Ich meine, man muss das Ganze nicht so sehr aus der meteorologischen Perspektive betrachten.
Diese Sichtweise beinhaltet ja die Vermutung, dass aus den Wetterkarten ersichtlich wäre, ob ein Flug sicher durchführbar ist oder nicht – und daraus leitet man dann ab, ob der Pilot ein Hasardeur war oder aber nicht.
In Wirklichkeit sind aber möglicherweise beide Arten von Piloten am Ende des Fluges tot oder lebendig.
Als Community werden wir es bei Wetterkarten zur Ist-Situation (METAR’s, Satellitenbilder, Radar, Temps) vielleicht gerade noch schaffen, uns auf fliegbar/nicht-fliegbar zu einigen.
Aber selbst hier wird es Wetterlagen geben, die dem einen noch als machbar erscheinen, dem anderen aber schon als absolut unfliegbar. Dementsprechend fällt dann bei einem Unfall die Beurteilung aus. Der eine kratzt sich am Kopf und sagt: „War nach meiner Erfahrung eigentlich machbar“, der nächste sagt: „Siehste, sah man doch, dass das in die Hose gehen würde“.
Wenn wir über Wetterprognosen sprechen, dann wird das Ganze noch eine Ebene facettenreicher, denn Wettervorhersagen sind oft ob der vielen und teilweise stark divergierenden Prognosen zu einer Art Glaubensfrage verkommen, die aber anders als in der Metaphysik nachträglich entschieden wird.
Am Ende hat der Recht, der auf das richtige Modell gesetzt hat. Das macht ihn aber nicht zum Wetterexperten, so wie es einen Pferdewetten-Gewinner nicht zu einem Pferdeexperten macht, wenn er einmal gewinnt.
Meines Erachtens sind beide Auffassungen („Siehste!“ und „..unerklärlich, hätte doch gehen müssen“) falsch, unabhängig davon ob sie auf Ist-Wetter oder auf Prognosen gründen.
Richtig ist sicher, dass höhere Limits mehr Sicherheit geben. Natürlich kann man Flüge wie diesen hier https://www.youtube.com/watch?v=Rz3J7IF86m0 (Danke, Malte) überleben (mindestens bis 1Minute17 schauen).
Man darf daraus aber nicht schließen, dass es „sicher“ war, auch wenn man solche Flüge 100x überlebt hat.
Aber genau das passiert. Wer bei zunehmend schlechtem Wetter fliegt, schöpft potentiell positive und affirmative Erfahrung. Man landet bei 500ft Overcast, Nebelschwaden und 2km Sicht und lernt: Es geht doch.
Das kann dazu führen, dass persönliche Limits weiter herabsinken ohne dass man im Kopf das Bewusstsein für das steigende Risiko nachführt.
Ein Teil (hoffentlich ein großer) der Piloten wird das bis zu einem Limit treiben, das noch als vertretbar gelten kann. Ein anderer (ebenfalls großer) Teil der Piloten wird seine Limits immer deutlich über dem lassen, was noch als vertretbar gilt. Und ein kleiner Teil der Piloten geht eben immer ein bisschen weiter, ein Prozess, der über Jahre oder Jahrzehnte sich erstrecken kann, bis dann eben der Flug kommt, an dem man die Limits soweit abgesenkt hat, dass es eben nicht mehr zu einem glücklichen Ende kommen kann.
Das sind dann die Piloten, die wir hier im Flugzeug als Hasardeure bezeichnet haben, Cowboys, die einen Anflug auf einen im Nebel liegenden Flugplatz versuchen.
Es gibt aber auch Piloten, die noch vor dem Erreichen dieses Endstadiums draufgehen. Und das ist möglicherweise nur eine statistische Frage und ich fürchte, im vorliegenden Falle vielleicht einschlägig.
Der Flug war nicht unmöglich. Ich behaupte, es werden dutzende solcher Flüge in der Woche durchgeführt (z.B. den Flug von Georg ex EDXH). Man fliegt bei gutem Wetter ab und schaut mal ob es klappt. Sieht nicht wirklich so aus, als ob es klappen könnte, aber „Versuch macht kluch“ und man kann ja umdrehen.
Das ist das Vorrecht des VFR-Piloten, so lange er nach Sicht fliegt, fliegt er halt. Und dann geht man halt runter bis zu seinem persönlichen Minimum, vielleicht eben diese 500ft AGL, denn man hat ja in seinem Fliegerleben gelernt – wenn ich mich an dieses Limit halte, dann bin ich ja safe, denn bisher habe ich noch alle diese Flüge und Versuche überlebt.
Nicht bedacht ist dabei, dass ein Flug in 500ft AGL Wolkenuntergrenze ganz andere Risiken mit sich bringt als ein Flug bei 2000ft Obergrenze. Dass die Marge für Fehler fiel kleiner wird, übersehene Hindernisse, technische Probleme, gesundheitliche Probleme, weitere Wetterverschlechterungen oder was auch immer das Fenster zum Überleben deutlich kleiner machen, als es bei CAVOK ist.
Dass bei solchen Flügen die GA eben nicht mehr das gleiche Sicherheitsrisiko aufweist, wie Motorradfahren. Es liegt vielleicht noch nicht bei Base-Jumping, aber es ist eben ein Vorgang, der fiel höhere Unfall- und Todesraten aufweist.
Das sollte man Bedenken, wenn man einer Atmosphäre Vorschub leistet, in der marginal-VFR flying prinzipiell gelobt wird und in der ein Wolkenfetzen und ein paar Sekunden IMC mit Schulterzucken abgetan werden.
Ich verurteile das nicht, persönlich bin ich darüber hinweg, glaube ich, obwohl ich die Herausforderung „es auch bei diesem Wetter zu schaffen“ schon spüre. Es ist eine schöne Art des Fliegens, das knappe Wetter.
Aber es ist auch eine riskantere. Wenn man diese Abwägung bewusst trifft, ist es völlig in Ordnung. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass es am Ende die erhöhten Risiken sind, die uns umbringen und nicht das falsche Lesen einer Wetterkarte. VFR-Fliegen kann man nämlich sehr sicher auch nur durch rausgucken.