5. April 2004 Redaktion
Politik: Politiker wollen Berlin Tempelhof dicht machen
In Schönefeld will keiner landen
Hoch her ging es bei einer Podiumsdiskussion im Flughafengebäude des City-Airports Berlin-Tempelhof an diesem ersten Wochenende im April. Unter Beteiligung von Vertretern aller Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin, Parlamentariern aus dem Deutschen Bundestag und des Europaparlaments, Repräsentanten der Wirtschaft, der Industrie und Handelskammer und vor allem der Tempelhof anfliegenden Airlines wurde über die Zukunft des City-Airports Tempelhof debattiert.
Denn: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will, flankiert von Parteifreund Stadtentwicklungssenator Klaus Strieder und Wirtschaftssenator Harald Wolf von der SED-Nachfolgeorganisation PDS, am 31. Oktober den alten Berliner Zentralflughafen dicht machen.
Die Fluggesellschaften drohten darum mit ihrem kompletten Rückzug aus dem Hauptstadtverkehr. Mindestens 20 tägliche Verbindungen fielen dann weg.
Die geplante Stilllegung des Flughafens Tempelhof noch in diesem Jahr und die Ankündigung der dortigen Fluggesellschaften, ihre Linien ersatzlos einzustellen, hat nicht nur Vertreter der Wirtschaft, sondern auch Berliner EU-Parlamentarier auf den Plan gerufen. Die EU-Abgeordneten Ingo Schmitt (CDU), Dagmar Roth-Behrendt (SPD) und Hans Modrow (PDS), alle Nutzer der Berlin-Brüssel-Verbindungen ab Tempelhof, halten es für unverantwortlich, den Flughafen stillzulegen.
Der Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Luftfahrt und zugleich Geschäftsführer der in Tempelhof ansässigen Windrose Air, Thomas Stillmann, wirft Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) Ignoranz vor, wenn dieser behauptet, dass die wirtschaftliche Entwicklung Berlins den Weggang kleinerer Fluggesellschaften verkraften könne und er Geschäftsreisende auf die Bahn verweise. "Deutsche und internationale Manager, für die Zeitverlust gleichbedeutend mit Geldverlust ist, werden einen Bogen um unsere Stadt machen", sagt Stillmann.
Ignorante Politiker
Auch der Leiter der Flugabteilung der Sony-Europa-Zentrale in Berlin, Hartmut Grün, setzt auf Tempelhof. Seit 1999 befördert eine konzerneigene Maschine Sony-Manager von Tempelhof ins In- und Ausland. "Wir werden die letzten sein, die von Tempelhof weggehen", sagt Grün. Schönefeld sei auf keinen Fall eine Alternative. Bei Siemens mit 15.000 Mitarbeitern in Berlin wird ebenfalls der Weiterbetrieb von Tempelhof gefordert.
"Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine Fluggesellschaft zu verlieren", sagt Christian Wiesenhütter von der Berliner Industrie- und Handelskammer. "Berlin befindet sich hinsichtlich Kauf- und Wirtschaftskraft auf dem Niveau von Bielefeld." Darum gelte es, alle Vorteile zu nutzen, die sich aus den Verbindungen kleinerer Fluggesellschaften ergeben.
Wenn die Gesellschafter der Berlin-Brandenburger Flughafenholding (BBF), die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund, es billigend in Kauf nehmen, dass die Tempelhofer Airlines im Fall der Stilllegung Tempelhofs aus Berlin abwandern, sei dies wirtschaftlich gesehen leichtfertig, sagte die Europa-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt: "Ich wünsche mir, dass die Flughafengesellschaft Planungssicherheit schafft und sich als Dienstleister für die Airlines und die Passagiere begreift. Nur zu sagen "geht nach Schönefeld', reicht nicht".
Ein Umzug nach Schönefeld wird von SN Brussels, Cirrus Airlines, Denimair, Intersky, der Luftverkehrsgesellschaft Walter, der ostfriesischen Lufttransport und der Swiss International aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen. Allein der Flughafen Tegel wäre eine Alternative. Doch auch dort werden Wettbewerbsnachteile gegenüber bereits ansässigen und günstigeren Airlines befürchtet.
Schließung kostet dreißig Millionen
Der Vorsitzende der Interessenvertretung Tempelhofer Airlines AOC, Bernhard Liscutin, rechnet mit etwa 150.000 Passagieren, die der Hauptstadt dann verloren gehen.
Die Fluggesellschaften argumentieren, ihre Kunden seien vornehmlich Geschäftsreisende. Sie würden Schönefeld der weiten Entfernung zur Innenstadt und dem damit verbundenen Zeitverlust wegen nicht akzeptieren. Standortvorteil und damit ihre Geschäftsgrundlage sei für die Regional-Airlines die Innenstadtlage Tempelhofs. Der City-Airport ist nur vier Kilometer vom Regierungsviertel entfernt. Sie kündigen an, weiter um den Erhalt des Flughafens zu kämpfen.
Einen schweren Stand in der Debatte hatte der Vertreter aus Stolpes Verkehrsministerium (BMVBW), Staatssekretär Tilo Braune. Er versuchte die Flughafenschließung als einen zwischen Bund, Berliner Senat sowie dem Land Brandenburg abgestimmten Vorgang darzustellen, der verkehrspolitisch vernünftig und betriebswirtschaftlich notwendig sei.
Die Schließung Tempelhofs kostet 32 Millionen Euro, davon fließen etwa 24,5 Millionen Euro in den Sozialplan. Das erklärte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit gegenüber der deutschen Presseagentur.
Joachim Adomatis.
Mehr über die wenig durchdachten Schließungspläne für Tempelhof lesen Sie in Heft 5/04 von Pilot und Flugzeug