Ich vermute, daß die Mehrheit der AfD-Wähler sie nicht wegen vermeintlich angebotener Lösungen wählt. Die Meisten wissen, daß das "langsame bohren dicker Bretter" nicht so einfach ist. Eine ältere Umfrage hatte das weit/extrem rechts außen (oder rechtsradikal, nationalistisch, autoritaristisch...) stehende Wählerpotential mit 5-10% angegeben, je nach Land. Alles, was über 5% AfD hinausgeht, haben sich m.E. die Parteien von Grünen bis CDU absolut selbst zuzuschreiben.
Zum einen ein ästhetisches Problem: wenn sich jemand im Privatleben so verhalten würde wie Parteipolitiker öffentlich, würde man sie als unwahrhaftig, rückratlos, feige, schleimig, .... bezeichnen. Kurz, man würde mit Sicheheit keinen Kontakt zu ihm pflegen. Sobald sie den Mund aufmachen, weiß man, daß das allenfalls ein Drittel der Wahrheit ist und das nicht unbedingt aus lauteren Motiven.
Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an 1990, als auf einmal Politiker/Bürgerbewegung der DDR interviewt wurden. Welcher Kulturschock: da sagt jemand, wo er steht, was er aufgrund welcher Faktoren glaubt und was er wie verwirklichen möchte - auf einmal lohnte es sich, den Ton am FS wieder aufzudrehen. Die Anziehungskraft von Trump, Orban, LePen, AfD sehe ich auch darin, daß Auftritt und Inhalt kongruent sind (Trump als charakterloser Lügenbold ist noch ein Sonderfall und sagt mE mehr über die Demokraten aus als über seine Wähler). Das erfordert der Politikbetrieb aber vielleicht teilweise, siehe das öffentliche Schlachten für 5€-Wein und einfache Steuermodelle, auch das im Volltext angehängte Interview gibt da einen Einblick.
Zum anderen die gesellschaftspolitische Richtung. Die aktuell verlautbarten Ziele zu Gendern, Einfamilienhäusern, Immigranten ... wasimmer, entsprechen nicht den Wertvorstellungen von vielen Leuten, die sich selbst "in der Mitte der Gesellschaft" sehen. Hierzu: "Aber in der Tat: Der Wahl-O-Mat gaukelt manch Konservativem, wenn man alles in einen Topf rührt und den Durchschnitt zeigt, vor, dass man viel näher an der AfD liegt, als man es wirklich ist." Wenn man sie lange genug als "deplorables" bezeichnet, wenden sie sich eben ab. Dabei gäbe es ja zuhauf Argumente zB gegen EFH, für eine strukturierte Einwanderungspolitik und und und.
Dann erst kommt mE, daß Grüne, SPD, FDP, CDU gar keine Lösungen anbieten wollen. Rente, Gesundheitssystem, Verkehrsinfrastruktur, Zersiedelung der Landschaft, Verstädterung/Ballungszentren/Mieten, Energieversorgung, Integration von Ausländern, Fachkräftemangel und und und sind seit vielen Jahrzehnten bekannte große Aufgaben, die keiner angehen will, weil sie einen Horizont von mehr als 4 Jahren erfordern würden.
Kurz: die Nazis halte ich nicht für das Problem.