamer und verliert dadurch ganz konventionell Auftrieb. An der voreilenden Fläche ist es genau andersrum. Damit fällt die nacheilende Fläche runter und erhöht durch die überlagerte Abwärtsbewegung den AoA. Wenn diese dadurch in den Bereich hinter Ca max gerät, verringert sich ihr Auftrieb weiter und sie fällt noch schneller. Auf der anderen Seite des Fliegers hilft die gesunde Fläche dann böswilligerweise auch noch mit, die Drehung zu verstärken. Nun ist es innen nur noch ein Sekundenbruchteil bis zum totalen Stall, während die äußere Fläche immer noch "lebt". Jetzt werden diese immensen Drehmomente freigelassen, die bisher nie jemand bemerkt hat: Welcome to desaster!

Da das Kreuzen der Ruder bei der Seitenwindlandung lange vor Alpha krit stattfindet und dann gehalten wird, passiert dabei gar nichts aufregendes. Auch ist die Transition eher sehr sanft. Bei den typischen Turn to final incidents treten die Kandidaten dagegen üblicherweise mit einer Brutalität ins Seitenruder, NACHDEM sie die Kurve durch Ziehen noch nicht eng genug bekommen haben. Wenn man sich das Video anschaut, das Alexis von der SR22 da reingestellt hat, sträuben sich einem ja schon vom Zugucken die Nackenhaare. Es gibt aber leider genügend Zeitgenossen, die das feine Zusammenspiel zwischen Aerodynamik und Ballistik noch nie begriffen haben und an den Rudern reißen, als hätten sie die Traktion eines Formel-1-Rennwagens zur Verfügung.


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