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Tag 20: Mit Mandalay-Control Richtung Calcutta
Einträge im Logbuch: 26
Tag 21: Endlich! En-route richtung Muskat
 
27. Oktober 2005 Jan Brill

Leserreise: Tag 20


Tag 20: Tankstopp in Kalkutta - Vier Stunden Irrsinn pur

Es gibt wenige Erlebnisse, die einen wirklich zur Verzweiflung bringen. Ein Tankstopp in Kalkutta gehört definitiv dazu. Früh am Morgen waren wir heute in Chiang Mai gestartet, zwei Legs standen an: 630 NM nach Kalkutta und dann noch einmal 920 NM nach Bombay. Dass der Stopp in Kalkutta dabei eine nervenaufreibende Geduldsprobe werden würde war klar. Dass es aber derart grauenhaft wird hätte niemand gedacht. Schliesslich hatten wir doch diesmal im Unterschied zum Vorbereitungstrip ein sehr teures Handling - da sollte es doch eigentlich schneller gehen - oder?


Vier Stunden: 34 Grad, kaum Schatten, kein Klo
Dabei kam der erste Schreck schon bei der Landung. Als erstes traf heute das Redaktionsflugzeug in Kalkutta ein. Das war gegen 11.00 Uhr Ortszeit. Da sassen drei weitere Maschinen der Leserreise noch auf dem Vorfeld. Diese waren bereits am Vortag nach Kalkutta gekommen mit dem Ziel den langen Tag heute um ein Leg zu verkürzen. Dass sie um 11.00 Uhr noch nicht in der Luft waren gehörte nicht gerade zu den ermutigenden Anzeichen für den kommenden Tankstopp. Aber es sollte noch viel, viel schlimmer kommen.

Indian Airlines ist unser Handling Agent. Dabei handelt es sich um die gleichen faulen, unkoordinierten und gierigen Gangster (sorry, ist aber so, wenn Sie's nicht glauben fliegen Sie mal hin!), die uns auf dem Vorbereitungstrip mit den Worten begrüßten wir bräuchten unbedingt deren Dienste (für schlappe 900 Dollar!) sonst hätten wir keine Chance. Damals verzichteten wir auf die Dienste der Handling- Gangster, machten Self-Handling, füllten tausende Formulare aus, warteten uns halb tot und kamen 4 Stunden später und rund 5 Jahre älter wieder in die Luft.

Für die Gruppe erschien dies unzumutbar, also beanspruchten wir dieses Mal die Dienste von Indian Airlines (einen anderen Handling- Agenten gibt es dort sinnvoller Weise nicht). Lange im Voraus wurden das Handling besprochen. Zig mal wurde Indian Airlines darauf hingewiesen, dass man es am 27.10. mit einer Gruppe von 9 Flugzeugen zu tun bekommen würde.

So landeten wir, stiegen aus und es tat sich erstmal: nichts. Gar nichts. Kein Handling-Agent, keine Flugplanaufgabe. Null. Nur ein 32 Grad heisses Vorfeld, ohne Schatten, ohne Klo, ohne Getränke. Nach vielleicht 45 Minuten lässt sich tatsächlich jemand von Indian Airlines blicken. Er nimmt je Flugzeug ein Crewmitglied im Minibus mit, der Rest bleibt bei den Flugzeugen zum tanken. Für die "Flugplan- Gruppe", die sich um Papiere, Einreise und Folgeflugplan kümmert beginnt ein kafkaeskes Schauspiel. Der Rest der Crews führt ein mehr oder weniger problemloses Betanken durch (fast problemlos, bis auf die Tatsache, dass beim letzten Flugzeug dem Tankwagen der Sprit ausging und es nochmals eine Stunde dauerte bis Nachschub kam - aber was solls!).

Die Freude über das einigermaßen zügige Betanken währte indes nur kurz. Die Zeit verstrich auf dem Vorfeld von Calcutta - immer noch ohne Klo, ohne Getränke und ohne Schatten. Nach vielleicht zwei Stunden erschienen die ersten Vortages-Flieger, die ja im Prinzip schon früh am Morgen in Kalkutta los wollten. Sie waren seit 4 Stunden am Airport, nun endlich konnte es für diese Crews losgehen.

Null Hilfe durch unseren so genannten Handling Agenten


Formulare, Stempel und sinnloses warten
Währenddessen nahm das absurde Theater der Flugplangruppe seinen Lauf. Flugpläne, Zollerklärungen, Auskunftsformulare und sonstige Stücke Papier mussten aufwendigst per Hand beschrieben werden, nur um dann von einem Beamten wiederum per Hand in ein Buch übertragen zu werden. Das dauert. Eine Aufgabe, die eigentlich der Handling-Agent erledigen sollte. Die unermessliche Faulheit, Gleichgültigkeit und Kundenverachtung mit der diese Mitarbeiter von Indian-Airlines aber daneben standen und die Crews solche klassischen Handling-Aufgaben erledigen liessen brach völlig die Vorstellungskraft. Stunde um Stunde verstrich. Sinnlose Formulare. Null Hilfe vom Handling Agenten. Die Crews mussten genau die gleichen zeitraubenden und sinnlosen Arbeitsschritte ausführen, die wir im Februar zu erledigen hatten, nur dass nun ein Mitarbeiter von Indian Airlines viel - sehr viel - Geld fürs Zuschauen bekam.
Dies alles in geradezu apokalyptischer Umgebung: Die Amtsstuben der Indischen Staatsdiener sind unendlich stark verschmutzt. Sinnlos stehen Computer, die schon seit zehn Jahren nicht mehr funktionieren auf riesigen Papierstapeln (wahrscheinlich die gesammelten Werke unserer Vorgänger hier). Nichts funktioniert. Nichts geht hier schnell. Nichts erscheint zielgerichtet. Es ist die Verwaltungsapokalypse bei 40 Grad Raumtemperatur.

Damit der Leser dies nicht falsch versteht. Der Autor ist normalerweise sehr vorsichtig Menschen - zumal in einem Fremden Land, das man bereist - als faul oder einfältig zu bezeichnen. Es finden sich aber hierfür keine anderen auch nur halbwegs zutreffenden Worte. Das System der Abfertigung von Flügen in Indien ist absolut verrückt, durchgeknallt und sinnlos. Die Handling-Agenten, die einem dabei helfen sollen sind stinkfaul, einfältig und absolut das Gegenteil von Hilfsbereit. Choose your poison!

Aber es kam noch besser. Nach gut drei Stunden tauchten endlich die ersten Crews aus der "Flugplan-Gruppe" wieder auf dem Vorfeld aus. Viele Stempel, Formulare und Rechnungen in Händen. Nun konnte es endlich losgehen. Also ab in den Flieger, Startup requesten und --- yeeepeeee!!! --- "negative sir, we have no security clearance, please contact your handling agent!" kommt es von Ground Control.
Die Freude kannte kaum noch Grenzen. Lange nicht mehr gehörte Kernflüche kamen zum Einsatz. Denn von unserem Handling-Agenten keine Spur. Wir konnten diese hirnlosen Staffagen nicht einmal wissen lassen, dass man wohl vergessen hatte uns auch nur zur Security- Clearence zu führen, damit wir dort weitere hundert sinnlose Formulare ausfüllen. Irgendwann nach einer halben Stunde taucht wieder jemand von Indian Airlines auf. "Warum wir nicht fliegen würden?" Was folgt könnte man als einen 'erregten Wortwechsel' bezeichnen. Der Mann hat Glück dass er im Auto sitzt, sonst wäre die Konversation wahrscheinlich Handgreiflich geworden.


Daten werden von Hand in ein Buch übertragen
Irgendwann folgt die Security-Clearance. Die Crews sitzen derweil im heissen Cockpit oder hören mit sterbender Batterie per Handfunkgerät auf Ground-Control zu. Diese Sinnlosigkeit! Dann mit Security-Clearance erneut Startup requesten und es kommt: --- yeeepeeeyeee --- "negative sir, your departure time has expired, please contact your handling agend to file a new flightplan!". Beim Warten auf die Security-Clearance ist die EBOT verstrichen.
Wieder ist natürlich keiner unserer Handling-Nullen zur Stelle. Lange Diskussionen mit dem Tower, ob vielleicht der Pilot in Command eine neue Departure Time filen könne. Es geht hin und her. Wenn jetzt jemand von Indian Airlines zu uns käme gäbe es sicher Tote. Schliesslich ist der Tower anscheinend genauso genervt wie wir. Irgendwann geht es: STARTUP. Dann noch ein bisschen rollen und nach etwas über vier Stunden hebt ein Flugzeug nach dem anderen vom Flughafen "Kolkata Netaji Subhash Chandrea Bose INTL" ab.

In FL140 einmal quer durch Indien

Das Redaktionsflugzeug ist nun in kühlen FL140 unterwegs quer durch Indien. Kalkutta und die Irrsinnigen dort haben wir bereits mehrere hundert Meilen hinter uns gelassen. Endlich gibt es wieder etwas zu trinken und zu essen. Langsam legt sich der Zorn... und weicht... nunja - der Vorfreude auf Bombay wo wir in Ermangelung eines Wettbewerbers wieder von - richtig - Indian Airlines gehandelt werden. Da muss man schon schmerzfrei sein.

Warum tun die Inder sich das an?

Wenn dieses Drama ein Gutes hat dann die Erkenntnis: Unabhängig von aller kolportierten Medienmeinung - die freien und effektiv organisierten Länder Westeuropas brauchen vor Indien keine Angst zu haben. Gar keine Angst. Indien - ein traditionsreiches, großes und stolzes Kulturland, eine Demokratie noch dazu, lähmt sich selbst - und zwar restlos. Solange es in Indien (mit oder ohne Handling) vier Stunden dauert einen domestic(!) Inlandsflugplan von einer Großstadt in die nächste aufzugeben braucht man den Wettbewerb mit diesem Land nicht zu fürchten.


  
 
 





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