Login: 
Passwort: 
Neuanmeldung 
Passwort vergessen



Das neue Heft erscheint am 30. März
War früher alles besser?
Frühjahrsflug in die Normandie
EDNY: Slot-Frust und Datenleck
Triebwerksausfall kurz nach dem Start
Der kleine QRH-Bausatz
Unfall: Wer zu oft warnt ...
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Engagierter Journalismus aus Sicht des eigenen Cockpits
Sortieren nach:  Datum - neue zuerst |  Datum - alte zuerst |  Bewertung

3. April 2022: Von Mich.ael Brün.ing an Sven Walter Bewertung: +6.00 [6]

Das wird eine sehr erfolgreiche Nische werden, als Trittbrettfahrer der Emobilitätsfortschritte mit 4 Rädern und unserer dezentralen Siedlungsstruktur. Heli mit Bruchteil des Lärms plus Betriebskosten aber mehrfacher Sicherheit. Joby statt Lilium, vermute ich. Disc loading und Energiedichte.

Ich lese daraus, dass Du die Erfolgswahrscheinlichkeit von eVTOL oder auch eSTOL an folgenden Argumenten fest machst:

  • weniger Lärm
  • niedrigere Betriebskosten
  • höhere Sicherheit
  • hoher Bedarf durch dezentrale Siedlungsstruktur

Mal abgesehen davon, dass es mir sehr schwerfällt daran zu glauben, dass die (nutzbare) Energiedichte in den nächsten zehn Jahren einen größeren Sprung machen soll, als in den vergangenen 30 Jahren, halte ich folgende Gegenargumente für betrachtenswert:

Lärm

Der Lärm eines senkrechtstartenden Fluggeräts wird zum Großteil durch die Luftbeschleunigung verursacht. Das ist grundsätzlich nicht anders als bei einem Hubschrauber. Sicherlich ist ein Hubschrauber noch lauter, aber leise ist ein eVTOL auch nicht. Da es aber "zuhause" startzen soll, ist der Lärm für die Nachbarn dann wieder deutlich lauter als der Hubschrauber am weiter entfernten Heliport. Müsste das eVTOL erst zu einem entfernteren Startplatz, geht die Zeitersparnis verloren. Oder andersrum, der Lärm dürfte wohl kaum so flüsterleise sein, dass man gegen die benachbarten NIMBYs ankommt und jeder eine dauerhafte Betriebserlaubnis im eigenen Garten bekommt. Das gleiche gilt umso stärker in einer städtischen Umgebung, in der die Abstände noch geringer sind.

Das o.a. geschilderte Problem gilt allerdings nur für Gesellschaften, in denen die individuelle Freiheit sehr stark durch den Wohlstandsneid beschnitten wird. In den USA oder in Australien mag das anders aussehen.

Betriebskosten

Die Gesamtkosten eines Fluggeräts werden nur zu einem geringen Teil durch die Energiekosten verursacht. Abschreibung auf Investition bzw. Wertverlust und Laufzeitbegrenzungen für sicherheitsrelevante Teile sind der Löwenanteil. Bei den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in punkto "maximale Sicherheit für den Fluggast" kann ich mir kaum vorstellen, dass Elektromotoren, Propeller, Akkus, Leistungselektronik und tragende Teile plötzlich deutlich längeren Austauschzyklen unterworfen sind als bei klassischen Fluggeräten. Ich kenne die Zahlen des Pipistrel Alpha Elektro. Selbst wenn dessen aktuelle Austauschzyklen verdoppelt werden, kommen die Betriebskosten nicht wesentlich unter die eines in Kabinengröße vergleichbaren ULs (der dann übrigens 30% schneller und 600% weiter fliegt).

Bei den exorbitant hohen Entwicklungskosten können die Anschaffungskosten eines eVTOL nur dann signifikant günstiger (als zB ein Leichthubschrauber) sein, wenn die Stückzahlen um Faktoren höher sind. Da beisst sich jedoch die Katze in den Schwanz. Solange die Einstiegshürde so hoch und der Nutzwert nur begrenzt ist, wird sich an den hohen Stückkosten nicht viel tun.

Außerdem kommen für Betreiber von Taxidiensten noch entweder Kosten für Überhang-Geräte, die gerade laden müssen, Austausch-Akkus oder Personal für das Betanken mit Wasserstoff hinzu. Für Kurzstrecken mit Reisezeiten von weniger als 30min sind selbst 10min Wartezeit inakzeptabel, da dann die Zeitersparnis kaum mehr vorhanden sein dürfte. Es muss daher bei Ankunft eines Gastes sofort geflogen werden können, mit den o.a. resultierenden Zusatzkosten.

Sicherheit

Die eVTOLs, die ich so aus den Medien entnehme, besitzen starre Rotoren. Damit sind sie nicht zur Autorotation fähig. Wenn also der Auftrieb, den die noch funktionierenden Rotoren erzeugen, niedriger als das Gewicht ist, geht es nach unten. Gut, passiert bei einer Autorotation auch, aber man kann die kinetische Restenergie des Rotorsystems und die Verstellbarkeit der Rotorfläche verwenden, um am Boden geordnet aufzusetzen. Diese Restenergie zum Flare gibt es bei eVTOLs nicht. Man setzt also gezwungenermaßen mit der sich aus dem Auftriebsverlust ergebenden Sinkgeschwindigkeit auf. Zum Antriebssystem eines eVTOLs gehört nunmal auch die Batterie (oder Brennstoffzelle). Sicherheit ergibt sich durch Redundanz der kritischen Bauelemente. Man muss also auch an dieser Stelle mindestens zwei Batterien vorsehen. Entweder legt man dann die Hälfte der Motoren nur an jeweils eine Batterie oder man muss doppelt verkabeln = hohes Zusatzgewicht. Fällt im ersten Fall eine Batterie aus, bleibt nur noch die Hälfte der Motoren übrig. Selbst wenn man diese in einen Überlastbereich fährt, wird die Sinkrate immer noch sehr hoch sein. Man kann natürlich auch drei oder vier Batterien nehmen, aber das macht das Fluggerät komplexer, teurer und vor allem schwerer.

Es gibt natürlich noch keine belastbaren Zahlen, aber ich würde nicht darauf wetten, dass eVTOLs langfristig eine bessere Unfallstatistik ausweisen können.

Hoher Bedarf

Da die Menschheit seit vielen Jahren in die Städte wandert, sehe ich nicht, dass die Dezentralisierung zunimmt. Ein solcher Trend ist nicht zu erkennen. Wenn doch, bitte ich um Belege. Der von Dir postulierte Bedarf müsste also schon sehr lange vorhanden sein. Die technischen Mittel, um schnell von einem Dorf in eine nahegelegene Stadt zu kommen, gibt es ebenfalls schon lange, insbesondere gibt es kommerziell verfügbare Hubschrauber schon seit mindestens einem halben Jahrhundert. Dennoch ist der eigene Privat-Heli ein Nischenprodukt. In Deutschland so gut wie nicht existent, aber auch zB in Brasilien, Australien, Russland nur gering verbreitet, obwohl er dort eine hohe Berechtigung haben müsste. Im Gegensatz zu den Leistungsdaten eines eVTOLs kann ein Hubschrauber auch Strecken von 500km überbrücken und ist trotzdem kein Massenprodukt, welches einen signifikanten Bedarf abdeckt.

Um kurze Strecken in Städten oder von/zu Randbezirken abzudecken, spielt dann wieder eine Rolle, welcher Zusatznutzen in Verbindung mit den Kosten erzeugt wird und ob man die NIMBY-Kultur mit Argumenten wie "kein" Lärm und hohe Sicherheit überzeugen kann. Leider sehe ich auch da aus den o.a. Gründen nur in sehr speziellen Gebieten und für eine äußerst begrenzte Klientel eine Machbarkeit.

Fazit

Die technologischen Hürden sind aus meiner Sicht nicht das eigentliche Problem für den Massenmarkt eVTOL. Sie sind zwar immer noch hoch und die meisten Konzepte sehr ambitioniert, aber fast alle verklären den angeblichen Bedarf mit einer rosa Brille, deren Ausmaße grotesk sind. Interessant wären mal repräsentative Umfragen unter den potentiellen Nutzern, zu welchen Preisen, Reisezeiten und an welchen Verbindungspunkten, sie denn bereit wären entsprechende Dienste zu nutzen.

Außerdem denken die meisten Ansätze nicht über ihr Fluggerät hinaus. Aspekte wie verfügbare Lande-/Parkflächen, Umsetzbarkeit/Kosten für Abfertigung mit Lademöglichkeiten und machbare Passagierkapazitäten in den attraktiven Zielgebieten werden nicht betrachtet. Erinnert sich noch jemand an die Transrapid-Diskussion in München? Ein zentraler Kritikpunkt war, dass der Transrapid nur 400 Passagiere je 15 Minuten (oder so ähnlich) schaffen könnte, während für eine Langzug-S-Bahn 2.000 Passagiere alle 10 Minuten problemlos möglichen wären. Auch wenn der Transrapid nur 20 Minuten schneller wäre, können von dieser Zeitersparnis nur die ersten 400 Passagiere profitieren. Der Rest müsste warten und hätte dann keinen Vorteil mehr. Ein eVTOL-Shuttle vom Flughafen Frankfurt in die City muss daher auch mit geringen Wartezeiten sofort abfliegen können. Da es immer nur wenige Passagiere je Fluggerät sind, kann man sich ausmalen, wieviele Fluggeräte und welche Landeflächen man für eine "Massen-Kapazität" benötigen würde.

Wir werden sehen...


1 Beiträge Seite 1 von 1

 

Home
Impressum
© 2004-2024 Airwork Press GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung der Airwork Press GmbH. Die Nutzung des Pilot und Flugzeug Internet-Forums unterliegt den allgemeinen Nutzungsbedingungen (hier). Es gelten unsere Datenschutzerklärung unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier). Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA) Hub Version 14.22.03
Zur mobilen Ansicht wechseln
Seitenanfang