Technisch werden sicherlich einige dieser Fluggeräte die Marktreife erreichen. Aber wo ist der Markt?
Man darf nicht vergessen, dass es seit mehr als 50 (!) Jahren Fluggeräte gibt, die all das schon können (und deutlich mehr) als die Elektro-Fluggeräte selbst in ihren optimistischsten Rechnungen erzielen wollen. Die Fliegerei - auch mit Hubschraubern - war früher außerdem deutlich günstiger und Lärm sowie Nachhaltigkeitaspekte haben ein gutes Geschäft nicht so stark bremsem können wie heute. Trotzdem haben sich Senkrechtstarts und Flüge über kurze Strecken in Ballungsräumen nicht als Massenmarkt etabliert.
Was macht ein Elektrofluggerät besser als eines, das mit fossilem Brennstoff betrieben wird?
Lärm? Ja, zum Teil. Aber im Senkrechtstart müssen Massen mit Luftströmen gehoben werden. Das Motorengeräusch ist dabei fast vernachlässigbar. Und leider ist der Lärm in Bodennähe am Start- und Zielpunkt das Entscheidende für die "Nachbarschaft".
Kaufpreis? Aufgrund der immens hohen Entwicklungs- und Zertifizierungskosten werden die Fluggeräte sicherlich nicht günstig in der Anschaffung sein. Die letzten von Lilium genannten Preise bewegten sich in der Größenordnung eines Businessjets.
Wartungsaufwand? Verglichen mit Treibstoff, Abschreibung und laufzeitbegrenzten Teilen ist der reine Wartungsaufwand bei konventionellen Fluggeräten heute schon ein sehr geringer Teil der Gesamtkosten je Flugstunde. Erst recht, wenn man betrachtet, dass man fast genausoviel Zeit für "Schreiben" aufwenden muss, wie für "Schrauben". Auch wenn man bei Elektrofliegern in den Regelzyklen keine Flüssigkeiten mehr wechseln muss, so werden garantiert Kontrollen anstehen, die dokumentiert werden müssen. Der Aufwand wird vermutlich weniger, aber nicht Null.
Laufzeitbegrenzte Teile? Ja, eine Turbine ist deutlich teurer als ein Elektromotor und vermutlich hält der Elektromotor auch seine 3000 bis 4000 Stunden. Doch auch hier wird es Inspektionen der Lager und des inneren Rotors geben müssen, bei denen man entweder den Motor komplett tauscht oder ihn zerlegen muss. Bei den Propellern wird sich grundsätzlich nicht viel ändern, diese Technologie ist (als Fixed-Pitch-Prop) ja unverändert. Allerdings werden sie häufiger in Bodennähe betrieben, was sicherlich zu mehr Erosion der Vorderkanten führen dürfte, aber nicht zu signifikanten Mehrkosten.
Treibstoffkosten? Wie hoch ist der Anteil der Treibstoffkosten heute je Flugstunde? Wieviel günstiger sind die Stromkosten eines Elektroautos im Vergleich zu einem Verbrenner? Ja, man könnte den Strom per Solarzellen teilweise selbst produzieren, aber das muss sich dann auch gegenüber dem Marktstrompreis rechnen und erfordert Investitionen und Flächenbedarf. Außerdem ist zu beachten, dass entweder mehr Personal und Material (Akkus) notwendig sind, um ein Wechselakkusystem zu betreiben oder das Fluggerät längere Boden-Ladezeiten hat, in denen nichts verdient wird.
Flugsicherheit? Das müssen die Fluggeräte erst noch über Millionen Flugstunden nachweisen und ich glaube leider, da werden noch einige Lektionen in Blut geschrieben werden.
Nachhaltigkeit? Ja, lasse ich gelten, obwohl selbst bei Autos die Rechnungen von jeder Seite geschönt werden und die Ergebnisse in Summe noch nicht eindeutig sind. Aber ein Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit bei Lufttransport zu bauen, ist nicht überzeugend bzw. nicht ausreichend, damit Unternehmen damit Geld verdienen können.
Es gab den Massenmarkt in den letzten 50 Jahren nicht, obwohl das Gerät dafür verfügbar und erschwinglich war. Ich sehe keinen Grund, warum sich das durch eine andere Antriebsform, die außerdem sehr große Limitierungen besitzt, nun ändern sollte.